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Sri Aurobindo und Der Mutter

Das Seelische Wesen

DIE SEELE: IHRE NATUR, AUFGABE UND EVOLUTION

AUSZÜGE AUS DEN WERKEN VON
SRI AUROBINDO UND DER MUTTER.
ZUSAMMENSTELLUNG: A. S. DALAL

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

I. BEDEUTUNG UND NATUR DES SEELISCHEN WESENS

Was ist mit dem seelischen Wesen gemeint?

Atman, Jivatman und die Seele

Das seelische Mental, das seelische Vital, das seelische Physische

Die doppelte Seele

Die Natur des seelischen Wesens

Die Seele und das Spirituelle

Gefühl und Liebe – vital und seelisch

Wissen – mental und seelisch

II. ROLLE, AUFGABE UND TÄTIGKEIT DER SEELE

Die Aufgabe der Seele

Einfluss und Tätigkeit der Seele

Unterweisung durch die Organisation des Lebens

Das seelische Wesen – Zentrum der Selbst-Einung

III. WACHSTUM UND ENTWICKLUNG DER SEELE

Evolution und Seele

Seelisches Wachsen und seelische Entwicklung

IV. DAS SEELISCHE WESEN UND DIE SADHANA

Drei Schritte der Selbstverwirklichung und die dreifache Umwandlung

Sich des seelischen Wesens bewusst werden: das Erfordernis der Sadhana

Das seelische Wesen und die Wende

Die seelische Wende: das erste Erfordernis

Das Auftauchen der Seele

Der sonnenhelle Weg der Seele

V. DAS LEBEN NACH DEM TOD UND DIE WIEDERGEBURT

Der Vorgang der Wiedergeburt

Überleben nach dem Tode und Reinkarnation

Die Wahl der Seele und die Bedingungen der Wiedergeburt

Die Erinnerung an vergangene Leben

VI. MEHR ÜBER DAS SEELISCHE WESEN

Glossar
Quellennachweis

 

Vorwort

Die vorliegende Auswahl ist ein Versuch, die verschiedenen Lehren über das seelische Wesen in den Werken von Sri Aurobindo und der Mutter in einem Band zusammenzustellen. Die Auszüge behandeln die Natur des seelischen Wesens und lenken die Erkenntnisse Sri Aurobindos und der Mutter auf die innere Beschaffenheit des menschlichen Wesens, sowie auf verschiedene diesbezügliche Fragen, wie den Vorgang inneren Wachsens, das Leben nach dem Tode, die Wiedergeburt, die Sadhana usw. Obwohl die Auswahl umfassend ist, und alle grundlegenden Aspekte des Stoffes behandelt, will sie nicht erschöpfend sein. Sie ist in der Hauptsache für den allgemeinen Leser bestimmt, und lässt einen großen Teil dessen aus, was nur für diejenigen von Interesse wäre, die Sri Aurobindos Yoga ausüben, oder aber für diejenigen, die Philosophie oder philosophische Psychologie studieren.

Um das Verstehen zu erleichtern, wurden alle Auszüge, außer denen im letzten Teil des Buches, in Abschnitte und Unterabschnitte eingeteilt, deren jeder einen spezifischen Aspekt des jeweiligen Themas behandelt. Da jedoch das Buch eine Zusammenstellung aus verschiedenen Quellen ist, war sowohl ein Überschneiden als auch eine Wiederholung des Inhaltes nicht zu vermeiden. Um die Ganzheit und Integrität der Auszüge zu bewahren, wurde auf die Herausgabe von auszugsweisen Äußerungen innerhalb eines Abschnittes verzichtet; ebenso wurde das Aufteilen eines Abschnittes in verschiedene Teile, um der Gliederung zu genügen, vermieden. Auch eingeschaltete Bemerkungen und Äußerungen, die sich auf ein bestimmtes Thema beziehen, das vom Hauptthema eines Abschnitts abweicht – was in den Briefen Sri Aurobindos und den Antworten der Mutter auf Fragen häufig vorkommt – wurden im allgemeinen beibehalten.

Der Grund, warum Sri Aurobindo den Ausdruck “seelisches Wesen” geprägt hat, wurde von ihm wie folgt dargelegt:

Das Wort “Seele” wird im Englischen sehr unbestimmt gebraucht, da es sich oft auf das ganze nicht-physische Bewusstsein bezieht, einschließlich des Vitals mit seinen Begierden und Leidenschaften. Daher musste der Ausdruck “seelisches Wesen” geprägt werden, um diesen göttlichen Teil von den instrumentalen Teilen der menschlichen Natur zu unterscheiden.” (22:290)

Einer der wichtigsten Punkte, die klar verstanden werden sollten, ist die vitale Unterscheidung zwischen der Seele in ihrer Essenz – von Sri Aurobindo verschiedentlich als die Seele bezeichnet, die seelische Essenz, die seelische Wesenheit, die seelische Existenz, der Seelenfunke oder das Seelenelement – und die Seele in ihrer entwickelten, individualisierten Form, das “seelische Wesen” genannt, die seelische Personalität, die Seelenform oder Seelenpersonalität, welche in Sri Aurobindos Worten “der Funke ist, der mit dem Wachsen des Bewusstseins in ein Feuer wächst.” (22:278) Es muss ebenfalls betont werden, dass die Ausdrücke “Seele” und “seelisch”, wenn sie ohne Attribut gebraucht werden, sich manchmal auf den Seelenfunken oder die seelische Essenz beziehen und manchmal auf die Seelenpersonalität oder das seelische Wesen.

Die Natur und Funktion des seelischen Wesens kann nicht gut ohne Bezugnahme auf andere Teile des menschlichen Wesens erklärt werden. In dieser Zusammenstellung wird der Leser daher häufig die verschiedenen Teile des menschlichen Wesens erwähnt finden, von denen einige in Sri Aurobindos Yoga mit bestimmten Ausdrücken bezeichnet werden. Das Glossar am Ende des Buches enthält diese Schlüsselausdrücke, zusätzlich zu den Sanskritausdrücken; es enthält ferner gewöhnliche englische Ausdrücke, die in einem speziellen Sinn im Integralen Yoga gebraucht werden. Es sei bemerkt, dass einige der Sanskritausdrücke einen umfassenderen Inhalt haben können, als den im Glossar angeführten, und auch in einem anderen Zusammenhang eine andere Bedeutung haben können.

Abschließend sei erwähnt, dass die in diesem Buch zusammengestellten Abschnitte zum überwiegenden Teil aus den Briefen Sri Aurobindos und den Gesprächen der Mutter mit den Kindern des Ashrams stammen. Das erklärt ihren oft zwanglosen Stil, die Auslassungen, Pausen, Wiederholungen usw. in vielen der Auszüge.

A. S. DALAL

Doch da sie des Geistes und des Lebens Mühsal kennt,

Einer Mutter gleich, die ihrer Kinder Leben fühlt und teilt,

Sendet sie ein kleines Etwas ihrer selbst hinaus,

Ein Wesen, nicht größer als eines Menschen Daumen,

In den verborgenen Herzensbereich,

Um der Pein zu begegnen und die Wonne zu vergessen,

Das Leid zu teilen und der Erde Weh zu tragen,

Zu werken inmitten des Wirkens der Sterne.

Dies lacht in uns und weint und duldet den Hieb,

Frohlockt im Siege und ringt um die Krone;

Ist eins mit Geist und Leib und Leben,

Nimmt auf sich deren Angst und Unvermögen,

Blutet von des Schicksals Hieben, hängt am Kreuz,

Und ist dennoch das unversehrte, unsterbliche Selbst,

Den Spieler stützend in der Menschheit Spiel.

Durch dies schickt sie uns ihre Herrlichkeit und Macht,

Drängt uns zu Weisheitshöhn durch Abgründe des Leids;

Sie gibt uns Kraft für unser Tagewerk

Und Mitgefühl für anderer Leid,

Und die geringe Stärke, die unser ist, um unserer Art zu helfen,

Wir, die wir die Rolle des Universums übernommen haben,

Das Komödie spielt in schmächtiger Menschengestalt,

Wir, die wir die ringende Welt auf unseren Schultern tragen.

Das ist der Gott in uns, klein und entstellt;

In diesen menschlichen Teil des höchsten Wesens

Setzt sie die Größe der Seele in der Zeit,

Um sie von Licht zu Licht, von Macht zu Macht zu heben,

Bis sie auf himmlischem Gipfel steht, ein König,

Gebrechlichen Leibs, zuinnerst eine unbesiegbare Macht,

Klimmt stolpernd sie an ungesehner Hand,

Ein sich mühender Spirit in sterblicher Gestalt.

SRI AUROBINDO

SAVITRI: BUCH VII CANTO 5

I.Bedeutung und Natur des seelischen Wesens

Diese leibliche Erscheinung ist nicht alles;

Irreführend ist die Form, Maske die Person;

Im Menschen tief verborgen wohnen Himmelsmächte.

Durch das Meer der Jahre trägt sein brüchiges Schiff

Ein Inkognito des Unvergänglichen.

Ein Spirit, eine Flamme Gottes, weilt,

Feuriger Teil des Wundervollen,

Künstler seiner eigenen Schönheit, seiner Wonne,

Unsterblich in unserer sterblichen Armut.

Dieser Bildner der Formen des Unendlichen,

Dieser verborgene, unerkannte Einwohner,

Initiant seiner eigenen verhüllten Mysterien,

Birgt sein kosmisches Denken in stummem Kern.

In stiller Stärke der okkulten Idee

Vorherbestimmte Form und Tat entscheidend,

Wanderer von Leben zu Leben, von Stufe zu Stufe,

Sein erdachtes Selbst von Form zu Form verändernd,

Betrachtet er das Bild, das unter seinem Blicke wächst,

Und ahnt im Wurm den künftigen Gott.

SRI AUROBINDO

SAVITRI: BUCH I CANTO 3

Was ist mit dem seelischen Wesen gemeint?

Ich meine mit der Seele das innerste Seelen-Wesen und die Seelen-Natur. In der Umgangssprache wird das Wort nicht in diesem Sinn gebraucht, oder vielmehr, wenn es so gebraucht wird, dann mit großer Unbestimmtheit und viel Verkennung der wahren Natur dieser Seele, und es wird ihm ein großes Feld von Bedeutungen eingeräumt, die den Begriff weit überschreiten. Alle Erscheinungen von abnormaler oder übernormaler psychologischer oder okkulter Art werden als seelisch ausposaunt; wenn ein Mensch eine doppelte Persönlichkeit hat, und von einer zur anderen wechselt, wenn die Erscheinung eines sterbenden Menschen, ein Teil seiner rein vitalen Hülle oder etwa eine Gedankenform von ihm erscheint, und im Zimmer seines verwunderten Freundes umgeht, wenn ein Poltergeist in einem Haus ungehörigen Krach schlägt – all das wird unter seelischen Phänomenen eingeordnet, und als Objekt für die seelische Forschung betrachtet, obgleich diese Dinge rein gar nichts mit der Seele zu tun haben. Und ebenso im Yoga selbst wird viel, was lediglich okkult ist, Erscheinungen der unsichtbaren vitalen oder mentalen oder der feinstofflichen Ebenen, Visionen, Symbole, all jener zweifelhafte, oft verworrene, oft schattenhafte, oft trügerische Erfahrungsbereich, der zum Niemandsland zwischen der Seele und ihren Instrumenten an der Oberfläche gehört, oder vielmehr seinen äußersten Randbezirken, all dieses Chaos des Zwischenbereiches wird summa summarum als seelisch bezeichnet, und als zweitrangiges und zweifelhaftes Gebiet spiritueller Entdeckung betrachtet. Dann wiederum besteht eine fortwährende Verwechslung zwischen dem Begriff der mentalisierten Begierdenseele, die eine Schöpfung des vitalen Drängens im Menschen ist, seiner Lebenskraft, die ihre Erfüllung sucht und der wahren Seele, die ein Funke des Göttlichen Feuers ist, ein Teil des Göttlichen. Weil die Seele, das seelische Wesen, Mental und Vital sowie den Körper als Instrumente für Wachstum und Erfahrung benützt, wird sie für ein Gemenge gehalten oder für eine subtile Schicht des Mentals und Lebens. Doch wenn wir im Yoga diese ganze chaotische Masse als Seelensubstanz oder Seelenregung akzeptieren, werden wir in eine Wirrnis ohne Ausweg geraten. All dies gehört allein zur äußeren Umkleidung der Seele; die Seele selbst ist eine innere Gottheit, größer als Mental oder Leben oder Körper. Sie ist etwas, das, wenn es einmal aus der Verfinsterung durch seine Instrumente entlassen ist, sofort einen direkten Kontakt mit dem Göttlichen und dem Selbst und Spirit herstellt.

SRI AUROBINDO (Archives & Research 3:202)

*

Das, was man in der Terminologie des Yoga unter “seelisch” versteht, ist das Element der Seele in der Natur, die reine Seele oder der göttliche Nukleus, der hinter dem Mental, Leben und Körper steht (er ist nicht das Ego), und dessen wir uns nur undeutlich bewusst sind. Er ist ein Teil des Göttlichen, und besteht fort von Leben zu Leben, wobei er die Lebenserfahrung durch seine äußeren Instrumente empfängt. In dem Maße wie diese Erfahrung wächst, offenbart er eine sich entfaltende seelische Persönlichkeit, die immer auf dem Guten und Wahren und Schönen beharrt, und schließlich bereit und stark genug wird, die [menschliche] Natur dem Göttlichen zuzuwenden. Sie kann dann gänzlich hervortreten und den mentalen, vitalen und physischen Schirm durchbrechen, die Instinkte beherrschen und die Menschennatur wandeln. Die Natur drängt sich nicht länger mehr der Seele auf; vielmehr ist es die Seele, der purusa, der der Natur seine Befehle auferlegt.

SRI AUROBINDO (24:1605)

*

Die Menschen verstehen deshalb nicht, was ich mit dem Ausdruck “seelisches Wesen” meine, da das Wort “Seele” im Englischen für alles gebraucht wird, was sich auf das innere Mental, das innere Vital oder das innere Physische bezieht, oder auch auf alles Anormale oder Okkulte, sogar auf die feineren Regungen des äußeren Wesens – alles in kunterbuntem Durcheinander; selbst okkulte Phänomene werden häufig als seelisch bezeichnet. Eine Unterscheidung dieser verschiedenen Teile des Wesens ist unbekannt. Selbst in Indien ist das alte Wissen der Upanishaden, das diese Unterscheidung kannte, verloren gegangen. Der jivatman, das seelische Wesen (purusa antaratman), der manomaya purusa, der pranamaya purusa – alles wird miteinander verwechselt.

SRI AUROBINDO (22:290)

*

Unser seelischer Wesensteil ist etwas, das direkt vom Göttlichen stammt und in Kontakt mit dem Göttlichen steht. Seinem Ursprung nach ist er ein Zentrum voller göttlicher Möglichkeiten, das diese niedere dreifache Manifestation von Mental, Leben und Körper trägt. Es gibt dieses göttliche Element in allen lebenden Wesen, doch ist es hinter dem gewöhnlichen Bewusstsein verborgen, ist zunächst nicht entwickelt, und selbst wenn es entwickelt ist, tritt es nicht immer hervor; es verleiht sich in dem Maße Ausdruck wie es die Unvollkommenheit seiner Instrumente erlaubt, und ist an deren Mittel und Begrenzungen gebunden. Es wächst an Bewusstsein durch die auf Gott gerichtete Erfahrung und gewinnt jedes mal Kraft, wenn eine höhere Regung in uns ist; schließlich wird durch die Anhäufung dieser tieferen und höheren Regungen eine seelische Individualität entwickelt – das, was wir meist das seelische Wesen nennen. Das seelische Wesen ist immer die wahre, doch oft verborgene Ursache dafür, dass sich ein Mensch dem spirituellen Leben zuwendet, und es ist für diesen Schritt seine größte Hilfe. Aus diesem Grund müssen wir es im Yoga aus dem Hintergrund nach vorne bringen.

Das Wort “Seele” und “seelisch” wird in der englischen Sprache sehr unbestimmt und mit ganz unterschiedlicher Bedeutung gebraucht. Sehr häufig wird in der gewöhnlichen Umgangssprache kein deutlicher Unterschied zwischen Mental und Seele gemacht, und ein noch ernster zu nehmendes Durcheinander entsteht dadurch, dass das vitale Begierdenwesen – die falsche Seele oder Begierdenseele – mit dem Wort “Seele” bezeichnet wird, und nicht die wahre Seele, das seelische Wesen. Das seelische Wesen ist vom Mental oder Vital völlig verschieden; es steht hinter ihnen, dort wo diese sich im Herzen treffen. Dies ist sein zentraler Ort, doch eher hinter dem Herzen als im Herzen; denn was die Menschen gewöhnlich das Herz nennen, ist der Sitz des Gefühls, und menschliche Gefühle sind mental-vitale Impulse und im allgemeinen nicht von seelischer Natur. Diese meist verborgene Macht im Hintergrund ist von Mental und Lebenskraft verschieden, sie ist die wahre Seele, das seelische Wesen in uns. Die Macht der Seele besteht darin, auf Mental, Vital und Körper einzuwirken, sie vermag das Denken, die Wahrnehmung, das Gefühl (welches dann ein seelisches Gefühl wird) sowie die Empfindung und Tat und alles übrige in uns zu läutern, und sie auf diese Weise darauf vorzubereiten, zu göttlichen Regungen zu werden.

Das seelische Wesen würde in der indischen Sprache als der purusa im Herzen bezeichnet werden, als caitya purusa1; doch mit Herz ist das innere oder geheime Herz gemeint, hrdaye guhayam, und nicht das äußere vital-emotionale Zentrum.

SRI AUROBINDO (22:288)

*

Im allgemeinen werden die mehr innerlichen und die anormalen seelischen Erfahrungen mit “seelisch” bezeichnet. Ich gebrauche das Wort “seelisch” in Zusammenhang mit der Seele und zum Unterschied von Mental und Vital. Alle Regungen und Erfahrungen der Seele würden in diesem Sinne seelisch genannt werden, also jene, die sich aus dem seelischen Wesen erheben oder es direkt berühren; wo hingegen Mental und Vital das Übergewicht haben, würde man die Erfahrung als psychologisch bezeichnen (oberflächlich oder verborgen).

SRI AUROBINDO (22:75)

*

Das Wort Seele hat je nach dem Zusammenhang verschiedene Bedeutungen; es kann der purusa sein, der die Gestaltungen der prakrti stützt – das, was wir das Sein nennen, obwohl das richtige Wort dafür das Werden wäre; es kann aber auch speziell das seelische Wesen in einem evolutionären Geschöpf wie dem Menschen bedeuten; es kann der göttliche Funke sein, der in die Materie durch die Herabkunft des Göttlichen in die stoffliche Welt gelangte, und hier alle sich entwickelnden Formierungen aufrecht erhält. Es gibt kein seelisches Wesen in einem nicht-evolutionären Geschöpf wie dem asura, und kann auch keines geben, ebensowenig in einem Gott, der es für sein Dasein nicht braucht. Im Gott gibt es jedoch einen purusa und eine prakrti oder die Energie der Natur dieses purusa. Wenn ein Wesen der fixierten Welten sich entwickeln will, muss es zur Erde herabkommen, einen menschlichen Körper annehmen und willens sein, an der Evolution teilzuhaben. Die vitalen Wesen wollen aber diese Zustimmung nicht erteilen und versuchen daher, von den Menschen Besitz zu ergreifen, damit sie die Stofflichkeit des physischen Lebens genießen können, ohne die Bürde der Evolution auf sich zu nehmen oder sich dem Vorgang der Wandlung, in dem jene kulminiert, zu unterziehen.

SRI AUROBINDO (22:386)

*

Was genau ist die Seele oder das seelische Wesen? Und was ist mit der Evolution des seelischen Wesens gemeint? Worin besteht seine Beziehung zum Höchsten?

Die Seele und das seelische Wesen sind nicht genau das gleiche, obwohl ihre Essenz die gleiche ist.

Die Seele ist der göttliche Funken, der im Zentrum jedes Wesens wohnt; sie ist identisch mit ihrem Göttlichen Ursprung; sie ist das Göttliche im Menschen.

Das seelische Wesen wird im Laufe seiner unzähligen Leben in der Erdevolution fortschreitend um dieses göttliche Zentrum, die Seele, geformt, bis die Zeit kommt, da das seelische Wesen, voll gestaltet und gänzlich erweckt, die bewusste Hülle der Seele wird, um die es geformt ist.

Derart mit dem Göttlichen identifiziert, wird sie zu Seinem vollendeten Instrument in der Welt.

DIE MUTTER (16:247)

*

Ist im Menschen das seelische Wesen die ganze Seele oder existieren beide, die Seele (in ihrer Essenz als ein göttlicher Funke in allen Geschöpfen) und das seelische Wesen Seite an Seite?

Die Seele ist die ewige Essenz im Zentrum des seelischen Wesens. Sie gleicht tatsächlich einem göttlichen Funken, der viele Seinszustände von zunehmender Dichte annimmt, bis hinab zum ganz Stofflichen; sie ist innerhalb des Körpers, gleichsam innerhalb des Solar Plexus2. Diese Seinszustände nehmen Form an, sie entwickeln sich, schreiten fort und werden im Laufe vieler Erdenleben individualisiert und vervollkommnet, um das seelische Wesen zu bilden. Wenn das seelische Wesen voll geformt ist, erkennt es das Bewusstsein der Seele und verkörpert sie in vollendeter Weise.

DIE MUTTER (16:358)

*

Sind die Seele und das seelische Wesen ein und dieselbe Sache?

Das hängt von der Bedeutung ab, die du den Worten gibst. In den meisten Religionen, und vielleicht auch in den meisten Philosophien, wird das vitale Wesen “Seele” genannt, denn es heißt, dass die Seele den Körper verlässt, während es [in Wirklichkeit] das vitale Wesen ist, das den Körper verlässt. Man spricht davon, “die Seele zu retten” oder von der “verruchten Seele” oder von der “Erlösung der Seele” ..., doch all das trifft auf das vitale Wesen zu, denn das seelische Wesen bedarf einer Rettung nicht! Es hat an den Fehlern der äußeren Person keinen Anteil, es ist frei von aller Reaktion.

DIE MUTTER (16:137)

*

Zwischen der Seele in ihrer Essenz und dem seelischen Wesen muss unterschieden werden. Hinter allem und jedem steht die Seele, der Funke des Göttlichen – keiner könnte ohne sie bestehen. Es ist jedoch durchaus möglich, ein vitales und ein physisches Wesen zu besitzen, ohne ein deutlich entwickeltes seelisches Wesen dahinter. Dennoch kann man keine allgemein gültige Regel aufstellen in dem Sinne, dass ein Primitiver keine Seele besitzt, oder dass sich bei ihm nirgendwo eine Seele zeigt.

Das innere Wesen setzt sich aus dem inneren Mental, dem inneren Vital und dem inneren Physischen zusammen – doch dies ist nicht das seelische Wesen. Die Seele ist das innerste Wesen und von jenen ganz verschieden. Im Englischen wird das Wort “Seele” tatsächlich für alles gebraucht, das etwas anderes oder Tieferes als das äußere Mental und Leben und den äußeren Körper bezeichnet, für alles Okkulte und Überphysische; doch diese Ausdrucksweise bringt Verwirrung und Fehler mit sich, und wenn wir über den Yoga sprechen oder schreiben, müssen wir sie gänzlich fallenlassen. In der gewöhnlichen Umgangssprache mag ich manchmal das Wort “seelisch” in einem freieren, populäreren Sinn gebrauchen; oder aber in der Poesie, die an intellektuelle Genauigkeit nicht gebunden ist, spreche ich manchmal von der Seele in einem mehr allgemeinen und äußerlichen Sinn, jedoch genauso in ihrer wahren Bedeutung.

Das seelische Wesen ist durch Oberflächenregungen verhüllt und drückt sich, so gut es kann, durch seine äußeren Instrumente aus, die aber eher durch von außen wirkende Kräfte als durch die inneren Einflüsse der Seele gelenkt werden. Doch dies bedeutet nicht, dass sie von der Seele völlig abgeschnitten sind. Die Seele befindet sich ebenso im Körper wie das Mental oder Vital –, doch ist der Körper, in dem sie wohnt, nicht allein dieser grobstoffliche Rahmen, sondern auch der feinstoffliche Körper. Sobald die grobstoffliche Hülle abfällt, bleiben die vitalen und mentalen Hüllen des Körpers als Gefäß der Seele noch bestehen, bis auch diese sich auflösen.

Die Seele einer Pflanze oder eines Tieres kann man nicht insgesamt als schlummernd bezeichnen – ihre Ausdrucksmittel sind lediglich weniger entwickelt als die eines menschlichen Wesens. Es gibt viel Seelisches in der Pflanze, viel Seelisches im Tier. Die Pflanze aber hat in ihrer Form nur das Vital-Physische entwickelt, daher kann sie sich nicht ausdrücken; das Tier hat ein vitales Mental und kann sich zwar ausdrücken, doch ist sein Bewusstsein begrenzt, seine Erfahrungen sind begrenzt, und daher verfügt die Seelenessenz über ein weniger entwickeltes Bewusstsein, eine weniger entwickelte Erfahrung als diejenige, die im Menschen vorhanden oder zumindest möglich ist. Und dennoch haben Tiere eine Seele und können bereitwillig auf die Seele im Menschen ansprechen.

Ein Geist (ghost) ist natürlich nicht die Seele. Er ist entweder der Mensch, der in seinem vitalen Körper erscheint, oder er ist ein Fragment seines Vitals, das von einer vitalen Kraft oder Wesenheit benützt wird. Unser vitales Wesen besteht normalerweise nach der Auflösung des Körpers eine Zeit lang fort und geht dann in die vitale Ebene ein, wo es bleibt, bis sich die vitale Hülle auflöst. Dann begibt sich die Seele, sofern sie mental entwickelt ist, in die mentale Hülle zur mentalen Welt, und schließlich verlässt sie auch ihre mentale Hülle und begibt sich zu ihrem Ort der Ruhe. Bei einem stark entwickelten Mental kann unser mentaler Teil auch bei der Seele bleiben, genau wie der vitale; Voraussetzung dafür ist, dass sie vom seelischen Wesen geformt und um dieses zentriert sind –, dann teilen sie die Unsterblichkeit der Seele. Andernfalls nimmt die Seele die Essenz von Mental und Leben in sich auf und begibt sich zu einer zwischengeburtlichen Ruhe.

SRI AUROBINDO (22:293)

*

In der Erfahrung des Yoga ist das Selbst oder Wesen essentiell eins mit dem Göttlichen oder zumindest ein Teil des Göttlichen und im Besitz aller göttlichen Macht. Doch in der Manifestation nimmt es zwei Aspekte an, den des purusa und den der prakrti, das bewusste Wesen und die Natur. Hier in der Natur ist das Göttliche verhüllt und das individuelle Wesen der Natur unterworfen, die als niedere prakrti wirkt, als eine Kraft der Unwissenheit, avidya. Der purusa als solcher ist göttlich, doch in seiner äußeren Gestalt in der Unwissenheit der Natur ist er die scheinbare Individualität, unvollkommen durch ihre Unvollkommenheit. Daher birgt die Seele oder seelische Essenz – die der purusa ist, der in die Evolution eintritt und diese stützt – in sich alle göttlichen Möglichkeiten; doch das individuelle seelische Wesen, das die Seele vertritt, nimmt die Unvollkommenheit der Natur an und entfaltet sich in ihr, bis es seine volle seelische Essenz wiedergefunden und sich mit dem Selbst darüber, dessen individuelle Projektion in der Evolution es ist, geeint hat. Diese Dualität im Wesen auf all seinen Ebenen – denn dies trifft auf andere Art und Weise nicht nur für das Selbst und die Seele zu, sondern auch für den mentalen, vitalen und physischen purusa – muss erkannt und angenommen werden, bevor die Erfahrungen des Yoga voll verstanden werden können.

Das Wesen ist durch und durch eins, doch auf jeder Ebene der Natur wird es durch eine Form seiner selbst vertreten, welche jener Ebene entspricht, dem mentalen purusa auf der mentalen Ebene, dem vitalen purusa auf der vitalen Ebene, dem physischen purusa auf der physischen Ebene. Die Taittiriya Upanishad spricht von zwei weiteren Ebenen des Wesens, der Ebene des Wissens oder der Wahrheit und der Ananda-Ebene, jede mit ihrem purusa; diese sind jedoch, obwohl Einflüsse von ihnen herabkommen können, für das menschliche Mental überbewusst, und ihre Natur ist bislang hier noch nicht geformt.

SRI AUROBINDO (22:284)

***

Atman, Jivatman und die Seele

Es ist notwendig, den Unterschied zwischen der sich entfaltenden Seele (dem seelischen Wesen) und dem reinen atman, dem Selbst oder Spirit klar zu verstehen. Das reine Selbst ist ungeboren, es durchläuft weder Tod noch Geburt und ist unabhängig von Geburt oder Körper, von Mental, Leben oder dieser manifestierten Natur. Es wird durch diese Dinge weder gebunden noch eingeschränkt, noch beeinträchtigt, obwohl es sie annimmt und stützt. Im Gegensatz hierzu ist die Seele etwas, das in die Geburt herabkommt und den Tod durchläuft – obwohl sie selbst nicht stirbt, da sie unsterblich ist – und von einem Zustand zum anderen, von der Erdebene zu anderen Ebenen und wieder zurück zum Erdendasein wandert. Sie schreitet von Leben zu Leben durch eine Evolution fort, die sie zum menschlichen Zustand emporführt, und entfaltet in all dem ein Wesen ihrer selbst, das wir das seelische Wesen nennen, welches die Evolution stützt; sie entwickelt ein physisches, vitales und mentales menschliches Bewusstsein als ihre Instrumente der Welterfahrung und eines verhüllten, unvollständigen, doch wachsenden Selbstausdrucks. All dies tut sie hinter dem Schleier und offenbart von ihrem göttlichen Selbst nur soviel, wie es die Unzulänglichkeit des instrumentalen Wesens zulässt. Es kommt jedoch eine Zeit, in der sie sich darauf vorbereiten kann, hinter dem Schleier hervorzutreten, die Führung zu übernehmen und die gesamte instrumentale Natur einer göttlichen Erfüllung zuzuwenden. Dies ist der Beginn des wahren spirituellen Lebens. Die Seele ist nunmehr fähig, sich für eine höhere Evolution des verkörperten Bewusstseins als die des mentalen menschlichen bereit zu machen – sie kann vom mentalen zum spirituellen und über Abstufungen des spirituellen zum supramentalen Zustand fortschreiten. Bis dahin aber gibt es keinen Grund, warum sie sich vom Geborenwerden abkehren sollte, und tatsächlich ist sie hierzu gar nicht in der Lage. Erst nach Erreichung des spirituellen Zustandes kann sie die Erdmanifestation verlassen; es ist aber auch eine höhere Manifestation möglich – im Wissen und nicht in der Unwissenheit.

SRI AUROBINDO (22:438)

*

Der Ausdruck “zentrales Wesen” wird in unserem Yoga gewöhnlich für jenen Teil des Göttlichen in uns angewendet, der alles übrige stützt, und der Tod und Geburt überdauert. Dieses zentrale Wesen hat zwei Formen – über uns befindlich ist es der Jivatman, unser wahres Wesen, dessen wir uns bewusst werden, sobald das höhere Selbsterkennen eintritt; darunter [in uns] ist es das seelische Wesen, das hinter Mental, Körper und Leben steht. Der Jivatman befindet sich über der Manifestation im Leben und ist ihr übergeordnet; das seelische Wesen steht hinter der Manifestation im Leben und stützt sie.

Die natürliche Haltung des seelischen Wesens ist, sich als Kind zu fühlen, als Sohn Gottes, als bhakta; es ist ein Teil des Göttlichen, essentiell eins mit Ihm, doch in der Dynamik der Schöpfung, ja sogar in der Identität, besteht immer die Verschiedenheit. Im Gegensatz hierzu lebt der Jivatman im Essentiellen und kann in der Identität mit dem Göttlichen aufgehen; doch auch er sieht sich, wenn er über der Dynamik der Schöpfung steht, als ein Zentrum des vielfältigen Göttlichen und nicht als Parameshvara. Es ist wichtig, diesen Unterschied zu erkennen; denn wenn der geringste vitale Egoismus vorhanden ist, besteht die Gefahr, sich als Avatar zu betrachten oder sein Gleichgewicht zu verlieren wie Hridaya bei Ramakrishna.

SRI AUROBINDO (22:265)

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Der Spirit ist Atman, Brahman, das Essentielle Göttliche. Wenn das Eine Göttliche seine ihm ewig innewohnende Vielheit manifestiert, wird dieses essentielle Selbst, dieser Atman, für die Manifestation das zentrale Wesen, das von oben die Evolution seiner Personalitäten und Erdenleben hier lenkt, das als solches jedoch ein ewiger Teil des Göttlichen ist und vor der Manifestation auf Erden bestand – para prakrtir jivabhuta.

In dieser niederen Schöpfung, apara prakrti, erscheint dieser ewige Teil des Göttlichen als Seele, ein Funke Göttlichen Feuers, der die individuelle Evolution, das mentale, vitale und physische Wesen stützt. Das seelische Wesen ist der Funke, der zu einem Feuer wird und sich mit dem wachsenden Bewusstsein entfaltet. Das seelische Wesen ist daher evolutionär und geht nicht wie der Jivatman der Evolution voran.

Der Mensch aber ist sich des Selbstes oder Jivatmans nicht bewusst, er kennt nur sein Ego oder sein mentales Wesen, die Leben und Körper beherrschen. Doch wenn er sich tiefer nach innen wendet, erkennt er seine Seele, das seelische Wesen, als seinen eigenen Mittelpunkt, den purusa im Herzen; die Seele ist das zentrale Wesen in der Evolution, sie geht aus dem Jivatman hervor, der ein ewiger Teil des Göttlichen ist, und verkörpert ihn hier. Ist einmal das volle Bewusstsein erlangt, dann werden Jivatman und seelisches Wesen eins.

SRI AUROBINDO (22:278)

*

Die Seele, die das zentrale Wesen verkörpert, ist ein Funke des Göttlichen, der alles individuelle Dasein in der Natur stützt; das seelische Wesen ist eine bewusste Form dieser Seele, die in der Evolution wächst, in jenem langwierigen Prozess, der zuerst das Leben in der Materie entwickelt, dann das Mental im Leben, bis sich schließlich das Mental in das Obermental, und das Obermental in die supramentale Wahrheit zu entwickeln vermag. Die Seele stützt die Natur in dieser stufenweisen Evolution, doch sie ist selbst nichts von all dem.

Diese äußere objektive und oberflächlich subjektiv erscheinende Natur, die die ganze Vielheit von Mental, Leben und Körper manifestiert, nennt man die niedere Natur, apara prakrti. Die höchste Natur, para prakrti, die sich dahinter verbirgt, ist die eigentliche Natur des Göttlichen, eine höchste Bewusstseinskraft, die das mannigfache Göttliche als die Vielen manifestiert. Diese Vielen als solche sind die ewigen Selbste des Höchsten in seiner höchsten Natur, para prakrti. Hier in Bezug auf diese Welt erscheinen sie als Jivatmas, welche die Evolution der natürlichen Geschöpfe, sarva bhutani, stützen in dem veränderlichen Werden, aus dem das Dasein des ksara purusa (des beweglichen oder veränderlichen Purusha) besteht. Der Jiva (oder Jivatman) und die Geschöpfe, sarva bhutani, sind nicht das gleiche. Die Jivatmas stehen in Wirklichkeit über der Schöpfung, obwohl sie an ihr teilnehmen; die natürlichen Wesen, sarva bhutani sind die Geschöpfe der Natur. Mensch, Vogel, Tier und Reptil sind natürliche Wesen, doch das individuelle Selbst in ihnen ist nicht einen einzigen Augenblick lang charakteristisch für Mensch, Vogel, Tier oder Reptil; in seiner Evolution bleibt es durch all diese Wandlungen dasselbe, ein spirituelles Wesen, das dem Spiel der Natur zustimmt.

Das, was sich ursprünglich und ewig im Göttlichen befindet, ist das Sein, und das, was mit Hilfe der Göttlichen Macht entwickelt wird, wie Bewusstsein, Beschaffenheiten, Formen, Kräfte usw. ist das Werden. Das ewig Göttliche ist das Sein; das Universum in der Zeit und alles in ihm Sichtbare ist ein Werden. Das ewige Sein in seiner höchsten Natur, Para Prakriti, ist gleichzeitig der Eine und die Vielen; doch die ewige Vielheit des Göttlichen, wenn sie hinter den erschaffenen Geschöpfen steht, sarva bhutani, erscheint als (oder wie wir sagen, wird) der Jiva, para prakrtir jivabhuta. In der Seele wiederum gibt es zwei Aspekte, im Hintergrund das seelische Dasein oder die Seele und im Vordergrund jene Form der Individualität, die sie im Laufe ihrer Evolution in der Natur annimmt.

Die Seele oder Psyche ist allein in dem Sinn unveränderlich, dass sie alle Möglichkeiten des Göttlichen in sich enthält, doch muss sie diese entwickeln; im Verlauf ihrer Evolution nimmt sie die Form einer sich entwickelnden seelischen Individualität an, welche die individuelle Prakriti in der Manifestation entfaltet und an der Evolution teilhat. Die Seele ist der Funke Göttlichen Feuers, der mit Hilfe des seelischen Wesens hinter Mental, Vital und dem Physischen wächst, bis sie fähig ist, die Prakriti der Unwissenheit in eine Prakriti des Wissens umzuwandeln. Dieses sich entfaltende seelische Wesen ist daher in keinem Augenblick alles, was die Seele oder das essentielle seelische Dasein enthält; es manifestiert und individualisiert in diese Projektion des Spirits das, was potentiell ewig und essentiell transzendent ist.

Das zentrale Wesen ist jenes Wesen, das über den verschiedenen aufeinanderfolgenden Geburten steht, jedoch selbst ungeboren ist, da es nicht in das [menschliche] Wesen herabkommt, sondern darüber ist; es hält das mentale, vitale und physische Wesen und all die übrigen Teile der Persönlichkeit zusammen, und wacht über dem Leben, entweder mit Hilfe des mentalen Wesens, des mentalen Denkens und Willens oder mit Hilfe der Seele, je nachdem, was sich gerade im Vordergrund befindet oder was in der menschlichen Natur am machtvollsten entwickelt ist. Sobald es seine Kontrolle nicht ausübt, befindet sich das Bewusstsein in großer Unordnung, und jeder Teil der Person handelt für sich, so dass es weder im Denken und Fühlen noch im Handeln Übereinstimmung gibt.

Die Seele befindet sich nicht darüber, sondern im Hintergrund – ihr Sitz ist hinter dem Herzen; ihre Macht ist nicht die des Wissens, sondern die eines essentiellen oder spirituellen Fühlens; sie besitzt den klarsten Sinn für die Wahrheit und eine Art innerer Wahrnehmung für sie, und diese sind für die Seelen-Wahrnehmung und das Seelen-Fühlen kennzeichnend. Sie ist unser innerstes Wesen und stützt alle übrigen, das mentale, vitale und physische Wesen; sie ist durch diese jedoch stark verhüllt und kann sie nur indirekt beeinflussen, anstatt aufgrund ihres höchsten Rechts direkt zu handeln; dieses direkte Handeln wird erst in einem hohen Entwicklungsstadium oder mit Hilfe des Yoga etwas Normales und Vorherrschendes. Nicht das seelische Wesen gibt dir, wie du glaubst, die Intuition von künftigen Ereignissen oder warnt dich vor den Folgen bestimmter Taten; dies tut ein Teil des inneren Wesens, manchmal das innere Vital oder sogar manchmal der innere oder feinstoffliche purusa. Dieses innere Wesen, also das innere Mental, das innere Vital, das innere oder feine Physische, weiß viel von dem, was dem äußeren Mental, dem äußeren Vital, dem äußeren Physischen unbekannt ist, denn es steht in einem direkten Kontakt mit den geheimen Kräften der Natur. Die Seele aber ist das innerste Wesen von allen, sie zeichnet sich durch ein Wahrnehmungsvermögen für die Wahrheit aus, das der tiefsten Substanz des Bewusstseins innewohnt, einem Gefühl für das Gute, Wahre, Schöne, für das Göttliche. Das zentrale Wesen, der Jivatman, der weder geboren wird noch sich entwickelt, sondern über der individuellen Geburt und Evolution steht, ist auf jeder Ebene des Bewusstseins vertreten. Auf der mentalen Ebene ist es das wahre (oder innere) mentale Wesen, manomaya purusa, auf der vitalen Ebene das wahre (oder innere) vitale Wesen, pranamaya purusa, auf der physischen Ebene das wahre (oder innere) physische Wesen, annamaya purusa. Jedes Geschöpf ist daher, solange es sich in der Unwissenheit befindet, um seinen mentalen, vitalen oder physischen purusa zentriert, entsprechend der Ebene, auf der es vorwiegend lebt, und dieser erscheint ihm dann als sein zentrales Wesen. Doch der wahre Vertreter ist immer hinter Mental, Vital und Körper verborgen – es ist die Seele, unser innerstes Wesen.

Sobald das innerste Wissen sich auszubreiten beginnt, können wir das seelische Wesen in uns wahrnehmen, es tritt hervor und lenkt die Sadhana. Dann werden wir auch des Jivatmans gewahr, des ungeteilten Selbstes oder Spirits über der Manifestation, den die Seele hier vertritt.

SRI AUROBINDO (22:267)

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Der Jivatman, der Seelen-Funke und das seelische Wesen sind drei verschiedene Formen der gleichen Wirklichkeit und dürfen nicht miteinander verwechselt werden, das dies die Klarheit der inneren Erfahrung trüben würde.

Der Jivatman oder der Spirit, wie er gewöhnlich im Englischen genannt wird, besteht selbstständig über dem manifestierten oder instrumentalen Wesen – er steht über Geburt und Tod und ist immer derselbe, das individuelle Selbst oder der Atman. Er ist das ewig wahre Wesen des Individuums.

Die Seele ist ein Funke des Göttlichen und befindet sich nicht über dem manifestierten Wesen, sondern kommt in die Schöpfung herab, um deren Evolution in der stofflichen Welt zu stützen. Zu Beginn ist sie eine ungeformte Macht des Göttlichen Bewusstseins und enthält alle Möglichkeiten, die bislang noch nicht geformt wurden, denen jedoch eine Form zu geben, Aufgabe der Evolution ist. Dieser Funke besteht in allen lebenden Wesen, vom niedersten bis zum höchsten.

Das seelische Wesen wird in seiner Evolution von der Seele geformt. Es stützt Mental, Vital, Körper, es wächst durch deren Erfahrungen und trägt die Natur von Leben zu Leben. Es ist der seelische oder der caitya purusa. Zu Beginn ist es von Mental, Vital und Körper verhüllt, doch in dem Maße seines Wachsens wird es fähig hervorzutreten, und Mental, Leben und Körper zu beherrschen; von diesen ist es, um sich Ausdruck zu verleihen, im gewöhnlichen Menschen abhängig, es ist nicht fähig, sie zu ergreifen und frei zu gebrauchen. Das Leben des [menschlichen] Wesens ist tierisch oder menschlich, doch nicht göttlich. Wenn jedoch das seelische Wesen durch die Sadhana das Übergewicht gewinnen und seine Instrumente frei gebrauchen kann, wird der Impuls zum Göttlichen vorherrschend und die Umwandlung von Mental, Vital und Körper – und nicht nur ihre Befreiung – möglich.

Das Selbst oder der Atman ist frei und steht über Geburt und Tod; die Erfahrung des Jivatman und seines Einsseins mit dem höchsten oder universalen Selbst ruft das Gefühl der Befreiung hervor, und dies ist es, was für die höchste spirituelle Erlösung notwendig ist. Doch für die Umwandlung des Daseins und der menschlichen Natur, ist das Erwachen des seelischen Wesens und seine Herrschaft über die Natur unerlässlich.

Das seelische Wesen erkennt sein Einssein mit dem wahren Wesen, dem Jivatman, doch es wandelt diesen nicht um.

Der bindu, den du über dir sahst, kann eine symbolische Art sein, den Jivatman, der ein Teil des Göttlichen ist, zu sehen; das Streben dort wäre natürlich auf das Öffnen des höheren Bewusstseins gerichtet, damit das Wesen darin und nicht in der Unwissenheit weilt. Der Jivatman ist in Wirklichkeit bereits eins mit dem Göttlichen, doch ist es notwendig, dass das übrige Bewusstsein dies verwirklicht.

Das Streben des seelischen Wesen ist auf ein Öffnen der gesamten niederen Natur – von Mental, Vital und Körper – zum Göttlichen hin gerichtet, auf die Liebe zum Göttlichen und die Einung mit ihm, auf seine Gegenwart und Macht im Herzen, auf die Umwandlung von Mental, Leben und Körper durch das Herabkommen des höheren Bewusstseins in dieses instrumentale Wesen, diese instrumentale Natur.

Für die Fülle dieses Yoga sind beide Arten der Aspiration notwendig und unerlässlich. Sobald die Seele ihr Streben dem Mental, Vital und Körper auferlegt, werden auch diese mit Aspiration erfüllt, und dies wird dann als Aspiration auf der Ebene des niederen Wesens gefühlt. Das Streben, das darüber empfunden wird, ist das des Jivatman nach dem höheren Bewusstsein mit seiner Verwirklichung des Einen, sich im Wesen zu manifestieren. Beide Arten der Aspiration stützen sich daher gegenseitig. Das Suchen des niederen Wesens wird notwendigerweise zu Beginn immer wieder unterbrochen und vom gewöhnlichen Bewusstsein unterdrückt. Es muss durch die Sadhana geläutert, beständig, stark und ausdauernd werden.

SRI AUROBINDO (22:282)

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Das seelische Mental, das seelische Vital, das seelische Physische

Es gibt immer einen Teil des Vitals, des Mentals, des Körpers, der durch die Seele beeinflusst wird oder werden kann; sie können der seelisch-mentale, der seelisch-vitale, der seelisch-physische Teil genannt werden. Entsprechend der Persönlichkeit oder dem Grad der Entwicklung jedes Menschen, kann dieser Teil klein oder groß sein, schwach oder stark, verdeckt und untätig, oder hervortretend und in Tätigkeit. Ist er tätig, dann werden die seelischen Motive oder Ziele durch die Bewegungen des Mentals, Vitals oder des Physischen akzeptiert, sie nehmen am Wesen der Seele teil oder folgen ihren Zielen, jedoch mit einer Modifikation in der Art, wie sie für das Mental, Vital oder Physische typisch ist. Das seelische Vital sucht das Göttliche, doch ist in seinem Selbstgeben Forderung, Begehren und vitale Spannung enthalten. Die Seele hat das nicht, denn der Seele ist stattdessen reines Selbstgeben, Streben und die Intensität des seelischen Feuers eigen. Das seelische Vital ist dem Schmerz und Leid unterworfen, was es in der Seele nicht gibt.

SRI AUROBINDO (24:1111)

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Die Menschen meinen verschiedene Dinge, wenn sie von der Seele sprechen. Manchmal ist es das, was ich im Arya die Begierden-Seele nannte, nämlich das Vital mit seinen vermischten Bestrebungen, Begierden, Lüsten aller Art, gut oder schlecht, seinen feinen und groben Empfindungen oder sinnlichen Impulsen, die sich mit den Idealisierungen des Mentals und dem seelischen Druck vermengen. Manchmal jedoch stehen auch Mental und Vital unter dem Druck eines seelischen Impulses. Solange die Seele verhüllt ist, muss sie sich durch das Vital und Mental ausdrücken, und ihre Aspirationen werden dort mit dem mentalen und vitalen Stoff vermischt und durchtränkt. So drückt sich das verhüllte, seelische Drängen im Mental manchmal als gedanklicher Hunger nach der Erkenntnis des Göttlichen aus, was der Europäer dann die intellektuelle Liebe Gottes nennt. Im Vital kann es sich als ein Dürsten oder Verlangen nach dem Göttlichen bemerkbar machen. Es kann viel Leiden mit sich bringen, aufgrund der Natur des Vitals, seinen unruhigen Leidenschaften, Begierden, seiner Heftigkeiten und aufgewühlten Gefühle, seinen Trübungen, Depressionen und Verzweiflungen. Wie dem auch sei, alle können nicht, oder können zumindest nicht sogleich, sich dem Göttlichen in der rein seelischen Weise nähern – die mentalen und vitalen Annäherungen sind häufig notwendige Anfänge, und vom spirituellen Standpunkt besser als Empfindungslosigkeit gegenüber dem Göttlichen. Es ist in beiden Fällen der Ruf der Seele, das Drängen der Seele, und nimmt nur die Form oder Färbung an, die dem Druck der mentalen oder vitalen Natur entspricht.

SRI AUROBINDO (23:547)

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Liebe Mutter, Sri Aurobindo sagt hier: “Wenn die innerste Seele erweckt wird, wenn eine neue Geburt aus dem rein mentalen, vitalen und physischen in das seelische Bewusstsein stattfindet, kann dieser Yoga getan werden ..." Warum hat er “die innerste Seele” gesagt? Gibt es eine äußere Seele?

Deshalb, weil die innerste Seele, das heißt das zentrale seelische Wesen, die äußeren Teile des Bewusstseins beeinflusst (äußerlich im Vergleich zu dem zentralen seelischen Wesen: die mentalen Teile, die vitalen Teile). Das reinste Mental, das höchste Vital, das Gefühlswesen – die Seele beeinflusst sie, beeinflusst sie so sehr, dass der Eindruck entsteht, man sei durch diese Wesensteile mit ihr in Kontakt getreten. Daher kommt es, dass die Menschen diese Teile mit der Seele verwechseln, und daher sagt er [Sri Aurobindo] “die innerste Seele”, und meint die zentrale Seele, die wirkliche Seele.

Denn sehr oft, wenn man mit gewissen Teilen des Mentals in Berührung kommt, die unter dem seelischen Einfluss stehen, und die voll des Lichtes und der Freude jenes Lichtes sind, oder auch, wenn man mit gewissen sehr reinen und sehr hohen Teilen des Gefühlswesens, voll der hochherzigsten und selbstlosesten Empfindungen in Berührung kommt, hat man den Eindruck in Kontakt mit seiner Seele zu sein. Es ist aber nicht die wahre Seele, es ist nicht die Seele in ihrer eigentlichen Essenz. Es sind Teile des [menschlichen] Wesens, die unter ihrem Einfluss stehen und etwas von ihr verkörpern. Nun, die Menschen kommen sehr häufig in Kontakt mit diesen Teilen und das gibt ihnen Erleuchtungen, große Freude, Offenbarungen, und sie glauben, sie hätten ihre Seele gefunden. Es ist aber nur der Teil des Wesens, der unter ihrem Einfluss steht, der eine oder andere Teil, denn ... Was tatsächlich geschieht ist, dass man diese Dinge berührt, Erfahrungen hat, und dann verhüllt sich alles wieder und man wundert sich: “Wie ist es möglich, dass ich mit meiner Seele in Berührung war, und jetzt bin ich wieder in den Zustand der Unwissenheit und Unbewusstheit zurückgefallen?” Es kommt aber daher, dass man nicht mit seiner Seele in Berührung war, sondern mit jenen Teilen des Wesens, die unter dem Einfluss der Seele stehen und etwas von ihr verkörpern, die aber nicht die Seele sind.

Ich habe bereits viele Male gesagt, wenn man bewusst in Kontakt mit seiner Seele tritt und die Einung stattgefunden hat, dann ist es vorüber, es kann nicht mehr ungeschehen gemacht werden, es ist etwas Dauerndes, Beständiges, das allem widersteht, und das in jeglichem Augenblick auf Wunsch wieder gefunden werden kann; während die anderen Dinge – man kann sehr gute Erfahrungen haben, und dann wird das wieder [der Zustand, Erfahrungen zu haben] verhüllt, und man fragt sich: “Wie ist das geschehen? Ich habe meine Seele gesehen, und jetzt finde ich sie nicht mehr!” Es war nicht die Seele, die man sah. Dabei sind diese Dinge sehr schön und geben dir sehr eindrucksvolle Erfahrungen, es ist aber nicht der Kontakt mit dem seelischen Wesen als solchem.

Der Kontakt mit dem seelischen Wesen ist definitiv und daher, wenn die Leute mich fragen: “Habe ich einen Kontakt mit meinem seelischen Wesen?”, dann sage ich: “Deine Frage als solche beweist, dass du ihn nicht hast!”

DIE MUTTER (7:263)

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Die doppelte Seele

Es gibt eine doppelte Seele oder ein doppeltes seelisches Prinzip in uns, so wie jedes andere kosmische Prinzip in uns ebenfalls doppelt ist. Denn wir haben zwei Mentale, ein Oberflächenmental unseres manifestierten evolutionären Egos, die oberflächliche Mentalität, die durch uns in unserem Auftauchen aus der Materie geschaffen wurde; und ein anderes, ein inneres Mental, das durch unser eigentliches mentales Leben und seine starren Begrenzungen nicht behindert wird, das etwas Großes, Mächtiges und Leuchtendes ist, das wahre mentale Wesen hinter jener oberflächlichen Form der mentalen Personalität, die wir fälschlicherweise für uns selbst halten. In gleicher Weise haben wir zwei Leben, ein äußeres, das durch seine vergangene Evolution im physischen Körper eingeschlossen ist, das lebt und geboren wurde und sterben wird; während das andere eine subliminale Lebenskraft ist, nicht eingepfercht zwischen den engen Grenzen unserer physischen Geburt und unseres physischen Todes, sondern unser wahres vitales Wesen hinter jener Lebensform, die wir unwissentlich für unser wirkliches Dasein halten. Selbst im Stoff unseres Seins besteht diese Dualität: denn hinter unserem Körper haben wir ein feineres, stoffliches Dasein, das die Substanz, nicht nur für unsere physischen, sondern auch unsere vitalen und mentalen Hüllen liefert, und daher unsere wirkliche Substanz ist, die diese physische Form stützt, die wir irrtümlicherweise für den ganzen Körper unseres Spirits halten. In gleicher Weise haben wir eine doppelte seelische Wesenheit in uns, die oberflächliche Begierdenseele, die in unserem vitalen Streben wirkt, in unseren Gefühlen, in unserem ästhetischen Talent und mentalen Suchen nach Macht, Wissen und Glück, sowie eine subliminale Wesenheit, eine reine Macht des Lichts, der Liebe, Freude und verfeinerten Essenz des Wesens, die unsere wahre Seele hinter der äußeren Form des seelischen Daseins ist, das wir so oft mit dem Namen Seele auszeichnen. Wenn ein Widerschein dieser größeren und reineren seelischen Wesenheit an die Oberfläche tritt, sagen wir von einem Menschen, er habe eine Seele, und wenn sie in seinem äußeren, seelischen Leben fehlt, sagen wir von ihm, er habe keine Seele.

Die äußeren Formen unseres Wesens sind die unserer kleinen, egoistischen Existenz; die subliminalen sind die Formierungen unserer größeren, wahren Individualität. Diese sind daher jener verborgene Teil unseres Wesens, in welchem unsere Individualität unserer Universalität nahe ist, diese berührt, und in fortwährender Beziehung und fortwährendem Austausch mit ihr steht. Das subliminale Mental in uns ist offen für das universale Wissen des kosmischen Mentals, das subliminale Leben in uns ist offen für die universalen Kräfte des kosmischen Lebens, das subliminale Physische in uns ist offen für die universalen Kraftformierungen der kosmischen Mächte; die dichten Wände, durch die unser Oberflächen-Mental, -Leben und -Körper von diesen Dingen getrennt sind, und welche die Natur mit soviel Mühe, so unvollkommen und mit Hilfe so vieler geschickt schwerfälliger, physischer Methoden durchstoßen muss, sind dort im Subliminalen ein verdünntes Medium von Trennung und Kommunikation zugleich. In gleicher Weise ist auch die subliminale Seele in uns dem universalen Entzücken offen, das die kosmische Seele in ihr eigenes Dasein aufnimmt, und in das Dasein der Myriaden Seelen, das sie verkörpert, und in die Tätigkeiten von Mental, Leben und Materie, durch welche die Natur sich zu deren Spiel und Entwicklung hergibt; doch von diesem kosmischen Entzücken ist die Oberflächenseele durch die egoistischen Wände von großer Dichte ausgeschlossen, die zwar Pforten des Durchlasses besitzen, doch die Anflüge göttlich-kosmischen Entzückens verblassen bei ihrem Durchgang, werden entstellt oder müssen sich als ihr eigenes Gegenteil maskieren.

SRI AUROBINDO (18:220)

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Die Seele und das Leben sind zwei ganz verschiedene Mächte. Die Seele ist ein Funke des Göttlichen Spirits, der die individuelle Natur stützt; Mental, Leben und Körper sind die Instrumente für die Manifestation der Natur. In den meisten Menschen ist die Seele verborgen und durch das Wirken der äußeren Natur verdeckt; sie verwechseln das vitale Wesen mit der Seele, denn das Vital ist es, welches den Körper anregt und treibt. Doch dieses Vital besteht aus Begierden und ausführenden Kräften, guten und schlechten; es ist die Begierdenseele und nicht die wahre Seele. Erst wenn die wahre Seele hervortritt und die Tätigkeit der instrumentalen, menschlichen Natur zu beeinflussen und dann zu beherrschen beginnt, kann der Mensch seine vitalen Begierden überwinden, und einer göttlichen Natur entgegenwachsen.

SRI AUROBINDO (22:300)

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Wenn Wissen die weiteste Macht des Bewusstseins ist, und seine Aufgabe darin besteht, zu befreien und zu erleuchten, ist dennoch die Liebe die tiefste und intensivste Macht des Bewusstseins, und es ist ihr Privileg, der Schlüssel zu den unergründlichsten und geheimsten Winkeln des Göttlichen Mysteriums zu sein. Der Mensch, da er ein mentales Wesen ist, neigt dazu, dem denkenden Mental, dessen Vernunft und Willen und seiner Art der Annäherung an die Wahrheit und ihrer Verwirklichung, die höchste Bedeutung beizumessen, ja, er sieht sich sogar zu der Annahme veranlasst, dass es keine andere gibt. Das Herz mit seinen Emotionen und unberechenbaren Regungen ist in der Sicht seines Intellektes eine dunkle, ungewisse und oft gefährliche und irreführende Macht, die durch den Verstand, den mentalen Willen und die Intelligenz unter Kontrolle gehalten werden muss. Und dennoch ist im Herzen oder dahinter ein tieferes, mystisches Licht; dieses ist zwar nicht das, was wir Intuition nennen – denn diese, obwohl dem Mental nicht zugehörig, kommt dennoch durch das Mental herab – es hat aber dennoch eine direkte Fühlungnahme mit der Wahrheit und ist dem Göttlichen näher als der menschliche Intellekt in seinem Wissensstolz. Gemäß der alten Lehre ist der Sitz des immanenten Göttlichen, des verborgenen Purushas, im mystischen Herzen – der geheimen Herzenshöhle, hrdaye guhayam, wie es die Upanishade ausdrückt –, und nach der Erfahrung vieler Yogis kommt von seinen Tiefen die Stimme oder der Atem des inneren Orakels.

Diese Zweideutigkeit, diese gegensätzlichen Erscheinungen von Tiefe und Blindheit, entstehen durch den doppelten Charakter des menschlich-emotiven Wesens. Denn in den Menschen befindet sich im Vordergrund ein Herz voller vitaler Emotionen, ähnlich dem der Tiere, wenn auch vielfältiger entwickelt; seine Emotionen werden von egoistischer Leidenschaft gelenkt, blinden, instinktiven Neigungen und dem ganzen Spiel der Lebensimpulse mit ihren Unvollkommenheiten, Perversionen und oft schmutzigen Entartungen, – das Herz ist von Lüsten, Begierden und Wutanfällen, von intensiven oder ungestümen Forderungen, von den kleinen Begierden oder niedrigen Schäbigkeiten einer dunklen und gefallenen Lebenskraft bedrängt und ihnen ausgeliefert, und verdorben durch seine Sklaverei an jedweden Impuls. Dieses Gemisch des emotiven Herzens und des sinnlich-lüsternen Vitals schafft eine falsche Begierdenseele im Menschen; diese ist das rohe und gefährliche Element, dem der Verstand zu Recht misstraut, er empfindet die Notwendigkeit einer Kontrolle – obgleich die tatsächliche Kontrolle, oder besser gesagt, die Gewalt, die er über unsere rohe und beharrliche, vitale Natur auszuüben vermag, immer sehr unsicher und irreführend ist. Die eigentliche Seele des Menschen aber ist nicht dort; sie ist in dem wahren, unsichtbaren Herzen in einer leuchtenden Höhle der [menschlichen] Natur verborgen: dort, wo das göttliche Licht einsickert, ist unsere Seele, ein schweigendes, innerstes Wesen, dessen nur wenige je gewahr werden; denn obzwar alle eine Seele haben, sind sich nur einige ihrer wahren Seele bewusst, oder fühlen ihren direkten Impuls. Dort wohnt der kleine Funke des Göttlichen, der diese dunkle Masse unserer Natur stützt, und um ihn herum wächst das seelische Wesen, die geformte Seele oder der wirkliche Mensch in uns. In dem Maße wie dieses seelische Wesen in ihm wächst, und die Regungen des Herzens dessen Weisungen und Impulse spiegeln, wird sich der Mensch mehr und mehr seiner Seele bewusst, er hört auf, ein überlegenes Tier zu sein; dann und wann zu flüchtiger Schau der Gottheit in ihm erwachend, öffnet er sich immer mehr ihren Hinweisen auf ein tieferes Leben und Bewusstsein und dem Impuls zu göttlichen Dingen. Es ist einer der entscheidenden Momente des integralen Yoga, wenn dieses seelische Wesen befreit wird, und hinter dem Schleier hervortritt, und die volle Flut seiner Ahnungen, Gesichte und Impulse auf das Mental, das Leben und den Körper des Menschen ausgießt, wenn es beginnt die Errichtung der Gottheit in der Erdnatur vorzubereiten.

SRI AUROBINDO (20:140)

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Die Natur des seelischen Wesens

Es ist die eigentliche Natur der Seele oder des seelischen Wesens, sich zu der Göttlichen Wahrheit hinzuwenden, wie die Sonnenblume zu der Sonne; sie akzeptiert alles und klammert sich an alles an, das göttlich ist, oder sich auf die Gottheit hinentwickelt, und sie zieht sich von allem zurück, was diese entstellt oder leugnet, von allem, was falsch und ungöttlich ist. Dennoch ist die Seele zunächst nur ein Funke und dann eine kleine Flamme der Gottheit, die inmitten großer Finsternis brennt; meist ist sie in ihrem inneren Heiligtum verhüllt, und zu ihrer Enthüllung bedarf sie des Mentals, der Lebenskraft und des physischen Bewusstseins, und sie muss diese dazu bewegen, ihr [der Seele] so gut es geht, Ausdruck zu verleihen; im allgemeinen hat sie damit bestenfalls insoweit Erfolg, dass sie deren Äußerlichkeit mit ihrem inneren Licht durchdringt und mit ihrer läuternden Feinheit deren dunkle Verborgenheiten oder grobes Gemisch modifiziert. Selbst wenn ein geformtes seelisches Wesen vorhanden ist, das sich mit einiger Direktheit im Leben auszudrücken vermag, ist es dennoch in allen, ausgenommen in einigen wenigen, nur ein kleiner Teil des [menschlichen] Wesens – “nicht größer an Körpermasse als der Daumen eines Menschen”, welches das Gleichnis war, das von den alten Sehern gebraucht wurde –, und es ist nicht in der Lage, sich gegen die Dunkelheit und unwissende Kleinheit des physischen Bewusstseins durchzusetzen, gegen die falsche Sicherheit des Mentals oder die Arroganz und Heftigkeit der vitalen Natur. Diese Seele muss das menschlich-mentale, gefühlsbetonte und sinnliche Leben akzeptieren, so wie es ist, seine Voraussetzungen und Aktivitäten, seine bewahrten Formen und Erscheinungen; sie muss sich hart mühen, das göttliche Element in all dieser relativen Wahrheit, die mit fortwährendem, verfälschendem Irren vermischt ist, zu befreien und zu mehren, diese Liebe, preisgegeben der Benutzung durch den Tierkörper oder der Befriedigung durch das vitale Ego, dieses Leben eines durchschnittlichen Menschentums, das mit der seltenen und fahlen Erkenntnis einer Gottheit durchwirkt ist, aber auch den dunklen Scheußlichkeiten des Dämons und Untiers. Obgleich unbeirrt in ihrem eigentlichen Willen, muss sie oft unter dem Druck ihrer Instrumente (dem Mental, Vital und dem Physischen) fehlerhaftem Tun nachgeben, falscher Anwendung der Gefühle, falscher Wahl der Person, dem Irren in der genauen Formulierung ihres Willens, in der Art, ihr unfehlbares, inneres Ideal auszudrücken. Dennoch besteht eine Ahnung im Inneren, dass sie ein verlässlicherer Führer als der Verstand ist, oder auch als das höchste Verlangen, und selbst durch offensichtliches Irren und Fehlen vermag ihre Stimme immer noch besser zu leiten, als der präzise Intellekt und das erwägende, mentale Urteil. Diese Stimme der Seele ist nicht das, was wir Bewusstsein nennen –, denn das ist nur ein mentaler und oft konventioneller, irrender Ersatz; es ist ein tieferer und seltener gehörter Ruf; dennoch, wenn er gehört wird, ist es das weiseste, ihm zu folgen; es ist sogar besser, dem Ruf seiner Seele folgend umherzuirren, als mit dem Verstand und dem äußeren moralischen Ratgeber scheinbar geradeaus zu gehen. Doch erst, wenn sich das Leben dem Göttlichen zuwendet, kann die Seele wahrhaft hervortreten und ihre Macht den äußeren Gliedern auferlegen; denn da sie selbst ein Funke des Göttlichen ist, besteht ihr wahres Leben und eigentlicher Daseinsgrund darin, dass ihre Flamme dem Göttlichen entgegen wächst.

SRI AUROBINDO (21:144)

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Die wahre Seele, verborgen in uns – subliminal haben wir gesagt, doch ist das Wort irreführend, denn diese Gegenwart befindet sich nicht unter der Schwelle des Wachmentals, sondern brennt vielmehr im Tempel des innersten Herzens hinter dem dichten Schirm eines unwissenden Mentals, Lebens und Körpers, nicht subliminal, sondern hinter dem Schleier – diese verhüllte, seelische Wesenheit ist die Flamme der Gottheit, die immer in uns brennt, nicht zu löschen, nicht einmal durch jene dichte Unbewusstheit eines spirituellen Selbstes im Inneren, das durch unsere äußere Natur verdunkelt ist. Sie ist eine Flamme, geboren aus dem Göttlichen, strahlender Bewohner der Welt der Unwissenheit, und sie wächst in ihr, bis sie fähig wird, sie [die Unwissenheit] dem Wissen zuzuwenden. Sie ist der verborgene Zeuge, die verborgene Kontrolle, der heimliche Führer, der Dämon des Sokrates, das innere Licht oder die innere Stimme des Mystikers. Sie ist das, was fortdauert, unvergänglich in uns, von Geburt zu Geburt, unberührt durch Tod, Verfall oder Verfälschung, ein unzerstörbarer Funke des Göttlichen. Sie ist nicht das ungeborene Selbst oder der Atman, denn das Selbst, während es über das Dasein des Individuums wacht, ist sich immer seiner Universalität und Transzendenz bewusst, während sie in die Formen der Natur ausgesandt ist, die individuelle Seele, caitya purusa, die Mental, Leben und Körper stützt, und hinter dem mentalen, vitalen und feinstofflichen Wesen in uns steht und beobachtet und von deren Entwicklung und Erfahrung profitiert. Diese anderen personalen Mächte im Menschen, diese Wesen seines Wesens, sind in ihrem wahren Dasein auch verhüllt, aber sie bringen zeitweilige Persönlichkeiten hervor, die unsere äußere Individualität ausmachen, und deren oberflächliches Tun und oberflächliche Erscheinungsform wir unser Selbst nennen: diese innerste Wesenheit also nimmt in uns als die seelische Person Gestalt an, stellt eine seelische Personalität heraus, die sich von Leben zu Leben verändert und wächst und entwickelt; denn sie ist der Reisende zwischen Geburt und Tod, und zwischen Tod und Geburt, und unsere natürlichen Teile sind lediglich seine vielfachen und veränderlichen Gewänder. Das seelische Wesen kann zunächst nur eine verborgene, teilweise und indirekte Tätigkeit durch Mental, Leben und Körper ausüben, da diese Teile der [menschlichen] Natur als ihre Instrumente des Selbstausdrucks entwickelt werden müssen, und lange ist sie durch deren Evolution begrenzt. Gesandt, um den Menschen in der Unwissenheit zum Licht des Göttlichen Bewusstseins zu führen, formt sie aus der Essenz all der Erfahrung in der Unwissenheit einen Kern des Seelenwachstums in der Natur; das Übrige wandelt sie in Stoff für künftiges Wachstum der Instrumente [Mental, Vital, Körper], die sie gebrauchen muss, bis sie bereit sind, eine leuchtende Instrumentation des Göttlichen zu sein. Es ist diese geheime, seelische Wesenheit, die das wahre, ursprüngliche Bewusstsein in uns ist, tiefer als das konstruierte und konventionelle Bewusstsein des Moralisten, denn sie ist es, die immer auf Wahrheit und Recht und Schönheit hinweist, auf Liebe und Harmonie und alles, was eine göttliche Möglichkeit in uns verkörpert, und sie harrt aus, bis diese Dinge das wesentliche Erfordernis unserer Natur werden. Es ist die seelische Personalität in uns, die als der Heilige, der Weise, der Seher blüht; wenn sie ihre volle Stärke erreicht hat, wendet sie das Wesen zur Erkenntnis des Selbstes und des Göttlichen, zur höchsten Wahrheit, dem höchsten Guten, der höchsten Schönheit, Liebe und Seligkeit, den göttlichen Höhen und Weiten, und öffnet uns der Berührung spiritueller Zuneigung und Universalität und spirituellen Einsseins. Wo andrerseits die seelische Personalität schwach ist, roh oder schlecht entwickelt, fehlen die subtileren Regungen in uns, oder sind arm an Charakter und Kraft, selbst wenn das Mental stark und brillant und gebieterisch ist, die Lebenskraft dominierend und erfolgreich, das körperliche Dasein reich und glücklich und ein offensichtlicher Herr und Sieger. Es ist dann die äußere Begierdenseele, die pseudo-seelische Wesenheit, die herrscht, und wir verwechseln ihre falschen Deutungen der seelischen Eingebung und Aspiration, ihre Ideen und Ideale, ihre Begierden und Sehnsüchte mit dem wahren Seelenstoff und Reichtum spiritueller Erfahrung3. Wenn die geheime, seelische Person in den Vordergrund treten und die Begierdenseele ersetzen kann, und offen und gänzlich, nicht nur teilweise und von hinter dem Schleier, die äußere Natur von Mental, Leben und Körper zu lenken vermag, können diese in Seelenbildnisse des Wahren und Rechten und Schönen geformt werden, und am Ende kann die ganze Natur in das wahre Ziel des Lebens gewandelt werden, den höchsten Sieg, den Aufstieg in das spirituelle Dasein.

SRI AUROBINDO (18:225)

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Liebe Mutter, Sri Aurobindo sagt, die Stimme des gewöhnlichen Bewusstseins ist nicht die Stimme der Seele. Was ist sie dann?

Die Stimme des gewöhnlichen Bewusstseins ist eine ethische Stimme, eine moralische Stimme, die zwischen Gut und Böse unterscheidet, die uns ermutigt Gutes zu tun und untersagt Böses zu tun. Diese Stimme ist im gewöhnlichen Leben durchaus nützlich, solange bis man sich seines seelischen Wesens bewusst wurde und zustimmt, gänzlich von ihm geführt zu werden – in anderen Worten, bis man sich über das gewöhnliche Menschentum erhebt, sich von allem Egoismus befreit, und ein bewusstes Instrument des göttlichen Willens wird. Die Seele selbst, die ein Teil des Göttlichen ist, steht über allen moralischen und ethischen Begriffen; sie badet im Göttlichen Licht und verkörpert es, sie kann das ganze Wesen aber erst dann lenken, wenn das Ego aufgelöst wurde.

DIE MUTTER (16:249)

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In einem bestimmten Stadium des Yoga, wenn das Mental hinreichend beruhigt ist und sich nicht länger bei jedem Schritt auf das Genügen seiner mentalen Gewissheiten stützt, wenn das Vital stetig und gebändigt wurde, und nicht mehr auf seinem eigenen voreiligen Willen besteht, seinem Anspruch und Begehren, wenn das Physische hinreichend gewandelt wurde, um nicht die innere Flamme gänzlich unter der Masse seiner Äußerlichkeit, Dunkelheit oder Trägheit zu ersticken, vermag ein innerstes Wesen, in der Tiefe verborgen, und nur in einer seltenen Einflussnahme gefühlt, hervorzutreten und das übrige zu erleuchten und die Führung der Sadhana zu übernehmen. Sein Wesen besteht in einer eingleisigen Ausrichtung auf das Göttliche oder den Höchsten, eingleisig und dennoch plastisch in Tat und Bewegung; es schafft keine Starrheit der Richtung wie der eingleisige Intellekt oder einen Fanatismus der vorherrschenden Idee, oder einen Impuls wie die eingleisige vitale Kraft; es deutet vielmehr in jedem Augenblick und mit feiner Sicherheit auf den Weg zur Wahrheit, unterscheidet automatisch den rechten Schritt vom falschen, und befreit die Göttliche oder Gottwärtige Bewegung von dem anhaftenden Gemisch des Ungöttlichen. Seine Tätigkeit ist wie ein Suchlicht, das alles aufzeigt, was in der [menschlichen] Natur geändert werden muss; es hat in sich einen leidenschaftlichen Willen, der auf Vollkommenheit besteht, auf einer alchimistischen Transmutation des ganzen inneren und äußeren Daseins. Es sieht die göttliche Essenz überall, es weist jedoch die bloße Maske und tarnende Form zurück. Es beharrt auf Wahrheit, auf Willen und Stärke und Meisterung, auf Freude und Liebe und Schönheit, doch auf einer Wahrheit des bleibenden Wissens, welches die bloß praktische, momentane Wahrheit der Unwissenheit übersteigt, auf einer inneren Freude, und nicht auf bloß vitalem Vergnügen, – denn es zieht eher ein läuterndes Leiden und läuternden Kummer den herabsetzenden Befriedigungen vor – es besteht auf Liebe, die sich himmelwärts schwingt, und nicht an den Pfahl egoistischen Verlangens gefesselt ist oder mit ihren Füßen im Morast steckt, auf einer Schönheit, der die priesterliche Würde, das Ewige zu deuten, zurückerstattet wurde, auf Stärke und Willen und Meisterung, nicht als Instrumente des Egos, sondern des Spirits. Sein Wille ist auf die Vergöttlichung des Lebens gerichtet, die sich in einer höheren Wahrheit ausdrückt, und auf seine Weihung an das Göttliche und Ewige.

SRI AUROBINDO (20:145)

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Ist die Seele in jedem immer rein oder muss sie geläutert werden?

Sie ist immer rein. Sie ist aber mehr oder weniger individualisiert und unabhängig in ihrem Tun. Was im [menschlichen] Wesen seelisch ist, ist immer rein, wie es der Begriff sagt, denn sie ist derjenige Teil des Wesens, der mit dem Göttlichen in Kontakt ist und die Wahrheit des Wesens ausdrückt. Doch kann dies wie ein Funke in der Finsternis des Wesens sein; oder aber es kann ein Lichtwesen sein, bewusst, voll geformt und unabhängig, mit allen Abstufungen dazwischen.

Ist sie im allgemeinen verhüllt?

Es ist das äußere Bewusstsein, das nicht in Kontakt mit ihr ist, denn es ist nach außen statt nach innen gewandt – es lebt inmitten all der äußeren Geräusche und Bewegungen, in dem, was es sieht, was es tut, was es sagt, statt nach innen zu schauen, in die Tiefen des Wesens, und auf die inneren Eingebungen zu lauschen.

DIE MUTTER (5:394)

*

Es ist das Wirken des seelischen Wesens, nicht das [seelische] Wesen selbst, das mit den mentalen, vitalen und physischen Unzulänglichkeiten vermengt wird, da es diese benützen muss, um das wenige auszudrücken, was von dem wahren seelischen Gefühl durch den Schleier dringt. Durch das Streben des Herzens nach dem Göttlichen wird das seelische Wesen frei von diesen Unzulänglichkeiten.

SRI AUROBINDO (24:1108)

*

Die Seele ist immer rein, doch ihr Wissen und ihre Kraft sind in ihr eingeschlossen und treten nur hervor, wenn das seelische Wesen sich entwickelt und stärker wird.

SRI AUROBINDO (22:297)

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Liebe Mutter, hat ein äußeres Leben voller böser Taten und eines niedrigen Bewusstseins eine Auswirkung auf das seelische Wesen? Besteht die Möglichkeit seiner Herabsetzung?

Ein niedriges und schlechtes Leben kann nur die Wirkung haben, das äußere Wesen immer vollständiger vom seelischen Wesen zu trennen, das sich in die Tiefen des höheren Bewusstseins zurückzieht und manchmal sogar jegliche Beziehung mit dem Körper durchtrennt, von dem dann meist ein asurisches oder rakshasisches Wesen Besitz ergreift.

Das seelische Wesen selbst steht über jeder Möglichkeit einer Minderung.

DIE MUTTER (16:249)

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Die Seele und das Spirituelle

Besteht ein Unterschied zwischen dem “Spirituellen” und der “Seele”? Sind es verschiedene Ebenen?

Ja, die seelische Ebene gehört zur persönlichen Manifestation; die Seele ist das, was göttlich in dir ist, herausgestellt, um dynamisch im Spiel [der Natur] zu sein. Doch wenn wir vom Spirituellen sprechen, denken wir an etwas, das eher im Göttlichen als in der äußeren Manifestation konzentriert ist. Die spirituelle Ebene ist etwas Statisches hinter und über dem äußeren Spiel [der Natur]; sie stützt die Instrumente der Natur, ist aber nicht selbst in der äußeren Manifestation mit einbezogen oder in sie verstrickt. Doch wenn wir von diesen Dingen sprechen, müssen wir uns vorsehen, nicht von den Worten, die wir gebrauchen, eingeschlossen zu werden. Wenn ich von der Seele oder dem Spirituellen spreche, meine ich Dinge, die hinter der flachen Oberfläche der Worte sehr tief und wirklich sind, und selbst in ihrer Verschiedenheit innerlich miteinander verbunden sind. Intellektuelle Definitionen und Unterscheidungen sind zu äußerlich und starr, um die Wahrheit der Dinge zu erfassen.

DIE MUTTER (3:63)

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Worin besteht der Unterschied zwischen “spirituell” und “seelisch”?

Es ist nicht die gleiche Sache. Die Seele ist das Wesen, das durch die göttliche Gegenwart ins Leben gerufen wurde, und sie gehört zur Erde – ich meine nicht das Universum, nur die Erde; nur auf Erden gibt es das seelische Wesen. Das übrige Universum ist auf ganz andere Weise gestaltet.

Das Universum enthält alle Bereiche, die höher als das Physische sind: es gibt ein globales Physisches, welches das Mental, das Vital usw. umfasst, und alle Bereiche über dem Mental sind solche einer spirituellen Ordnung, Bereiche, die für uns Bereiche des Spirits sind; und dieser “Spirit” ist es, der sich nach und nach fortschreitend materialisiert, um bei der Materie, wie wir sie sehen, anzulangen. Die Wesen des Obermental-Bereiches zum Beispiel, und all die Wesen der höheren Regionen besitzen kein seelisches Wesen – die “Engel” haben kein seelisches Wesen. Erst auf Erden beginnt das seelische Leben, und durch genau diesen Prozess hat das Göttliche das stoffliche Leben zu der Notwendigkeit erweckt, seinen göttlichen Ursprung wiederzufinden. Ohne die Seele wäre die Materie nie aus ihrer Unbewusstheit erwacht, sie hätte nie nach dem Leben ihres Ursprungs, dem spirituellen Leben, gestrebt. Man kann daher sagen, dass das seelische Wesen im Menschen die Offenbarung spiritueller Aspiration ist; doch spirituelles Leben als solches ist unabhängig von der Seele.

DIE MUTTER (4:164)

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Die Seele hat zwei Aspekte, es gibt das Seelenprinzip als solches, das alle Möglichkeiten der Seele enthält, und es gibt die seelische Personalität, die das verkörpert, was immer sich an Seelenkraft von Leben zu Leben entwickelt hat, oder herausgestellt wurde, um in unserer gegenwärtigen Lebensform zu wirken. Das seelische Wesen drückt sich im allgemeinen durch seine mentalen, vitalen und physischen Instrumente aus; es versucht ihnen möglichst viel seines eigenen Stempels aufzuprägen. Doch nur selten vermag es ihnen die volle seelische Prägung zu verleihen – es sei denn, es tritt ganz aus seiner ziemlich abgeschlossenen und überschatteten Stellung hervor, um die unmittelbare Führung der [menschlichen] Natur in seine Hände zu nehmen. Es kann dann alle spirituellen Verwirklichungen auf seine eigene Art und Weise empfangen und ausdrücken. Denn die Wende der Seele unterscheidet sich von derjenigen der über dem Kopf liegenden Ebenen – sie hat nicht soviel Größe, Macht und Weite, dafür aber mehr einer kleineren Süße und zarten Schönheit; sie besitzt eine intensive Schönheit des Gefühls, eine feine Subtilität der echten Wahrnehmung, eine innige Sprache. Der Ausdruck “Süße und Licht” kann durchaus auf die Seele als das Wesentliche ihrer Natur angewandt werden. Die spirituelle Ebene, wenn sie diese Dinge aufnimmt, verleiht ihnen einen umfassenderen Ausdruck, einen größeres Licht, eine stärkere Süße, einen Atem von mächtiger Kühnheit, von Stärke und Raum.

SRI AUROBINDO (9:364)

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Gefühl und Liebe – vital und seelisch

Ist ein Gefühl immer eine vitale Regung?

Es hängt von dem Gefühl ab, und es hängt auch davon ab, was du ein Gefühl nennst. Es gibt zum Beispiel einen Zustand, in dem du dir einer sehr präzisen, sehr klaren seelischen Bewegung gewärtig bist – dies geschieht ziemlich oft – das Gefühl ist so mächtig, dass dir Tränen in die Augen kommen. Nicht, dass du traurig oder glücklich wärst, weder das eine noch das andere; es entspricht keinem bestimmten Gefühl, es ist vielmehr eine Gefühlsintensität, die von etwas herrührt, das klar und deutlich seelisch ist. Es mag in dir selbst sein, doch noch öfter ist es in jemand anderem. Wenn du mit einer Tat in Berührung kommst, einer Regung, einer Manifestation, die der Seele angehört, dann füllen sich plötzlich die Augen mit Tränen. Wenn du das ein Gefühl nennst ... offensichtlich ist es ein Gefühl. Doch im allgemeinen kommt es daher: das physische Wesen hat eine nicht sehr bewusste, doch intensive Sehnsucht nach einem Kontakt mit dem seelischen Wesen. Es fühlt sich armselig, entblößt, abgesondert und verlassen, wenn es nicht in Kontakt mit dem seelischen Wesen ist. Nicht ein physisches Wesen in einer Million ist sich dessen bewusst. Doch dieser Eindruck, verloren zu sein, schutzlos in der Luft zu hängen ohne Hilfe, etwas zu missen und nicht zu wissen, was es ist, etwas, das du nicht verstehst, doch das dir fehlt, eine Leere irgendwo: nun, das kommt häufiger vor als man denkt – doch wissen die Menschen nicht, was es ist. Dann aber, wenn aus dem einen oder anderen Grund dieses Bewusstsein plötzlich in Kontakt mit einem deutlich seelischen Phänomen kommt, mit seelischen Kräften, seelischen Schwingungen, ist das Gefühl so stark, dass es der Körper meist nicht halten kann. Es ist wie eine Freude, die zu groß ist, die nach allen Seiten überfließt, für die du keinen Raum in dir hast, die du nicht in dir bewahren kannst. So ist es. Und plötzlich hast du eine Art Offenbarung, nicht sehr bewusst, nicht deutlich ausgedrückt, die Offenbarung von ... dies ist es, dies ist es, was ich haben muss. Und es ist so machtvoll, so mächtig, dass es dir ein Gefühl verleiht, das sich aus so vielen Dingen zusammensetzt, dass du kaum sagen kannst, was es ist. Solche Gefühle sind nicht vital.

Vitale Gefühle sind von ganz anderer Natur, sie sind sehr klar, sehr präzis, du kannst sie sehr deutlich ausdrücken; sie sind heftig, sie erfüllen dich meist mit Intensität und Rastlosigkeit und manches Mal mit einer großen Befriedigung. Und dann kommt das Gegenteil mit der gleichen Kraft. Daher denken die Leute, viele Leute denken – wir haben das bereits mehrere Male erwähnt –, dass sie nur dann die Erfahrung der Liebe haben, wenn sie so ist, wenn sie im Vital ist, wenn sie mit all den Regungen des Vitals kommt, all dieser Intensität, diesem Ungestüm, dieser Präzision, diesem Zauber. Und wenn das fehlt, sagen sie: “Oh, das ist nicht Liebe”.

Und dennoch ist es genau das, was die Liebe entstellt: es ist schon nicht mehr Liebe, es ist der Beginn der Leidenschaft. Und das ist ein beinahe universaler Trugschluss der Menschen.

Manche Menschen sind voll einer sehr reinen, sehr hohen, sehr selbstlosen seelischen Liebe, und wissen dennoch nichts darüber und glauben, sie seien kalt, trocken und ohne Liebe, da dieses Gemisch der vitalen Vibration fehlt. Für sie beginnt und endet Liebe mit dieser Vibration.

Und da das, was aus Bewegungen und Reaktionen und Heftigkeiten aller Art besteht, sowohl in Niedergeschlagenheit als in Befriedigung, etwas sehr Unstetes ist, ist für diese Leute auch die Liebe etwas sehr Flüchtiges: in ihrem Leben dauert die Liebe Minuten. Sie mag einige Stunden dauern und wird dann wieder dumpf und flach, und sie meinen, sie seien von der Liebe verlassen worden.

Wie ich sagte, einige Menschen sind durchaus darüber hinausgelangt, sie sind in der Lage gewesen, es [das Gefühl] derart zu kontrollieren, dass es mit nichts anderem vermischt wurde; sie haben in sich diese seelische Liebe, die voller Selbstvergessen ist, voller Selbstgeben und Mitleid und Großzügigkeit, voll der Würde des Lebens, und die eine große Macht der Selbsterkenntnis ist. Daher glauben viele dieser Menschen, sie seien kalt und gleichgültig – es sind sehr nette Menschen, weißt du, aber sie lieben nicht, – und manchmal wissen sie es selbst nicht. Ich kannte Menschen, die dachten, sie seien ohne Liebe, da sie diese Vibration nicht empfanden. Meistens, wenn die Menschen von Gefühlen sprechen, sprechen sie von vitalen Gefühlen. Es gibt aber eine andere Art von Gefühlen, die von ungleich höherer Ordnung ist und sich nicht auf die gleiche Weise ausdrückt, die genausoviel Intensität besitzt, aber eine kontrollierte Intensität, verhalten, verdichtet, konzentriert, und die eine außergewöhnliche dynamische Macht ist.

Wahre Liebe kann außergewöhnliche Dinge erreichen, sie ist aber selten. Alle Arten von Wunder können aus Liebe für die Person getan werden, die man liebt – nicht für jeden, aber für die Menschen oder die Person, die man liebt. Es muss aber eine Liebe sein, die frei ist von allem vitalen Gemisch, eine absolut reine und selbstlose Liebe, die nichts zurückfordert und nichts zurückerwartet.

DIE MUTTER (15:343)

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Es ist auch ein Fehler zu glauben, dass allein das Vital Wärme besitzen würde und die Seele etwas Kaltes sei und ohne Feuer. Ein klares, reines Wohlwollen ist wünschenswert. Das aber ist nicht mit seelischer Liebe gemeint. Liebe ist Liebe, und nicht nur Wohlwollen. Die seelische Liebe kann eine Wärme und ein Feuer haben, die ebenso intensiv wie die des Vitals ist, ja intensiver, nur, dass es ein reines Feuer ist und nicht abhängig von der Befriedigung des Egoverlangens oder davon, das Öl, von dem es genährt wird, aufzuzehren. Es ist eine weiße Flamme und keine rote, doch ist die weiße Hitze in ihrer Glut der roten nicht unterlegen. Es stimmt, meist kommt die seelische Liebe in der menschlichen Beziehung und Natur nicht voll zum Zug. Sie findet die Fülle ihres Feuers und ihrer Ekstase leichter, wenn sie sich zum Göttlichen erhebt. In der menschlichen Beziehung wird die seelische Liebe mit anderen Elementen vermischt, die sie sofort zu benützen oder zu überschatten suchen. Nur in seltenen Augenblicken erhält sie ein Ventil für ihre volle Intensität. Meist tritt sie nur als Element in Erscheinung, doch selbst dann steuert sie zu einer im Grunde vitalen Liebe alle höheren Dinge bei – die reine Süße, die Zärtlichkeit und Treue, das Selbstgeben, die Selbstaufgabe, das Ergriffenwerden zweier Seelen, die idealisierenden Vergeistigungen, welche die menschlichen Liebe über sich selbst hinausheben – all dies hat seinen Ursprung in der Seele. Wenn sie fähig wäre, die übrigen Elemente menschlicher Liebe – die mentalen, vitalen und physischen – zu beherrschen, zu lenken und umzuformen, könnte die Liebe auf Erden eine Widerspiegelung oder eine Vorbereitung der wahren Sache sein, eine umfassende Einung der Seele mit ihren Instrumenten in einem Leben zu zweit. Doch selbst in unvollständiger Form kommt das nur selten vor.

SRI AUROBINDO (23:817)

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Wissen – mental und seelisch

Das innere mentale Wesen bewacht, beobachtet und beurteilt alles, was in dir geschieht. Die Seele bewacht und beobachtet nicht auf diese Weise, so wie ein Zeuge, sondern fühlt und erkennt spontan auf eine viel direktere und lichtvollere Art, eben durch die Reinheit ihrer Natur und des ihr innewohnenden göttlichen Instinktes; daher enthüllt sie sofort, wann immer sie hervortritt, die rechten und falschen Regungen in deiner Natur.

SRI AUROBINDO (22:301)

*

Mitteilungen der Seele kommen nicht in mentaler Form. Es sind keine Ideen oder Folgerungen. Sie haben ihren eigenen Charakter, der sich von dem des Mentals deutlich unterscheidet, etwas wie ein Gefühl, das sich begreift und handelt.

Ihrer eigentlichen Natur nach ist die Seele ruhig und still und leuchtend, verstehend und großzügig, weit und fortschrittlich. Sie bemüht sich ständig um Verstehen und Fortschritt.

Das Mental beschreibt und erklärt.

Die Seele sieht und versteht.

DIE MUTTER (16:242)

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Man mag seelisches Wissen besitzen – es ist aber von anderer Art und ist nicht wie im Mental formuliert. Es ist eine Art innerer Sicherheit, die dich im rechten Augenblick das Rechte auf die rechte Weise tun lässt, ohne notwendigerweise den Verstand oder die mentale Formulierung zu benützen.

Zum Beispiel kann man mit vollem Wissen dessen handeln, was getan werden sollte, ohne die Einmischung – die geringste Einmischung – des folgernden Verstandes. Das Mental ist still: es betrachtet lediglich und hört, um die Dinge zu registrieren, es tritt nicht in Aktion.

DIE MUTTER (5:298)

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Die Wahrnehmung des äußeren Bewusstseins kann das, was die Seele wahrnimmt, leugnen. Die Seele aber hat das wahre Wissen, ein intuitives, instinktives Wissen. Sie sagt: “Ich weiß, ich kann es zwar nicht begründen, aber ich weiß.” Denn ihr Wissen ist nicht mental, auf Erfahrung beruhend oder als richtig erwiesen. Ihr Glaube beruht nicht auf Beweisen: Glaube ist die Bewegung der Seele, deren Wissen spontan und direkt ist. Selbst wenn es die ganze Welt abstreitet und tausend Beweise des Gegenteils erbringt, weiß sie dennoch mit Hilfe eines inneren Wissens, einer direkten Wahrnehmung, die allem standhält, einer Wahrnehmung durch Identität. Das Wissen der Seele ist etwas Konkretes, Berührbares, eine solide Masse. Du kannst es auch deinem Mental, deinem Vital und deinem Physischen vermitteln; und dann hast du einen integralen Glauben, einen Glauben, der tatsächlich Berge versetzt. Aber nichts im Wesen darf kommen und sagen: “Es ist nicht so”, oder nach einem Beweis fragen. Der geringste Halb-Glaube verdirbt die Dinge. Wie kann sich der Höchste manifestieren, wenn der Glaube nicht umfassend und unerschütterlich ist? Glaube als solcher ist immer unerschütterlich – das ist seine eigentliche Natur, denn andernfalls ist es kein Glaube. Es kann aber geschehen, dass das Mental oder Vital oder das Physische der seelischen Bewegung nicht folgen. Ein Mensch kann zu einem Yogi kommen und plötzlich den Glauben haben, dass dieser ihn zu seinem Ziele führen wird. Er weiß nicht, ob er Wissen hat oder nicht. Er fühlt einen seelischen Schock und weiß, dass er seinem Meister begegnet ist. Sein Glaube beruht nicht auf langen, mentalen Überlegungen oder darauf, dass er viele Wunder gesehen hat. Und das ist die einzige Art von Glauben, die Wert hat. Du wirst immer deine Bestimmung verfehlen, wenn du zu argumentieren beginnst. Es gibt Menschen, die setzen sich hin und überlegen, ob der seelische Impuls vernünftig ist oder nicht.

Der sogenannte blinde Glaube ist tatsächlich nicht das, was die Menschen in die Irre führt. Oft hört man: “Oh, ich habe an diesen oder jenen Mann geglaubt und er hat mich betrogen!” Doch tatsächlich ist nicht der Mensch schuld, sondern der Gläubige; es ist eine Schwäche in ihm selbst. Hätte er seinen Glauben bewahrt, würde er den Menschen geändert haben; da er aber nicht in dem gleichen Glaubenbewusstsein verharrte, fand er sich selbst betrogen, und ließ den Mann nicht das sein, was er sein wollte. Wenn er einen umfassenden Glauben gehabt hätte, hätte er ihn dazu gebracht, sich zu ändern. Allein der Glaube ist es, der Wunder geschehen lässt. Ein Mensch geht zu einem anderen Menschen und hat einen Kontakt mit der Göttlichen Gegenwart; wenn er diesen Kontakt rein und anhaltend bewahren kann, wird hierdurch das Göttliche Bewusstsein verpflichtet, sich im rein Stofflichen zu manifestieren. Doch hängt alles von deiner eigenen Norm und Aufrichtigkeit ab; und je bereiter deine Seele ist, umso eher wirst du zur rechten Quelle geführt werden, zum rechten Meister. Die Seele und ihr Glaube sind immer wahrhaft; wenn aber in deinem äußeren Wesen eine Unaufrichtigkeit besteht, und wenn du nicht das spirituelle Leben, sondern persönliche Macht suchst, kann dich das in die Irre führen. Dies, und nicht dein Glaube, lässt dich irren. Der Glaube als solcher ist rein, er kann aber im [menschlichen] Wesen mit niederen Bewegungen vermischt werden, und das führt dich in die Irre.

DIE MUTTER (3:152)

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II. Rolle, Aufgabe und Tätigkeit der Seele

Dies Keimselbst ins Unbestimmte gesät

Verwirkt die Glorie seiner Göttlichkeit,

Verbirgt die Allmacht seiner Kraft,

Verbirgt die Allweisheit seiner Seele;

Mittler des eigenen transzendenten Willens,

Verschmilzt es Wissen mit der unbewussten Tiefe;

Erduldet Irrtum, Sorge, Tod und Schmerz,

Bezahlt das Lösegeld der unwissenden Nacht,

Erlöst mit seiner Substanz die gefallene Natur.

SRI AUROBINDO

SAVITRI: BUCH III CANTO 3

*

In dieser Belehnung mit fleischlichem Leben

Überlebt eine Seele, ein Funke Gottes,

Manchmal den trüben Schirm durchbrechend,

Ein Feuer entzündend, das uns fast göttlich macht.

SRI AUROBINDO

SAVITRI: BUCH II CANTO 5

*

Unsere Seele wirkt von geheimer Kammer;

Ihr drängender Einfluss auf Herz und Geist

Lässt diese ihr sterbliches Selbst überschreiten;

Sie sucht das Gute und Schöne und Gott;

Jenseits des Selbstes Mauer sehn wir unser grenzenloses Selbst,

Erspähn durch das Glas unserer Welt halb-sichtbare Weiten,

Und jagen nach Wahrheit hinter dem Schein der Dinge.

SRI AUROBINDO

SAVITRI: BUCH VII CANTO 2

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Die Aufgabe der Seele

Das ist die Aufgabe der Seele – sie muss auf jeder Ebene wirken, um jeder dazu zu verhelfen zur wahren Wahrheit und Göttlichen Wirklichkeit zu erwachen.

SRI AUROBINDO (22:297)

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Ist es der seelische Wille, der die Identifizierung des Wesens mit dem Göttlichen will?

Ja, sicher. Es ist der Wille der Seele. Es ist auch der eigentliche Grund ihres Daseins. Zu diesem Zweck ist sie hier. Zum Beispiel öffnen sich im Mental gewisse Aktivitäten (zeitweilig sogar im Physischen und im Vital) ... dem Einfluss der Seele, ohne es überhaupt zu wissen. Diese Teile bleiben dann dabei und beginnen nach göttlichem Wissen zu streben, der göttlichen Einung, der Beziehung mit dem Göttlichen.

DIE MUTTER (5:395)

*

Worin besteht die Arbeit des seelischen Wesens?

Worin besteht die Arbeit des seelischen Wesens? Du willst, dass es eine Arbeit habe? Was genau willst du ausdrücken? Was seine Aufgabe ist? Ah, sehr gut – man könnte es so formulieren, dass es wie ein elektrischer Draht ist, der den Generator mit der Lampe verbindet. Nun, wenn das jemand verstanden hat, dann soll er erklären, was ich gesagt habe.

Was ist der Generator und was die Lampe? (Gelächter)

Ah, das ist es also. Was ist der Generator und was die Lampe? Das genau ist die Frage. Was ist der Generator und was die Lampe? Oder vielmehr wer ist der Generator und wer die Lampe?

Der Generator ist das Göttliche und die Lampe ist der Körper. Sie ist der Körper, sie ist das sichtbare Wesen.

Das ist ihre Aufgabe. Das heißt, wenn es keine Seele in der Materie gäbe, wäre diese nicht in der Lage, direkten Kontakt mit dem Göttlichen zu haben. Doch glücklicherweise kann aufgrund dieser seelischen Gegenwart in der Materie der Kontakt zwischen der Materie und dem Göttlichen ein direkter sein, und allen Menschen kann gesagt werden: “Du trägst das Göttliche in dir, du brauchst dich nur nach innen zu wenden und du wirst Ihn finden.” Das ist eine Besonderheit des menschlichen Wesens oder vielmehr der Bewohner der Erde. Im menschlichen Wesen wird die Seele bewusster, geformter, bewusster und auch unabhängiger. In menschlichen Wesen ist sie individualisiert. Das aber ist eine Besonderheit der Erde. Es ist eine direkte Infusion in der ganz unbewussten und dunklen Materie, speziell und erlösend, sodass sie wiederum stufenweise zum göttlichen Bewusstsein erwachen kann, zur göttlichen Gegenwart, und schließlich zum Göttlichen selbst. Es ist die Gegenwart der Seele, die den Menschen zu einem besonderen Wesen macht – ich sollte das eigentlich gar nicht sagen, denn er hat bereits eine zu hohe Meinung von sich; er hat solch hohe Meinung von sich, dass es nicht notwendig ist, ihn darin zu bestärken! Aber dennoch ist es eine Tatsache, und zwar so sehr, dass Wesen von anderen Bereichen des Universums, jene, die man Halbgötter nennt, und selbst die Götter, Wesen zum Beispiel von jenem Bereich, den Sri Aurobindo das Obermental nennt, unbedingt einem physischen Körper auf Erden wollen, um die Erfahrung der Seele zu haben – denn sie haben sie nicht. Diese Wesen haben bestimmt viele Eigenschaften, welche die Menschen nicht besitzen, doch es fehlt ihnen diese göttliche Gegenwart, die etwas ganz Außergewöhnliches ist, und nur auf Erden existiert und nirgends sonst. All diese Bewohner der höheren Welten, des Höheren Mentals, des Obermentals und der anderen Regionen haben kein seelisches Wesen. Natürlich haben es die Wesen der vitalen Welten genausowenig. Jene aber bedauern es nicht, da sie es nicht wollen. Es gibt aber sehr seltene und ganz außergewöhnlich Fälle, die konvertiert werden wollen, und zu diesem Zweck nehmen sie sofort und ohne zu zögern einen physischen Körper an. Die anderen wollen es nicht; sie empfinden es als etwas, das sie bindet und an eine Regel fesselt, die sie nicht wollen.

Es ist aber eine Tatsache; daher muss ich sagen, dass es eine außergewöhnliche Eigenart des menschlichen Wesens ist, in sich die Seele zu tragen und, um die Wahrheit zu sagen, zieht der Mensch nicht den vollen Nutzen daraus. Aus der Art zu schließen, wie er diese [seelische] Gegenwart behandelt, scheint er diese Besonderheit nicht als etwas sehr, sehr Wünschenswertes anzusehen – genau das ist es. Er zieht ihr die Ideen seines Mentals vor, zieht ihr die Begierden seines vitalen Wesens vor und die Gewohnheiten seines Physischen.

DIE MUTTER (6:160)

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Liebe Mutter, was ist die Rolle der Seele?

Nun, ohne Seele würden wir nicht existieren!

Die Seele ist das, was vom Göttlichen kommt, ohne Es je zu verlassen, und das, was zum Göttlichen zurückkehrt, ohne aufzuhören, manifestiert zu sein.

Die Seele ist das Göttliche, individualisiert, ohne aufzuhören göttlich zu sein.

In der Seele sind das Individuelle und das Göttliche ewig eins; daher bedeutet, seine Seele zu finden, Gott zu finden; sich mit seiner Seele zu identifizieren, bedeutet, sich mit dem Göttlichen zu einen.

Daher kann man sagen, dass es die Rolle der Seele ist, ein wahres Wesen aus dem Menschen zu machen.

DIE MUTTER (16:229)

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Einfluss und Tätigkeit der Seele

Zu Beginn ist die Seele in der [menschlichen] Natur – die seelische Wesenheit, deren Entfaltung der erste Schritt auf eine spirituelle Wandlung hin ist – ein gänzlich verhüllter Teil von uns, obwohl sie es ist, durch die wir existieren und als individuelle Wesen in der Natur ausharren. Die anderen Teile unseres natürlichen Aufbaus sind nicht nur veränderlich, sondern vergänglich; doch die seelische Wesenheit in uns dauert fort, und ist grundlegend immer die gleiche: sie enthält alle wesentlichen Möglichkeiten unserer Manifestation, wird aber durch sie nicht geformt; sie ist durch das, was sie manifestiert, weder begrenzt noch durch die unvollkommenen Formen der Verkörperung eingedämmt, sie wird auch nicht befleckt durch die Mängel und Unreinheiten, die Fehler und Verderbtheiten des Oberflächen-Wesens. Sie ist eine immerdar reine Flamme der Gottheit in den Dingen, und nichts, das an sie herantritt, kann ihre Reinheit besudeln oder die Flamme löschen. Diese spirituelle Substanz ist makellos und leuchtend und, da sie in vollendeter Weise leuchtend ist, ist sie sich unmittelbar, engstens und direkt der Wahrheit des Wesens und der Wahrheit der Natur bewusst; sie ist sich des Wahren und des Guten und des Schönen zutiefst bewusst, da das Wahre und Gute und Schöne ihrem eigenen ursprünglichen Charakter verwandt sind, Formen von etwas, das ihrer eigenen Substanz innewohnt. Sie nimmt auch alles wahr, was diesen Dingen widerspricht, alles was von ihrem eigenen eingeborenen Wesen abweicht: die Falschheit und das Übel und das Hässliche und das Unziemliche; doch weder wird sie zu diesen Dingen, noch wird sie von diesen Gegensätzen ihrer selbst, die so machtvoll ihre äußere Instrumentation von Mental, Leben und Körper beeinträchtigen, berührt oder verändert. Denn die Seele, das bleibende Wesen in uns, stellt Mental, Leben und Körper als ihre Instrumente in den Vordergrund, sie benützend und die Umhüllung ihrer Beschaffenheit duldend; sie selbst jedoch ist anders und größer als ihre Teile.

Wäre die seelische Wesenheit von Anfang an unverhüllt gewesen, von ihren Dienern erkannt, kein einsamer König in abgeschirmtem Gemach, dann hätte die menschliche Evolution aus einem raschen Erblühen der Seele bestanden, und nicht aus der schwierigen, wechselvollen und entstellten Entwicklung, die sie jetzt ist; doch ist die Umhüllung dicht, und wir kennen das geheime Licht in uns nicht, das Licht der verborgenen Krypta in des Herzens innerstem Heiligtum. Hinweise steigen von der Seele zu unserer Oberfläche empor, doch unser Mental entdeckt ihren Ursprung nicht; es sieht sie als seine eigenen Aktivitäten an, da sie, bevor sie zur Oberfläche gelangen, in mentale Substanz gekleidet sind; daher, ihre Herkunft nicht kennend, folgt es ihnen oder folgt ihnen nicht, seiner augenblicklichen Neigung oder Denkweise entsprechend. Wenn das Mental dem Drängen des vitalen Egos folgt, hat die Seele nur geringe Chance die Natur zu kontrollieren oder etwas in uns von ihrer geheimen spirituellen Substanz oder eingeborenen Bewegung zu manifestieren; oder, wenn das Mental übermäßig davon überzeugt ist, gemäß seinem eigenen kleineren Licht zu handeln, verhaftet dem eigenen Urteil, Willen und Wissen, auch dann wird die Seele verhüllt und still bleiben und auf die weitere Evolution des Mentals warten. Denn der seelische Teil im Inneren hat die Aufgabe, die natürliche Evolution zu stützen, und die erste natürliche Evolution muss die Entwicklung von Körper, Leben und Mental sein, in dieser Reihenfolge, und jedes von ihnen muss auf seine Weise handeln, oder alle zusammen in ihrer schlecht gemischten Partnerschaft, damit sie wachsen und Erfahrungen sammeln und sich entwickeln. Die Seele häuft die Essenz all unserer mentalen, vitalen und körperlichen Erfahrung an und assimiliert sie zur weiteren Evolution unseres Daseins in der Natur; doch ist diese Tätigkeit verborgen, und nicht der Oberfläche aufgenötigt: Tatsächlich gibt es in den frühen, stofflichen und vitalen Stadien der Evolution des Wesens kein Seelenbewusstsein; es gibt seelische Aktivitäten, doch die Instrumentation, die Form dieser Aktivitäten ist vital und physisch – oder mental, wenn das Mental bereits aktiv ist. Denn selbst das Mental, solange es primitiv ist, oder selbst wenn es entwickelt ist, doch noch zu äußerlich, erkennt ihren tieferen Charakter nicht. Es ist einfach, sich als physisches Wesen zu betrachten, oder als ein Wesen der Lebenssphäre oder als mentales Wesen, welches das Leben und den Körper benützt, und dabei das Dasein der Seele insgesamt zu ignorieren: denn die einzige bestimmte Vorstellung, die wir von der Seele haben, besteht darin, dass etwas den Tod unseres Körpers überlebt; doch was das ist, wissen wir nicht, denn selbst wenn wir uns manchmal ihrer Gegenwart bewusst sind, wissen wir normalerweise weder etwas von ihrer deutlichen Realität, noch fühlen wir klar ihre unmittelbare Tätigkeit in unserer Natur.

In dem Maße wie die Evolution fortschreitet, beginnt die Natur langsam und tastend unsere geheimen Teile zu manifestieren; sie führt uns dahin, mehr und mehr nach Innen zu sehen, oder beginnt deutlicher erkennbare Hinweise und ihre Formungen an der Oberfläche einzuführen. Die Seele in uns, das seelische Prinzip, hat bereits begonnen, geheime Form anzunehmen; sie stellt eine Seelenpersonalität, ein deutliches seelisches Wesen in den Vordergrund, um sie zu repräsentieren. Dieses seelische Wesen bleibt noch hinter dem Schleier in unserem subliminalen Teil, dem wahren Mental, dem wahren Vital oder dem wahren oder feinstofflichen Wesen in uns: doch wie diese, wirkt es auf das Oberflächenleben durch Einflüsse und Mitteilungen, die es zur Oberfläche sendet; diese bilden einen Teil des Oberflächenaggregates, bestehend aus der angehäuften Wirkung der inneren Einflüsse und Aufwallungen, und aus der sichtbaren Form und dem Überbau, den wir im allgemeinen als uns selbst erfahren und betrachten. An dieser unwissenden Oberfläche nehmen wir undeutlich etwas wahr, das eine Seele genannt werden kann, deutlich verschieden von Mental, Leben oder Körper; wir fühlen sie nicht nur als mentale Idee oder vagen Instinkt unserer selbst, sondern als wahrnehmbaren Einfluss auf unser Leben, unseren Charakter und unsere Tätigkeit. Ein gewisses feines Gefühl für alles, das wahr und gut und schön ist, subtil und rein und edel, eine Reaktion darauf, ein Verlangen danach, ein Druck auf Mental und Leben, es in unserem Denken, Fühlen, Verhalten, Charakter zu akzeptieren und auszudrücken, ist das am meisten vorkommende, allgemeinste und typischste, obwohl nicht das einzige Zeichen dieses Einflusses der Seele. Von dem Menschen, der dieses Element nicht in sich hat oder diesem Drängen gegenüber gänzlich taub ist, wird gesagt, er habe keine Seele. Denn es ist dieser Einfluss, den wir am leichtesten als einen edleren oder sogar göttlicheren Teil in uns erkennen, der mächtigste, der uns langsam zu einem Streben nach Vollkommenheit in unserer Natur hinführt.

Doch dieser seelische Einfluss, diese seelische Tätigkeit kommt nicht ganz rein zur Oberfläche, oder bleibt nicht klar erkennbar in ihrer Reinheit; wenn es nicht so wäre, könnten wir deutlich das Seelenelement in uns unterscheiden, und bewusst und voll seinen Befehlen folgen. Eine okkult mentale, vitale und subtil physische Tätigkeit greift ein, vermischt sich damit, [mit dem Einfluss der Seele] und versucht ihn zu ihrem eigenen Nutzen zu gebrauchen und zu wenden; sie vermindert seine Göttlichkeit, entstellt und verringert seinen Selbstausdruck, bewirkt sogar seine Ablenkung und sein Straucheln oder befleckt ihn mit der Unreinheit, Kleinlichkeit und dem Irren des Mentals, Lebens und Körpers. Wenn er, [der Einfluss der Seele] derart beeinträchtigt und vermindert, die Oberfläche erreicht, wird er von der Oberflächennatur in dunklem Empfang und unwissender Formierung ergriffen, was eine weitere Ursache für Ablenkung und Vermischung ist oder sein kann. Eine Wende findet statt, eine falsche Richtung wird auferlegt, eine falsche Anwendung, eine falsche Formierung, woraus ein fehlerhaftes Ergebnis dessen resultiert, was an sich reine Substanz und Tätigkeit unseres spirituellen Wesens ist; dementsprechend entsteht eine Bewusstseinsformierung, die eine Vermischung des seelischen Einflusses und seiner Hinweise mit mentalen Ideen und Meinungen, mit vitalem Begehren und Drängen und gewohnheitsmäßigen physischen Neigungen darstellt. Mit dem verdunkelten Seeleneinfluss verschmelzen auch die unwissenden, obgleich wohlgemeinten Bemühungen dieser äußeren Teile, eine höhere Richtung einzuschlagen; eine mentale Ideenbildung von sehr vermischtem Charakter, oft dunkel, selbst in ihrem Idealismus, manchmal sogar verhängnisvoll irrend, eine Glut und Leidenschaft des emotionellen Wesens, das sein Sprühen und Schäumen der Gefühle, Empfindungen und Sentimentalitäten emporsendet, ein dynamischer Enthusiasmus der Lebensteile, heftige Reaktionen des Physischen, die Schauer und Aufregungen von Nerv und Körper – all diese Einflüsse verschmelzen in vielfältiger Form, die häufig für die Seele angesehen werden; und ihre vermischte und verworrene Tätigkeit wird für eine Seelenregung gehalten, für eine seelische Entwicklung und Tätigkeit oder einen klar erkannten inneren Einfluss. Die seelische Wesenheit selbst ist frei von Befleckung oder Vermischung, doch was aus ihr emporsteigt, wird von dieser Immunität nicht geschützt; daher ist dieses Durcheinander möglich.

Außerdem taucht das seelische Wesen, die Seelenpersonalität in uns, nicht ausgewachsen und leuchtend auf; sie entfaltet sich, durchläuft eine langsame Entwicklung und Formierung; ihre Seinsgestalt mag zunächst undeutlich, und danach auf lange Zeit hin schwach und unentwickelt bleiben, nicht unrein, doch unvollständig: denn sie stützt sich in ihrer Formung, ihrer dynamischen Selbstgestaltung auf die Macht der Seele, die tatsächlich und mehr oder weniger erfolgreich in der Evolution gegen den Widerstand von Unwissenheit und Unbewusstheit an die Oberfläche herausgestellt wurde. Ihr Erscheinen ist das Zeichen eines Auftauchens der Seele in der Natur, und wenn dieses Auftauchen noch klein und fehlerhaft ist, dann ist auch die Seelenpersonalität verkümmert oder schwach. Sie ist auch durch die Dunkelheit unseres Bewusstseins von ihrer inneren Wirklichkeit getrennt, in unvollständiger Verbindung mit ihrem eigentlichen Ursprung in den Tiefen des Wesens; denn der Pfad ist noch schlecht gebaut und wird leicht blockiert, die Drähte sind häufig durchschnitten oder mit Kommunikationen anderer Art überladen, die aus einer anderen Quelle stammen: ihre Fähigkeit, das, was sie empfängt, den äußeren Instrumenten aufzuprägen, ist ebenfalls beschränkt; in ihrer Not muss sie sich für die meisten Dinge auf diese äußeren Instrumente verlassen, und sie formt ihren Drang nach Ausdruck und Tätigkeit nach deren Daten, und nicht ausschließlich nach den untrüglichen Wahrnehmungen der seelischen Wesenheit. Unter diesen Bedingungen kann sie nicht verhindern, dass das wahre seelische Licht im Mental zu einer bloßen Idee oder Meinung vermindert und entstellt wird, das seelische Gefühl im Herzen zu einer fehlbaren Emotion oder in bloßes Sentiment, der seelische Wille nach Tätigkeit in den Lebensteilen in blinden, vitalen Enthusiasmus oder eine fieberhafte Erregung: sie akzeptiert sogar diese Fehldeutungen in Ermanglung von etwas Besserem und versucht sich durch sie zu erfüllen. Denn es gehört zur Arbeit der Seele, Mental, Herz und Vital zu beeinflussen, und ihre Ideen und Gefühle, ihre Begeisterung, ihren Dynamismus in die Richtung dessen zu wenden, was göttlich und leuchtend ist; doch muss das zunächst unvollkommen, langsam und mit einer Beimengung geschehen. In dem Maße wie die seelische Personalität an Stärke gewinnt, wird ihre Verschmelzung mit der seelischen Wesenheit dahinter größer und ihre Verbindung mit der Oberfläche besser: sie kann ihre Hinweise an Mental, Herz und Leben mit größerer Reinheit und Kraft übermitteln; denn sie vermag nun eine stärkere Kontrolle auszuüben und gegen falsche Beimengungen zu reagieren; mehr und mehr wird sie jetzt deutlich als eine Macht in der [menschlichen] Natur gefühlt. Doch selbst auf diese Weise wäre diese Evolution, bliebe sie allein der schwerfälligen, automatischen Tätigkeit der evolutionären Energie überlassen, langsam und langwierig; erst wenn der Mensch zur Erkenntnis der Seele erwacht und das Bedürfnis spürt, sie nach vorne zu bringen, und sie zum Meister seines Lebens und seiner Tätigkeit zu machen, tritt eine schnellere, bewusstere Methode der Evolution in Kraft und eine seelische Umwandlung wird möglich.

SRI AUROBINDO (19:891)

*

Wie beeinflusst die Seele ein Wesen, das normalerweise nicht bewusst ist?

Der Einfluss der Seele gleicht einer Art Ausstrahlung, welche die undurchlässigsten Substanzen durchdringt, und selbst im Unbewussten wirkt.

Dann aber ist seine Tätigkeit langsam, und es dauert sehr lange, ein wahrnehmbares Ergebnis zu erzielen.

DIE MUTTER (16:249)

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Im gewöhnlichen Bewusstsein, in welchem das Mental und das übrige nicht wach sind, wirkt die Seele so gut sie kann durch diese, doch gemäß den Gesetzen der Unwissenheit.

SRI AUROBINDO (22:297)

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Das seelische Wesen ist in allen vorhanden, doch in sehr wenigen ist es gut entwickelt, gut aufgebaut im Bewusstsein oder deutlich im Vordergrund; in den meisten ist es verhüllt, oft nicht wirksam oder nur ein Einfluss, der nicht bewusst genug oder stark genug ist, um das spirituelle Leben zu stützen.

SRI AUROBINDO (25:220)

*

Was du beschreibst, ist das seelische Feuer, agni pavaka, das im tiefsten Herzen brennt, und von dort im Mental, im Vital und im physischen Körper entfacht wird. Im Mental schafft Agni ein Licht intuitiver Wahrnehmung und Unterscheidung, das sofort sieht, was die wahre Vision oder Idee, und was die falsche Vision oder Idee ist, das wahre Gefühl und das falsche Gefühl, die wahre Regung und die falsche Regung. Im Vital wird es [das seelische Feuer] als ein Feuer des richtigen Gefühls entfacht, einer Art intuitivem Gefühl, einer Art Feingefühl, sich dem rechten Impuls zuzuwenden, dem rechten Tun, dem rechten Erspüren der Dinge, der rechten Reaktion auf die Dinge. Im Körper ruft es eine ähnliche, doch noch automatischere, richtige Erwiderung auf die Dinge des physischen Lebens, Fühlens und der Körpererfahrung hervor. Meist ist es das seelische Licht im Mental, das von den Dreien zuerst entzündet wird, doch nicht immer –, denn manchmal ist es die seelisch-vitale Flamme, die den Vorrang einnimmt.

Auch im gewöhnlichen Leben wirkt zweifellos eine Seelentätigkeit – ohne sie wäre der Mensch nur ein denkendes und planendes Tier. Doch ist sie sehr verhüllt und bedarf stets des Mentals oder Vitals für ihren Ausdruck, sie ist meist vermischt und nicht dominierend, und daher nicht unfehlbar; sie tut oft das Rechte auf die falsche Weise, wird vom richtigen Gefühl bewegt, doch irrt hinsichtlich der Anwendung, der Person, des Ortes und des Umstands. Die Seele, außer in wenigen außergewöhnlichen Naturen, erhält nicht ihre volle Gelegenheit im äußeren Bewusstsein; sie bedarf einer Art Yoga oder Sadhana, um zur Geltung zu kommen, und in dem Maß wie sie mehr und mehr im Vordergrund auftaucht, befreit sie sich von dem Gemisch. Das bedeutet, dass ihre Gegenwart direkt gefühlt wird, und nicht allein im Hintergrund oder als Stütze, sondern das frontale Bewusstsein ausfüllend, und nicht länger abhängig von ihren Instrumenten, Mental, Vital und Körper, oder durch sie beherrscht, sondern sie dominierend und ins Lichthafte wendend und sie ihre wahre Tätigkeit lehrend.

SRI AUROBINDO (9:362)

***

Unterweisung durch die Organisation des Lebens

Hat die Seele irgendwelche Macht?

Macht? Meist ist es die Seele, die das Wesen leitet. Man weiß nichts darüber, denn man ist sich dessen nicht bewusst, doch im allgemeinen leitet sie das Wesen. Wenn man sehr aufmerksam ist, wird man sich dessen bewusst. Doch die Mehrheit der Menschen hat nicht die leiseste Idee davon. Wenn sie zum Beispiel in ihrer äußeren Unwissenheit beschlossen haben, etwas Bestimmtes zu tun, doch dann ordnen sich alle Umstände derart, dass sie etwas ganz anderes tun, dann beginnen sie zu schimpfen, zu toben und wütend gegen das Schicksal anzugehen und zu sagen (es hängt davon ab, woran sie glauben, von ihrer Religion), dass die Natur hinterhältig, ihr Schicksal unheilvoll oder Gott ungerecht sei oder ... ganz gleichgültig was (es hängt davon ab, woran sie glauben). Wobei während der ganzen Zeit genau jene Umstände für ihre innere Entwicklung am vorteilhaftesten waren. Und natürlich, wenn du die Seele darum bittest, dir dabei zu helfen, dir ein angenehmes Leben zu gestalten, Geld zu verdienen, Kinder zu haben, die der Stolz der Familie sind, etc., nun, dabei wird dir die Seele nicht helfen. Aber sie wird alle erforderlichen Umstände für dich schaffen, um etwas in dir wachzurufen, damit die Sehnsucht, sich mit dem Göttlichen zu vereinen in deinem Bewusstsein geboren werde. Manchmal hast du prächtige Pläne gemacht und wenn sie erfolgreich gewesen wären, wärst du immer mehr in deiner äußeren Unwissenheit erstarrt, in deinem dummen, kleinen Ehrgeiz und deiner ziellosen Tätigkeit. Doch wenn du einen kräftigen Schock empfängst, und der Posten, den du begehrtest, wird dir verweigert, der Plan, den du aufstelltest, wird vereitelt, und in allem wird dir ein Strich durch die Rechnung gemacht, dann öffnet dieser Widerstand dir manchmal eine Tür auf etwas Wahreres und Tieferes. Und wenn du ein wenig bewusst bist und zurückblickst, wenn du ein wenig aufrichtig bist, sagst du dir: “Ah, nicht ich hatte recht – es war die Natur oder die göttliche Gnade oder mein seelisches Wesen, durch die es geschah.” Es ist das seelische Wesen, das so etwas auslöst.

DIE MUTTER (5:394)

*

Wenn du in dir ein seelisches Wesen hast, das hinreichend erweckt ist, um über dich zu wachen und deinen Pfad vorzubereiten, vermag es Dinge anzuziehen, Menschen, Bücher, Umstände, alle Arten von kleinen Zufälligkeiten, die zu dir kommen wie durch einen gütigen Willen herbeigeführt, und dir einen Hinweis geben, eine Hilfe, eine Unterstützung, um eine Entscheidung zu treffen und dich in die richtige Richtung zu wenden. Und wenn du einmal eine Entscheidung getroffen hast, wenn du dich einmal entschlossen hast, die Wahrheit deines Wesens zu finden, wenn du dich einmal aufrichtig auf den Weg machst, dann scheint sich alles zu deinem Fortschritt zu verschwören.

DIE MUTTER (4:261)

*

Wenn jemand für den Pfad bestimmt ist, werden ihn, trotz aller Umwege des Mentals und Lebens, alle Umstände auf die eine oder andere Weise zu diesem hinführen. Es ist das eigene seelische Wesen in ihm und die Göttliche Macht über uns, die zu diesem Zweck sowohl die Wechselhaftigkeiten des Mentals als auch die äußeren Umstände benutzen.

SRI AUROBINDO (23:550)

*

Manche Menschen behaupten, dass etwas jenseits ihres Willens ihr ganzes Leben gestaltet, sie in den erforderlichen Zustand versetzt, der günstige Umstände oder wohlgesinnte Menschen anzieht, das sozusagen alles über sie hinweg arrangiert. In ihrem Bewusstsein wollten sie vielleicht etwas Bestimmtes und arbeiteten dafür, doch etwas anderes trat ein. Nun, nach einigen Jahren erkennen sie, dass es das war, was wirklich kommen musste. Du magst von der Existenz eines seelischen Wesens in dir nichts wissen, und dennoch von ihm geleitet werden. Denn, um sich einer Sache bewusst zu werden, muss man vor allem zugeben, dass sie existiert. Manche Menschen tun das nicht. Ich habe Menschen gekannt, die einen echten Kontakt mit ihrem seelischen Wesen hatten, ohne sich im geringsten darüber im Klaren zu sein, denn nichts in ihnen entsprach dem Wissen dieses Kontaktes.

DIE MUTTER (15:327)

*

Mutter, wird die Ausrichtung eines menschlichen Lebens von der Seele bestimmt?

Ja. Meist dem Einzelnen durchaus nicht bewusst; aber es ist die Seele, die sein Dasein ausrichtet – doch nur hinsichtlich dessen, was man als die hauptsächlichen Richtlinien bezeichnen könnte, denn um in die Einzelheiten einzugreifen, hätte eine bewusste Einung zwischen dem äußeren Wesen, das heißt dem vitalen und physischen Wesen und dem seelischen Wesen stattfinden müssen; doch im allgemeinen ist dies nicht der Fall. In den äußerlichen Einzelheiten ... da war zum Beispiel jemand, der äußerst verblüfft zu mir sagte: “Nun, wenn es das seelische Wesen ist, oder vielmehr das Göttliche im seelischen Wesen, das unser Leben lenkt, entscheidet es dann auch die Anzahl der Zuckerstücke, die ich in meinen Tee tue?” Das war die wörtliche Frage. Die Antwort war natürlich: “Nein, denn es ist kein ins einzelne gehendes Eingreifen dieser Art.”

Es ist, als würdest Du Deine Faust in einen Haufen Eisenspäne oder Sägemehl stoßen, all die unendlich kleinen Elemente der Eisenspäne oder des Sägemehls arrangieren sich in der Form deiner Faust, doch tun sie es weder willentlich noch bewusst. Es geschieht durch das Wirken des Bewusstseins, das die Faust stößt. Es gibt keine Entscheidung, die jedes Element genau an diesen oder jenen Platz verweist; es ist die Auswirkung der Energie, welche die Faust gestoßen hat und die Elemente der Eisenspäne ordnet. So ist es. Es ist das seelische Bewusstsein, das im Leben wirkt, das alle Umstände deines Lebens gestaltet, doch nicht mit einer vorsätzlichen Wahl der Einzelheiten; und tatsächlich sind es nur wenige Dinge, die vorsätzlich und bewusst das physische Leben der Menschen ausrichten. Jedenfalls meistens. Wenn du jemanden fragst: “Warum hast du das getan?” “Nun, es geschah einfach so”! In mindestens fünfundsiebzig Fällen von hundert. Man ist nur so daran gewöhnt auf diese Weise zu gehen und Dinge zu bewegen und zu tun, dass man es nicht einmal bemerkt. Doch wenn man sich zu beobachten beginnt, sieht man, dass es stimmt. Es gibt sehr wenige Dinge, die das Ergebnis einer klaren und gewollten Entscheidung sind, sehr wenige, nur das, was man als wichtig ansieht, und selbst hier gibt es einen großen Spielraum. Das Ausmaß der Unbewusstheit, die mit physischem Bewusstsein vermischt ist, ist ungeheuer, doch da wir daran gewöhnt sind, bemerken wir es nicht. Sobald du aber zu analysieren beginnst, zu betrachten, zu forschen, erschrickst du. Wieviele Male siehst du dich einem Problem gegenüber! Du erkennst, dass du die Dinge automatisch tust, gewohnheitsmäßig, manchmal vielleicht in freier Wahl – manchmal –, doch dann siehst du dich plötzlich einer ganz unbedeutenden Einzelheit gegenüber und fragst dich: “Sollte ich nun dies oder jenes tun?” Einfach dies. Es sind sehr geringfügige Dinge, zum Beispiel ... du bist beim Essen und du fragst dich: “Sollte ich weiter essen oder aufhören?” Wie oft vermagst du eine motivierte und bewusste Entscheidung zu treffen? Und plötzlich erkennst du: “Ah, ich weiß überhaupt nichts darüber; ich weiß nicht; ich kann dies oder jenes tun; ich kann dies und das und das tun. Doch was ist es, das in mir wählen wird?” Es sei denn, du hättest mentale Formierungen. Doch dann, wenn du mentale Formierungen hast, die dein Leben lenken, fragst du dich diese Fragen nicht einmal, du lebst wie ein Automat in einer gewohnheitsmäßigen Routine, die du für dich errichtest hast. Doch nicht nur einmal, es geschieht viele tausend Mal täglich.

Zum Beispiel, du hast Kontakt mit jemanden, du hast sehr gute Gefühle für diese Person; du befindest dich in einer etwas schwierigen Situation und willst das Bestmögliche tun. Wenn du spontan handelst, gibt es kein Problem, denn du handelst ohne nachzudenken, und ein Ding folgt dem anderen. Und du willst bewusst das Beste tun ... Worauf willst du dein Urteil gründen? Welches Wissen lässt dich entscheiden: “Ich muss dies oder ich muss jenes tun, ich muss dies oder jenes sagen oder ich darf gar nichts sagen” – all die unzähligen Möglichkeiten, die du siehst. Und worauf willst du dein Urteil gründen? Wenn du es aufrichtig betrachtest, wirst du deine Unwissenheit bei jedem Schritt erkennen.

Allein dann, wenn du die Gewohnheit hast, in dich zu gehen, dich an das innere seelische Bewusstsein zu wenden, damit es in dir entscheide, was du tun willst, tust du es mit Gewissheit, ohne zu zögern, ohne zu fragen, ohne alles. Du weißt, dass es dies ist, was getan werden muss, und dass es nichts zu fragen gibt; doch nur dann. Allein, wenn du deiner Seele die bewusste Führung überlässt, kannst du bewusst und immerwährend das Rechte tun; doch nur dann.

Im anderen Fall, weil du es dir zur Gewohnheit gemacht hast, zu denken und zu beobachten, siehst du all die kleinen Dinge des Lebens, die immer wiederkehren. Du willst nicht mechanisch leben, gewissermaßen gewohnheitsmäßig, du willst bewusst leben, deinen Willen gebrauchen. Nun, in jedem Augenblick stehst du einem Problem gegenüber, das du nicht lösen kannst. Ich meine rein physisch. Nimm eine bestimmte Schwierigkeit in deinem Körper – das, was wir eine Störung nennen –, die sich durch Unbehagen oder Unpässlichkeit ausdrückt; es ist keine Krankheit, es ist eine Unpässlichkeit, ein Unbehagen, etwas [in dir], das nicht richtig funktioniert. Wenn du dann das seelische Wissen nicht hast, das dich die Sache, die getan werden sollte, tun lässt, ohne jedes Argument, wenn du die Sache deinem Mental überlässt und dem, was du als dein Wissen ansiehst, dann ... Nimm einen Fall aus dem Bereich der Medizin: “Sollte ich dies oder jenes tun, diese Medizin oder jene nehmen, meine Diät ändern, diese oder jene Nahrung zu mir nehmen?” ... Dann prüfst du dich. Wenn du niemals mehr als eine bestimmte Anzahl sehr grundlegender Prinzipien gekannt hast, ist deine Wahl sehr einfach, doch wenn du zufällig ein wenig Kenntnis der unterschiedlichen medizinischen Behandlungsmethoden besitzt ... es gibt Systeme der verschiedenen Länder, die verschiedenen Systeme der Medikamente, es gibt, wie du weißt, Allopathie, Homöopathie, dieses oder jenes; daher sagt dir der eine das, der andere etwas anderes. Du kennst Leute, die sagen: “Tue das nicht, tue jenes”, andere sagen: “Vor allem tue jenes nicht, tue dieses”, und so fort, und so siehst du dich selbst dem Problem gegenüber und fragst dich: “Nun, was weiß ich selbst von all dem, wozu soll ich mich entscheiden? Ich weiß nichts.”

Es gibt nur eines in dir, das weiß, das ist deine Seele; sie macht keinen Fehler, sie wird es dir sofort und augenblicklich sagen, wenn du ihr widerspruchslos gehorchst, ohne deine eigenen Ideen und Argumente vorzubringen, sie ist es, die dich die rechte Sache tun lässt. Doch all das übrige ... du bist verloren. Und mit allem ist es so: was sollst du lernen, was sollst du nicht lernen, welche Arbeit wirst du tun, welchen Pfad wirst du einschlagen? Doch dann sind da all die Möglichkeiten, die sich einmischen, all das, was du entweder gelernt hast, oder dem du im Leben begegnet bist, all die Vorschläge, die du von allen Seiten empfangen hast, und die dich umflattern. Zu welchem wirst du dich entscheiden? Ich spreche von Menschen, die ganz wahrhaft sind, nicht von solchen, die vorgefasste Ideen, Vorurteile, festgelegte Regeln haben, denen sie in einer mechanischen Routine folgen, ohne sich im geringsten darum zu bemühen, die Wahrheit zu kennen, und für welche die Wahrheit aus der mentalen Auffassung der Dinge besteht. Für diese ist es einfach. Man folgt geradewegs seinem Pfad, bumst seine Nase gegen die Wand, man merkt es aber nicht, bis die Nase zerbeult ist. Doch im anderen Fall ist es furchtbar schwer .

Das ist es, was Sri Aurobindo meinte, als er sagte, dass man fortwährend in Unwissenheit lebt, und solange das Mental der Unwissenheit nicht durch das Mental des Lichtes ersetzt werde, man dem wahren Pfad nicht folgen könnte; und dass dies die unerlässliche Vorbereitung sei, bevor eine integrale Umwandlung stattfinden könne.

DIE MUTTER (7:222)

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Das seelische Wesen – Zentrum der Selbst-Einung

Die Arbeit, das menschliche Wesen zu einen, besteht darin:

1. sich seines seelischen Wesens bewusst zu werden und

2. alle eigenen Regungen, Impulse, Gedanken und Willensakte, sobald man sich ihrer bewusst wird, vor das seelische Wesen hinzustellen, damit es jede dieser Regungen, Impulse, Gedanken oder Willensakte akzeptiere oder zurückweise. Jene, die es akzeptiert, werden bewahrt und durchgeführt; jene, die es zurückweist, werden aus dem Bewusstsein vertrieben, um niemals mehr zurückzukehren.

DIE MUTTER (16:412)

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Wenn wir wahrhaft vorankommen und die Fähigkeit erwerben wollen, die Wahrheit unseres Wesens zu erkennen, das heißt das, wofür wir wirklich geschaffen wurden, das, was wir unsere Berufung auf Erden nennen können, müssen wir, was immer der Wahrheit unseres Daseins widerspricht, was immer im Gegensatz zu ihr steht, von uns zurückweisen oder in uns ausmerzen. Auf diese Weise können nach und nach alle Teile, alle Elemente unseres Wesens, in ein homogenes Ganzes um unser seelisches Zentrum angeordnet werden. Dieses Werk der Einung erfordert viel Zeit, bevor man einen gewissen Grad der Vollendung erlangt hat. Daher müssen wir uns für seine Durchführung mit Geduld und Ausdauer wappnen, mit einer Entschlossenheit, unser Leben so lange zu verlängern, wie es für den Erfolg unserer Bemühung notwendig ist.

Während du diese Arbeit der Läuterung und Einung aufnimmst, hast du gleichzeitig große Sorge zu tragen, den äußeren und instrumentalen Teil deines Wesens zu vervollkommnen. Wenn sich die höhere Wahrheit manifestiert, muss sie in dir ein Mental vorfinden, das beweglich und reich genug ist, der Idee, die sich auszudrücken sucht, eine Gedankenform geben zu können, welche ihre Kraft und Klarheit bewahrt. Dieser Gedanke wiederum, wenn er sich in Worte zu kleiden sucht, muss in dir eine genügende Ausdruckskraft finden, damit die Worte den Gedanken enthüllen, und ihn nicht entstellen. Und die Formel, in welcher du die Wahrheit verkörperst, sollte sich in all deinen Gefühlen ausdrücken, all deinen Willensakten, all deinen Tätigkeiten, in allen Regungen deines Wesens. Schließlich sollten diese Regungen selbst durch fortwährende Bemühung ihre höchste Vollendung erreichen.

All dies kann mit Hilfe einer vierfachen Disziplin verwirklicht werden, deren allgemeine Richtlinie hier gegeben ist. Die vier Aspekte der Disziplin schließen sich gegenseitig nicht aus und können gleichzeitig verfolgt werden; das ist sogar vorzuziehen. Der Ausgangspunkt ist, was man die seelische Disziplin nennen kann. Wir nennen das psychologische Zentrum unseres Wesens “seelisch”, es ist der Sitz der höchsten Wahrheit unseres Daseins in uns, das, was diese Wahrheit kennt und sie auslöst. Daher ist es von höchster Wichtigkeit, sich seiner Gegenwart in uns bewusst zu werden, sich auf diese Gegenwart zu konzentrieren, bis sie eine lebendige Tatsache für uns wird, und wir uns damit identifizieren können.

Zu verschiedenen Zeiten und an verschiedenen Orten wurden viele Methoden vorgeschrieben, um diese Erkenntnis zu erreichen, und letztlich diese Identifizierung zu erlangen. Einige Methoden sind psychologisch, einige religiös, einige sogar mechanisch. Tatsächlich muss jeder diejenige finden, die am besten zu ihm passt; und wenn man eine glühende und stetige Aspiration besitzt, einen beharrlichen und dynamischen Willen, kann man gewiss auf die eine oder andere Weise – äußerlich durch Lesen und Studium, innerlich durch Konzentration, Meditation, Offenbarung und Erfahrung – die Hilfe erlangen, deren man bedarf, um das Ziel zu erreichen. Nur eine Sache ist absolut unerlässlich: der Wille, zu entdecken und zu verwirklichen. Diese Entdeckung und Verwirklichung sollte das Hauptanliegen unseres Wesens sein, die Perle von hohem Wert, die wir um jeden Preis erlangen müssen. Was immer du auch tust, welcher Art auch immer deine Beschäftigungen und Tätigkeiten seien, der Wille, die Wahrheit deines Wesens zu finden und sich damit zu einen, muss hinter allem, was du tust, allem, was du fühlst und allem, was du denkst, lebendig und gegenwärtig sein.

DIE MUTTER (12:3)

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Du sagst, es sei notwendig “Homogenität” in unserem Wesen zu errichten?

Weißt du nicht, was eine homogene Sache ist, aus vielen gleichartigen Teilen zusammengesetzt? Es bedeutet, dass das ganze Wesen unter dem gleichen Einfluss steht, das gleiche Bewusstsein, die gleiche Richtlinie, den gleichen Willen haben muss. Wir bestehen aus allerlei verschiedenartigen Teilen. Sie werden einer nach dem anderen aktiv. Je nach dem Teil, der aktiv ist, ist man eine ganz andere Person, wird beinahe eine andere Persönlichkeit. Zum Beispiel, man hat zuerst eine Aspiration, man hat gespürt, dass alles nur um des Göttlichen willen existiert, dann passiert etwas, jemand kommt, man hat etwas zu tun, und alles verflüchtigt sich. Man versucht die Erfahrung zurückzurufen, doch nicht einmal die Erinnerung an die Erfahrung ist geblieben. Man ist völlig unter einen anderen Einfluss geraten, man wundert sich, wie dies geschehen konnte. Es gibt Beispiele von doppelten, dreifachen, vierfachen Persönlichkeiten in uns, die nichts voneinander wissen ... Das aber meine ich nicht; was ich meine, ist etwas, das euch allen begegnet ist: Ihr hattet eine Erfahrung, und eine Zeit lang habt ihr gefühlt und verstanden, dass diese Erfahrung die einzige Sache war, etwas, das einen absoluten Wert hatte – eine halbe Stunde später versucht ihr sie euch zurückzurufen, und sie ist verschwunden, wie Rauch, der sich auflöst. Die Erfahrung ist verschwunden. Und doch, eine halbe Stunde vorher war sie noch da, und so machtvoll ... Es hat seinen Grund in der Tatsache, dass man aus allen möglichen verschiedenartigen Dingen besteht. Der Körper ist wie eine Tasche voller Kieselsteine und Perlen, alle durcheinander gemischt, und allein die Tasche hält sie zusammen. Wir haben kein homogenes, einheitliches Bewusstsein, sondern ein heterogenes.

Ihr könnt eine andere Person in verschiedenen Augenblicken des Lebens sein. Ich kenne Menschen, die Entscheidungen trafen, einen starken Willen hatten, die wussten, was sie wollten und bereit waren, es zu tun. Dann fand eine kleiner Umschwung im Wesen statt; ein anderer Wesensteil trat hervor und verdarb die ganze Arbeit in zehn Minuten. Alles, was in zwei Monaten erreicht worden war, war zunichte gemacht. Wenn dann der erste Teil zurückkehrt, ist er bestürzt und sagt: “Was! ...” Dann muss die ganze Arbeit wieder von vorne beginnen, langsam. Daraus folgt, dass es sehr wichtig ist, sich des seelischen Wesens bewusst zu werden; man braucht eine Art Warnsignal oder Spiegel, in dem sich alle Dinge spiegeln und sich so zeigen, wie sie wirklich sind. Und dann, je nachdem, stellt man sie an den einen oder anderen Platz; man beginnt zu erklären, zu ordnen. Das dauert. Der gleiche Teil kehrt drei oder vier Mal zurück, und jeder Teil, der emporkommt, sagt: “Stell mich auf den ersten Platz; was die anderen tun, ist nicht wichtig, ganz und gar nicht wichtig, ich bin es, der entscheidet, denn ich bin am wichtigsten.” Wenn ihr euch betrachtet, werdet ihr finden, dass nicht einer unter euch ist, der diese Erfahrung nicht hatte – dessen bin ich mir sicher. Ihr wollt bewusst werden, ihr seid voll guten Willens, ihr habt verstanden, eure Aspiration ist lichthaft, alles ist brillant, erleuchtet; doch plötzlich geschieht etwas, ein nutzloses Gespräch, eine unglückselige Stelle, die ihr lest, und das wirft alles über den Haufen. Dann glaubt man, dass es eine Illusion war, in der man lebte, dass alle Dinge nur unter einem bestimmten Gesichtswinkel gesehen wurden.

Das ist das Leben. Man stolpert und fällt bei der ersten Gelegenheit. Man sagt sich: “Ach, man kann nicht immer so ernsthaft sein”, und wenn der andere Teil zurückkehrt, bereut man es bitterlich: “Ich war ein Narr, ich habe meine Zeit vergeudet, jetzt muss ich wieder von vorne anfangen ...” Manchmal ist es ein Wesensteil, der schlecht gelaunt und voller Aufruhr und Sorgen ist, und dann ein anderer, der fortschrittlich ist, voller Hingabe. All das, eins nach dem anderen.

Es gibt nur einen Ausweg: dieses Warnsignal muss immer da sein, ein Spiegel in den eigenen Gefühlen, Impulsen und Wahrnehmungen. Man sieht sie in diesem Spiegel. Manche sind nicht sehr schön und angenehm zu betrachten; es gibt andere, die sind schön und angenehm, und müssen bewahrt werden. Dies tut man, wenn nötig, hundert Mal am Tag. Und es ist sehr interessant. Man zieht so etwas wie einen großen Kreis um den seelischen Spiegel und ordnet alle Elemente darum herum. Wenn etwas nicht in Ordnung ist, erscheint eine Art grauer Schatten auf dem Spiegel: dieses Element muss verschoben, ausgerichtet werden. Man muss ihm zureden, es muss begreifen lernen, man muss aus dieser Finsternis herauskommen. Wenn ihr das tut, wird es euch nie langweilig werden. Wenn die Menschen nicht freundlich sind, wenn man eine Erkältung im Kopf hat, wenn man seine Aufgabe nicht weiß, und so weiter, beginnt man in diesen Spiegel zu schauen. Es ist sehr interessant, man sieht das Geschwür. “Ich dachte, ich sei aufrichtig!” – ganz und gar nicht.

Nicht eine einzige Sache geschieht im Leben, die nicht interessant ist. Dieser Spiegel ist sehr, sehr gut gemacht. Tu das zwei Jahre lang, drei, vier Jahre, manchmal muss man es zwanzig Jahre lang tun. Dann, am Ende von einigen Jahren, schaut zurück, betrachtet das, was ihr vor drei Jahren wart: “Wie sehr ich mich verändert habe! ... War ich so?” ... Es ist sehr interessant. “Ich konnte auf diese Weise sprechen? Ich konnte so reden, so denken? Ich war doch wirklich dumm! Wie ich mich verändert habe!” Es ist sehr interessant, nicht wahr!

DIE MUTTER (5:8)

***

III. Wachstum und Entwicklung der Seele

Ein Wesen, ausharrend im Vergehen der Welten,

In vielfacher Gestalt, obgleich dasselbe immerdar,

Dem äußeren Geiste nicht erkennbar,

Prägt unter fremden Namen in fremden Ländern

Im Ablauf der Zeiten der Erde abgegriffenes Blatt

Mit einem wachsenden Bild seines geheimen Selbstes,

Lernt durch Erfahrung, was der Spirit wusste,

Bis es erkennt, dass seine Wahrheit lebt und Gott.

SRI AUROBINDO

SAVITRI: BUCH II CANTO 14

Evolution und Seele

“Dieses erdhafte evolutionäre Wirken der Natur, von der Materie zum Mental und darüber hinaus, ist durch einen doppelten Prozess gekennzeichnet: einem äußeren, sichtbaren Vorgang der physischen Evolution mit der Geburt als seinem Mechanismus –, denn jede entwickelte Körperform, die ihre eigene entwickelte Bewusstseinsmacht beherbergt, wird durch Vererbung aufrechterhalten und in ununterbrochener Folge weitergeführt; gleichzeitig besteht ein unsichtbarer Prozess der Seelenevolution, deren Mechanismus die Wiedergeburt ist, in aufsteigenden Stufen von Form und Bewusstsein. Das erste als solches würde lediglich eine kosmische Evolution bedeuten; denn der Einzelne wäre ein schnell vergängliches Instrument, und die Rasse, als ein dauerhafter kollektiver Ausdruck, wäre die eigentliche Stuft in der progressiven Manifestation des kosmischen Bewohners, des universalen Spirits: Wiedergeburt ist eine unerlässliche Voraussetzung für eine lange Dauer und Evolution des individuellen Wesens im Erdendasein. Jede Stuft der kosmischen Manifestation, jede Form, die den innewohnenden Spirit beherbergen kann, wird durch die Wiedergeburt zu einem Hilfsmittel der individuellen Seele, der seelischen Wesenheit, um immer mehr ihres verborgenen Bewusstseins zu manifestieren; alles Leben wird zu einer Stuft in einem Sieg über die Materie durch ein weiteres Fortschreiten des Bewusstseins in ihr, was letzten Endes die Materie selbst zu einem Hilfsmittel für die volle Manifestation des Spirits machen wird.” – SRI AUROBINDO (The Life Divine)

Das ist sehr schwer zu verstehen, liebe Mutter!

Ah! ...

Wenn du die Erdgeschichte betrachtest, siehst du, dass alle Lebensformen nacheinander in einem allgemeinen Plan, einem allgemeinen Programm erschienen sind, und immer unter Hinzufügung einer neuen Vollkommenheit und eines größeren Bewusstseins. Nimm nur einmal die Tierformen, denn das ist leichter zu verstehen, sie sind die letzten vor dem Menschen: jede Tiergattung, die auftrat, war mit einer zusätzlichen Vollkommenheit in ihrer allgemeinen Natur ausgestattet – ich meine nicht in allen Einzelheiten – eine größere Perfektion als die vorhergehenden, und der krönende Gipfelpunkt des Aufstiegs war die menschliche Form, welche zur Zeit die geeignetste Form ist, um Bewusstsein zu manifestieren; das heißt, die menschliche Form auf ihrem Höhepunkt, dem Höhepunkt ihrer Möglichkeiten, vermag mehr Bewusstsein zu enthalten als alle vorhergehenden Tierformen.

Das ist einer der Wege der Evolution der Natur.

Sri Aurobindo sagte uns letzte Woche, dass diese Natur einer ansteigenden Weiterentwicklung folgt, um mehr und mehr das göttliche Bewusstsein zu manifestieren, das in allen Formen enthalten ist. So, mit jeder neuen Form, die sie hervorbringt, befähigt die Natur diese Form immer vollständiger den Spirit auszudrücken, den sie enthält. Aber wenn es so wäre, würde eine Form erscheinen, sich entwickeln, ihren höchsten Punkt erreichen, und eine andere Form würde ihr nachfolgen; die vorhergehenden hören nicht auf zu existieren, doch macht die einzelne Form keinen Fortschritt mehr. Der einzelne Hund oder Affe, zum Beispiel, gehört zu einer Spezies, die ihre eigene besondere Charakteristik hat; wenn der Affe oder der Mensch auf der Höhe seiner Möglichkeiten anlangt, das heißt, wenn ein menschliches Wesen der beste Typ der Menschheit wird, ist es zu Ende; das einzelne Wesen wird nicht weiter fortschreiten können. Es gehört zur menschlichen Spezies und wird weiterhin dazu gehören. Daher besteht vom Standpunkt der Erdgeschichte aus gesehen ein Fortschritt, denn jede Spezies stellt einen Fortschritt dar, verglichen mit der vorhergehenden Spezies; doch von Standpunkt des Individuums gibt es keinen weiteren Fortschritt: es wird geboren, folgt seiner Entwicklung, stirbt, und hört auf zu bestehen. Daher war es notwendig, ein anderes Mittel zu finden, um den Fortschritt des Einzelnen sicherzustellen; dieses war nicht ausreichend. Doch innerhalb des Individuums, das in jeder Form enthalten ist, besteht eine Anordnung von Bewusstsein, die näher und direkter unter dem Einfluss der inneren göttlichen Gegenwart steht, und die Form, die unter diesem Einfluss steht, diese gewisse innere Konzentration von Energie, hat ein Leben, das unabhängig von der physischen Form ist – es ist das, was wir im allgemeinen die “Seele” oder das “seelische Wesen” nennen; und da es um das göttliche Zentrum angeordnet ist, hat es Anteil an der göttlichen Natur, die unsterblich, ewig ist. Der äußere Körper fällt ab, und dies bleibt in jeder Erfahrung, die es in jedem Leben hat, bestehen; und von Leben zu Leben findet ein Fortschritt statt, und es ist der Fortschritt des selben Individuums. Und diese Bewegung vervollständigt die andere, sodass statt einer Spezies, die sich im Verhältnis zu einer anderen weiterentwickelt, es das Individuum ist, das alle Stadien der Weiterentwicklung dieser Spezies durchläuft und sich weiterhin entwickeln kann, selbst wenn die Spezies die Grenze ihrer Möglichkeiten erreicht hat und dort verbleibt, oder aber aufhört zu existieren, je nachdem, aber sie kann nicht weitergehen; während das Individuum, dessen Leben von der rein stofflichen Form unabhängig ist, von einer Form zu anderen gehen und seine Weiterentwicklung unendlich fortsetzen kann. Das läuft auf eine doppelte Bewegung hinaus, die sich vervollständigt. Und daher hat jedes Individuum die Möglichkeit die höchste Verwirklichung zu erreichen, unabhängig von der Form, zu der es augenblicklich gehört.

DIE MUTTER (9:213)

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In den vorangegangenen Stadien der Evolution hatte sich die erste Sorge und Bemühung der Natur auf eine Veränderung im physischen Aufbau zu richten, denn nur so konnte es eine Veränderung im Bewusstsein geben; dies war eine Notwendigkeit, auferlegt durch das Ungenügen der Bewusstseinskraft – bereits in der Formung begriffen –, um eine Veränderung im Körper zu erzielen. Doch im Menschen ist eine Umkehr möglich, ja, eigentlich unvermeidlich; denn es ist mit Hilfe seiner Bewusstseinsumbildung, und nicht mehr mit Hilfe eines neuen körperlichen Organismus als einer Instrumentation, dass die Evolution bewirkt werden kann und muss. In der inneren Realität der Dinge war eine Bewusstseinsveränderung immer die Hauptsache, Evolution hatte immer eine spirituelle Bedeutung und die physische Veränderung war nur instrumental; doch wurde diese Beziehung durch das abnormale Gleichgewicht zweier Faktoren verborgen, nämlich durch die Tatsache, dass der Körper der äußeren Unwissenheit das spirituelle Element, das bewusste Wesen, an Bedeutung überwiegt und verdunkelt. Doch ist einmal das Gleichgewicht hergestellt, ist es nicht länger die Veränderung des Körpers, die der Veränderung des Bewusstseins vorangehen muss; das Bewusstsein selbst wird durch seine Mutation erzwingen und bewirken, welche Mutation auch immer für den Körper nötig wird. Es sei hier bemerkt, dass das menschliche Mental bereits die Fähigkeit gezeigt hat, der Natur in der Evolution von neuen Pflanzen- und Tiertypen zu helfen; es [das Mental] hat neue Formen seiner Umwelt geschaffen und durch Wissen und Disziplin beträchtliche Veränderungen seiner eigenen Mentalität entwickelt. Es ist keine Unmöglichkeit, dass der Mensch die Natur bewusst unterstützt, auch in seiner eigenen spirituellen und physischen Evolution und Transformation. Der Trieb hierzu ist bereits vorhanden und teilweise wirksam, obgleich von der Oberflächenmentalität noch unvollständig verstanden und akzeptiert; doch eines Tages mag diese lernen, sich tiefer nach innen zu wenden und die Mittel, die geheime Energie, das geplante Wirken der inneren Bewusstseinskraft zu entdecken, welche die verborgene Wirklichkeit dessen ist, was wir Natur nennen.

Zu all diesen Rückschlüssen kann man selbst gelangen, indem man die äußeren Phänomene der Weiterentwicklung in der Natur beobachtet, ihre Oberflächen-Evolution des Wesens und Bewusstseins in der physischen Geburt und dem Körper. Doch da ist der andere, der unsichtbare Faktor, da ist die Wiedergeburt, der Fortschritt der Seele durch das stufenweise Aufsteigen des sich entwickelnden Daseins, und in den Stufen zu höheren und höheren Typen körperlicher und mentaler Instrumentation. In dieser Entwicklung ist die seelische Wesenheit noch verhüllt, selbst im Menschen, dem bewussten, mentalen Wesen, durch ihre Instrumente, durch Mental und Leben und Körper; sie ist unfähig, sich voll zu offenbaren, sie wird daran gehindert in den Vordergrund zu treten, wo sie deutlich als Meister ihrer Natur auftreten kann, und ist genötigt, sich einer Art Entscheidung durch die Instrumente zu unterwerfen, einer Unterwerfung des Purushas durch die Prakriti. Doch kann sich im Menschen der seelische Teil der Persönlichkeit mit viel größerer Schnelligkeit entwickeln als in der niederen Schöpfung, und eine Zeit mag kommen, wo die seelische Wesenheit nahe daran ist, hinter dem Schleier hervorzutreten und Meister ihrer Instrumente in der Natur zu werden. Dies aber bedeutet, dass der geheime, innewohnende Spirit, der Dämon, die innere Gottheit, im Begriff ist aufzutauchen; und sobald sie auftaucht, kann kaum bezweifelt werden, dass sie – wie es tatsächlich bereits im Mental der Fall ist, wenn es sich der inneren seelischen Einflussnahme unterwirft – eine göttlichere, eine spirituellere Existenz fordern wird. In der Natur des Erdenlebens, wo das Mental ein Instrument der Unwissenheit ist, kann dies allein durch eine Wandlung des Bewusstseins bewirkt werden, durch einen Übergang von einer Grundlage in Unwissenheit zu einer Grundlage im Wissen, von dem mentalen zu einem supramentalen Bewusstsein, einer supramentalen Instrumentation der Natur.

SRI AUROBINDO (19:843)

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Hinsichtlich der aufwärtsgerichteten Evolution ist es richtiger von der seelischen Gegenwart als dem seelischen Wesen zu sprechen. Denn die seelische Gegenwart wird nach und nach zum seelischen Wesen. In jeder sich entwickelnden Form gibt es diese Gegenwart, sie ist aber nicht individualisiert. Sie ist etwas, das fähig ist, zu wachsen und der Bewegung der Evolution zu folgen. Sie ist nicht eine Herabkunft der Involution von oben. Sie wird fortschreitend um den Funken Göttlichen Bewusstseins geformt, welcher ausersehen ist, das Zentrum eines wachsenden Wesens zu werden, das, wenn es schließlich individualisiert ist, zum seelischen Wesen wird. Es ist dieser Funke, der fortdauert, und der alle Arten von Elementen für die Formung jener Individualität um sich sammelt; das wahre seelische Wesen wird erst dann geformt, wenn die seelische Personalität voll ausgewachsen und voll um den ewigen göttlichen Funken aufgebaut ist; es erreicht seinen Höhepunkt, seine gänzliche Erfüllung, wenn es sich mit einem Wesen oder einer Personalität von oben eint.

Unterhalb der menschlichen Ebene besteht im allgemeinen kaum irgendeine individuelle Formierung – da ist nur diese Gegenwart, mehr oder weniger ...

Natürlich kann man nicht sagen, dass jeder Mensch ein seelisches Wesen hat, genausowenig wie man es zurückweisen kann, es jedem Tier zuzugestehen. Viele Tiere, die einem Menschen nahe waren, haben einen Ansatz davon, während man häufig Menschen begegnet, die nichts als Scheusale zu sein scheinen ... Doch im Großen und Ganzen beginnt die Seele im eigentlichen Sinn auf der menschlichen Stufe. Im Menschen allein besteht die Möglichkeit, dass das seelische Wesen zu seiner vollen Statur heranwächst, sogar so sehr, dass es sich schließlich mit einem herabkommenden Wesen verbinden und vereinen kann, einer Gottheit von oben.

DIE MUTTER (3:150)

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Seelisches Wachsen und seelische Entwicklung

Es ist die Seele in uns, die sich immer der Wahrheit zuwendet, dem Guten und dem Schönen, denn durch diese Dinge wächst sie selbst an Statur; das Übrige, ihre Gegensätze, sind ein notwendiger Teil der Erfahrung, aus dem man aber in der spirituellen Mehrung des Wesens herauswachsen muss. Die zugrundeliegende seelische Wesenheit in uns hat Anteil an der Freude des Lebens und aller Erfahrung, welche die fortschreitende Offenbarung des Spirits ausdrücken, doch die eigentliche Grundlage ihrer Lebensfreude besteht darin, aus allen Kontakten und Geschehnissen deren geheimen göttlichen Sinn und Kern, einen göttlichen Nutzen und Zweck zu sammeln, sodass unser Mental und Leben aus der Unbewusstheit einem höchsten Bewusstsein, aus den Trennungen der Unwissenheit einem umfassenden Bewusstsein und Wissen entgegenwachsen mögen. Hierfür existiert sie [die seelische Wesenheit] und verfolgt von Leben zu Leben ihre stets wachsende, aufwärtige Tendenz und Beharrlichkeit; das Wachstum der Seele ist ein Wachsen aus der Dunkelheit ins Licht, aus der Falschheit in die Wahrheit, aus dem Leiden in ihren eigenen höchsten und universalen Ananda.

SRI AUROBINDO (18:610)

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Angenommen ein göttlicher Funke sammelt durch Anziehung, durch Wesensverwandtschaft und Auswahl den Beginn eines seelischen Bewusstseins um sich (dieser Vorgang ist bereits in Tieren durchaus wahrnehmbar – glaubt nicht, dass ihr außergewöhnliche Wesen seid, dass ihr allein ein seelisches Wesen habt, und die übrige Schöpfung hat keines. Es beginnt im Mineral, ist etwas mehr in der Pflanze entwickelt, und im Tier dann findet man den ersten Schimmer einer seelischen Gegenwart). Dann kommt ein Augenblick, wo dieses seelische Wesen so ausreichend entwickelt ist, dass es ein unabhängiges Bewusstsein und einen persönlichen Willen hat. Und dann, nach unzähligen, mehr oder weniger individualisierten Leben, wird es sich seiner bewusst, seiner Regungen und der Umgebung, die es für sein Wachsen gewählt hat. An einem bestimmten Punkt der Wahrnehmung angelangt, entscheidet es – meist in der letzten Minute des Lebens, das es soeben auf Erden beendet hat – die Voraussetzungen, unter denen sein nächstes Leben stattfinden wird. Hier muss ich euch etwas sehr Wichtiges sagen: das seelische Wesen kann sich nur im physischen Leben und auf Erden weiterentwickeln und formen. Sobald es einen Körper verlässt, tritt es in eine Ruhe ein, die mehr oder weniger lang anhält, seiner eigenen Wahl und Entwicklungsstufe entsprechend – eine Ruhepause zur Assimilation, gleichsam für einen passiven Fortschritt, eine Ruhepause für ein passives Wachsen, die es eben diesem seelischen Wesen erlaubt, zu neuen Erfahrungen überzugehen und einen aktiveren Fortschritt zu machen. Doch nachdem es ein Leben beendet hat (das meist erst dann endet, wenn es getan hat, was es tun wollte), wird es das Milieu wählen, in dem es [wieder] geboren werden wird, den ungefähren Ort, wo es geboren werden wird, die Voraussetzungen, unter denen es geboren werden wird, und die Umstände und die Art von Leben, in denen es geboren werden wird, sowie eine sehr genaues Programm der Erfahrungen, durch die es gehen muss, um den Fortschritt zu machen, den es machen will.

Ich werde euch ein ganz konkretes Beispiel geben. Angenommen ein seelisches Wesen hat aus dem einen oder anderen Grund beschlossen in den Körper eines Menschen einzugehen, dem es bestimmt ist, ein König zu werden, da dort eine ganze Reihe von Erfahrungen möglich sind, die es allein unter diesen Voraussetzungen haben kann. Nachdem es diese Erfahrungen eines Königs hatte, erkennt es, dass es einen ganzen Bereich gibt, in dem es, aufgrund eben jener Lebensumstände, in denen es sich befindet, keinen Fortschritt machen kann. Wenn es also seine Zeit auf Erden beendet hat und zu gehen beschließt, entscheidet es im nächsten Leben in einem durchschnittlichen Milieu und unter durchschnittlichen Umständen, weder hoch noch niedrig, zur Welt zu kommen, doch auf eine Weise, dass der Körper, in den es eintritt, frei ist zu tun, was er will. Denn es ist ja nicht Neues, wenn ich sage, dass das Leben eines Königs dem eines Sklaven gleicht; ein König ist verpflichtet, sich einem Protokoll und allen möglichen Zeremonien zu unterwerfen, um sein Prestige aufrechtzuerhalten (das mag vielleicht für eitle Menschen sehr angenehm sein, doch für das seelische Wesen ist es das nicht, denn auf diese Weise wird es der Möglichkeit einer großen Anzahl von Erfahrungen beraubt). Es fasst also diesen Entschluss, in sich alle Erinnerungen bergend, die ein königliches Leben zu geben vermag, und tritt in eine Ruhepause ein, solange es diese für notwendig erachtet (hier muss ich einfügen, dass ich von einem seelischen Wesen spreche, das ausschließlich mit sich selbst beschäftigt ist, und nicht von einem, das sich einem Werk gewidmet hat, da dann dieses Werk die künftigen Leben und ihre Voraussetzungen bestimmt). In einem bestimmten Augenblick entscheidet es dann, in einen Körper einzutreten. Da es bereits eine Anzahl von Erfahrungen hatte, weiß es, dass sich in einem bestimmten Land ein bestimmter Teil des Bewusstseins entwickelt hat; in einem anderen Land ein anderer Teil, usw. Daher wählt es den Ort, der ihm leichte Entwicklungsmöglichkeiten bietet: das Land, die Lebensbedingungen, die ungefähre Natur der Eltern, und auch den Zustand des Körpers selbst, seine physische Struktur und die Eigenschaften, die es für seine Erfahrungen braucht. Es begibt sich zur Ruhe und dann, im erforderlichen Augenblick, erwacht es und projiziert sein Bewusstsein auf die Erde, zentralisiert es in dem gewählten Bereich und den gewählten Voraussetzungen – oder so ungefähr; es besteht ein kleiner Spielraum, wisst ihr, denn im seelischen Bewusstsein ist man zu weit vom stofflichen physischen Bewusstsein entfernt, um mit einer klaren Schau sehen zu können; es ist ungefähr so. Hinsichtlich des Landes oder der Umgebung macht es keinen Fehler, es sieht den inneren Schwingungsbereich der Menschen ziemlich klar, es ist jedoch möglicherweise eine leichte Unschlüssigkeit vorhanden. Wenn aber, gerade zu diesem Zeitpunkt, ein Paar auf Erden ist oder besser eine Frau, die selbst eine seelische Aspiration hat, und die gerne aus irgendeinem Grund, ohne zu wissen warum, ein außergewöhnliches Kind hätte, das gewissen außergewöhnlichen Voraussetzungen entspricht: wenn in diesem Augenblick diese Aspiration auf Erden besteht, schafft das eine Vibration, ein seelisches Licht, welches das seelische Wesen sofort wahrnimmt und, ohne zu zögern, darauf zueilt. Von diesem Augenblick an (welches der Augenblick der Empfängnis ist), wacht es über der Formung des Kindes, damit diese für seine Pläne so günstig wie möglich sei; es übt daher einen Einfluss auf das Kind aus, noch bevor dieses in der stofflichen Welt erscheint.

Wenn alles gut geht und kein Missgeschick passiert (Missgeschicke kann es durchaus geben), wenn alles gut geht im Augenblick der Geburt des Kindes, eilt die seelische Kraft (vielleicht nicht in ihrer Totalität, sondern als Teil des seelischen Bewusstseins) in das Wesen und von seinem allerersten Schrei an, drängt sie das Kind zu den Erfahrungen, die es sich nach ihrem Willen aneignen soll. Das Ergebnis ist, dass selbst wenn die Eltern nicht bewusst sind, selbst wenn das Kind in seinem äußeren Bewusstsein nicht ganz bewusst ist (ein kleines Kind hat hierfür nicht das nötige Gehirn, das sich langsam formt, nach und nach), es dennoch für den seelischen Einfluss möglich sein wird, alle Ereignisse zu lenken, sowie alle Lebensumstände dieses Kindes bis zu dem Augenblick, da es fähig wird, in bewussten Kontakt mit seinem seelischen Wesen zu treten (physisch gesehen ist das meist im Alter zwischen vier und sieben Jahren, manchmal früher, manchmal beinahe sofort, doch in solchem Fall haben wir es mit Kindern zu tun, die keine “Kinder” sind, die, wie es heißt, übernatürliche Eigenschaften haben – diese sind aber nicht “übernatürlich”, sondern einfach Ausdruck der Gegenwart des seelischen Wesens). Es gibt aber Menschen, die nicht die Gelegenheit hatten oder, besser gesagt, das Glück, wenn man es so nennen darf, jemanden auf der physischen Ebene zu treffen, der sie hätte unterweisen können. Und dennoch haben sie das Gefühl, dass jeder Schritt ihres Daseins, jeder Umstand ihres Lebens von jemand Bewussten festgelegt ist, damit sie den größtmöglichen Fortschritt machen können. Wenn sie ein bestimmtes Geschehnis brauchen, tritt es ein; wenn sie bestimmte Menschen treffen müssen, werden sie sie treffen; wenn sie bestimmte Bücher lesen sollten, finden sie diese innerhalb ihrer Reichweite. Alles ist auf diese Weise arrangiert, so als würde jemand über sie wachen, damit ihr Leben die maximalen Entwicklungsmöglichkeiten habe. Diese Menschen könnten durchaus sagen: “Was ist eigentlich ein seelisches Wesen?”, denn niemand, den sie kennen, hat je diesen Ausdruck gebraucht, oder sie sind niemanden begegnet, der ihnen all das hätte erklären können; oft aber ist für sie nur eine Begegnung, ein Blick notwendig, um zu erwachen; ein Wort genügt, damit sie sich erinnern: “Aber all das habe ich doch gewusst.”

Genau das ist es, was einem seelischen Wesen geschieht, welches das letzte Stadium seiner Entwicklung erreicht hat. Danach ist es nicht länger durch die Notwendigkeit gebunden, zur Erde zu kommen, es wird seine Entwicklung vollendet haben und kann frei wählen, sich entweder dem göttlichen Werk zu weihen, oder sich woanders hinzuwenden, das heißt in die höheren Welten. Im allgemeinen aber, wenn es dieses Stadium erreicht hat, erinnert es alles, was ihm geschehen ist, und versteht die große Notwendigkeit, jenen zu Hilfe zu kommen, die noch inmitten von Schwierigkeiten stecken. Diese seelischen Wesen geben ihr ganzes Dasein dem göttlichen Werk – das ist nichts Absolutes, Unvermeidliches, sie wählen frei, doch in neunzig von hundert Fällen geschieht es so.

DIE MUTTER (4:143)

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Jedes mal, wenn die Seele in einem neuen Körper geboren wird, kommt sie mit der Absicht, eine neue Erfahrung zu haben, die ihr dazu verhelfen wird, sich zu entwickeln und ihre Personalität zu vervollkommnen. Auf diese Weise wird die Seele von Leben zu Leben geformt, sie wird eine vollständig bewusste und unabhängige Persönlichkeit, die, wenn sie einmal den Gipfel ihrer Entwicklung erreicht hat, frei wählen kann, nicht nur die Zeit ihrer Wiederverkörperung, sondern auch den Ort, den Zweck und die zu verrichtende Arbeit.

Ihr Abstieg in den physischen Körper ist notwendigerweise ein Abstieg in die Finsternis, Unwissenheit, Unbewusstheit; und eine sehr lange Zeit muss sie einfach darauf hinwirken, ein wenig Bewusstsein in die stoffliche Substanz des Körpers zu bringen, bevor sie ihn für die Erfahrung, deretwegen sie gekommen ist, benützen kann. Wenn wir also den Körper durch eine kluge und rationale Methode kultivieren, helfen wir gleichzeitig dem Wachstum der Seele, ihrem Fortschritt und ihrer Erleuchtung.

DIE MUTTER (10:29)

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Mutter, in jedem neuen Leben sind sowohl das Mental und Vital als auch der Körper neu; wie können dann die Erfahrungen der vergangenen Leben für sie nützlich sein? Müssen wir durch alle Erfahrungen noch einmal hindurch?

Das hängt von den Menschen ab!

Es ist nicht das Mental und Vital, das sich von Leben zu Leben entwickelt und Fortschritte macht, außer in ganz außergewöhnlichen Fällen und bei einem sehr fortgeschrittenen Stadium der Evolution – es ist die Seele. Es geschieht also folgendermaßen: die Seele hat alternierende Zeitspannen von Tätigkeit und Ruhe; sie hat ein Leben des Fortschritts, das aus den Erfahrungen des physischen Lebens resultiert, eines aktiven Lebens in einem physischen Körper, mit all den Erfahrungen des Körpers, des Vitals und Mentals; dann begibt sich die Seele normalerweise in eine Art Ruhezustand zur Assimilation, in welchem das Ergebnis des Fortschritts, der während ihres aktiven Daseins erzielt wurde, ausgearbeitet wird; nun, wenn diese Assimilation beendet ist, wenn sie den Fortschritt absorbiert hat, den sie in ihrem aktiven Leben auf Erden vorbereitete, kommt sie wiederum in einen neuen Körper herab und bringt das Ergebnis all ihres Fortschritts mir; und in einem fortgeschrittenen Stadium, wählt sie sogar die Umgebung, die Art des Körpers und die Art des Daseins, in denen sie leben wird, um ihre Erfahrung hinsichtlich des einen oder anderen Punktes vollständig zu machen. In einigen sehr fortgeschrittenen Fällen kann die Seele, bevor sie den Körper verlässt, entscheiden, welche Art von Leben sie in ihrer nächsten Inkarnation haben will.

Wenn sie ein beinahe vollkommen geformtes und bereits sehr bewusstes Wesen geworden ist, wacht sie über der Gestaltung des neuen Köpers und wählt, meist durch innere Beeinflussung, die Elemente und die Substanz, aus denen der Körper gebildet wird, damit er den Erfordernissen ihrer neuen Erfahrung angepasst ist. Dies ist jedoch ein ziemlich fortgeschrittenes Stadium. Und später, wenn sie voll geformt ist, und zur Erde mit der Idee des Dienens zurückkehrt, der kollektiven Hilfe und Teilnahme an der göttlichen Arbeit, dann ist sie fähig, dem sich formenden Körper gewisse Elemente des Mentals und Vitals von vorhergehenden Leben zuzuführen, die mit psychischen Kräften in früheren Leben gestaltet und durchtränkt wurden, und die bewahrt werden konnten und infolgedessen am allgemeinen Fortschritt teilnehmen können. Dies jedoch findet in einem sehr, sehr fortgeschrittenen Stadium statt. Wenn die Seele voll entwickelt und sehr bewusst ist, wenn sie ein bewusstes Instrument des Göttlichen Willens wird, ordnet sie Vital und Mental auf solche Weise, dass auch diese an der allgemeinen Harmonie teilhaben und bewahrt werden können.

Bei einem hohen Grad von Entwicklung können zumindest einige Teile der mentalen und vitalen Wesen, trotz der Auflösung des Körpers, bewahrt werden. Wenn zum Beispiel einige Teile – mentale oder vitale – der menschlichen Tätigkeit besonders entwickelt wurden, werden diese Elemente des Mentals und Vitals aufrechterhalten, sogar “in ihrer Form”, in der Form der Tätigkeit, die voll organisiert wurde –, zum Beispiel in hochintellektuellen Menschen, die besonders ihr Gehirn entwickelt haben, bewahrt der mentale Teil ihres Wesens diese Struktur und wird in der Form eines gestalteten Gehirns erhalten, das sein eigenes Leben besitzt, und unverändert bis zu einem künftigen Leben bewahrt werden kann, um dann mit allem Gewinn daran teilzunehmen.

In Künstlern zum Beispiel, in gewissen Musikern, die ihre Hände in besonders bewusster Weise gebraucht haben, wird die mentale und vitale Substanz in Form von Händen bewahrt, und diese Hände bleiben voll bewusst, sie können sogar die Körper lebender Menschen benutzen, wenn eine spezifische Affinität vorhanden ist – und so weiter.

Im anderen Fall, in gewöhnlichen Menschen, in denen die seelische Form nicht voll entwickelt und gestaltet ist, mögen die mentalen und vitalen Formen eine gewisse Zeit fortbestehen, wenn die Seele den Körper verlässt, vorausgesetzt ihr Tod war besonders friedvoll und konzentriert; doch wenn ein Mensch plötzlich stirbt, im Zustand der Leidenschaft, mit zahlreichen Verhaftungen, nun, dann werden die verschiedenen Teile des Wesens verstreut, und leben eine kürzere oder längere Zeit ihr eigenes Leben in ihrem Bereich – dann verschwinden sie.

Das Zentrum der Gestaltung ist immer die Gegenwart der Seele im Körper. Daher ist es ein sehr großer Fehler, zu glauben, dass der Vorgang fortdauert oder selbst, wie einige meinen, dass er vollständiger und schneller in der Zeitspanne des Übergangs zwischen zwei physischen Leben vor sich geht; im allgemeinen gibt es dort überhaupt keinen Fortschritt, denn die Seele tritt in einen Zustand der Ruhe ein, während die anderen Teile nach einem mehr oder weniger kurzlebigen Dasein in ihrem eigenen Bereich aufgelöst werden.

Das Erdenleben ist der Ort für den Fortschritt. Es ist hier, auf Erden, wo Fortschritt möglich ist, während der Zeitspanne des Erdendaseins. Und es ist die Seele, die den Fortschritt von einem Leben zum anderen hinüberträgt, indem sie ihre eigene Evolution und Entwicklung selbst gestaltet.

DIE MUTTER (9:268)

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Wenn es nicht das Mental, Vital oder das Physische ist, sondern nur das seelische Wesen, das wiedergeboren wird, ist dann der mentale oder vitale Fortschritt, den man gemacht hat, ohne Wert in einem anderen Leben?

Nur in dem Ausmaß wie der Fortschritt dieser Teile sie der Seele nahegebracht hat, das heißt, in dem Ausmaß wie der Fortschritt darin besteht, alle Teile des Wesens nacheinander unter den seelischen Einfluss zu stellen. Denn alles, was unter dem seelischen Einfluss steht und mit der Seele identifiziert ist, dauert fort, und allein das dauert fort. Doch wenn die Seele zum Zentrum des Lebens und Bewusstseins gemacht wird, und wenn das ganze Wesen um sie herum geordnet ist, gerät das ganze Wesen unter den seelischen Einfluss, vereinigt sich damit und kann fortbestehen – wenn es erforderlich ist, dass es fortbesteht. Wenn dem physischen Körper tatsächlich die gleiche Bewegung gegeben werden könnte – die gleichen Bewegungen von Fortschritt und die Fähigkeit aufzusteigen, die das seelische Wesen hat – nun, dann bräuchte er sich nicht zu zersetzen. Hierin liegt aber tatsächlich die Schwierigkeit.

Und nur das, was sich in Kontakt mit der Seele befindet, dauert, an, und nur das, was andauert, kann sich erinnern, denn das übrige verschwindet, wird wieder in kleine Teile aufgelöst und anderweitig verwendet, so wie der Körper sich wieder in Staub auflöst und anderweitig verwendet wird. Er kehrt zur Erde zurück, die Pflanzen verwenden die Erde, die Menschen essen die Pflanzen. Auf diese Weise geht es vor sich. Und dann kehrt er zur Erde zurück, und es beginnt von vorne. So macht die Natur Fortschritte. Um einen Fortschritt zu erzielen, schafft sie eine Menge Formen, und wenn ihr dies nicht länger wichtig oder notwendig erscheint, zerstört sie diese, nimmt wiederum alle Elemente auf, chemische und andere, und formt etwas anderes, und so geht das fort und verändert sich die ganze Zeit, kommend und gehend. Und sie findet das sehr gut, denn sie sieht sehr weit, ihr Werk dehnt sich über Jahrhunderte aus, und ein kleines menschliches Leben ist nichts, nur ein Atemzug in der Ewigkeit. So nimmt sie ihr Werk auf und gestaltet es; sie braucht eine gewisse Zeit, es macht ihr Spaß, sie findet es sehr gut; und dann, wenn es nicht länger gut genug ist, zerstört sie es – sie beginnt wiederum, mischt alles durcheinander, fängt eine andere Form an, macht etwas anderes. Und vielleicht im Laufe dieses Prozesses, der offensichtlich ein sehr langsamer ist, macht schließlich die Gesamtheit der Materie einen Fortschritt. Es ist möglich – immer auf diese Weise, mischend, aufbrechend, wieder mischend, wieder aufbrechend. Im Grunde ist es so, als würde man einen Haufen kleiner Gegenstände machen, und sie dann zerstören, um aus dem Staub etwas Neues zu formen, andere Spielzeuge, und sie wiederum zu zerbrechen, um andere daraus zu erschaffen. Jedes Mal wird etwas hinzugefügt, sodass es sich gut vermischt. Und dann, eines Tages, wird all das vielleicht etwas hervorbringen. Jedenfalls hat sie es nicht eilig. Und wenn wir es eilig haben, sagt sie: “Warum diese Hast? Es wird mit Sicherheit eines Tages geschehen. Du brauchst dir keine Sorgen zu machen, es wird bestimmt geschehen. Warte ruhig.” Dann sagen wir zu ihr: “Nicht ich bin es, der wartet.” Ah! Weil du “Ich” das Ding nennst, das kommt und wieder geht. Wenn du es Bewusstsein nennen würdest – das eine, ewige und göttliche Bewusstsein – wenn du das “Ich” nennen würdest, dann würdest du alles erkennen, wärst bei allem gegenwärtig. Niemand hindert dich daran, es zu tun! Es ist nur, weil du dich damit identifizierst (auf den Körper hinweisend). Du darfst dich nicht länger damit identifizieren.

DIE MUTTER (5:359)

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Entwickelt sich das seelische Wesen immer weiter?

Es gibt im seelischen Wesen zwei verschiedene Arten von Fortschritt: einer besteht aus seiner Formung, seinem Aufbau und seiner Gestaltung. Denn die Seele beginnt als eine Art winziger, göttlicher Funken im Inneren des Wesens, und aus diesem Funken wird fortschreitend ein unabhängiges, bewusstes Wesen mit eigener Tätigkeit und eigenem Willen aufrauchen. Ursprünglich ist das seelische Wesen nur ein Funken göttlichen Bewusstseins, und in den einander folgenden Leben baut es eine bewusste Individualität auf. Es ist ein Fortschritt, der dem eines wachsenden Kindes gleicht. Es ist ein im Werden begriffenes Ding. Auf lange Zeit hin ist die Seele in den meisten Menschen ein im Werden begriffenes Wesen. Sie ist kein voll individualisiertes, voll bewusstes Wesen, sie ist nicht Herr ihrer selbst, und sie bedarf all ihrer Wiedergeburten, einer nach der anderen, um sich zu formen und voll bewusst zu werden.

Diese Art von Fortschritt aber hat ein Ende. Es kommt eine Zeit, in der das [seelische] Wesen voll entwickelt ist, voll individualisiert, ganz und gar Meister seiner selbst und seines Geschicks. Wenn dieses Wesen oder eines dieser seelischen Wesen in diesem Stadium in einem Menschen geboren wird, so macht das einen gewaltigen Unterschied aus: das menschliche Wesen wird sozusagen frei geboren. Es ist nicht wie gewöhnliche Menschen an Umstände, die Umgebung, seinen Ursprung und an Atavismus gebunden. Es wird mit dem Zweck geboren, etwas zu schaffen, eine Arbeit zu verrichten, eine Aufgabe zu erfüllen. In dieser Hinsicht ist seine Wachstumsentfaltung beendet, das heißt, es braucht nicht wiederum in einem Körper geboren zu werden. Bis zu diesem Punkt ist Wiedergeburt ein Erfordernis, denn durch Wiedergeburt wächst es; im physischen Leben und in einem physischen Körper entwickelt es sich allmählich und wird ein voll bewusstes Wesen. Ist es aber einmal gänzlich geformt, dann ist es frei, in dem Sinne, dass es nach Wunsch geboren werden kann oder nicht. Hier also hört eine Art von Fortschritt auf.

Wenn aber dieses voll geformte Wesen ein Instrument der Arbeit für das Göttliche werden will, wenn es wählt, statt sich in eine seelische Glückseligkeit in seinem eigenen Bereich zurückzuziehen, ein tätiges Wesen auf Erden zu sein, um bei der Vollendung des Göttlichen Werkes zu helfen, dann muss es neuen Fortschritt machen; Fortschritt in der Befähigung zur Arbeit, in der Gestaltung der Arbeit, im Ausdruck des Göttlichen Willens. Es ist also eine Zeit der Veränderung. Solange es in der Welt bleibt, solange es wählt für das Göttliche zu arbeiten, wird es einen Fortschritt machen. Wenn es sich aber in die seelische Welt zurückzieht und die Göttliche Arbeit nicht länger fortsetzen will oder sich davon lossagt, kann es in einem statischen Zustand außerhalb allen Fortschritts bleiben, da es, wie ich dir sagte, nur auf Erden Fortschritt gibt, nur in der physischen Welt; er wird nicht überall erlangt. In der seelischen Welt besteht eine Art glückselige Ruhe. Man bleibt, was man ist, ohne jede Dynamik.

Doch für jene, die sich ihrer Seele nicht bewusst sind?

Sie werden zum Fortschritt gezwungen, ob sie ihn wollen oder nicht.

Das seelische Wesen entwickelt sich weiter in ihnen, und sie sind sich dessen nicht bewusst. Sie selbst aber sind zum Fortschritt gezwungen. Das heißt, sie folgen einer Kurve. Sie folgen einem Aufstieg im Leben. Es ist der gleiche Fortschritt wie der des wachsenden Kindes; es kommt eine Zeit, da es an dem Gipfel seines Wachstums angelangt ist und dann – es sei denn es verändert die Ebene des Fortschritts, außer der rein physische Fortschritt wandelt sich in einen mentalen Fortschritt, einen seelischen Fortschritt, einen spirituellen Fortschritt – folgt es der absteigenden Kurve; und dann wird ein Zerfall einsetzen

und es wird nicht länger existieren.

Genau deshalb, weil der Fortschritt in der physischen Welt nicht beständig und andauernd ist, gibt es ein Wachsen, einen Höhepunkt, einen Abstieg und Zerfall. Denn alles, was nicht vorwärts geht, fällt zurück.

Genau das ist es, was auf der physischen Ebene stattfindet. Die physische Welt hat nicht gelernt, sich unbegrenzt weiter zu entwickeln; sie langt an einem bestimmten Punkt an und ist dann entweder des Fortschritts müde oder ist in ihrer gegenwärtigen Beschaffenheit eines Fortschritts nicht fähig – aber in jedem Fall hört sie auf, sich weiter zu entwickeln und zerfällt nach einer gewissen Zeit. Jene, die ein rein physisches Leben führen, erreichen eine Art Höhepunkt, und gleiten dann sehr rasch abwärts. Doch jetzt, mit dem allgemeinen kollektiven, menschlichen Fortschritt, steht hinter dem physischen Fortschritt ein vitaler und ein mentaler Fortschritt, und der mentale Fortschritt kann sehr lange andauern, selbst nachdem der physische Fortschritt bei einem Ende angelangt ist; und durch diesen mentalen Fortschritt erhält man eine Art Aufstieg aufrecht, lange nachdem das Physische aufgehört hat, sich weiter zu entwickeln. Und dann gibt es jene, die den Yoga ausüben, die sich ihres seelischen Wesens bewusst werden, die damit geeint sind, die an seinem Leben teilhaben; diese machen tatsächlich bis zum letzten Atemzug ihres Lebens einen Fortschritt. Und selbst nach dem Tod, wenn sie ihren Körper unter dem Vorwand verlassen haben, dass er nicht länger andauern kann: sie entwickeln sich weiterhin.

Es liegt an der Unfähigkeit des Körpers, sich umzuwandeln, weiterhin einen Fortschritt zu machen, die seinen Rückschritt verursacht, und die ihn am Ende immer offener für die innere Labilität werden lässt, bis diese eines Tages stark genug wird, um eine totale Instabilität herbeizuführen, und er sein Gleichgewicht und seine Gesundheit nicht mehr zurückgewinnen kann ... Allein im rein spirituellen Leben – jenem, das sich außerhalb von allem physischen und erdhaften Daseins befindet, einschließlich des mentalen – gibt es keinen Fortschritt. Du erreichst einen statischen Zustand und befindest dich außerhalb aller Dynamik des Fortschritts. Doch bist du gleichzeitig außerhalb der Schöpfung. Wenn du jenen Zustand erreicht hast, gehörst du nicht länger der Schöpfung an, du verlässt die Manifestation. Man muss die manifestierte Welt verlassen, um allen Fortschritt hinter sich zu lassen, denn die beiden sind identisch: Manifestation bedeutet Fortschritt und Fortschritt bedeutet Manifestation.

DIE MUTTER (5:205)

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Worin besteht der Fortschritt eines seelischen Wesens?

In der Individualisierung; in der Fähigkeit, alle Erfahrungen zu absorbieren, und sie um ein göttliches Zentrum zu ordnen.

Das Ziel des seelischen Wesen ist es, ein individuelles Wesen zu formen, individualisiert, “personifiziert”, um das göttliche Zentrum. Normalerweise ziehen alle Erfahrungen des äußeren Lebens vorüber (es sei denn, man übt den Yoga aus und wird bewusst), ohne das innere Wesen zu ordnen, während das seelische Wesen diese Erfahrungen fortlaufend ordnet. Es will eine bestimmte Haltung dem Göttlichen gegenüber verwirklichen. Daher hält es nach allen geeigneten Erfahrungen Ausschau, gleichsam um jede Gelegenheit zu haben, die ihm erlaubt, diese Haltung dem Göttlichen gegenüber zu verwirklichen. Angenommen, jemand will die Erfahrung der Hochherzigkeit haben – eine Hochherzigkeit, die es dir unmöglich macht wie eine gewöhnliche Person zu handeln, die dir eine Tapferkeit, einen Mut einflößt, die man beinahe für Unbesonnenheit halten könnte, denn die Erfahrung erfordert eine Haltung, in der du der Gefahr ohne die geringste Furcht begegnest. Vor einiger Zeit versprach ich euch, zu erklären, was man erlangen könne, wenn man in den Körper eines Königs eingeht. Ein König ist ein gewöhnlicher Mensch, nicht wahr, wie alle anderen, er hat kein besonderes Bewusstsein, doch aufgrund der Erfordernisse seines Lebens, da er eine Art Symbol für sein Volk ist, gibt es Dinge, die er tun muss, aber niemals tun würde, wenn er ein gewöhnlicher Mensch wäre. Ich weiß das aus Erfahrung, aber ich habe es auch gesehen, als ich Bilder betrachtete, die einen König in einer tatsächlichen Lebenssituation darstellten: etwas hatte sich ereignet, vielleicht ein Attentatsversuch, doch wurde dieser abgewendet. Die Fotografien zeigen einen König, der ein Regiment inspiziert; plötzlich war jemand nach vorne gestürzt, vielleicht in böser Absicht, vielleicht auch nicht, denn nichts war passiert; auf jeden Fall, der König war völlig ungerührt geblieben, absolut ruhig, mit dem gleichen Lächeln auf seinen Lippen, ohne sich im geringsten von der Stelle zu rühren; und er wäre durchaus in Reichweite gewesen, ein leichtes Ziel für jemanden, der hätte hervorstürzen und ihn verletzen wollen. Soweit mir bekannt ist, war dieser König kein Held, doch weil er ein König war, konnte er nicht die Flucht er greifen. Das wäre schmachvoll gewesen. Daher blieb er ruhig, ohne sich zu rühren, ohne eine äußere Furcht zu zeigen. Dies ist ein Beispiel, was man im Leben eines Königs lernen kann.

Hier ist auch eine wahre Geschichte über die Königin Elisabeth. Es waren die letzten Tage ihres Lebens und sie war sehr, sehr krank. Aber im Land waren Unruhen ausgebrochen – es handelte sich um Steuern – und eine Gruppe von Leuten (Kaufleute vermutlich) hatte eine Delegation gesandt, um ihr eine Bittschrift im Namen einer Volkspartei zu überreichen. Sie lag sehr krank in ihrem Zimmer, so krank, dass sie kaum aufstehen konnte. Aber sie stand auf und kleidete sich an, um sie empfangen. Die diensthabende Dame rief aus: “Das ist doch unmöglich, Sie werden daran sterben!” Die Königin antwortete ruhig: “Wir werden nachher sterben.” ... Das ist ein Beispiel einer ganzen Reihe von Erfahrungen, die man im Leben eines Königs haben kann; und das ist es, was die Wahl eines seelischen Wesens rechtfertigt, wenn es diese Art Leben annimmt.

Erinnerungen dieser Art sind es, die die Echtheit der Erfahrung beweisen; denn wenn die Menschen über ihre vergangenen Leben sprechen, sagen sie im allgemeinen, dass es immer einen Fortschritt gegeben habe, ganz selbstverständlich, und sie sind immer großartigere Menschen in immer wunderbareren Leben geworden. Das ist falsch! Die Dinge ereignen sich niemals so! Das seelische Wesen folgt einer gewissen Daseinslinie, die gewisse Eigenschaften, gewisse Kräfte usw. entwickelt, es erkennt aber immer, was ihm fehlt, und kann die entgegengesetzte Richtung in einem künftigen Leben einschlagen, gleichsam die Annullierung der [stattgefundenen] Erfahrung, damit es ergänzende, andere Erfahrungen habe.

DIE MUTTER (4:149)

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“Die Pforte, durch die das Mental zur Erkenntnis des Göttlichen eintritt, muss notwendigerweise verschieden sein, und entspricht der vergangenen Evolution und der gegenwärtigen Natur [des Einzelnen].” – SRI AUROBINDO (The Synthesis of Yoga)

Das bedeutet, die Evolution in vergangenen Leben sowie die gegenwärtige [menschliche] Natur, das heißt die Natur des gegenwärtigen Körpers, bestimmen die Annäherung an das Göttliche.

Wir können ein sehr ... ein überaus einfaches Beispiel nehmen. Wenn man in einer bestimmten Religion geboren ist, findet ganz natürlich die erste Bemühung, sich dem Göttlichen zu nähern, innerhalb dieser Religion statt; oder aber, wenn man in vergangenen Leben durch eine gewisse Anzahl von Erfahrungen gegangen ist, welche eine andere Art von Erfahrungen notwendig machte, wird man selbstverständlich dem Pfad folgen, der zu jenen Erfahrungen führt.

Siehst du, das Leben des seelischen Wesens besteht aus aufeinanderfolgenden physischen Existenzen. Man könnte es also etwas kindlich oder romantisch so ausdrücken: du hast eine Seele, die aus dem einen oder anderen Grund sich derart inkarniert hat, dass sie fähig ist, alle Erfahrungen zu haben, die eine königliche Abkunft verschafft – beispielsweise höchste Macht. Nachdem sie ihre Erfahrung gehabt hat, nachdem sie hatte, was sie wollte, kann sie vor dem Verlassen des Körpers beschließen, dass sie im nächsten Leben unter obskuren Umständen geboren werde, da sie Erfahrungen braucht, die man nur in bescheidenen Lebensumständen haben kann, und mit der Freiheit, die man hat, wenn man ohne Verpflichtungen ist – siehst du, Verpflichtungen wie jene, die zum Beispiel Staatsoberhäupter haben. Daher wird sie selbstverständlich in ihrem nächsten Leben in solchen Verhältnissen geboren werden, die dieses Erfordernis erfüllen. Und in Übereinstimmung mit dieser Erfahrung wird sie sich dem Göttlichen nähern.

Sie ist zusätzlich das Produkt der Vereinigung von zwei physischen Naturen, und manchmal von zwei vitalen Naturen. Das Ergebnis hiervon ist mehr oder weniger eine Art Vermischung dieser Naturen; es ruft aber eine Tendenz hervor, die Charakter genannt wird. Und dieser Charakter wird sie für einen bestimmten Bereich, eine bestimmte Kategorie von Erfahrungen tauglich machen.

Daher wird entsprechend dem, was bestimmt wurde, was in früheren Leben oder einem vergangenen Leben entschieden wurde, entsprechend dem Milieu, in welchem sie geboren wird – also entsprechend den Voraussetzungen, unter denen ihr gegenwärtiger Körper geformt wurde – daher wird ihre Annäherung an das Göttliche und ihr Suchen danach, mit einer ganz bestimmten Linie übereinstimmen, die ihre eigene ist, und die natürlich ganz und gar nicht dieselbe wie die ihres Nachbarn oder irgendeines anderen Wesens ist.

Ich sagte vor einiger Zeit: jedes Individuum ist eine besondere Manifestation im Universum, daher muss sein wahrer Pfad ein absolut einzigartiger Pfad sein. Es gibt Gleichartigkeiten, es gibt Ähnlichkeiten, es gibt auch Kategorien, Familien, Kirchen, Ideale, das heißt, einen gewissen kollektiven Weg, sich dem Göttlichen zu nähern, der eine Art Kirche schafft, nicht in der stofflichen, sondern in einer subtilen Welt – dort sind alle diese Dinge –, doch was die Einzelheiten des Pfades anbelangt, so werden sie notwendigerweise für jedes Individuum verschieden sein, physisch bedingt durch seine gegenwärtige körperliche Struktur, und mental, vital und seelisch bedingt natürlich durch seine vergangenen Leben.

DIE MUTTER (7:374)

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Wie kann man seine seelische Personalität wachsen lassen?

Durch alle Erfahrungen des Lebens formt sich die seelische Personalität, sie wächst, entwickelt sich und wird schließlich ein vollständiges, bewusstes und freies Wesen.

Dieser Entwicklungsprozess setzt sich unermüdlich durch unzählige Leben fort, und wenn man sich dessen nicht bewusst ist, so deshalb, weil man sich seines seelischen Wesens nicht bewusst ist denn das ist der unerlässliche Ausgangspunkt. Durch Verinnerlichung und Konzentration muss man in bewussten Kontakt mit seinem seelischen Wesen treten. Dieses seelische Wesen hat stets einen Einfluss auf das äußere Wesen, doch ist dieser Einfluss beinahe immer verborgen, er wird weder gesehen noch gefühlt, es sei denn bei wahrhaft außergewöhnlichen Gelegenheiten.

Um den Kontakt zu stärken und, wenn möglich, die Entwicklung der bewussten seelischen Personalität zu fördern, sollte man sich während der Konzentration ihr zuwenden und danach streben, sie zu erkennen und zu fühlen, man sollte sich öffnen, um ihren Einfluss zu empfangen, und große Sorge tragen, dass man jedes mal, wenn man einen Hinweis von ihr empfängt, ihm sehr genau und gewissenhaft folgt. In großer Aspiration zu leben, dafür zu sorgen, dass man innerlich möglichst ruhig wird und bleibt, eine vollkommene Aufrichtigkeit in allen Tätigkeiten seines Wesens zu kultivieren – dies sind die essentiellen Voraussetzungen für das Wachsen des seelischen Wesens.

DIE MUTTER (16:223)

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IV. Das seelische Wesen und die Sadhana

Die Erde muss sich wandeln und gleich werden dem Himmel

Oder der Himmel herabkommen in der Erde sterblichen Stand.

Doch, dass solch weiter spiritueller Wandel sei,

Muss aus der mystischen Höhle im Menschenherz

Die himmlische Seele, ihres Schleiers ledig,

Die vollen Räume der Natur betreten,

Und vor ihr stehen, unverhüllt,

Ihr Denken leitend, und ihren Körper, ihr Leben füllend.

SRI AUROBINDO

SAVITRI: BUCH II CANTO 14

Drei Schritte der Selbstverwirklichung und die dreifache Umwandlung

Das spirituellen Wissen des Selbstes wird in drei Schritten erzielt, die zur gleichen Zeit drei Teile des einen Wissens sind. Der erste ist die Entdeckung der Seele, nicht der äußeren Seele des Denkens und Fühlens und Begehrens, sondern der geheimen seelischen Wesenheit, des göttlichen Elementes in uns. Wenn diese die menschliche Natur beherrscht, wenn wir bewusst die Seele sind, und wenn Mental, Leben und Körper ihren wahren Platz als deren Instrumente einnehmen, werden wir uns eines inneren Lenkers bewusst, der die Wahrheit kennt, das Gute, das wahre Entzücken und die wahre Schönheit des Daseins, der Herz und Verstand durch sein Iichthaftes Gesetz kontrolliert, und unser Leben und Sein zu spiritueller Vollständigkeit führt. Dann haben wir selbst in dem dunklen Wirken der Unwissenheit einen Zeugen, der unterscheidet, ein lebendiges Licht, das erleuchtet, einen Willen, der es zurückweist, verleitet zu werden, und der die Wahrheit des Mentals von seinem Irren trennt, des Herzens innigen Widerhall von seinem Vibrieren, wenn ein falscher Ruf, eine falsche Forderung, an es ergeht, des Lebens wahre Glut und Fülle von der Regung vitaler Leidenschaft und den trüben Falschheiten unserer vitalen Natur mit ihrem dunklen Selbstsuchen. Dies ist der erste Schritt der Selbstverwirklichung, die Inthronisation der Seele, des göttlichen, seelischen Individuums an Stelle des Egos. Der nächste Schritt ist, sich des ewigen Selbstes in uns bewusst zu werden, ungeboren und eins mit dem Selbst aller Wesen. Diese Selbstverwirklichung befreit und macht allumfassend; auch wenn unsere Tätigkeit noch in der Dynamik der Unwissenheit weitergeht, bindet oder verleitet sie uns nicht länger, weil unser inneres Wesen im Licht der Selbsterkenntnis ruht. Der dritte Schritt ist, das Göttliche Wesen zu kennen, das gleichzeitig unser höchstes transzendentes Selbst ist, das Kosmische Wesen, die Grundlage unserer Universalität und der Gottheit im Inneren, von der unser seelisches Wesen – die wahre, sich entfaltende Individualität in unserer Natur – ein Teil ist, ein Funke, eine Flamme, die in das ewige Feuer wächst, von dem sie entzündet wurde, und deren ewig währender Zeuge sie in uns ist, das bewusste Instrument seines Lichtes, seiner Macht und Freude und Schönheit.

SRI AUROBINDO (18:630)

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Es gibt tausend Wege, sich dem Göttlichen zu nähern und es zu verwirklichen, und jeder Weg hat seine eigenen Erfahrungen mit eigenen Wahrheiten, die im wesentlichen eine Grundlage haben, in ihren Aspekten aber vielfältig sind, allen gemeinsam, doch nicht von allen auf die gleiche Weise ausgedrückt. Es hat nicht viel Sinn, diese Unterschiede zu diskutieren; wichtig ist, seinem eigenen Weg richtig und ernsthaft zu folgen. In diesem Yoga kann man das seelische Wesen als Teil des Göttlichen im Herzen verwirklichen, vom Göttlichen dort gestützt – dieses seelische Wesen nimmt sich der Sadhana an und wendet die gesamte Natur dem Göttlichen und der Wahrheit zu, was im mentalen, vitalen und physischen Bewusstsein Folgen zeitigt, auf die ich hier nicht einzugehen brauche – das ist die erste Umwandlung. Als nächstes verwirklichen wir das eine Selbst, Brahman, das Göttliche über dem Körper, Leben und Mental, und nicht allein im Herzen sie stützend, sondern darüber und frei und ungebunden als das statische Selbst in allen, und auch dynamisch als das aktive Göttliche Wesen und die Göttliche Macht, Ishvara Shakti, die sowohl die Welt enthält und durchdringt als auch übersteigt, alle kosmischen Aspekte manifestierend. Doch was das Wichtigste für uns ist, sie manifestiert sich als Licht, Wissen Macht, Reinheit, Frieden, als Ananda der Transzendenz, deren wir uns bewusst werden, und die in das Wesen herabkommen und in zunehmendem Maße das gewöhnliche Bewusstsein durch ihre eigenen Bewegungen ersetzen – das ist die zweite Umwandlung. Wir erkennen auch das Bewusstsein als sich nach oben bewegend, durch viele Ebenen aufsteigend, physische, vitale, mentale, obermentale bis zu den supramentalen und den Ananda-Ebenen. Das ist nichts Neues; in der Taittiriya Upanishad werden fünf Purushas aufgezählt, der physische, vitale, mentale, der Wahrheits-Purusha (der supramentale) und der Seligkeits-Purusha; es heißt dort, dass man das physische Selbst in das vitale Selbst zu ziehen habe, das vitale in das mentale, das mentale in das Wahrheits-Selbst, das Wahrheits-Selbst in das Seligkeits-Selbst, und so die Vollkommenheit erlangt. Doch in diesem Yoga werden wir uns nicht nur dieses Aufnehmens bewusst, sondern auch eines Herabströmens der Macht des höheren Selbstes, sodass die Möglichkeit einer Herabkunft des supramentalen Selbstes, der supramentalen Natur hinzukommt, damit sie unsere gegenwärtige Natur beherrschen und ändern, und sie von der Natur der Unwissenheit in die Natur des Wahrheitswissen umwandeln kann (und durch das Supramental in die Natur des Ananda) – dies ist die dritte oder supramentale Umwandlung. Es findet nicht immer in dieser Reihenfolge statt, denn für viele beginnt die spirituelle Herabkunft zunächst in unvollkommener Weise, bevor die Seele hervortreten und die Leitung übernehmen kann; doch die seelische Entwicklung muss zuerst erfolgen, bevor ein vollkommenes und ungestörtes spirituelles Herabkommen stattfinden kann, und die letzte oder supramentale Wandlung ist unmöglich, solange die beiden ersten nicht ganz und vollständig sind. Das ist die ganze Angelegenheit so kurz wie möglich.

SRI AUROBINDO (22:114)

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Sich des seelischen Wesens bewusst zu werden: das Erfordernis der Sadhana

Im gewöhnlichen Leben gibt es nicht eine Person in einer Million, die einen bewussten Kontakt mit ihrem seelischen Wesen hat, und wäre es nur für einen Augenblick. Das seelische Wesen mag von innen wirken, doch für das äußere Wesen so unsichtbar und unbewusst, dass es den Anschein hat, als würde es nicht existieren. Und in den meisten Fällen scheint es, als würde die riesige Mehrheit, beinahe die Gesamtheit der Menschen schlafen, als wären sie überhaupt nicht aktiv, als befänden sie sich in einer Art Apathie.

Nur mit Hilfe der Sadhana und einer sehr beharrlichen Bemühung ist es möglich, einen bewussten Kontakt mit dem seelischen Wesen zu haben. Natürlich gibt es möglicherweise Ausnahmen – doch sind diese wirklich so ungewöhnlich und es sind ihrer so wenige, dass sie gezählt werden können –, wo das seelische Wesen voll geformt ist, ein befreites Wesen, Herr seiner selbst, das gewählt hat in einem menschlichen Körper zur Erde zurückzukehren, um eine Arbeit zu verrichten. Und in solch einem Fall, selbst wenn die betreffende Person keine bewusste Sadhana ausübt, in solch einem Fall ist es möglich, dass das seelische Wesen mächtig genug ist, um eine mehr oder weniger bewusste Beziehung herzustellen. Aber diese Fälle sind sozusagen einzigartig, und sie sind die Ausnahme, welche die Regel bestätigt.

In beinahe allen Fällen ist eine sehr, sehr anhaltende Bemühung notwendig, um sich seines seelischen Wesens bewusst zu werden. Wenn man es in dreißig Jahren fertigbringt, wird man als vom Glück sehr begünstigt angesehen – ich meine dreißig Jahre einer anhaltenden Bemühung. Es kann sein, dass es rascher geht. Doch ist das derart selten, dass man sofort sagt: “Dies ist kein gewöhnliches, menschliches Wesen.” Das trifft auf solche Menschen zu, die als mehr oder weniger göttliche Wesen betrachtet werden, die große Yogis waren, große Initiierte.

DIE MUTTER (7:273)

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Du hast mir geschrieben, dass es nicht leicht ist, mit dem seelischen Wesen in Kontakt zu kommen. Warum siehst du es als schwierig an? Wie soll ich damit beginnen?

Ich sagte “nicht leicht”, da der Kontakt nicht spontan ist – er ist willkürlich. Das seelische Wesen hat immer einen Einfluss auf die Gedanken und Tätigkeiten, doch ist man sich dessen selten bewusst. Um sich des seelischen Wesens bewusst zu werden, muss man es wollen, man muss sein Mental so still wie möglich machen und tief in das Herz des eigenen Wesens eintreten, jenseits von Gefühlen und Gedanken. Man muss die Gewohnheit einer schweigenden Konzentration annehmen und in die Tiefe seines Wesens hinabsteigen.

Die Entdeckung des seelischen Wesens ist eine eindeutige und sehr konkrete Tatsache, wie alle wissen, die diese Erfahrung hatten.

DIE MUTTER (16:397)

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Das seelische Wesen und die Wende

Das seelische Wesen ist immer vorhanden, wird aber nicht gefühlt, da es vom Mental und Vital verdeckt ist; wenn es nicht länger verborgen ist, sagt man, es sei erwacht. Sobald es erwacht ist, beginnt es, das übrige Wesen zu ergreifen, zu beeinflussen und zu wandeln, so dass alles der wahre Ausdruck der inneren Seele werden kann. Diese Veränderung wird die innere Wandlung genannt. Es kann keine Wandlung ohne das Erwachen des seelischen Wesen geben.

SRI AUROBINDO (24:1096)

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Die Wandlung, die bewirkt, dass das Bewusstsein dem Licht zugewandt bleibt, die die richtige Einstellung spontan, natürlich und bleibend, und auch die Zurückweisung spontan werden lässt, das ist die seelische Wandlung. Das heißt, der Mensch lebt gewöhnlich in seinem Vital, dessen Instrument der Körper und dessen Ratgeber und Minister das Mental ist (ausgenommen jene wenigen Menschen, die vorwiegend für die geistigen Dinge leben, aber selbst diese sind in ihren gewöhnlichen Regungen dem Vital unterworfen). Die spirituelle Wandlung beginnt, wenn die Seele anfängt, auf einem tieferen Leben zu bestehen, und sie ist vollendet, wenn das seelische Wesen die Grundlage oder der Lenker des Bewusstseins wird, und Mental, Vital und Körper von ihm geleitet werden und ihm gehorchen.

SRI AUROBINDO (24:1105)

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Weihung ist ein Vorgang, bei dem man das Bewusstsein übt, sich dem Göttlichen zu geben. Wandlung hingegen ist eine spontane Bewegung des Bewusstseins, eine Abkehr von äußeren Dingen und eine Hinwendung zum Göttlichen. Sie entspringt und ist das Ergebnis einer Fühlungnahme von innen oder oben. Die Selbstweihung kann helfen, sich dieser Fühlungnahme zu öffnen oder diese Fühlungnahme kann von alleine kommen. Die Wandlung kann aber auch als der Höhepunkt eines langwierigen Strebens und langer tapasya erfolgen. Es gibt keine feste Regel in diesen Dingen.

Sobald das seelische Wesen hervortritt, wird die Wandlung ein fach oder kann auch augenblicklich stattfinden; oder aber die Wandlung bewirkt das Hervortreten des seelischen Wesens. Auch hier gibt es keine feste Regel.

Auf jedem Weg kann es geschehen: entweder findet eine Fühlungnahme statt und auch eine Verwirklichung, und als Ergebnis nimmt die Seele den ihr gebührenden Platz ein, oder aber die Seele tritt hervor, und macht die Natur für die Verwirklichung bereit.

Umwandlung ist etwas Fortschreitendes, doch muss auf jeden Fall eine Verwirklichung stattgefunden haben, bevor das Ziel der Umwandlung erreicht werden kann.

SRI AUROBINDO (23:564)

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Die seelische Wende – das erste Erfordernis

Die Seele, das seelische Wesen, steht in unmittelbarer Fühlungnahme mit der göttlichen Wahrheit, sie ist aber im Menschen durch das Mental, das vitale Wesen und die physische Natur verhüllt. Man mag den Yoga ausüben und Erleuchtungen im Mental und Verstand erlangen; man mag Macht erringen und in allen Arten von vitalen Erfahrungen schwelgen; man mag sogar erstaunliche physische siddhis erlangen; wenn sich aber die Seelenmacht im Hintergrund nicht offenbart, wenn die seelische Natur nicht in den Vordergrund tritt, ist nichts Wahres geschehen. In diesem Yoga ist es das seelische Wesen, welches die übrige Natur dem wahren, supramentalen Licht und schließlich dem höchsten Ananda öffnet. Das Mental kann sich aus eigener Kraft gegenüber seinen höheren Bereichen öffnen; es kann sich in das Schweigen und Unpersönliche weiten; es kann sich aber auch in einer Art statischen Befreiung oder nirvana selbst spiritualisieren; das Supramental aber vermag in einem nur spiritualisierten Mental keine ausreichende Grundlage zu finden. Wenn die innerste Seele erwacht ist, wenn eine neue Geburt aus dem rein mentalen, vitalen und physischen in das seelischen Bewusstsein stattfindet – dann kann dieser Yoga getan werden; andernfalls (durch die reine Macht des Mentals oder irgendeines anderen Teils) ist es unmöglich.

SRI AUROBINDO (24:1095)

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Sicherlich ist es besser, wenn die Seele bewusst und aktiv ist, bevor der Schleier oder Schirm zwischen dem individuellen und dem universalen Bewusstsein entfernt wird, was dann stattfindet, wenn das innere Wesen in seiner ganzen Weite hervortritt. Die Gefahr der Schwierigkeiten des Zwischenbereiches – wie ich ihn genannt habe – ist dann viel geringer.

SRI AUROBINDO (23:1054)

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In der Sadhana ist alles gefährlich oder kann es sein, außer der seelischen Wandlung.

SRI AUROBINDO (24:1095)

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Läuterung und Weihung sind die beiden großen Erfordernisse der Sadhana. Diejenigen, die Erfahrungen vor der Läuterung haben, sind einer großen Gefahr ausgesetzt; es ist viel besser, zuerst das Herz zu läutern, weil dann der Weg ungefährlich wird. Das ist der Grund, warum ich als erstes zur seelischen Wandlung der Natur rate – denn sie bedeutet die Läuterung des Herzens und seine völlige Hinwendung zum Göttlichen, die Unterwerfung von Mental und Vital unter die Kontrolle des inneren Wesens, die Seele. Immer wenn sich die Seele im Vordergrund befindet, erhält man die richtige Führung von innen, hinsichtlich des zu Geschehenden und des zu Meidenden, des Wahren oder Falschen im Denken, Fühlen und Handeln. Dieser innere Hinweis aber tritt in dem Maße hervor, wie das Bewusstsein reiner und reiner wird.

SRI AUROBINDO (23:902)

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Ich habe den Bericht über deine Sadhana gelesen. Ich glaube, es gibt dazu nichts zu sagen – denn er ist in Ordnung –, außer dass es das Wichtigste für dich ist, das seelische Feuer im Herzen zu entwickeln, sowie das Streben nach dem Hervortreten des seelischen Wesens als Lenker der Sadhana. Wenn das geschehen ist, wird dir die Seele die “verborgenen Egoknoten”, von denen du sprichst, aufzeigen und sie lösen oder im seelischen Feuer verbrennen. Diese seelische Entwicklung und die seelische Wandlung von Mental, Vital und physischem Bewusstsein sind von höchster Wichtigkeit, da hierdurch die Herabkunft des höheren Bewusstseins und die spirituelle Umwandlung, ohne welche die supramentale immer in weiter Ferne bleiben muss, sicher und einfach werden. Mächte usw. haben ihren Platz, aber einen sehr untergeordneten, solange dies nicht geschehen ist.

SRI AUROBINDO (24:1095)

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Was die Erfahrungen anbelangt, so ist es gut, wenn man sie hat; das Problem ist nur, dass sie die Natur nicht zu wandeln scheinen, sondern lediglich das Bewusstsein bereichern – selbst die Verwirklichung des Brahman auf der Mentalebene scheint die Natur beinahe dort zu lassen, wo sie ist –, von wenigen Ausnahmen abgesehen. Aus diesem Grund bestehen wir auf der seelischen Umwandlung als dem vordringlichsten Erfordernis, denn sie ist es, welche die Wandlung der Natur herbeiführt, und ihr hauptsächlichstes Hilfsmittel ist bhakti, Hingabe usw.

SRI AUROBINDO (24:1609)

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Das Auftauchen der Seele

Das wahre zentrale Wesen ist die Seele, doch steht dieses Wesen im Hintergrund und ist in den meisten menschlichen Naturen lediglich der geheime Zeuge oder, man könnte es auch so ausdrücken, ein verfassungsmäßiger Herrscher, der seinen Ministern erlaubt, für ihn zu herrschen, der ihnen die Vollmacht der Herrschaft über sein Reich gibt, schweigend ihren Entscheidungen zustimmt, und nur hie und da ein Wort einwirft, über das sie sich in jedem Augenblick hinwegsetzen können, um anders zu handeln. Das trifft jedoch nur solange zu, als die Seelen-Personalität, die durch die seelische Wesenheit nach vorne gebracht wurde, noch nicht hinreichend entwickelt ist; wenn sie so stark ist, dass die innere Wesenheit sich durch sie durchsetzen kann, dann vermag die Seele hervorzutreten und die menschliche Natur zu lenken. Durch das Hervortreten dieses wahren Monarchen und seiner Übernahme der Zügel der Herrschaft, kann eine wahre Harmonisierung unseres Wesens und unseres Lebens stattfinden.

Eine erste Voraussetzung des vollen Auftauchens der Seele ist ein direkter Kontakt im Oberflächenwesen mit der spirituellen Realität. Das seelische Element in uns wendet sich, da es von dorther stammt, immer dem zu, was in der äußeren Welt der Erscheinungen einer höheren Realität anzugehören scheint, und als ihr Symbol und Merkmal akzeptiert werden kann. Zunächst sucht es diese Realität durch das Gute, das Wahre, das Schöne, durch alles, was rein und fein und hoch und edel ist: doch obgleich diese Berührung durch äußere Zeichen und Merkmale die [menschliche] Natur modifizieren und vorbereiten kann, vermag sie sie nicht gänzlich oder zuinnerst oder tief zu wandeln. Denn für eine solche innerste Wandlung ist der direkte Kontakt mit der spirituellen Realität unerlässlich, da nichts sonst so tief die Grundlagen unseres Wesens berühren und es aufwühlen kann, oder die Natur durch seine Berührung in ein Ferment der Transmutation zu werfen vermag. Mentale Vorstellungen, emotionale und dynamische Darstellungen haben ihren Nutzen und Wert; die Wahrheit, das Gute und die Schönheit sind in sich primäre und potente Darstellungen der Realität, und sogar in den Formen, wie sie durch das Mental gesehen werden, wie sie durch das Herz gefühlt werden, wie sie im Leben erkannt werden, können sie Richtlinien eines Anstiegs sein: doch es ist in seiner spirituellen Substanz, seinem spirituellen Wesen, dass DAS, was sie verkörpern, in unsere Erfahrung eintreten muss.

SRI AUROBINDO (19:900)

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Die Seele enthält die größtmögliche Stärke, doch bleibt das meiste davon hinter dem Schleier, und nur das, was in der [menschlichen] Natur in Erscheinung tritt, ist von Bedeutung. In einigen Menschen ist das seelische Element stark, in anderen schwach; in manchen Menschen ist das Mental der stärkste Teil und hat die Oberhand, in anderen ist es das Vital, das lenkt oder antreibt. Durch die Sadhana kann das seelische Wesen mehr und mehr nach vorne gebracht werden, bis es dominiert und das übrige lenkt. Wenn es bereits die Führung übernommen hätte, wären die Kämpfe und Schwierigkeiten des Mentals und Vitals keinesfalls ernsthaft; denn jeder Mensch würde im Licht der Seele die Wahrheit erkennen und fühlen und ihr immer mehr folgen.

SRI AUROBINDO (24:1109)

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Mit dem Hervortreten [der Seele] ist einfach dies gemeint: Die Seele ist gewöhnlich tief im Inneren. Sehr wenige Menschen sind sich ihrer Seele bewusst – wenn sie von ihrer Seele sprechen, meinen sie im allgemeinen das vitale und mentale Wesen oder aber die (falsche) Begierdenseele. Die Seele bleibt im Hintergrund und handelt, wo immer es möglich ist, nur durch das Mental, Vital und Physische. Aus diesem Grund hat das seelische Wesen, außer dort, wo es sehr entwickelt ist, nur einen geringen und teilweisen, einen verborgenen und vermischten oder abgeschwächten Einfluss auf das Leben der meisten Menschen. Mit dem Hervortreten ist gemeint, dass es hinter dem Schleier hervortritt, dass seine Gegenwart auch im täglichen Wachbewusstsein gefühlt wird, und sein Einfluss das Mental und Vital und ihre Bewegungen, ja, selbst das Physische erfüllt, beherrscht und umwandelt. Man ist sich seiner Seele bewusst, empfindet die Seele als sein wahres Wesen, während das Mental und alles übrige allmählich zu bloßen Instrumenten des Innersten in uns werden.

SRI AUROBINDO (24:1097)

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Eigentlich möchte ich meinen, dass du inzwischen über das seelische Wesen Bescheid wissen müsstest –, dass es sich hinter dem Schleier befindet, und sein Bewusstsein ebenfalls; nur wenig davon gelangt in das Mental, Vital und Physische. Wenn dieses Bewusstsein nicht verborgen ist, wenn du dir deiner Seele (des seelischen Wesens) bewusst bist, wenn ihre Gefühle und ihr Bewusstsein die deinen sind, dann hast du das Bewusstsein des seelischen Wesens erlangt. Die Gefühle und Bestrebungen des seelischen Wesens sind alle der Wahrheit, dem rechten Bewusstsein und dem Göttlichen zugewandt; es ist der einzige Teil, der durch die feindlichen Kräfte und ihre Einflüsterungen nicht berührt werden kann.

SRI AUROBINDO (24:1098)

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Das seelische Wesen tritt bei den meisten Menschen nur langsam hervor, selbst nachdem sie die Sadhana aufgenommen haben. So vieles im Mental und Vital muss sich verändern und wieder anpassen, bevor die Seele gänzlich frei sein kann. Man hat zu warten, bis der notwendige Prozess weit genug gediehen ist, und sie ihren uralten Schleier aufreißen und hervortreten kann, um die [menschliche] Natur zu lenken. Es stimmt, dass nichts sonst dir so viel inneres Glück und innere Freude zu gewähren vermag – der Friede jedoch kann auch durch die mentale und vitale Befreiung oder durch das Wachsen einer starken samata im Wesen erreicht werden.

SRI AUROBINDO (24:1098)

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Wie weiß man, dass das seelische Wesen hervorgetreten ist?

Mein Kind, wenn es geschieht, weiß man es. Solange man es nicht weiß, bedeutet es, dass es noch nicht stattgefunden hat – genau das. Es gleicht dem, wenn Menschen dich fragen: “Wie vermag ich zu wissen, ob ich in Kontakt mit dem Göttlichen bin?” Das als solches ist genug, um zu beweisen, dass sie es nicht sind. Denn, wären sie es, würden sie die Frage nicht länger stellen. Es ist etwas, das man weiß. Für die Seele gilt das gleiche. Wenn die Seele hervorgetreten ist, weiß man es, und es gibt nicht den Schatten eines Zweifels. Folglich stellt man die Frage nicht länger.

DIE MUTTER (6:396)

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Das Auftauchen des seelischen Wesens oder die Verwirklichung des Selbstes über uns wird immer von dem Gefühl begleitet, wie aus einem Kerker befreit zu sein. Deshalb bezeichnet man es als Befreiung, mukti. Es ist eine Befreiung in den Frieden, in das Glück, in die Freiheit der Seele, die nicht durch tausend Bande und Sorgen des äußeren unwissenden Daseins gefesselt ist.

SRI AUROBINDO (23:1001)

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Wenn die Seele einmal hervorgetreten ist, kann sie sich wieder zurückziehen?

Ja. Gewöhnlich hat man eine Reihe von Erfahrungen der Identifizierung, sehr intensiv zuerst, was sich später allmählich vermindert, und dann eines Tages erkennst du, dass sie verschwunden sind. Dennoch darfst du dich nicht beunruhigen lassen, denn es ist eine ziemlich allgemeine Erscheinung. Das nächste Mal aber – das zweite Mal – wird der Kontakt leichter erreicht. Und dann kommt ein Augenblick, ziemlich bald, da man, sobald man sich konzentriert und danach strebt, einen Kontakt herstellen kann. Man mag vielleicht nicht die Macht haben, ihn die ganze Zeit über zu bewahren, aber man kann ihn nach Wunsch herstellen. Dann, von diesem Augenblick an, werden die Dinge sehr einfach. Wenn man eine Schwierigkeit spürt oder ein Problem zu lösen hat, wenn man einen Fortschritt machen will, oder lediglich eine Depression zu bewältigen oder einen Widerstand zu überwinden hat, oder aber ganz einfach um der Freude der Identifizierung willen (denn diese ist eine Erfahrung, die eine sehr konkrete Freude vermittelt; im Augenblick der Identifizierung empfindet man wahrlich eine sehr, sehr große Freude), dann kann man in jedem Augenblick innehalten, sich eine Zeit lang konzentrieren und streben, und auf ganz natürliche Weise wird der Kontakt [mit der Seele] hergestellt und alle zu lösenden Probleme werden gelöst. Einfach sich zu konzentrieren, sich hinzusetzen und zu konzentrieren – auf diese Weise zu streben, und der Kontakt ist hergestellt, augenblicklich sozusagen.

Es kommt, wie ich sagte, eine Zeit, in der dich dies nicht mehr verlässt, das heißt, es ist in den Tiefen des Bewusstseins und stützt alles, was du tust, und du verlierst niemals mehr den Kontakt. Dann hören viele Dinge auf. Depression zum Beispiel, ist eines dieser Dinge, Unzufriedenheit, Aufruhr, Müdigkeit, Niedergeschlagenheit all diese Schwierigkeiten. Und wenn man es sich zur Gewohnheit macht, in seinem Bewusstsein zurückzutreten, wie wir es nennen, und auf den Schirm des seelischen Bewusstseins zu blicken – all die Umstände zu sehen, alle Ereignisse, alle Ideen, alles Wissen, alles –, in diesem Augenblick sieht man das und hat einen insgesamt sicheren Führer für alles, was man tut. Aber dies dauert notwendigerweise sehr lange Zeit.

DIE MUTTER (6:33)

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Fortwährende und aufrichtige Aspiration, und der Wille, sich allein dem Göttlichen zuzuwenden, sind der beste Weg, die Seele hervortreten zu lassen.

SRI AUROBINDO (24:1100)

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Wenn das Begehren zurückgewiesen ist und nicht länger das Denken, Fühlen oder Tätigsein beherrscht, wenn ein stetiges Streben nach einem vollkommen aufrichtigen Selbstgeben besteht, öffnet die Seele sich nach einer gewissen Zeit von selbst.

SRI AUROBINDO (24:1099)

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Diese Dinge, Ärger, Eifersucht, Begehren sind der eigentliche Stoff des gewöhnlichen menschlich-vitalen Bewusstseins. Ihre Wandlung wäre nicht möglich, wenn es nicht ein tieferes Bewusstsein innen gäbe, das von ganz anderer Natur ist. In dir ist ein seelisches Wesen, das göttlich ist, und unmittelbar ein Teil der Mutter, frei von all diesen Mängeln. Es wird von dem gewöhnlichen Bewusstsein und der gewöhnlichen Natur verdeckt und verborgen; wenn es aber enthüllt wird und das Wesen lenken kann, dann verändert es das gewöhnliche Bewusstsein, entledigt sich all dieser ungöttlichen Dinge, und wandelt die äußere Natur vollständig. Daher wollen wir, dass die Sadhaks sich konzentrieren, um dieses verborgene Bewusstsein zu öffnen – durch Konzentration, von welcher Art auch immer, und die Erfahrungen, die sie bringt, öffnet man sich, wird innerlich bewusst, und das neue Bewusstsein, die neue Natur beginnen zu wachsen und hervorzutreten. Natürlich wollen wir auch, dass sie ihren Willen gebrauchen und die Begierden und falschen Bewegungen des Vitals zurückweisen, denn hierdurch wird das Hervortreten des wahren Bewusstseins möglich. Zurückweisung allein kann aber nicht erfolgreich sein; es geschieht sowohl durch Zurückweisung als auch durch innere Erfahrung und ein inneres Wachsen.

SRI AUROBINDO (23:907)

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Du hast gefragt, welcher Art die Disziplin sei, der man zu folgen habe, um das mentale Suchen in eine lebendige spirituelle Erfahrung zu wandeln. Das erste Erfordernis ist, dein Bewusstsein in der nach innen gerichteten Konzentration zu schulen. Das gewöhnliche menschliche Mental besitzt eine Oberflächenaktivität, die das wahre Selbst verhüllt. Doch gibt es eine anderes, ein verborgenes, inneres Bewusstsein hinter der Oberfläche, in welchem man das wirkliche Selbst und eine größere und tiefere Wahrheit der Natur gewahrt, in welchem man das Selbst verwirklichen und die Natur befreien und umwandeln kann. Das Ziel dieser Konzentration ist, das Oberflächenmental zu beruhigen und zu beginnen, innerlich zu leben. Dieses wahre Bewusstsein, das sich von dem oberflächlichen unterscheidet, hat zwei hauptsächliche Zentren, eines im Herzen (nicht im physischen Herzen, sondern im Kardial Zentrum in der Mitte der Brust), und eines im Kopf. Die Konzentration im Herzen öffnet den Weg nach innen, und wenn man diesem inneren öffnen folgt und sich in die Tiefe wendet, wird man sich der Seele oder des seelischen Wesens bewusst, dem göttlichen Element im Menschen. Dieses, nachdem es enthüllt wurde, beginnt hervorzutreten und die Natur zu lenken und sie samt allen ihren Bewegungen der Wahrheit und dem Göttlichen zuzuwenden, sowie alles in sie herabzurufen, was sich darüber befindet. Es bringt das Bewusstsein der [Göttlichen] Gegenwart, der Weihung des Wesens an den Höchsten und macht die Herabkunft einer größeren Kraft und eines größeren Bewusstseins, die über uns warten, in unsere Natur möglich. Der erste Schritt, wenn man ihn tun kann, das heißt der natürliche Anfang ist, sich im Herzen auf die Darbringung seiner selbst an das Göttliche zu konzentrieren, sowie das Streben nach diesem inneren öffnen und nach der Gegenwart im Herzen; denn ist einmal dies erreicht, wird der spirituelle Pfad weit einfacher und sicherer, als wenn man mit dem anderen Weg beginnen würde.

Jener andere Weg ist die Konzentration im Kopf, im menschlichen Zentrum. Diese, wenn sie zur Stille des Oberflächenmentals führt, öffnet ein inneres, größeres und tieferes Mental, das bereitwilliger spirituelle Erfahrung und spirituelles Wissen empfängt. Ist man hier einmal konzentriert, dann muss man das schweigende, mentale Bewusstsein nach oben hin für alles öffnen, was sich über dem Mental befindet. Nach einiger Zeit fühlt man, wie das Bewusstsein aufsteigt, wie es sich schließlich über jenes Lid erhebt, von dem es so lange Zeit im Körper festgehalten wurde, und ein Zentrum über dem Kopf findet, von wo es in das Unendliche befreit wird. Dort beginnt es mit dem universalen Selbst, mit dem Göttlichen Frieden, dem Licht, der Macht, dem Wissen, der Seligkeit in Kontakt zu kommen, dort einzutreten, und zu all dem zu werden – und die Herabkunft dieser Dinge in die Natur zu fühlen. Dieser zweite Weg der Konzentration ist also, sich im Kopf auf das Streben nach der Stille im Mental zu konzentrieren sowie auf die Verwirklichung des Selbstes und des Göttlichen über sich. Es ist jedoch wichtig zu wissen, dass die Konzentration des Bewusstseins im Kopf nur Vorbereitung für sein Aufsteigen zu dem Zentrum darüber ist; andernfalls könnte man in seinem Mental und dessen Erfahrungen eingeschlossen werden oder bestenfalls zu einer Widerspiegelung der Wahrheit gelangen, statt sich in die spirituelle Transzendenz zu erheben, um dort zu leben. Für einige ist die mentale Konzentration leichter, für andere die Konzentration im Herzzentrum; einige sind fähig, beides abwechselnd zu tun – doch ist es wünschenswerter, mit dem Herzzentrum zu beginnen, wenn man es vermag.

Die andere Seite der Disziplin betrifft die Tätigkeiten der menschlichen Natur, des Mentals, des Lebensselbstes oder Vitals und des physischen Wesens. Hier ist das Prinzip, die [menschliche] Natur mit der inneren Verwirklichung abzustimmen, damit man nicht in zwei disharmonierende Teile gespalten wird. Dabei sind verschiedene Disziplinen oder Vorgänge möglich. Eine davon ist, alle Tätigkeiten dem Göttlichen darzubringen, um die innere Führung zu bitten und darum, dass die menschlichen Natur von einer Höheren Macht aufgenommen wird. Sobald dann das innere Sichöffnen der Seele stattfindet, sobald das seelische Wesen hervortritt, besteht keine große Schwierigkeit mehr; denn Hand in Hand damit geht die seelische Unterscheidung, eine fortwährende Eingebung und schließlich eine Führung, die alle Unvollkommenheiten enthüllt und still und geduldig beseitigt; die die rechten mentalen und vitalen Regungen bringt, und auch das physische Bewusstsein umformt. Eine andere Methode ist, zurückzustehen, losgelöst von den Regungen des Mentals, des Lebens, des physischen Wesens, ihre Tätigkeiten allein als die gewohnten Formierungen der allgemeinen Natur im Menschen zu betrachten, die uns durch vergangenes Tun auferlegt sind und nicht zu unserem wirklichen Wesen gehören; in dem Maß wie einem das glückt, wie man sich ablösen kann und das Mental und seine Tätigkeiten, das Leben und seine Tätigkeiten, den Körper und seine Tätigkeiten als nicht zu sich gehörend betrachtet, wird man sich eines inneren Wesens bewusst, eines inneren Mentals, eines inneren Vitals, eines inneren Physischen –, das ruhig, ungebunden und nicht verhaftet ist, das das wahre Selbst über einem spiegelt und sein direkter Vertreter sein kann; von diesem inneren, schweigenden Wesen geht eine Zurückweisung all dessen aus, was zurückgewiesen werden muss, und eine Billigung allein von dem, was bewahrt und umgewandelt werden kann, ein innerster Wille zur Vollendung oder ein Ruf an die Göttliche Macht, bei jedem Schritt das zu tun, was für die Wandlung der Natur erforderlich ist. Es [das innere Wesen] kann auch Mental, Leben und Körper der innersten seelischen Wesenheit und ihrem lenkenden Einfluss oder ihrer unmittelbaren Führung öffnen. In den meisten Fällen zeichnen sich diese beiden Methoden ab, arbeiten zusammen und verschmelzen schließlich in eine einzige. Doch kann man mit jeder von ihnen beginnen, am besten mit derjenigen, der zu folgen einem am natürlichsten und einfachsten erscheint.

Schließlich kann in allen Schwierigkeiten, in denen die persönliche Bemühung behindert ist, die Hilfe des Lehrers eingreifen und das herbeiführen, was für die Verwirklichung oder den unmittelbar nächsten Schritt erforderlich ist.

SRI AUROBINDO (23:517)

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Man kann sich auf jedes der drei Zentren konzentrieren, je nachdem, was dem Sadhak am leichtesten fällt oder die besten Ergebnisse zeitigt. Die Kraft der Konzentration im Herzzentrum besteht darin, dieses Zentrum zu öffnen, und durch die Macht des Strebens, der Liebe, der bhakti und Hingabe den Schleier zu entfernen, der die Seele bedeckt und verhüllt; sie lässt die Seele oder das seelische Wesen hervortreten, damit sie Mental, Leben und Körper lenke, und sie alle voll dem Göttlichen zuwende und alles beseitige, was diesem Öffnen und dieser Wende entgegensteht.

Das nennt man in diesem Yoga die seelische Umwandlung. Die Macht der Konzentration über dem Kopf besteht darin, den Frieden zu bringen sowie das Schweigen, die Befreiung vom Körpergefühl und von der Identifizierung mit Mental und Leben; sie öffnet den Weg für das niedere Bewusstsein (das mentale, vitale und physische), damit es aufsteige, um dem höheren Bewusstsein zu begegnen sowie für die Kräfte des höheren Bewusstseins (der spirituellen Natur), damit sie in Mental, Leben und Körper herabkommen. Das nennt man in diesem Yoga die spirituelle Umwandlung. Wenn man mit dieser Bewegung beginnt, muss die Macht von oben in ihrem Herabkommen alle Zentren öffnen (einschließlich des niedersten Zentrums) und das seelische Wesen hervortreten lassen; denn solange dies nicht geschehen ist, widersetzt sich das niedrigere Bewusstsein voraussichtlich mit viel Schwierigkeiten und Kampf dem Göttlichen Wirken von oben, es vermischt sich damit oder weist es sogar zurück. Ist das seelische Wesen jedoch einmal aktiv, können dieser Kampf und diese Schwierigkeiten außerordentlich vermindert werden.

Die Macht der Konzentration zwischen den Augenbrauen besteht darin, das Zentrum dort zu öffnen, und das innerste Mental, die innere Schau sowie das innere oder yogische Bewusstsein mit seinen Erfahrungen und Mächten zu befreien. Von hier kann man sich auch nach oben öffnen und ebenso in den niederen Zentren wirken; die Gefahr dieser Methode besteht jedoch darin, dass man möglicherweise in seinen mentalen spirituellen Formierungen eingeschlossen wird und keinen Ausweg aus ihnen findet, um die freie und integrale spirituelle Erfahrung und Erkenntnis sowie die integrale Veränderung des Wesens und der menschlichen Natur zu erlangen.

SRI AUROBINDO (23:725)

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Die Verwirklichung des seelischen Wesens, sein Erwachen und Hervortreten hängen hauptsächlich davon ab, inwieweit man eine persönliche Beziehung zum Göttlichen entwickeln kann, eine Beziehung der bhakti, der Liebe, des Vertrauens und Selbstgebens, inwieweit man die Beharrlichkeiten des trennenden und rechthaberischen mentalen, vitalen und physischen Egos zurückweisen kann.

SRI AUROBINDO (22:341)

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Der sonnenhelle Weg der Seele

Es gibt immer zwei Arten, den Yoga auszuüben – die eine, durch das Wirken eines wachsamen Mentals und Vitals zu sehen, zu beobachten, zu denken und zu entscheiden, was getan werden soll und was nicht. Natürlich geschieht das mit Hilfe der Göttlichen Kraft im Hintergrund, welche jene Kraft herabzieht oder ruft, denn im anderen Fall, könnte nicht viel getan werden. Es ist aber immer noch die persönliche Bemühung, auf welcher der Nachdruck liegt, und welcher die meiste Arbeit zufällt.

Die andere Art ist die des seelischen Wesens; das Bewusstsein öffnet sich dem Göttlichen, es öffnet nicht nur die Seele und lässt sie hervortreten, sondern auch das Mental, das Vital und das Physische, es empfängt das Licht und erkennt, was zu geschehen hat, es fühlt und sieht, wie es durch die Göttliche Kraft selbst geschieht, und trägt fortwährend durch wachsame und bewusste Zustimmung und durch seinen Ruf zum Göttlichen Wirken bei.

Meist ist nur eine Mischung dieser beiden Arten möglich, bis das Bewusstsein bereit ist, sich völlig zu öffnen, und seine gesamte Tätigkeit dem Göttlichen Ursprung unterzuordnen. Dann schwindet jede Verantwortung, und die Schultern des Sadhaks haben keine persönliche Last mehr zu tragen.

SRI AUROBINDO (23:594)

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Wenn sich die Seele im Vordergrund befindet, wird die Sadhana selbstverständlich und einfach, und es ist nur eine Frage der Zeit und natürlichen Entwicklung. Wenn das Mental oder das Vital oder das physische Bewusstsein überwiegt, ist die Sadhana eine tapasya und ein Kampf

SRI AUROBINDO (24:1109)

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Der Yoga besteht sehr oft aus einer Folge von Auf und Ab, bis du eine gewisse Höhe erreicht hast. Der Grund hierfür ist jedoch ein ganz anderer, und hat nichts mit den Launen der Seele zu tun. Im Gegenteil, wenn das seelische Wesen hervortritt und Meister wird, beginnt eine im wesentlichen ruhige Tätigkeit, und obwohl es noch Schwierigkeiten und Wellenbewegungen gibt, sind diese nicht länger von jähem oder dramatischem Charakter.

SRI AUROBINDO (24:1109)

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Wenn die Seele erwacht ist und sich im Vordergrund befindet, wird es einfach, sich der Dinge, die in der äußeren Natur verändert werden müssen, bewusst zu bleiben – und dann ist es auch verhältnismäßig einfach, sie zu ändern. Wenn aber die Seele verhüllt wird und sich in den Hintergrund zurückzieht, ist es für die sich selbst überlassene äußere Natur schwierig, sich ihrer eigenen falschen Bewegungen bewusst zu bleiben, und es gelingt ihr auch mit großer Anstrengung nicht, sich von ihnen zu befreien. Du hast selbst gesehen, wie in der Essensangelegenheit, dass mit einer aktiven und erwachten Seele die rechte Einstellung auf natürliche Weise kommt und jede Schwierigkeit, welcher Art auch immer, sich bald verringert oder sogar verschwindet.

SRI AUROBINDO (24:1101)

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Nicht die Seele ist es, die leidet; das Selbst ist ruhig und gleichmütig gegenüber allen Dingen, und der einzige Kummer des seelischen Wesens ist der Kummer über den Widerstand der [menschlichen] Natur gegenüber dem Göttlichen Willen oder über den Widerstand der Dinge und Menschen gegenüber dem Ruf des Wahren, Guten und Schönen. Was vom Leiden betroffen wird, das ist die vitale Natur und der Körper. Wenn sich die Seele dem Göttlichen zuwendet, kann ein Widerstand im Mental auftreten, der meist in Form von Leugnung und Zweifel in Erscheinung tritt, was mentales und vitales Leiden hervorrufen kann. Es kann auch einen Widerstand der vitalen Natur geben, deren hauptsächlicher Wesenszug das Begehren ist, und wenn auf diesem Gebiet ein Konflikt zwischen der Seele und der vitalen Natur besteht, zwischen der Anziehungskraft des Göttlichen und dem Sog der Unwissenheit, dann leiden das Mental und der vitale Teil ganz offensichtlich. Auch das physische Bewusstsein kann Widerstand leisten, der im allgemeinen in einer grundlegenden Trägheit besteht, einer Dunkelheit im reinen Stoff des Physischen, einem Nichtbegreifen, einer Unfähigkeit, auf das höhere Bewusstsein anzusprechen, sowie in der Gewohnheit, hilflos und mechanisch auf das Niedere zu reagieren, selbst wenn es nicht will; daraus kann sowohl vitales als auch physisches Leiden entstehen. Außerdem gibt es den Widerstand der Universalen Natur, die nicht will, dass das Wesen aus der Unwissenheit in das Licht entkommt. Das kann die Form eines leidenschaftlichen Beharrens auf der Weiterführung der alten Bewegungen annehmen, deren Wogen das Mental, Vital und den Körper erfassen, so dass die alten Ideen, Impulse, Begierden, Gefühle und Reaktionen fortbestehen – selbst nachdem sie hinausgeworfen und zurückgewiesen wurden – und wie eine Armee, die von außen angreift, zurückkehren können, bis schließlich die ganze dem Göttlichen hingegebene Natur sich weigert, sie anzunehmen. Das ist die subjektive Form des universalen Widerstandes; er kann aber auch eine objektive Form annehmen – Feindseligkeit, Verleumdung, Angriffe, Verfolgung, Unglück von vielerlei Art, feindliche Bedingungen und Umstände, Schmerzen, Krankheiten, Bedrohung von Seiten der Menschen oder Kräfte. Auch hier liegt die Möglichkeit des Leidens auf der Hand. Es gibt zwei Wege, all dem zu begegnen: erstens den des Selbstes, der Stille, des Gleichmuts – ein Spirit, ein Wille, ein Mental, ein Vital, ein physisches Bewusstsein, die entschlossen dem Göttlichen zugewandt bleiben, und sich von all den Suggestionen des Zweifels, Begehrens, Verhaftetseins, von Depression und Kummer, Schmerz und Tätigkeit nicht erschüttern lassen. Das ist möglich, wenn das innere Wesen erwacht, wenn man sich des Selbstes bewusst wird, des inneren Mentals, des inneren Vitals, des inneren Physischen, denn sie können sich leichter dem göttlichen Willen anpassen; und dann findet eine Spaltung im Wesen statt, als ob es zwei Wesen gäbe, eines im Inneren, ruhig, stark, gleichmütig, gelassen, ein Kanal des Göttlichen Bewusstseins und der Göttlichen Kraft, und ein äußeres, das immer noch von der niederen Natur missbraucht wird; dann aber werden die Störungen durch letzteres etwas Oberflächliches sein – nicht mehr als ein äußerliches Kräuseln, bis auch dieses unter dem inneren Druck dahinschwindet und versinkt, und auch das äußere Wesen ruhig, konzentriert und unangreifbar bleibt. Es gibt auch den Weg der Seele – er besteht darin, dass das seelische Wesen mit seiner ihm innewohnenden Kraft, seiner Weihung, Anbetung, seiner Liebe für das Göttliche, seiner Selbsthingabe und Überantwortung hervortritt und diese dem Mental, dem Vital und dem physischen Bewusstsein auferlegt und sie zwingt, all ihre Bewegungen auf Gott zu richten. Wenn die Seele stark und ganz und gar Gebieter ist, gibt es kein subjektives Leiden mehr oder nur noch wenig, und das objektive kann weder die Seele noch die anderen Teile des Bewusstseins berühren – der Weg ist sonnenhell und eine große Freude und Süße werden zum Grundton der ganzen Sadhana. Was die äußeren Angriffe und feindlichen Umstände anbelangt, so hängt das von dem Wirken der [Yoga-] Kraft ab, die die Beziehung des Wesens zur äußeren Natur umwandelt; in dem Maße wie die Kraft ihren Sieg ausdehnt, werden sie eliminiert werden; aber sie können die Sadhana nicht behindern, wie lange auch immer sie andauern, denn dann werden selbst feindliche Dinge und Geschehnisse ein Mittel für ihren Fortschritt und für das Wachsen des Spirits werden.

SRI AUROBINDO (24:1616)

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V. Das Leben nach dem Tod und die Wiedergeburt

Auf des Lebens Pfad geht neben uns der Tod einher,

Ein dunkler Zuschauer bei des Körpers Beginn

Und letztes Gericht eitlen, menschlichen Tuns.

Seiner Vieldeutigkeit Rätsel aber ist das nicht:

Der Tod ist eine Treppe, eine Tür, ein stolpernder Schritt

Der Seele, die von Leben zu Leben kreuzt,

Eine graue Niederlage, trächtig mit Sieg,

Eine Geißel, die uns treibt in unser todloses Sein.

Die unbewusste Welt ist des Spirits selbstgeschaffener Raum,

Die ewige Nacht ist der Schatten des ewigen Tags.

Die Nacht ist nicht unser Beginn noch unser Ende;

Sie ist die dunkle Mutter, in deren Schoß wir uns bargen,

Sicher vor allzu jähem Erwachen zum Daseinsschmerz.

Wir kamen zu ihr aus überirdischem Licht,

Vom Lichte leben wir und kehren zurück ins Licht.

SRI AUROBINDO

SAVITRI: BUCH X CANTO 1

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Alles Geschaffene und wiederum Aufgelöste

Schafft des Einen ruhige, beharrliche Schau

Unausweichlich wieder, es lebt erneut:

Kräfte und Leben und Wesen und Ideen

Nimmt eine Zeit lang die Stille auf.

Dort formen sie Zweck und Richtung aufs Neue,

Gießen und prägen erneut ihre Natur und Gestalt.

Immerfort sich wandelnd und wachsend im Wandel

Durchschreiten sie das fruchtbare Stadium des Todes

Und nehmen nach langem, erneuerndem Schlaf

Ihren Platz wieder ein im Wirken der Götter,

Bis ihr Werk in kosmischer Zeit vollbracht.

SRI AUROBINDO

SAVITRI: BUCH II CANTO 14

Der Vorgang der Wiedergeburt

Jedes mal wenn die Seele in eine neue Geburt eintritt, wird ein Mental, Leben und Körper aus den Substanzen der universalen Natur geformt, die der vergangenen Evolution der Seele sowie ihrem Erfordernis für die Zukunft entsprechen.

Sobald der Körper sich auflöst, wandert das Vital zur vitalen Ebene, um dort eine Zeit lang zu bleiben, dann fällt die vitale Hülle ab. Schließlich zieht sich die Seele oder das seelische Wesen in die seelische Welt zurück, um dort zu ruhen, bis eine neue Geburt naht. Das ist der allgemeine Verlauf für ein normal entwickeltes menschliches Wesen. Es gibt jedoch Abweichungen, die der individuellen Natur und ihrer Entwicklungsstufe entsprechen. So kann zum Beispiel das mentale Wesen, wenn das Mental stark entwickelt ist, [bei der Seele] bleiben und ebenso das Vital, vorausgesetzt sie sind um das wahre seelische Wesen geordnet und um dieses zentriert – sie teilen dann die Unsterblichkeit der Seele.

Die Seele sammelt die wesentlichen Elemente ihrer Erfahrungen im Leben und macht sie zur Grundlage ihres Wachsens in der Evolution; sobald sie in das Leben zurückkehrt, nimmt sie mit ihren mentalen, vitalen und physischen Hüllen soviel karma auf, wie sie im neuen Leben zur weiteren Erfahrung braucht.

Es ist eigentlich der vitale Teil des Wesens, für den sraddha und Riten abgehalten werden, und dies geschieht, um dem Wesen zu helfen, sich von den vitalen Schwingungen zu befreien, die es noch an die Erde oder die vitalen Welten binden, so dass es rasch zu seiner Ruhe im seelischen Frieden gelangen kann.

SRI AUROBINDO (22:433)

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1. Das seelische Wesen steht hinter dem Mental, Leben und Körper und stützt sie; die seelische Welt ist nicht eine Welt in der Rangordnung der mentalen, vitalen oder physischen Welten, sondern steht hinter diesen allen, und die sich hier entwickelnden Seelen kehren dorthin für die Zeit zwischen zwei Leben zurück. Wenn die Seele in der aufsteigenden Ordnung von Körper, Leben und Mental nur ein Prinzip wäre, den anderen ebenbürtig und in der Rangordnung auf gleicher Grundlage mit diesen, könnte sie nicht die Seele von allem übrigen sein, das göttliche Element, das die Evolution der anderen ermöglicht, und diese als Instrumente für das Wachsen zum Göttlichen hin durch kosmische Erfahrung benützt. Ebensowenig kann die seelische Welt eine unter den übrigen Welten sein, zu denen das evolutionäre Wesen sich um der überphysischen Erfahrung willen begibt; es ist eine Ebene, zu der es sich zur spirituellen Assimilation seiner Erfahrungen in sich selbst zurückzieht, eine Ebene für ein Wiedereintauchen in sein eigenes ursprüngliches Bewusstsein, seine eigene seelische Natur.

2. Für die wenigen, die die Unwissenheit zurücklassen und in das nirvana eintreten, besteht das Problem nicht, unmittelbar in die höheren Welten der Manifestation aufzusteigen. Nirvana oder moksha ist ein befreiter Daseinszustand und nicht eine Welt – es ist eine Abkehr von den Welten und der Manifestation.

3. Der Zustand der Seele, die sich in die seelische Welt zurückzieht, ist ein vollkommen statischer; jede [der Seelen] zieht sich in sich selbst zurück und hat keine Beziehung zu anderen. Wenn sie aus ihrem Trancezustand auftaucht, ist sie für ein neues Leben bereit, doch wirkt sie zwischenzeitlich nicht auf das Erdenleben ein. Es gibt andere Wesen, Wächter der seelischen Welt, doch kümmern sich diese nicht um die Erde, sondern nur um die seelische Welt, sowie um die Rückkehr der Seelen zur Reinkarnation.

4. Ein Wesen der seelischen Welt kann nicht mit der Seele eines Menschen auf der Erde verschmelzen. Was manchmal vorkommt, ist, dass ein sehr fortgeschrittenes seelisches Wesen eine Emanation herabsendet, die in ein menschliches Wesen eingeht und dieses, bis es bereit ist, auf das seelische Wesen selbst vorbereitet, damit dieses in das Leben eintreten kann. Diese geschieht, wenn eine besondere Arbeit verrichtet und das menschliche Gefäß hierfür vorbereitet werden muss. Eine derartige Herabkunft zeitigt eine erstaunliche und plötzliche Veränderung in der menschlichen Persönlichkeit und Natur.

5. Meist bewahrt die Seele die gleiche Linie des Geschlechtes. Eine Veränderung des Geschlechtes geht in der Regel von den nichtzentralen Teilen der Persönlichkeit aus.

6. Es gibt keine feststehende Regel dafür, in welchem Stadium die Seele zur Wiedergeburt in einen neuen Körper eintritt, denn die Umstände ändern sich mit dem einzelnen Individuum. Es gibt seelische Wesen, die vom Zeitpunkt der Empfängnis an Beziehung mit dem Milieu der Geburt und den Eltern aufnehmen und die Entwicklung der Persönlichkeit und Zukunft bereits im Embryo vorbereiten; andere treten [in den Körper] erst zum Zeitpunkt der Geburt ein, andere noch später im Leben – in diesen Fällen hält eine Emanation des seelischen Wesens das Leben aufrecht. Man sollte wissen, dass die Voraussetzungen des künftigen Lebens grundsätzlich nicht während des Aufenthaltes in der seelischen Welt bestimmt werden, sondern zum Zeitpunkt des Todes; das seelische Wesen wählt dann, was es im nächsten Erdenleben ausarbeiten wird, und dementsprechend gestalten sich die Voraussetzungen.

Du darfst nicht vergessen, dass die Vorstellung einer Wiedergeburt und bestimmter Umstände des neuen Lebens als Belohnung oder Bestrafung von punya (Tugend) oder papa (Sünde) eine unreife menschliche Vorstellung von Gerechtigkeit ist, ziemlich unphilosophisch, unspirituell und das wahre Ziel des Lebens entstellend. Das Leben auf Erden ist eine Evolution, und die Seele wächst durch Erfahrung, durch ein Ausarbeiten von diesem oder jenem in der menschlichen Natur; wenn Leiden sich einstellen, dann hat man sie zum Zwecke dieses Ausarbeitens zu erdulden, und nicht als ein Urteil, das von Gott oder dem Kosmischen Gesetz verhängt ist über unser Fehlen und Irren, welche unvermeidbar sind in der [Welt der] Unwissenheit.

SRI AUROBINDO (22:439)

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Es wird oft gesagt, dass Kinder von ihrem seelischen Wesen Besitz ergreifen, wenn sie sieben Jahre alt sind. Was genau heißt das?

Es stimmt nicht. Es gibt Menschen, deren seelisches Wesen vor ihrer Geburt über ihre Formung wacht, selbst bevor sie in dem Schoß ihrer Mutter sind. Es gibt Kinder, deren seelisches Wesen im Augenblick ihres ersten Schreis mit ihnen in Verbindung tritt. Es gibt auch Menschen, deren seelisches Wesen einige Stunden nach ihrer Geburt den Kontakt mit ihnen aufnimmt, oder wenige Tage danach, oder einige Wochen, einige Monate, einige Jahre danach, oder ... niemals!

DIE MUTTER (4:140)

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Von einem furchtbaren Leiden, das die Seele im Verlauf der Wiedergeburt erdulden soll, ist mir nichts bekannt; volkstümliche Anschauungen, selbst wenn sie einer gewissen Grundlage nicht entbehren, sind selten vorurteilsfrei und genau.

SRI AUROBINDO (22:439)

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Die Seele gibt die mentalen und anderen Hüllen (außer den physischen) nicht unmittelbar beim Tode auf. Man sagt, dass es im ganzen drei Jahre dauert, sich von der Verbindungszone mit der Erde zu lösen – es kann aber Fälle eines langsameren oder schnelleren Durchganges geben. Die seelische Welt ist nicht mit der Erde verbunden – jedenfalls nicht auf diese Weise. Und der Geist, der bei Séancen auftaucht, ist nicht das seelische Wesen. Was durch das Medium in Erscheinung tritt, ist ein Gemisch, das aus dem Unterbewusstsein des Mediums und dem der Séancen-Teilnehmer stammt (ich gebrauche “unterbewusst” hier im gewöhnlichen, nicht im yogischen Sinn) – es können vitale Hüllen sein, die von den Verstorbenen zurückgelassen und unter Umständen von einem Geist oder vitalen Wesen benutzt werden; es kann auch der Verstorbene selbst in seiner vitalen Hülle sein, oder aber etwas, das für diese Gelegenheit übernommen wurde (es ist jedoch der vitale Teil, der die Verbindung herstellt), es können Elementargeister, also Geister der niedrigsten vital-physischen Welt nahe der Erde sein, usw. usw. Meist ein furchtbares Durcheinander – ein Mischmasch aller Arten von Dingen, die durch eine Vermittlungszone aus astralem Graulicht und Schatten kommen. Viele dieser Vermittler” scheinen Menschen zu sein, die gerade in die feinstoffliche Welt eingetreten sind, wo sie sich von einer verbesserten Ausgabe des Erdenlebens umgeben fühlen und glauben, dass dies die wirkliche und endgültige andere Welt nach der Erde sei – tatsächlich jedoch ist es nur eine Verlängerung der Ideen, Bilder und Assoziationen der menschlichen Ebene. Es ist die nächste Welt, wie sie von spiritistischen “Führern” und anderen Séance-Vermittlern dargestellt wird.

SRI AUROBINDO (22:458)

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Es kann scheinbar rückläufige Bewegungen geben, doch sind dies nur Zick-Zack-Bewegungen, es ist kein wirkliches Zurückfallen; es ist eine Rückkehr zu etwas, das noch nicht verarbeitet ist, damit man dann umso leichter vorwärtsschreiten kann. Nicht die Seele ist es, die zum Tierzustand zurückkehrt, es ist vielmehr ein Teil der vitalen Persönlichkeit, der sich ablösen und in eine Tiergeburt eintreten kann, um dort seine Tierneigungen auszuarbeiten.

SRI AUROBINDO (22:434)

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Die Seele – das seelische Wesen –, wenn sie einmal das menschliche Bewusstsein erreicht hat, kann sich ebensowenig in ein niedrigeres Tierbewusstsein zurückwenden, wie sie in einen Baum oder ein kurzlebiges Insekt zurückkehren kann. Es ist jedoch richtig, dass ein Teil der vitalen Energie oder des geformten instrumentalen Bewusstseins der menschlichen Natur dies kann, und auch sehr häufig tut, wenn es von etwas im Erdenleben stark angezogen wird. Dies mag auch einzelne Fälle einer unmittelbaren Wiedergeburt in menschlicher Form mit voller Erinnerung erklären. Im allgemeinen aber kann man sich nur durch yogische Entwicklung oder durch Hellsehen des vergangenen Lebens genau erinnern.

SRI AUROBINDO (22:445)

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Überleben nach dem Tode und Reinkarnation

Diese Auffassung der Person und Persönlichkeit, wenn sie akzeptiert wird, muss gleichzeitig unsere gängigen Ideen über die Unsterblichkeit der Seele modifizieren; denn normalerweise, wenn wir auf der unvergänglichen Existenz der Seele bestehen, ist das, was gemeint ist, das Überleben einer bestimmten, sich nicht verändernden Persönlichkeit nach dem Tod, die immer und in alle Ewigkeit die gleiche war und sein wird. Es ist dieses sehr unvollkommene und oberflächliche “Ich” des Augenblicks, von der Natur offensichtlich als eine vorübergehende Form betrachtet und nicht wert erhalten zu werden, für die wir dieses erstaunliche Recht des Überlebens und der Unsterblichkeit fordern. Doch ist die Forderung extravagant und kann nicht anerkannt werden; das “Ich” des Augenblicks kann das Überleben nur dann verdienen, wenn es zustimmt sich zu wandeln, nicht länger es selbst zu sein, sondern etwas anderes, Größeres, Besseres, leuchtender im Wissen, mehr nach dem Bildnis der ewigen Schönheit geformt, mehr und mehr zur Gottheit des geheimen Spirits hin fortschreitend. Es ist jener geheime Spirit oder die Gottheit des Selbstes in uns, die unvergänglich ist, da sie ungeboren und ewig ist. Die seelische Wesenheit in uns, ihr Stellvertreter, das spirituelle Individuum in uns, ist die Person, die wir sind; doch das “Ich” dieses Augenblicks, das “Ich” dieses Lebens, ist nur eine Formierung, eine zeitweilige Persönlichkeit dieser inneren Person: sie ist ein Schritt der vielen Schritte unserer evolutionären Wandlung, und dient ihrem wahren Zweck nur dann, wenn wir darüber hinausgelangen zu einem weiteren Schritt, der näher zu einer höheren Stufe des Bewusstseins und Wesens hinführt. Es ist die innere Person, die den Tod überlebt, so wie sie vor der Geburt existiert; denn dieses fortwährende Überleben ist eine Wiedergeburt der Ewigkeit unseres zeitlosen Spirits in den Begriffen der Zeit.

SRI AUROBINDO (19:820)

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Du solltest einen weit verbreiteten Irrtum hinsichtlich der Reinkarnation vermeiden. Die allgemeine Vorstellung ist, dass Titus Balbus als John Smith wiedergeboren wird, als ein Mensch mit der gleichen Persönlichkeit, dem gleichen Charakter und den gleichen Fähigkeiten, die er in einem früheren Leben besaß, mit dem einzigen Unterschied, dass er Mantel und Hosen trägt statt einer Toga, und dass er Cockney-Englisch spricht statt des volkstümlichen Lateins. Das ist nicht der Fall. Es hätte nicht den geringsten Sinn, die gleiche Persönlichkeit oder den gleichen Charakter Millionen Male vom Anbeginn der Zeit bis an ihr Ende zu wiederholen. Die Seele tritt um der Erfahrung willen in die Geburt ein, um des Wachstums und der Entwicklung willen, bis sie das Göttliche in die Materie bringen kann. Es ist das zentrale Wesen, das sich inkarniert, nicht die äußere Persönlichkeit – die Persönlichkeit ist lediglich eine Form, die sich das zentrale Wesen in diesem einen Leben für seine Erfahrungen schafft. In einer anderen Geburt wird es sich eine andere Persönlichkeit schaffen, andere Fähigkeiten, ein Leben, das anders verläuft. Angenommen, Virgil würde wiedergeboren, dann könnte er sich durchaus in einem oder zwei weiteren Leben wieder der Poesie zuwenden, doch würde er vermutlich nicht wieder ein Epos schreiben, sondern eher eine leichte, doch elegante und schöne Lyrik, derart, wie er sie in Rom schreiben wollte, aber nicht dazu kam. In einem weiteren Leben würde er vielleicht überhaupt kein Dichter sein, sondern ein Philosoph oder ein Yogi, der die höchste Wahrheit zu erreichen und auszudrücken sucht, denn auch dies war ein unverwirklichter Zug seines Bewusstseins in jenem Leben. Und vielleicht ist er zuvor ein Krieger oder Herrscher gewesen und hatte Taten wie Aeneas oder Augustus vollbracht, die er später dann besungen hat. Und so weiter – auf die eine oder andere Weise entfaltet das zentrale Wesen einen neuen Charakter, eine neue Persönlichkeit, es wächst und entwickelt sich und geht durch alle Arten der Erderfahrung.

In dem Maße wie das sich entfaltende Wesen sich weiterentwickelt und reicher und komplizierter wird, sammelt es gleichsam Persönlichkeiten an. Manchmal verbergen sie sich hinter den aktiven Elementen und bringen etwas Farbe in diese, einen charakteristischen Zug, hie und da eine Fähigkeit –, oder aber sie befinden sich im Vordergrund, und es entsteht eine vielschichtige Persönlichkeit, ein vielseitiger Charakter oder ein vielseitiges, ja gleichsam universales Talent. Wenn aber eine frühere Persönlichkeit, eine frühere Fähigkeit voll in Erscheinung tritt, dann nicht deshalb, um das zu wiederholen, was bereits getan wurde, sondern um die gleiche Fähigkeit in neue Formen und Umrisse zu gießen und zu einer neuen Harmonie des Wesens zu verschmelzen, die nicht die Wiederholung dessen sein wird, was vorher war. Daher darfst du nicht erwarten, das zu sein, was der Krieger und Dichter waren. Einige der äußeren kennzeichnenden Eigenschaften mögen wiederkehren, jedoch in sehr veränderter Form und neuer Zusammenstellung. Die Energien werden in eine andere Richtung gelenkt, um das zu vollbringen, was vorher nicht vollbracht wurde.

Noch etwas anderes. Nicht die Persönlichkeit, sondern der Charakter ist bei der Wiedergeburt von vordringlicher Wichtigkeit – das seelische Wesen ist es, das hinter der Evolution der menschlichen Natur steht und sich mit ihr entfaltet. Die Seele, sobald sie sich vom Körper löst und das Mental und Vital auf dem Weg zu ihrem Ruheplatz zurücklässt, bewahrt den Kern der Erfahrung – nicht die physischen Ereignisse, nicht die vitalen Bewegungen, nicht den mentalen Aufbau, nicht die Fähigkeiten des Charakters, sondern etwas Wesentliches, das sie aus ihnen bezieht, etwas, das man das göttliche Element nennen könnte, um dessentwillen das übrige bestand. Und das ist die immerwährende Hinzufügung, durch die man dem Göttlichen entgegenwächst. Daher hat man auch meist keine Erinnerung an die äußeren Ereignisse und Umstände des vergangenen Lebens, die zwar in einer Art keimhaften Erinnerung vorhanden sind, gewöhnlich aber nicht in Erscheinung treten – für eine derartige Erinnerung hätte eine kraftvolle Entwicklung auf ein ununterbrochenes Fortbestehen des Mentals, Vitals und selbst des feinen Physischen stattfinden müssen. Das, was das göttliche Element in der harmonischen Geistigkeit und weitherzigen Vitalität des Dichters war, und das sich in ihnen ausdrückte, wird erhalten bleiben und in einer neuen Harmonie des Charakters einen neuen Ausdruck finden; oder aber es wird, wenn sich das Leben dem Göttlichen zuwendet, als eine Fähigkeit für die Verwirklichung oder die Arbeit, die für das Göttliche zu geschehen hat, in Erscheinung treten.

SRI AUROBINDO (22:451)

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Die Wahl der Seele und die Bedingungen der Wiedergeburt

Das seelische Wesen wählt im Augenblick des Todes, was es im nächsten Leben ausarbeiten will, und bestimmt den Charakter und die Voraussetzungen der neuen Persönlichkeit. Der Sinn des Lebens besteht im evolutionären Wachsen durch Erfahrung unter den Bedingungen der Unwissenheit, bis man für das höhere Licht bereit ist.

SRI AUROBINDO (22:443)

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Der Wunsch eines sterbenden Menschen ist nur etwas an der Oberfläche – er kann zwar von der Seele ausgelöst werden und auf diese Weise dazu beitragen, die Zukunft zu gestalten, er bestimmt aber nicht die Wahl der Seele [für das künftige Leben]. Das ist etwas hinter dem Schleier. Nicht die Tätigkeit des äußeren Bewusstseins bestimmt den inneren Vorgang, sondern umgekehrt. Manchmal jedoch gelangen Zeichen oder Fragmente dieser inneren Tätigkeit an die Oberfläche – Menschen haben zum Beispiel eine Vision oder erinnern sich der Umstände ihrer Vergangenheit in einem blitzartigen Überblick zur Zeit des Todes – das ist die Rückschau der Seele, bevor sie den Körper verlässt.

SRI AUROBINDO (22:443)

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Die Wahl des seelischen Wesens zur Zeit des Todes arbeitet die nächste Gestaltung der Persönlichkeit nicht aus, sondern fixiert sie. Sobald es in die seelische Welt eintritt, beginnt es die Essenz seiner Erfahrungen zu assimilieren, und mit Hilfe dieser Assimilierung wird dann die künftige seelische Persönlichkeit in Übereinstimmung mit der bereits vollzogenen Fixierung geformt. Wenn dieser Vorgang beendet ist, ist das seelische Wesen für eine neue Geburt bereit; weniger entwickelte [seelische] Wesen arbeiten die ganze Sache nicht für sich selbst aus, sondern diese Arbeit fällt den Wesen und Kräften der höheren Welt zu. Es ist aber nicht gesagt, dass die Kräfte der physischen Welt, sobald es zur Geburt kommt, die Ausarbeitung des Geplanten nicht durchkreuzen, da möglicherweise die neue Instrumentierung [des seelischen Wesens] nicht stark genug ist – hier [auf Erden] besteht die Wechselwirkung von eigenen Energien und kosmischen Kräften. Vereitelung, Ablenkung, ein nur teilweises Ausarbeiten sind möglich – viele Dinge können geschehen. All dies ist kein starrer Mechanismus, sondern ein Verarbeiten von komplizierten Kräften. Es muss jedoch hinzugefügt werden, dass ein entwickeltes, seelisches Wesen in diesem Übergang viel bewusster ist und viel selbst ausarbeitet. Auch die Zeitdauer hängt von der Entwicklungsstufe und einem gewissen Rhythmus des Wesens ab – bei einigen findet praktisch unmittelbar darauf eine Wiedergeburt statt, andere brauchen länger, bei manchen kann es Jahrhunderte dauern; doch auch hier gilt, dass das seelische Wesen, wenn es einmal genügend entwickelt ist, seinen eigenen Rhythmus und seine Ruhepausen zu bestimmen vermag. Die üblichen Theorien sind zu mechanisch, ebenso wie die Vorstellung von punya und papa mit ihren jeweiligen Ereignissen im nächsten Leben. Die Energien eines vergangenen Lebens zeitigen zwar mit Sicherheit Folgen, doch nicht auf der Grundlage dieses ziemlich kindischen Prinzips. Eines guten Menschen Leiden wären der orthodoxen Theorie zufolge der Beweis, dass er ein großer Schurke in einem vergangenen Leben war, und eines schlechten Menschen Gedeihen wäre der Beweis, dass er ziemlich engelhaft bei seinem letzten Erdenbesuch gewesen sein muss, und eine große Saat von Tugenden und verdienstvollen Taten säte, um diese Rekordernte von Glück zu erzielen. Zu symmetrisch, um wahr zu sein! Das Ziel des Geborenwerdens ist Wachstum durch Erfahrung, und die Rückwirkungen vergangener Taten finden nur deshalb statt, damit das Wesen lerne und wachse, sie sind nicht als Lutschbonbons für die braven, oder als eine Tracht Prügel für die bösen Kinder der Klasse in der Vergangenheit gedacht. Die tatsächliche Billigung für Gut und Böse ist nicht Glück für den einen und Unglück für den anderen, sondern dass uns das Gute einer höheren Natur entgegenführe, die letztlich über das Leiden erhaben ist, und das Schlechte uns zur niederen Natur hinabzieht, die sich immer im Kreise des Leidens und Bösen bewegt.

SRI AUROBINDO (22:444)

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Für das Schicksal nach dem Tode ist das letzte Stadium des Bewusstseins meist das wichtigste. Das heißt, wenn man im Augenblick des Todes das intensive Sehnen hat, zurückzukehren, um die Arbeit fort zusetzen, werden sich die Umstände so arrangieren, dass es geschieht. Doch seht ihr, es bestehen alle erdenklichen Möglichkeiten für das, was nach dem Tode geschient. Es gibt Menschen, die in der Seele zurückkehren. Seht, ich habe euch gesagt, dass das äußere Wesen sehr selten erhalten bleibt; daher sprechen wir nur von dem seelischen Bewusstsein, das tatsächlich immer fortdauert. Und dann gibt es Menschen, deren Seele zum seelischen Bereich zurückkehrt, um die Erfahrung zu assimilieren, die sie gehabt hat, und um ihr künftiges Leben vorzubereiten. Das mag Jahrhunderte dauern, es hängt von den betreffenden Menschen ab.

Je entwickelter die Seele ist, desto mehr ist sie ihrer vollständigen Reife angenähert, und desto länger wird der Zeitraum zwischen den Geburten. Es gibt Wesen, die erst nach tausend oder zweitausend Jahren wiedergeboren werden.

Je näher man dem Beginn der Formierung ist, umso kürzer sind die Zwischenzeiten zwischen den Wiedergeburten; und manchmal sogar, auf einer ganz niedrigen Ebene, wenn der Mensch dem Tier sehr nahe ist, geht es so (Geste), das heißt, es ist nichts Ungewöhnliches, dass Menschen sich in den Kindern ihrer Kinder reinkarnieren, so ungefähr, oder in der nächsten Generation. Dies aber findet auf einer ganz primitiven Ebene der Evolution statt, das seelische Wesen ist nicht sehr bewusst, es ist im Zustand der Formierung. Und in dem Maße seiner Weiterentwicklung erfolgen, wie ich bereits sagte, die Wiedergeburten in größerem Abstand voneinander. Wenn das seelische Wesen voll entwickelt ist, wenn es zu seiner Entwicklung nicht länger auf die Erde zurückzukehren braucht, wenn es absolut frei ist, steht es ihm frei, nicht mehr zur Erde zurückzukehren, wenn es glaubt, dass seine Arbeit woanders liege, oder wenn es vorzieht im rein seelischen Bewusstsein ohne Wiederverkörperung zu verharren; oder aber, es kann zurückkehren, wie es will, wo es will, vollkommen bewusst. Es gibt auch Seelen, die sich mit Kräften einer universalen Ordnung geeint haben, mit Wesenheiten des Obermentals oder anderen [Ebenen] – diese bleiben die ganze Zeit über in der Erdatmosphäre und inkarnieren fortlaufend in Körpern für die zu geschehende Arbeit. Das bedeutet, dass in dem Augenblick, da das seelische Wesen vollständig geformt und absolut frei ist – wenn es vollständig geformt ist, wird es vollständig frei –, es alles tun kann, was es will, es hängt davon ab, was es wählt; daher kann man nicht sagen: “Ich werde diesem gleichen, ich werde jenem gleichen;” es tut genau, was es will, es kann sogar (es ist tatsächlich geschehen) im Augenblick des physischen Todes ankündigen, welcher Art seine nächste Reinkarnation sein wird, was es tun wird, und es kann dies bereits wählen. Doch bevor dieses Stadium erreicht wird, was nicht sehr häufig vorkommt – es hängt ganz und gar von der Entwicklungsstufe der Seele ab und von der Hoffnung, die das integrale Bewusstsein des Wesens ausdrückt –, ist das mentale, vitale und physische Bewusstsein noch mit dem seelischen Bewusstsein geeint; in jenem Augenblick also, dem Augenblick des Todes, dem Augenblick, in welchem es den Körper verlässt, drückt es eine Hoffnung oder ein Streben oder einen Willen aus, und im allgemeinen wird das künftige Leben hierdurch entschieden.

DIE MUTTER (7:86)

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Kann es vorkommen, dass das seelische Wesen nicht zu dem Ort gelangt, wo es geboren werden will?

Wenn ein seelisches Wesen von seiner seelischen Welt ein Licht auf Erden erblickt, kann es dorthin eilen, ohne genau zu wissen, wo es ist. Alles ist möglich. Wenn aber das seelische Wesen sehr bewusst ist, hinreichend bewusst, wird es das Licht der Aspiration an einem bestimmten Ort suchen – aufgrund der Kultur und Bildung, die es dort finden wird. Dies geschieht viel häufiger als man denkt, vor allem in den gebildeteren Kreisen. Eine intelligente Frau mit künstlerischer oder philosophischer Bildung und dem Beginn einer bewussten Individualität, mag danach streben, dass das Kind, das sie haben wird, das bestmögliche sei, das ihrer Vorstellung entspricht, oder dem, was sie gelesen hat. Daher ist es nicht sehr kompliziert, einen Ort zu finden. Da die Zahl der seelischen Wesen, die fortwährend geboren werden, beträchtlich ist, wäre es schwierig, wenn jedes Mal außergewöhnliche Voraussetzungen gefunden werden müssten. Sicher, es gibt Fälle, da das seelische Wesen blindlings herabgestürzt zu sein scheint und betäubt war, doch das ist Pech; in solchem Fall ist im allgemeinen eine lange Zeit erforderlich, damit es erwache. Es ist Pech in dem Sinne, dass ihm [dem seelischen Wesen] ein gewisses Unterscheidungsvermögen abging, oder vielleicht sah es sich bestimmten Kräften gegenüber, die seine Entscheidung vereitelten und einen teilweisen Sieg über es errangen. Wisst ihr, es gibt tausend Möglichkeiten. Man kann nicht sagen, dass alles nach dem gleichen Plan vonstatten geht – jedes seelische Wesen ist verschieden.

DIE MUTTER (4:168)

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Gibt es für die vergangenen Leben irgendwelche allgemeinen Regeln oder Richtlinien, oder ist alles möglich?

Alles hängt davon ab, zu welcher Kategorie man gehört und von der Entwicklungsstufe des seelischen Wesens. Wenn das seelische Wesen sich in einem fortgeschrittenen Stadium nahe der Reife befindet, ist die Wahl vor dem Tod ... eine ziemlich realistische, und diese Wahl bedeutet, dass alles möglich ist; in anderen Fällen aber findet die Wiedergeburt beinahe automatisch statt. Der Wille des seelischen Wesens ist nicht entwickelt, und es wählt nicht. Daher gibt es keine Regeln. Es hängt sehr von den Umständen ab, und vor allem von der Linie der Formierung, welcher das seelische Wesen folgen wird, und das wiederum hängt von seinem Ursprung ab. Es ist schwer zu sagen. Das Geschlecht kann auf lange Zeit hin variieren. In dem Maße wie das Bewusstsein wächst und eine gewisse Einheitlichkeit des Handelns und Bewusstseins erlangt, kann es wählen, einer Richtung unter Ausschluss einer anderen zu folgen, doch vor dieser Wahl war dein Geschlecht in unzähligen Leben zweifellos unterschiedlich. Das ist vielleicht der Grund, warum einige Frauen einen maskulinen Charakter haben, und umgekehrt, oder Neigungen zeigen, die nicht mit denen ihres Geschlechtes übereinstimmen. Doch zum Zeitpunkt der “Wahl” kann man entscheiden, zum schöpferischen Bewusstsein zu gehören oder zum reglosen Zeugen. Es hängt vom Ursprung ab.

DIE MUTTER (4:183)

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Wenn die Seele im Begriff ist, in die Welt einzutreten, wählt sie dann von vornherein die Form, die sie annehmen wird?

Das ist eine interessante Frage. Es hängt davon ab ... Es gibt seelische Wesen, die in der Entwicklung begriffen sind, auf dem Weg zum Fortschritt; diese können im allgemeinen, gleich zu Beginn, nicht viel wählen, wenn sie jedoch bei einer bestimmten Stufe des Wachstums und Bewusstseins angelangt sind (meist, wenn sie sich noch in einem physischen Körper befinden und eine gewisse Menge von Erfahrung hatten) – zu diesem Zeitpunkt entscheiden sie, welcher Art ihr nächster Erfahrungsbereich sein wird.

Ich kann dir einige ziemlich äußerliche Beispiele geben. Ein seelisches Wesen könnte zum Beispiel der Erfahrung der Herrschaft oder der Macht bedürfen, damit es die Reaktionen kennenlerne, und die Möglichkeit ergründe, all diese Bewegungen dem Göttlichen zuzuwenden: zu lernen, was ein Leben im Besitz von Macht dich lehren kann. Es wählt die Geburt in einem König oder einer Königin. Im Besitz von Macht hatten diese während jener Zeit ihre Erfahrungen und erreichten schließlich das Ende des Erfahrungsbereiches. Sie wussten nun, was sie hatten wissen wollen, sie sind im Begriff aus dem Leben zu gehen, ihren Körper zu verlassen, der jetzt nutzlos geworden ist, und sie bereiten sich auf die nächste Erfahrung vor. Nun, zu diesem Zeitpunkt, wenn sich das seelische Wesen noch im Körper befindet und erkannt hat, was es lernte, entscheidet es die nächste Gelegenheit. Und manchmal ist es eine Bewegung von Aktion und Reaktion: da es einen ganzen Bereich erforscht hat, muss es den entgegengesetzten Bereich erforschen. Und sehr häufig wählt es ein Leben, das sich von dem gehabten völlig unterscheidet. Und bevor es den Körper verlässt, sagt es: “Das nächste Mal wird es dieser Bereich sein, in dem ich in eine Geburt eintrete ...” Nimm zum Beispiel an, die Seele hat ein Wachstumsstadium erreicht, wo sie gerne Gelegenheit hätte, den physischen Körper zu beeinflussen, damit sie ihn befähige, bewusst mit dem Göttlichen in Kontakt zu kommen, um ihn zu wandeln. Nun ist sie im Begriff den Körper zu verlassen, in welchem sie Autorität und Macht genoss, jenen Körper, den sie für ihr Wachstum benutzte; sie sagt: “Das nächste Mal werde ich in einem neutralen Milieu in eine Geburt eintreten, weder niedrig noch hoch, wo es nicht notwendig sein wird (wie soll ich es ausdrücken?), ein besonders äußerliches Leben zu leben, wo man weder große Macht noch große Not hat – ein gänzlich neutrales Leben, weißt du, ein Leben in der Mitte.” Sie wählt das. Sie kehrt zu ihrer seelischen Welt zur erforderlichen Rast zurück, zur Assimilation der gewonnenen Erfahrung und zur Vorbereitung der künftigen Erfahrung. Natürlich erinnert sie sich an ihre Wahl, bevor sie wiederum herabkommt, wenn sie ihre Assimilation beendet hat, wenn es Zeit ist, zurückzukehren, auf die Erde herabzukommen, aber sie kann von jener Domäne stoffliche Dinge nicht sehen, wie wir sie sehen, weißt du, sie erscheinen ihr in anderer Form. Dennoch können gewisse Unterschiede erkannt werden: Unterschiede der Umgebung, Unterschiede der Tätigkeit in der Umgebung werden klar gesehen, ganz deutlich. Sie kann eine Schau haben, die total oder global ist. Sie kann wählen. Manchmal wählt sie das Land: wenn sie eine bestimmte Art von Erziehung oder Zivilisation, einen bestimmten Einfluss will, kann sie das Land zuvor wählen. Manchmal kann sie das nicht, manchmal wählt sie nur ihre Umgebung und die Art von Leben, das sie führen will. Und dann, von dort oben, bevor sie herabkommt, hält sie Ausschau nach der Art von Vibration, die sie will; sie sieht sie ziemlich deutlich. Es ist als würde sie auf den Punkt zielen, wo sie herabkommen wird. Es ist jedoch nur eine Annäherung, da eine weitere Voraussetzung notwendig ist: nicht nur ihre eigene Wahl, sondern auch eine Empfangsbereitschaft von unten und eine Aspiration. Es muss jemand im Umkreis sein, den sie gewählt hat, meist die Mutter (manchmal beide Eltern, doch die unerlässlichste ist die Mutter), diese muss eine Aspiration oder eine Empfangsbereitschaft haben, etwas hinreichend Passives und Offenes oder eine bewusste Aspiration nach etwas Höherem. Und das entzündet ein kleines Licht für das seelische Wesen. Wenn in der Anhäufung [von Materie], die für sie die Umgebung darstellt, in der sie geboren werden will, wenn dort unter dem Einfluss ihres projizierten Willens ein kleines Licht entzündet wird, dann weiß sie, dass sie sich dorthin begeben muss.

Dies ist es, das den Unterschied an Monaten oder Tagen ausmacht, vielleicht nicht so sehr an Jahren; es schafft jedoch eine gewisse Unsicherheit, und daher kann man das genaue Datum nicht voraussagen: “Zu diesem Zeitpunkt, an jenem Tag, zu jener Stunde wird sie [die Seele] in eine Geburt eintreten.” Sie muss jemanden finden, der empfangsbereit ist. Sobald sie diesen wahrnimmt, stürzt sie sich herab. Das aber ist ein Gleichnis; es ist nicht genauso, sondern etwas sehr Ähnliches. Sie stürzt sich in eine Unbewusstheit herab, denn die physische Welt, selbst das menschliche Bewusstsein, welcher Art auch immer, ist sehr unbewusst, verglichen mit dem seelischen Bewusstsein. Es ist daher eine Unbewusstheit, in die sie herabstürzt. Es ist so, als würde sie blindlings herabstürzen. Das betäubt sie. Und daher weiß sie im allgemeinen, von einigen sehr seltenen Ausnahmen abgesehen, auf lange Zeit nichts. Sie hat große Schwierigkeit, sich auszudrücken, vor allem durch einen Säugling, der natürlich ohne Gehirn ist; er hat nur ein embryonales Gehirn, kaum geformt, und es fehlen ihr, [der Seele] die Elemente, sich zu manifestieren. Es ist daher sehr selten, wenn ein Kind sofort das außergewöhnliche Wesen offenbart, das es birgt ... Es kommt vor. Von solchen Dingen haben wir gehört. Es kommt vor, doch im allgemeinen bedarf es einiger Zeit. Nur langsam erwacht sie aus ihrer Betäubung und wird sich bewusst, dass sie aus einem bestimmten Grund und aus eigener Wahl hier ist. Und meist trifft das mit der intensiven mentalen Erziehung zusammen, die das Kind völlig vom seelischen Bewusstsein abschließt. Daher sind eine Menge von Umständen, Geschehnisse aller Art, Gefühle, alle möglichen Dinge sind nötig, um die inneren Türen zu öffnen, um sich zu erinnern, dass man immerhin von einer anderen Welt gekommen ist, und zwar aus einem bestimmten Grund.

Im anderen Fall, wenn alles normal verliefe, könnte sie sehr rasch eine Verbindung haben, sehr rasch. Wenn sie das Glück hätte, auf jemanden mit Wissen zu treffen, statt in eine Welt der Unwissenheit zu stürzen, wenn sie auf ein klein wenig Wissen fiele, würde alles sehr rasch gehen.

DIE MUTTER (5:215)

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Wenn große Seelen auf Erden geboren werden wollen, wählen sie ihre Eltern?

Ah, das hängt von ihrem Bewusstseinszustand ab, es hängt von dem Zustand ihrer seelischen Formierung ab. Wenn das seelische Wesen voll geformt ist, wenn es die Vollendung erreicht hat und frei ist, wiedergeboren zu werden oder nicht, hat es auch die Fähigkeit zu wählen ... Solange sie [die Seelen] sich nicht in einem Körper befinden, haben sie kein physisches Sehvermögen wie wir. Sie halten daher offensichtlich nach einem Körper Ausschau, der sich angeglichen hat und bereit ist, sie auszudrücken, doch müssen sie dem stofflichen Unbewussten ihren Anteil zugestehen – wenn man es so ausdrücken will – sowie der Notwendigkeit, sich den ganz stofflichen Gesetzen des Körpers anzupassen. Daher ist von der Sicht der Seele her die Wahl des Ortes, wo man geboren wird, wichtig, es ist mehr als eine unbedeutende Einzelheit. Es gibt aber so viele Dinge, die nicht vorhersehbar sind. Zum Beispiel wählt man4 ein bestimmtes Milieu, ein Land, eine bestimmte Art von Familie, man versucht die Natur der voraussichtlichen Eltern zu erkennen, man sucht nach bestimmten, bereits gut entwickelten Eigenschaften in ihnen und einer hinlänglichen Selbstmeisterung. Das alles aber reicht nicht aus, wenn man in sich selbst keine ausreichende Dynamik hat, um die Hindernisse zu überwinden. Wenn man also all das in Erwägung zieht, ist es nicht enorm wichtig. Immerhin, selbst im besten Fall, selbst wenn die Eltern bewusst mitgeholfen haben, besteht eine riesige Menge von Unterbewusstsein und noch tiefer von Unbewusstheit, die sich zeitweilig wieder zur Oberfläche erheben, aufgewühlt werden, die Arbeit schädigen und die Ruhe und das Schweigen unerlässlich machen. Immer, immer bedarf es einer Vorbereitung, selbst wenn man sich entschieden hat – einer langen Vorbereitung. Ganz abgesehen von der Tatsache, dass man halb betäubt ist, im Augenblick der Geburt, der Herabkunft in den Körper, was oft sehr lange andauert, bevor man es ganz überwunden hat.

DIE MUTTER (5:411)

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Die Formung des Körpers ist zwangsläufig von einem Mann und einer Frau abhängig, doch die Seele, die sich im Kinde manifestiert, im Körper, der geformt wird – muss die Seele sich in diesem Körper manifestieren?

Du meinst, ob sie zwischen verschiedenen Körpern wählen kann?

Ja.

Nun, es ist schließlich sehr ungewöhnlich in der großen Masse der Menschheit, dass sich eine bewusste Seele freiwillig inkarniert. Es ist etwas sehr Ungewöhnliches. Ich habe euch erzählt, wenn eine Seele bewusst ist, voll geformt, und sie will sich inkarnieren, sucht sie im allgemeinen von ihrem seelischen Bereich nach einem korrespondierenden, seelischen Licht an einem bestimmten Ort auf Erden. Außerdem wählt die Seele in ihrer vorherigen Inkarnation, bevor sie die Erdatmosphäre verlässt, – nicht in allen Einzelheiten, sondern mehr allgemein – die Voraussetzungen ihres künftigen Lebens, welche ein Ergebnis der Erfahrung sind, die sie in dem zu Ende gehenden Leben hatte. Dies aber sind Ausnahmefälle. Möglicherweise könnten wir das für uns hier [im Ashram] annehmen, doch für die Mehrheit, die weite Mehrheit der Menschen, selbst jenen, die Bildung besitzen, ist es nicht so. Was zu ihnen kommt, ist ein seelisches Wesen in der Formung begriffen, mehr oder weniger geformt – und hier gibt es alle Stadien vom Funken, der ein kleines Licht wird, zum voll geformten Wesen, und das geht über tausende von Jahren. Dieser Aufstieg der Seele zum bewussten Wesen, das einen eigenen Willen hat, fähig die Wahl ihres eigenen Lebens zu treffen, dauert tausende von Jahren.

So, du glaubst also, eine Seele würde sagen: “Nein, diesen Körper weise ich zurück, ich werde mich nach einem anderen umsehen?” ... Ich sage nicht, dass es unmöglich ist – alles ist möglich. Es geschieht ja, dass Kinder totgeboren werden, das heißt, dass es keine Seele gab, sich in ihnen zu inkarnieren. Hierfür kann es aber auch andere Gründe geben, zum Beispiel eine Missbildung; man weiß es nicht. Ich sage nicht, dass es unmöglich ist, doch im allgemeinen, wenn eine bewusste und freie Seele sich entschließt wieder einen Körper auf Erden anzunehmen, wirkt sie auf diesen Körper ein, selbst vor seiner Geburt. Sie hat also keinen Grund, ihn nicht zu akzeptieren oder seine Störungen, die von der Unkenntnis der Eltern herrühren mögen; denn sie hat den Ort aus einem bestimmten Grund gewählt, der mit Unwissenheit nichts zu tun hatte: sie sah ein Licht dort – es mag einfach das Licht einer Möglichkeit gewesen sein, doch da war ein Licht, und deshalb hat sie den Ort gewählt. Es ist also schön und gut zu sagen: “Ah! Nein, ich mag ihn nicht [diesen Körper]”, doch wohin sollte sie gehen, um einen anderen Körper zu wählen, der ihr zusagt? ... Es kann geschehen, ich sage nicht, dass es unmöglich ist, es kann aber nicht sehr oft geschehen. Denn, wenn die Seele von der seelischen Ebene auf die Erde blickt, und den Ort ihrer nächsten Geburt wählt, wählt sie mit hinreichendem Unterscheidungsvermögen, um keinen groben Fehler zu begehen. Es ist auch vorgekommen, dass Seelen sich inkarniert haben und dann den Körper verlassen haben. Hierfür gibt es viele Gründe. Kinder, die sehr jung sind, sterben nach ein paar Tagen oder Wochen – das mag einen ähnlichen Grund haben. Meist nimmt man an, dass die Seele nur eine kleine Erfahrung brauchte, um ihre Formierung zu vollenden, und dass sie die während dieser wenigen Wochen hatte, und dann den Körper verließ. Alles ist möglich. Um die Geschichte der Seelen zu erzählen, bräuchte man so viele Geschichten, wie nötig sind, um die Geschichte der Menschen zu erzählen. Das heißt unzählige, und die Fälle sind so verschieden voneinander wie möglich.

Daher wäre es kindisch, willkürlich zu entscheiden: “Es ist so und nicht so, oder dies ist es, was geschieht und nicht das. Alles kann geschehen. Es gibt Fälle, die häufiger als andere vorkommen, man kann verallgemeinern, doch kann man niemals sagen: “Das ist unmöglich, und es ist immer so oder so.” So geschehen die Dinge nicht.

Doch immerhin – immerhin –, selbst in den besten Fällen, selbst wenn die Seele bewusst kam, selbst wenn sie bewusst an der Formung des physischen Körpers teilnahm, wird dennoch der Körper, solange er in der üblichen Weise der Tiere geformt wurde, zu kämpfen und alle jene Dinge zu korrigieren haben, die von dieser menschlichen Tierhaftigkeit stammen.

Zwangsläufig sind Eltern auf bestimmte Weise geformt, sie sind besonders gesund oder ungesund; selbst im besten Fall haben sie eine Menge Atavismen, Gewohnheiten, Formierungen im Unterbewusstsein und selbst im Unbewussten, was von ihrer eigenen Geburt herrührt, der Umgebung, in der sie gelebt haben, ihrem eigenen Leben; und selbst wenn sie ungewöhnliche Menschen sind, haben sie eine große Menge von Dingen, die dem wahren seelischen Leben ziemlich entgegengerichtet sind – selbst die Besten unter ihnen, selbst die Bewusstesten. Und dann ist da all das, was in der Zukunft geschehen wird. Selbst, wenn man sich große Mühe mit der Erziehung seiner Kinder macht, werden sie mir allen möglichen Menschen in Kontakt kommen, die einen Einfluss auf sie ausüben werden, besonders wenn sie sehr jung sind; und diese Einflüsse dringen in das Unbewusste ein, und später muss man sich mir ihnen auseinandersetzen. Ich sage: selbst in den besten Fällen, aufgrund der Art und Weise, in welcher der Körper gegenwärtig geformt ist, siehst du dich unzähligen Schwierigkeiten gegenüber, die mehr oder weniger aus dem Unbewussten stammen, jedoch zur Oberfläche aufsteigen, und mit denen du zu ringen hast, bevor du völlig frei bist, und dich normal entwickeln kannst.

DIE MUTTER (8:202)

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Die Erinnerung an vergangene Leben

Die abgeschiedene Seele bewahrt die Erinnerung ihrer vergangenen Erfahrungen nur in der Essenz, nicht aber in Form von Einzelheiten. Nur wenn die Seele eine vergangene Persönlichkeit oder vergangene Persönlichkeiten zurückbringt und als einen Teil in ihre gegenwärtige Manifestation miteinbezieht, ist es wahrscheinlich, dass man sich der Einzelheiten des vergangene Lebens erinnert. Andernfalls kann man allein durch yogadrsti [die yogische Schau] zu einer Erinnerung kommen.

SRI AUROBINDO (22:434)

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Bei der Wiedergeburt ist es nicht das äußere Wesen, das von den Eltern, der Umgebung und den Umständen geformt wird – das Mental, das Vital und das Physische – das wiedergeboren wird: es ist allein das seelische Wesen, das von Körper zu Körper wandert. Logischerweise können daher weder das mentale noch das vitale Wesen vergangene Leben erinnern oder sich in dem Charakter oder den Lebensumständen von dieser oder jener Person wiedererkennen. Das seelische Wesen allein vermag sich zu erinnern; und indem wir uns unseres seelisches Wesens bewusst werden, können wir gleichzeitig genaue Eindrücke unserer vergangenen Leben haben.

DIE MUTTER (15:135)

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Im gewöhnlichen Leben – und hiermit meine ich das Leben einer gewissen Elite von Menschen von hinreichend hoher Entwicklungsstufe – findet der Kontakt zwischen dem äußeren Wesen und der Seele nur mit Unterbrechungen statt; er ist das Ergebnis von gewissen Erfahrungen oder gewissen inneren Erfordernissen. Das seelische Wesen ist dann “im Vordergrund” wie Sri Aurobindo sagt, das heißt, es kommt zur Oberfläche des Bewusstseins, es ist für sehr kurze Zeit in direktem Kontakt mit stofflichen Voraussetzungen, mit Formen und Worten und Klängen usw. Es zeichnet all dies auf wie eine Photographie oder ein Film, aber nur für eine Minute, für ein paar Augenblicke in einer Lebenszeit. Diese Augenblicke können sich öfter wiederholen, sie dauern aber nicht an; und daran erinnert sich das seelische Wesen; und wenn du wirklich echte seelische Erinnerungen hast, wahrhaft, spontan, nicht vom Mental oder Vital fabriziert, das heißt also rein seelisch und genau – dann ist es eine unterbrochene Erinnerung. Und es ist oft sehr schwierig, den Ort deiner vergangenen Leben zu ermitteln, zu sagen: “Ich war dies oder jenes.” Allein dann, wenn die seelische Erfahrung in einem sehr wichtigen Augenblick deines Lebens stattgefunden hat, und eine ganze Reihe von Umständen (Kleider, gesprochene Worte, Sitten oder eine bestimmte Umgebung) dir gleichsam den Schlüssel zur Geschichte geben, erst dann kannst du sagen: “Oh, dieses Leben, ich habe es gelebt.” Doch wenn jemand kommt und erzählt dir all seine vergangenen Leben, vom Affen angefangen, mit einer Menge Einzelheiten, kannst du sicher sein, dass er nichts als ein Schwindler ist.

DIE MUTTER (4:147)

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Wie kommt es, dass man in Zeitungen recht oft die Geschichten von kleinen Kindern liest, die ihre vergangenen Leben erinnern, deren Einzelheiten nachgewiesen werden können? Und die Untersuchung solcher Ereignisse hat die Parapsychologen dahin geführt, die Existenz der Reinkarnation anzuerkennen. Sind sie nicht eigentlich auf einer völlig falschen Spur? Und wie kann Reinkarnation wissenschaftlich bewiesen werden?

Die Erinnerungen, auf die du dich beziehst, die in Zeitungen erwähnt werden, sind Erinnerungen des vitalen Wesens, das ausnahmsweise einen Körper verließ, um in einen anderen einzutreten. So etwas kann geschehen, es ist aber nicht häufig.

Die Erinnerung, auf die ich mich beziehe, ist die des seelischen Wesens, und man ist sich ihrer nur dann bewusst, wenn man einen bewussten Kontakt mit seinem seelischen Wesen hat.

Zwischen den beiden Dingen besteht kein Widerspruch.

DIE MUTTER (15:137)

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In neunhundert und neunzig Fällen von tausend ist es nur die winzige seelische Formierung im Zentrum des Wesens, die nach dem Tode fortbesteht; alles übrige wird aufgelöst, zerfällt in Teile, hier und dort verstreut, die Individualität besteht nicht länger. Nun, wie oft im physischen Leben nimmt die Seele bewusst teil an dem, was das physische Wesen tut? ... Ich spreche nicht von Leuten, die den Yoga ausüben und etwas diszipliniert sind; ich spreche von den durchschnittlichen Menschen, die eine seelische Befähigung haben in dem Sinne, dass ihre Seele bereits hinreichend entwickelt ist, um in das Leben einzugreifen und es zu leiten – manche verbringen Jahre um Jahre, ohne dass die Seele eingreift. Und sie kommen und erzählen dir, in welchem Lande sie geboren wurden, und wie ihr Vater und ihre Mutter aussahen und das Haus, in dem sie lebten, das Dach der Kirche und der Wald nahebei, sowie all die höchst zufälligen Ereignisse ihres Lebens! Es ist absolut idiotisch, denn all das ist weggewischt, diese Dinge existieren nicht länger; während die Erinnerung, die man noch haben mag, diejenige eines besonderes Augenblicks unter besonderen Lebensumständen ist, sozusagen Augenblicke von entscheidender Bedeutung, an denen die Seele, infolge eines inneren Rufes oder einer absoluten Notwendigkeit plötzlich teilnimmt – ganz plötzlich greift die Seele ein –, und das ist dann in der seelischen Erinnerung eingraviert. Wenn du die seelische Erinnerung hast, erinnerst du eine Reihe von Umständen in einem [bestimmten] Augenblick im Leben, besonders der inneren Emotion, oder des Bewusstseins, das in jenem Augenblick wirkte. Und das geht dann in das Bewusstsein über, zusammen mit einigen Assoziationen all dessen, was um dich herum war, vielleicht ein gesprochenes Wort, eine gehörte Redewendung; das Wichtigste aber ist der Seelenzustand, in dem du dich befandest: denn das bleibt tatsächlich sehr klar eingeprägt. Dies sind die Marksteine des seelischen Lebens, Dinge, die einen riefen Eindruck hinterlassen und an seiner Formung teilgenommen haben. Wenn du daher beständigen, fortwährenden, klaren Kontakt mir dem seelischen Wesen in dir hast, sind es diese Dinge, die du erinnerst. Es mag ziemlich wenige geben, doch sind sie wie Feuergarben im Leben, und man kann nicht sagen: “Ich war solch eine Person, ich rar solch eine Sache, ich wurde bei diesem Namen genannt und ich tat dies oder jenes.” Oder es würde bedeuten, dass in jenem seltenen Augenblick eine Kombination vom Umständen bestand, die es einem ermöglichte, das Datum oder den Ort, das Land und das Alter bestimmen zu können. Auch das ist möglich.

Natürlich, die Seele hat einen immer größeren Anteil und dementsprechend wird die Anzahl der Erinnerungen größer. Und dann kann man sein Leben zurückverfolgen, wenn auch nicht in allen Einzelheiten. Man kann sagen, dass es in gewissen Augenblicken “so war” oder dass “ich das war”. Gewisse Augenblicke, ja, sehr wichtige Augenblicke eines Lebens ... Was notwendig ist, ist ein Wesen, das ganz mit der Seele identifiziert ist, das sein ganzes Dasein um sie angeordnet hat – alle kleinsten Teile, alle Elemente, alle Regungen des Wesens um das seelische Zentrum –, das aus sich ein einziges Wesen gemacht hat, allein dem Göttlichen zugewandt; dann, wenn der Körper abfällt, bleibt das erhalten. Es ist ein vollständig geformtes bewusstes Wesen, das in einem anderen Leben genau erinnern kann, was im vorherigen geschehen ist. Es vermag sogar bewusst von einem Leben zum anderen zu gehen, ohne etwas von seinem Bewusstsein einzubüßen. Wieviele Menschen auf Erden haben jenes Stadium erreicht? ... Ich glaube, nicht viele. Und im allgemeinen verspüren sie nicht die geringste Neigung, ihre Erlebnisse mitzuteilen.

DIE MUTTER (5:33)

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Allein, wenn man mit seinem göttlichen Ursprung bewusst identifiziert ist, kann man wahrheitsgemäß von einer Erinnerung an vergangene Leben sprechen. Sri Aurobindo spricht von einer progressiven Manifestation des Spirits in den Formen, in denen er wohnt. Wenn man den Gipfel dieser Manifestation erreicht, hat man eine Vision, die hinabtaucht, entlang des zurückgelegten Weges, und man erinnert.

Doch ist dieses Erinnern keine mentale Sache. Jene, die behaupten, ein gewisser Baron des Mittelalters gewesen zu sein, oder eine bestimmte Person, die an diesem oder jenem Ort zu dieser oder jener Zeit lebte, sind phantasiereiche Menschen, einfach Opfer ihrer eigenen mentalen Vorstellungswelt. Was tatsächlich von vergangenen Leben bleibt, sind nicht schöne Bilder, in denen du als mächtiger Herr in einem Schloss oder als siegreicher General an der Spitze einer Armee erscheinst – das sind romantische Vorstellungen. Was bleibt, ist die Erinnerung jener Augenblicke, in denen das seelische Wesen aus den Tiefen deines Seins auftaucht und sich dir enthüllt – das heißt die Erinnerung jener Augenblicke, in denen du voll bewusst warst. Dieses Wachsen des Bewusstseins findet fortschreitend im Laufe der Evolution statt, und die Erinnerung an vergangene Leben ist im allgemeinen auf die kritischen Augenblicke der Evolution beschränkt, auf die entscheidenden Wendungen, die den Fortschritt deines Bewusstseins bezeichneten.

Zu dem Zeitpunkt, an dem du solche Augenblicke deines Lebens erlebst, ist es dir gleichgültig zu erinnern, dass du Mr. X. warst, eine bestimmte Person, die an einem bestimmten Orte und in einer bestimmten Epoche lebte; es ist nicht die Erinnerung an deinen Status, die erhalten bleibt. Im Gegenteil, du verlierst alles Bewusstsein dieser kleinen äußeren Dinge, der Begleiterscheinungen und Vergänglichkeiten, damit du voll im Lodern der Enthüllung deiner Seele oder der göttlichen Fühlungnahme aufgehen kannst. Wenn du solche Augenblicke deiner vergangenen Leben zurückrufst, ist die Erinnerung so intensiv, dass sie noch sehr nah zu sein scheint, noch lebendig und viel lebendiger als die meisten gewöhnlichen Erinnerungen unseres gegenwärtigen Lebens. Manchmal, in Träumen, wenn du in Kontakt mit gewissen Ebenen des Bewusstseins kommst, kannst du Erinnerungen von solcher Intensität haben, solch pulsierender Färbung, gleichsam intensiver als die Farben und Dinge der physischen Welt. Denn dies sind Augenblicke des wahren Bewusstseins, und alles erscheint in außergewöhnlicher Brillanz, alles vibriert, alles ist durchtränkt von einer Beschaffenheit, die dem gewöhnlichen Auge entgeht.

Diese Minuten des Kontaktes mit der Seele sind oft jene, die eine entscheidende Wende unseres Lebens bezeichnen, einen Schritt nach vorn, einen Fortschritt im Bewusstsein, und sie gehen oft mit einer Krise einher, einer äußeren intensiven Situation, wenn ein Ruf an das ganze Wesen ergeht, ein Ruf, so stark, dass das innere Bewusstsein die es überlagernden Schichten des Unbewussten durchdringt und voll leuchtend an der Oberfläche enthüllt wird. Dieser Ruf des Wesens, wenn er sehr stark ist, kann auch die Herabkunft einer göttlichen Emanation bringen, einer individuellen Existenz, eines göttlichen Aspektes, der sich mit deiner Individualität in einem bestimmten Augenblick verbindet mit dem Zweck, eine aufgetragene Arbeit zu verrichten, einen Kampf zu gewinnen, oder die eine oder andere Sache auszudrücken. Wenn die Arbeit getan ist, zieht sich die Emanation oft zurück. Dann kann es sein, dass man die Erinnerung der Umstände bewahrt, die jene Minuten der Enthüllung oder Inspiration begleiteten: man sieht wiederum die Landschaft, die Farbe des Kleides, das man trug, die Farbe der eigenen Haut, die Dinge, die einem zu jenem Zeitpunkt umgaben – all das ist unauslöschlich und mit ungewöhnlicher Intensität fixiert; denn die Dinge des gewöhnlichen Lebens enthüllen sich dann in ihrer wahren Eindringlichkeit und Farbe. Das Bewusstsein, das sich in dir offenbart, offenbart gleichzeitig das Bewusstsein in den Dingen. Manchmal vermagst du mit Hilfe dieser Einzelheiten das Zeitalter, in dem du lebtest, zu identifizieren, oder deine Tätigkeit oder das Land, in dem du wohntest; es ist aber auch sehr leicht, sich etwas einzubilden und die Einbildung für Wirklichkeit zu halten.

Dennoch darfst du nicht glauben, dass alle Erinnerungen an vergangene Leben Augenblicke einer großen Krise sind, einer wichtigen Mission oder einer Enthüllung. Manchmal sind es Augenblicke von sehr einfacher Art, transparent, die eine umfassende, eine vollendete Harmonie des Wesens ausdrücken. Und dies mag mit insgesamt unbedeutenden, äußeren Situationen einhergehen.

Abgesehen von den Dingen, die in jenem Augenblick in deiner unmittelbaren Nähe waren, abgesehen von dem Augenblick des Kontaktes mit deinem seelischen Wesen, bleibt nichts erhalten. Wenn einmal der besondere Augenblick vorüber ist, stürzt sich das seelische Wesen in einen inneren Schlaf, und das ganze äußere Leben verschmilzt mit einer grauen Monotonie, die keine Spuren hinterlässt. Es ist übrigens beinahe die gleiche Erscheinung, wie die, die sich im Laufe deines gegenwärtigen Lebens ereignet: abgesehen von jenen außergewöhnlichen Augenblicken, wenn du auf der Höhe deines Wesens bist, mental oder vital oder sogar physisch, scheint dein übriges Leben mit einer Art neutralen Farbe zu verschmelzen, nicht weiter interessant, wo es wenig ausmacht, ob du an diesem Ort oder einem anderen warst, ob du diese Sache tatest oder jene. Wenn du versuchst, dein Leben als Ganzes zu betrachten, um gleichsam seine Essenz zu gewinnen, werden die zwanzig oder dreißig oder vierzig Jahre, die hinter dir liegen – wie du sehen wirst – spontan zwei oder drei Bilder erstehen lassen, welche die wahren Augenblicke deines Lebens waren; das übrige ist ausgelöscht. Eine Art spontane Wahl wirkt in deinem Bewusstsein und eine riesige Eliminierung findet statt. Dies gibt dir einen kleinen Begriff von dem, was sich hinsichtlich der vergangenen Leben ereignet: die Wahl einiger weniger, auserlesener Augenblicke und eine ungeheure Eliminierung.

Es ist durchaus richtig, dass die frühesten Leben sehr rudimentär sind; ganz wenig ist davon erhalten, verstreute Erinnerungen, wenig und in großen Abständen. Doch je mehr man Bewusstseinsmäßig fortschreitet, desto mehr wird das seelische Wesen mit den äußeren Tätigkeiten bewusst verknüpft; die Erinnerungen wachsen an Zahl und werden zusammenhängend und genau. Und dennoch, auch hier ist die bleibende Erinnerung jene des Kontaktes mit der Seele, und manchmal das, was mit der seelischen Offenbarung assoziiert war – nicht der Status oder die wechselnde Umgebung. Und das erklärt auch, warum die sogenannten Erinnerungen an vergangene Tierleben die phantastischsten sind: der göttliche Funke in ihnen ist viel zu tief begraben, um bewusst an die Oberfläche zu gelangen, und mit dem äußeren Leben assoziiert zu werden. Man muss ein voll bewusstes Wesen werden, bewusst in all seinen Teilen, gänzlich geeint mit dem göttlichen Ursprung, bevor man wahrhaft sagen kann, dass man seine vergangenen Leben erinnert.

DIE MUTTER (15:361)

*

Es gibt Menschen, die über das vergangene Leben von anderen sprechen können.

Ja, ich weiß. Ich weiß von vielen Dingen, ich habe alles gehört, was man hören kann. Sie erzählen eine Geschichte nach der anderen ... Sie schauen dich an und sagen: “Du warst das und das in jenem Leben, du tatest dies und jenes.” Nun, ich garantiere, es ist nicht wahr. Denn ich weiß, wie man erkennen kann, wo man eine Person gesehen hat, und was sie war und wie es ist – es ist nicht nur eine kleine Geschichte, die du in ein Buch schreibst. Wenn du in eine Person hineinsiehst, wenn du die Wahrnehmung hast, besonders die der seelischen Welt, die dich befähigt, die Seele dort zu erkennen – dann plötzlich kannst du die Szenerie erkennen, ein Bildnis, eine Form, ein Wort; es besteht eine Art von Assoziation, aufgrund deren, selbst im gegenwärtigen Wesen dieser Person, gewisse Sympathien und Attraktionen verbleiben, die von vergangenen Leben stammen. Doch wie gesagt, das sind “Augenblicke” des Lebens. Und daher weiß man, dass man zwar die einzelnen Augenblicke zu erkennen vermag, man kann aber nicht über eine ganzes Leben sprechen.

DIE MUTTER (5:35)

***

VI. Mehr über das seelische Wesen

Eine Seele, bewusst in des Unbewussten Welt,

Hinter Denken und Träumen und Hoffen verborgen,

Ein unbeteiligter Meister, die Werke der Natur signierend,

Lässt den Statthalter Geist als Herrscher erscheinen.

In seinem treibenden Haus auf dem Meer der Zeit

Ist der Regent am Werk und rastet nie:

Er ist eine Puppe im Tanz der Zeit;

Die Stunden treiben ihn, des Augenblickes Ruf

Zwingt ihn mit dem Andrang des Lebens

Und mit dem Stimmengewirr der Welt.

SRI AUROBINDO

SAVITRI: BUCH VII CANTO 2

MEHR ÜBER DAS SEELISCHE WESEN

Ich habe deine Erklärung der Seele nicht verstanden: “Man könnte zum Beispiel sagen, dass die Schöpfung eines individuellen Wesens das Ergebnis der Projektion in Zeit und Raum von einer der zahllosen Möglichkeiten ist, die latent sind im höchsten Ursprung aller Manifestation, und welche durch das Medium des einen und universalen Bewusstseins konkrete Form annimmt in dem Gesetz oder der Wahrheit eines Individuums und so, in einer fortschreitenden Entwicklung, seine Seele oder sein seelisches Wesen wird.”

Es ist ein wenig philosophisch ... Kennst du den Unterschied zwischen dem, was subjektiv und was objektiv ist? Du kennst ihn! Nun, stelle dir genau diese Realität vor, von der wir sprechen, die am Ursprung aller Dinge ist, vom subjektiven zum objektiven Zustand übergehend. Das heißt, was innen war, wird außen als wäre es projiziert. Es ist die gleiche Sache: es ist der Zustand, der sich ändert. Und daher gibt es innerhalb dessen alle Möglichkeiten der objektiven Existenz; innen sind sie nicht ausgedrückt, nicht manifestiert; außen sind sie projiziert wie ein Bild auf einer Kinoleinwand: wir sehen es vor uns. Und jedes Element, das innen eine Möglichkeit war, ein Gesetz, wird das Gesetz einer Verwirklichung. Und jede einzelne dieser Möglichkeiten wird die Realität eines Wesens, einer Individualität, wenn du so willst, von etwas, das objektiv existiert. Und es ist dieses Gesetz, das der Ursprung des Zentrums des seelischen Wesens ist: es ist die Wahrheit des Wesens oder das Gesetz des Wesens. Der Buddha nannte es das “Gesetz”, er sprach von dharma. Es ist die Wahrheit des Wesens. Es ist das, welches es wiederum unzerstörbar an seinen Ursprung bindet. Und das ist der Ausgangspunkt des seelischen Wesens. Und in dem Maße wie sich das entwickelt, dem Bildnis auf der Leinwand entsprechend, nimmt es eine immer komplexere und genauere Form in der Manifestation an. Doch die Realität dieser Form ist eins, sie ist an den Einen gebunden. Und alle Teile sind verbunden und bilden den Einen neu.

DIE MUTTER (6:27)

*

Liebe Mutter, ist in jedem Menschen ein spirituelles Wesen?

Das hängt davon ab, was wir “Wesen” nennen. Wenn wir “Wesen” mit “Gegenwart“ ersetzen, ja, es gibt eine spirituelle Gegenwart in jedem. Wenn wir “Wesen” eine gesonderte Wesenheit nennen, ihrer selbst voll bewusst, unabhängig, und mit der Befähigung sich durchzusetzen und die übrige Natur zu beherrschen – nein! Die Möglichkeit eines solchen unabhängigen und allmächtigen Wesens ist in jedem, doch ist die Verwirklichung das Ergebnis langer Bemühungen, die sich manchmal über viele Leben ausdehnen.

In jedem, selbst am eigentlichen Beginn, ist diese spirituelle Gegenwart, dieses innere Licht vorhanden ... Tatsächlich ist es überall. Ich habe es viele Male in bestimmten Tieren gesehen. Es ist wie ein leuchtender Punkt, der die Grundlage einer gewissen Kontrolle, eines gewissen Schutzes ist, etwas, das selbst im Halbbewusstsein eine bestimmte Harmonie mit der übrigen Schöpfung ermöglicht, so dass irreparable Katastrophen nicht konstant und allgemein sind. Ohne diese Gegenwart wäre die Störung, die durch die Gewalttätigkeiten und Leidenschaften des Vitals geschaffen werden, so groß, dass sie in jedem Augenblick eine allgemeine Katastrophe hervorrufen könnten, eine Art totaler Zerstörung, die den Fortschritt der Natur verhindern würde. Jene Gegenwart, jenes spirituelle Licht, das beinahe ein spirituelles Bewusstsein genannt werden könnte, ist in jedem Wesen und in allen Dingen, und ist der Grund dafür, dass trotz aller Zwietracht, aller Leidenschaft, aller Gewalttätigkeit ein Minimum von allgemeiner Harmonie besteht, die es erlaubt, das Werk der Natur zu vollenden.

Im menschlichen Wesen offenbart sich diese Gegenwart ziemlich deutlich, selbst im rudimentärsten. Selbst im scheußlichsten menschlichen Wesen, in einem, das den Eindruck vermittelt, die Inkarnation eines Teufels oder Ungeheuers zu sein, gibt es etwas im Inneren, das eine Art unwiderstehliche Kontrolle ausübt – selbst im Schlimmsten sind gewisse Dinge unmöglich. Und ohne diese Gegenwart, wenn das [menschliche] Wesen ausschließlich von feindlichen Kräften, den Kräften des Vitals, beherrscht würde, gäbe es diese Unmöglichkeit nicht.

Jedes Mal, wenn eine Welle dieser monströsen, feindlichen, Kräfte sich über die Erde ausbreitet, glaubt man, dass nichts die Unordnung und den Schrecken je davon abhalten kann, sich auszubreiten, und immer, zu einem bestimmten Zeitpunkt, unerwartet, unerklärlich, schaltet sich eine Kontrolle ein, die Welle wird aufgehalten, die Katastrophe ist nicht total. Und der Grund hierfür ist die Gegenwart, diese höchste Gegenwart in der Materie.

Doch nur in wenigen außergewöhnlichen Wesen und nach langer, sehr langer Arbeit der Vorbereitung, die sich über viele, viele Leben erstreckt, wandelt sich diese Gegenwart in ein bewusstes, unabhängiges, voll organisiertes Wesen, allmächtiger Herr seines Wohnsitzes, bewusst genug, mächtig genug, nicht nur diese Wohnung kontrollieren zu können, sondern das, was sie umgibt, in einem Feld der Ausstrahlung und Tätigkeit, das sich immer weiter ausdehnt und immer wirksamer ist.

DIE MUTTER (9:339)

*

Was ist kennzeichnend für die Substanz der seelischen Welt?

Die Substanz der seelischen Welt ist eine Substanz, die ihr [der seelischen Welt] eigentümlich ist mit ihren spezifischen seelischen Merkmalen: ein Gefühl der Unsterblichkeit, eine volle Empfangsbereitschaft für den göttlichen Einfluss, eine gänzliche Unterwerfung an diesen Einfluss, von dem sie völlig durchdrungen ist. Genau das ist es, was die Seele von anderen Teilen des Wesens unterscheidet. Wenn ich zum Beispiel davon spreche, das Mental und das Vital um das seelische Zentrum zu ordnen, meine ich nicht, dass sie seelisch werden; sie bleiben das Mental und das Vital, sie sind aber um die Seele geordnet, so wie eine Armee sich um ihren Führer ordnet – sie wird nicht zum Führer, sie gehorcht ihm, nicht wahr? Nun, das gleiche geschieht hier; das Vital und das Mental sind um die Seele gruppiert, sie empfangen Befehle von der Seele und führen sie aus, so gut sie können. Ihre Substanz aber wird deshalb nicht zur seelischen Substanz. Sie kann unter dem Einfluss der Seele stehen und mehr oder weniger ihre Natur annehmen, doch nicht ihre Substanz.

DIE MUTTER (4:228)

*

Ist das seelische Wesen im Herzen?

Nicht im physischen Herzen, nicht im Organ. Es ist in einer vierten Dimension, einer inneren Dimension. Doch in dieser Region, der Region ungefähr hinter dem Solarplexus, findet man es am leichtesten. Das seelische Wesen in Bezug auf unser physisches Wesen ist in der vierten Dimension.

DIE MUTTER (6:392)

*

Das seelische Wesen ist im Herzzentrum in der Mitte der Brust (nicht im physischen Herzen, denn alle Zentren liegen an der Mittellinie des Körpers), es ist jedoch tief dahinter verborgen. Wenn man sich vom Vital zur Seele wendet, ist es, als würde man tief, tief hinuntergehen, bis man jene zentrale Stätte der Seele erreicht hat. Die Oberfläche des Herzzentrums ist der Ort des emotionalen Wesens; von dort wendet man sich in die Tiefe, um die Seele zu finden.

SRI AUROBINDO (24:1115)

*

Neulich sagte ich, dass die Menschen ihr seelisches Wesen meist nicht in sich haben. Ich möchte das mehr im einzelnen erklären ... Ihr dürft nicht vergessen, dass die inneren Wesen nicht in der dritten Dimension sind. Wenn du deinen Körper öffnest, findest du nur die Eingeweide des Körpers, denn diese sind in der dritten Dimension. Die inneren Wesen sind in einer anderen Dimension, und wenn ich sage, dass einige Menschen ihr seelisches Wesen nicht in sich haben, dann meine ich nicht, dass es nicht im Zentrum ihres Wesens ist, sondern dass ihr äußeres Bewusstsein so klein, so begrenzt, so dunkel ist, dass es nicht fähig ist, einen Kontakt mit dem seelischen Wesen aufrecht zu erhalten, nicht nur bewusst, sondern auch innerlich, da dieses in jeder Weise über es hinausreicht; es ist so viel höher und tiefer als das äußere Bewusstsein, dass keine Beziehung, weder qualitätsmäßig noch wesensmäßig zwischen ihnen besteht. Die Religionen sagen, dass du einen göttlichen Funken in dir hast – es ist gut, dass sie es einen Funken nennen, denn er ist tatsächlich so klein, dass er ohne weiteres irgendwo im Körper sein könnte. Das heißt aber nicht, dass er im Körper ist: er ist innerhalb des Bewusstseins in einer anderen Dimension, und es gibt Menschen, die einen Kontakt damit haben, während andere ihn nicht haben. Wenn du aber zur göttlichen Gegenwart im Atom kommst, ist das Bild leichter zu verstehen, denn hier berührst du einen so unendlich kleinen Bereich, dass du dich auf der Grenzlinie befindest, wo du nicht länger zwischen der zweiten, dritten, vierten oder fünften Dimension unterscheiden kannst. Wenn du moderne Physik studiert hast, wirst du verstehen, was ich meine. Die Bewegungen, die ein Atom bilden, sind hinsichtlich der Größe so verschwindend klein, dass sie mit unserem dreidimensionalen Verstehen nicht verstanden werden können, um so mehr da sie Gesetzen folgen, die sich völlig dieser dreidimensionalen Vorstellung entziehen. Wenn du dich also daran hältst, kannst du sagen, dass der göttliche Funke im Zentrum jedes Atoms ist, und du bist nicht weit von der Wahrheit entfernt; doch meinte ich nicht den göttlichen Funken, ich meinte das Wesen, das seelische Bewusstsein, was etwas anderes ist. Das seelische Wesen ist eine Wesenheit, die eine Form hat; es ist um ein zentrales Bewusstsein geordnet, und da es eine Form hat, hat es eine Dimension, doch eine Dimension von anderer Art als die dritte Dimension des äußeren Bewusstseins.

DIE MUTTER (4:139)

*

Das physische Herz befindet sich auf der linken Seite, doch ist das Herzzentrum des Yoga in der Mitte der Brust – es ist das Kardialzentrum.

SRI AUROBINDO (22:375)

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Ich habe nie von zwei Lotussen im Herzzentrum gehört; es ist aber der Sitz von zwei Mächten, im Vordergrund das höhere Vital oder emotionale Wesen, dahinter und verborgen die Seele oder das seelische Wesen.

SRI AUROBINDO (22:365)

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Der Scheitelpunkt des psychischen und emotionalen Zentrums liegt wie der Scheitel der übrigen Zentren in der Wirbelsäule, seine Basis ist vorne im Brustbein.

SRI AUROBINDO (22:375)

*

Das Herz ist das Zentrums des Wesens und gebietet den übrigen, da sich dort das seelische Wesen oder der caitya purusa befindet. In diesem Sinne war es gemeint, dass alles von dorther kommt, denn es ist das seelische Wesen, das sich jedes mal ein neues Mental, ein Vital und einen Körper schafft.

SRI AUROBINDO (22:375)

*

Das seelische Wesen (welches die Seele ist) schafft sich keine Zentren im adhara. Die Zentren sind vorhanden. Das seelische Wesen kann die Zentren, die sich bereits dort befinden, überwachen – das Herz, das Nabel-Zentrum und die beiden unterhalb des Nabels. Auch werden Mental und Vital nicht ausgelöscht – sie werden unter den seelischen Einfluss gebracht und durchseelt; oder das höhere Bewusstsein bemächtigt sich ihrer und wandelt sie in seine Instrumente um.

SRI AUROBINDO (22:375)

*

Gibt es ein seelisches Wesen im Atom?

Nein, dort ist es noch nicht. Es kann gesagt werden, dass es eine Möglichkeit von seelischem Bewusstsein in der Materie gibt – die Ausbreitung des Göttlichen Bewusstseins hatte nur ein Ziel: eine Ordnung zu ermöglichen, die unter dem direkten Einfluss des Göttlichen wäre. Daher übergeht es alle Welten der Unordnung5. Es kann daher gesagt werden, dass der Ursprung der Seele auch im Atom ist, in allen Elementen, die das Atom konstituieren, es ist aber nur der Ursprung ... Ich muss euch sagen, dass das seelische Wesen, wenn es voll geformt ist, eine deutliche Form hat, die mit unserer physischen Form übereinstimmt. Es ist nicht ungefähr ähnlich, sondern hat eine deutliche Form. Jedes seelische Wesen ist vom anderen verschieden,sie sind nicht alle nach einem Muster gestanzt und modelliert. Sie sind verschieden, jedes hat eine Individualität, eine Persönlichkeit.

DIE MUTTER (4:141)

*

Ich habe einen ersten Ansatz der seelischen Gegenwart und Vibration im vegetabilen Leben entdeckt, und tatsächlich ist dieses Blühen, das man eine Blume nennt, eine erste Manifestation der seelischen Gegenwart. Die Seele ist nur im Menschen individualisiert, sie war aber vor ihm da; es ist nicht die gleiche Art der Individualisierung wie im Menschen, sie ist fließender: sie manifestiert sich eher als Kraft, als Bewusstsein, denn als Individualität. Nimm die Rose zum Beispiel: ihre große Vollendung an Form und Farbe und Duft drückt sich als Aspiration aus, und als seelisches Geben. Betrachte eine Rose, die sich am Morgen öffnet bei der ersten Berührung der Sonne, es ist ein wunderbares Selbstgeben in der Aspiration.

DIE MUTTER (4:166)

*

Ja, es ist ein einfacheres und ehrlicheres Bewusstsein – das des Tiers. Natürlich erwartet es etwas, doch auch wenn es dies nicht erhält, bleibt die Liebe bestehen. Viele Tiere, selbst wenn sie schlecht behandelt werden, bewahren ihre Liebe, was auf eine bemerkenswerte seelische Entwicklung im Vital hinweist.

SRI AUROBINDO (22:500)

*

Das emotionale Wesen der Tiere ist häufig seelischer als das der Menschen, die sehr gefühllos sein können. Kürzlich sah ich Bilder eines zahmen Tigers, der zuerst bei einer Familie gelebt hatte, die ihn später einem Zoo übergab. Der Ausdruck des Leids in dem Gesicht des Tigers in seinem Käfig, sanft und gleichzeitig tragisch-schmerzlich, war herzzerreißend.

SRI AUROBINDO (22:500)

*

Die Seele ist in Kindern immer im Vordergrund, nicht wahr?

Nicht immer. Die Seele ist mehr im Vordergrund als später, wenn sie heranwachsen und das Mental sich entwickelt, es kann aber nicht gesagt werden, dass man in allen Kindern die Seele fühlt. Und man kann nicht davon ausgehen, was wir hier [im Ashram] haben, denn die Bedingung der Zulassung, die ich mache, wenn die Kinder zu mir gebracht werden, ist diese: wenn ich die Seele an der Oberfläche sehe, nehme ich sie [die Kinder], wenn die Seele aber bereits durch alle möglichen deformierenden Tätigkeiten verhüllt ist, nehme ich sie nicht. Daher sind die Kinder, die wir hier haben eine Ausnahme. Es ist die Elite. Es ist die Auslese.

Doch warum gibt es gefräßige Kinder?

Oh, mein Himmel! Gefräßig, das ist kein Verbrechen! Es gibt gefräßige Kinder. Vielleicht haben sie eine schlechte Verdauung und wollen daher immer essen. Sie gewinnen nichts durch das, was sie essen. Das ganze äußere Wesen ist voll Schwierigkeiten aller Art in jedermann – auch in Kindern. Mit mehr Berechtigung könntest du mich fragen: Warum gibt es solche grausamen Kinder? “Das ist tatsächlich eines der furchtbarsten Dinge ... Der Grund liegt in der Unbewusstheit. Sie nehmen nicht einmal wahr, dass sie andere leiden lassen. Meist, wenn man Sorge trägt, dass sie es verstehen – zum Beispiel durch Erfahrung –, dann verstehen sie es auch. Kinder, die Tiere misshandeln (es gibt viele) – nun, es kommt daher, dass sie nicht einmal wissen, dass Tiere genauso empfinden wie sie selbst. Wenn man ihnen erklärt, dass es den Tieren Schmerz verursacht, sie zu zwicken oder an den Haaren zu ziehen oder zu schlagen und ihnen nötigenfalls am eigenen Körper zeigt, wie weh es tut, dann tun sie es nicht mehr!

Es gibt solche, die besonders schlimm sind. Sie stehen unter einem bösen Einfluss. Manchmal zeigt es sich von ihrer eigentlichen Kindheit an, und sie bleiben so im ganzen Leben, außer man kann sie umformen, was nicht leicht ist.

Es gibt eine Art Assoziation zwischen dem Physischen und der Seele und zwischen dem mentalen und vitalen Wesen. Ein mentales Wesen ist sehr häufig ein sehr vitales Wesen. Ein seelisches Wesen ist sehr oft ein physisches Wesen. Kinder – genau deshalb, weil dieses seelische Bewusstsein in ihnen im Vordergrund ist – leben auch völlig in ihrem Körper. Doch sobald man das Mental zu entwickeln beginnt, entwickelt sich auch die Neigung zur Assoziation mit all der Entstellung, die damit verbunden ist. Menschen, die scharf unterscheiden zwischen Mann und Frau (ich weiß nicht warum, denn eines ist so gut wie das andere) sagen, dass der Mann mental und vital ist und die Frau physisch und psychisch. Es ist einige Wahrheit darin enthalten. Es bezieht natürlich alle möglichen Ausnahmen und Komplikationen mit ein. Dies sind willkürliche Vereinfachungen. Tatsächlich hat das physische Wesen eine Einfachheit und sogar einen guten Willen (der nicht immer sehr erleuchtet ist, weit davon entfernt), aber dennoch eine Einfachheit und einen guten Willen, die es in eine engere Beziehung mit der Seele bringen als die Leidenschaften des Vitals und die Dünkel des Mentals. Und wahrscheinlich ist auch dies der Grund, weshalb sich die Seele in Kindern mehr entspannt fühlt, da sie nicht fortwährend von mentalen und vitalen Widersprüchen hin und hergerissen wird.

DIE MUTTER (6:4)

*

Es ist noch nicht erkannt, was diese Seele ist, oder dass das wahre Geheimnis, ob bei Kind oder Mensch, darin besteht, ihm zu helfen, sein tieferes Selbst zu finden, die wahre seelische Wesenheit im Inneren. Und wenn wir ihr je die Gelegenheit geben, hervorzutreten, und mehr noch, wenn wir sie in den Vordergrund rufen als “der Führer des Marsches, der vor uns liegt”, wird sie selbst die meiste Erziehungsarbeit aus unseres Händen nehmen, und die Fähigkeit des seelischen Wesens auf eine Verwirklichung seiner Möglichkeiten hin entwickeln; wohingegen unser gegenwärtiges, mechanisches Bild vom Leben und Menschen und die äußeren routinemäßigen Methoden, sich mit ihm auseinanderzusetzen, uns daran hindern, irgendeine Erfahrung zu haben oder eine Meinung zu bilden. Die neuen erzieherischen Methoden sind auf dem geraden Weg zu dieser wahreren Handhabung. Die nähere Berührung mit der seelischen Wesenheit hinter dem Vital und der physischen Mentalität und ein sich mehrendes Vertrauen auf seinen Möglichkeiten, muss zu der höchsten Entdeckung führen, dass der Mensch im Inneren eine Seele und eine bewusste Macht des Göttlichen ist, und dass die Anrufung dieses wahren Menschen im Inneren das eigentliche Ziel der Erziehung ist, und tatsächlich [das Ziel] allen menschlichen Lebens, wenn er die verborgene Wahrheit und das tiefste Gesetz seines eigenen Wesens finden und ihnen gemäß leben würde.

SRI AUROBINDO (15:28)

*

Das seelische Wesen wird durch die innere Wahrheit geformt und ist um sie herum angeordnet.

DIE MUTTER (15:323)

*

Identifiziert sich das seelische Wesen mit der inneren Wahrheit?

Es ist darum herum angeordnet und nimmt Kontakt damit auf. Die Seele wird durch die Wahrheit bewegt. Die Wahrheit ist etwas ewig Selbstbestehendes, von nichts in Zeit oder Raum abhängig, während das seelische Wesen ein Wesen ist, das wächst, Form annimmt, sich entwickelt, sich mehr und mehr individualisiert. Auf diese Weise wird es immer fähiger, diese Wahrheit zu manifestieren, die ewige Wahrheit, die eins und bleibend ist. Das seelische Wesen ist ein progressives Wesen, was bedeutet, dass die Beziehung zwischen dem seelischen Wesen und der Wahrheit eine progressive ist. Es ist nicht möglich, sich seines seelischen Wesens bewusst zu werden, ohne sich gleichzeitig der inneren Wahrheit bewusst zu werden. All jene, die diese Erfahrung hatten – nicht eine mentale Erfahrung, sondern eine integrale Erfahrung des Kontaktes mit dem seelischen Wesen, nicht einen Kontakt mit der Idee, die sie sich davon gebildet haben, sondern einen echten, konkreten Kontakt – alle sagen das gleiche: genau von der Minute an, da dieser Kontakt hergestellt ist, ist man sich der ewigen Wahrheit in einem voll bewusst, und man erkennt, dass sie der Zweck des Lebens und der Lenker der Welt ist.

DIE MUTTER (15:326)

*

Kann man in Kontakt mit der ewigen Wahrheit sein, ohne einen Kontakt mit seinem seelischen Wesen zu haben?

Manche Wesen im Universum mögen diesen direkten Kontakt mit der ewigen Wahrheit haben, ohne jeden Kontakt mit dem seelischen Wesen, weil sie kein seelisches Wesen besitzen. Im Menschen jedoch ist immer ein seelisches Wesen, und es ist immer dieses [seelische Wesen], durch das er in Kontakt mit der ewigen Wahrheit kommt. Und dieser Kontakt mit dem seelischen Wesen wird ihm meist auf die gleiche Weise enthüllt, denn er bringt seine eigene Gnade mit sich, seinen eigenen Glanz, seine eigene Glückseligkeit. Das seelische Wesen ist typisch für den Menschen, und wenn man der Sache auf den Grund geht, ist es vielleicht diese Tatsache, die ihm seine Überlegenheit verleiht.

DIE MUTTER (15:327)

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Kann ein Kind sich der inneren Wahrheit bewusst werden wie ein Erwachsener?

Für ein Kind ist es ganz klar, denn es ist eine Wahrnehmung ohne alle Komplikationen der Sprache oder des Denkens – es ist das, was das Kind sich entspannt fühlen lässt oder aber nicht (es ist nicht notwendigerweise Freude oder Sorge, die nur dann kommen, wenn die Sache sehr intensiv ist). Und all das ist viel klarer im Kind als im Erwachsenen, denn letzterer hat immer ein Mental, das arbeitet und seine Wahrnehmung der Wahrheit trübt.

Einem Kind Theorien zu vermitteln, ist gänzlich sinnlos, denn sobald sein Mental erwacht, wird es tausend Gründe finden, deinen Theorien zu widersprechen, und es wird recht behalten.

Dieses kleine, wahre Ding im Kind ist die göttliche Gegenwart in der Seele, sie ist auch in Pflanzen und Tieren. In Pflanzen ist sie nicht bewusst, in Tieren beginnt sie bewusst zu sein, und in Kindern ist sie sehr bewusst. Ich habe Kinder gekannt, die sich ihres seelischen Wesens im Alter von fünf Jahren bewusster waren als mit vierzehn, und mit vierzehn Jahren bewusster als mit fünfundzwanzig; und vor allem, von dem Augenblick an, da sie zur Schule gehen, da sie sich dieser Art von intensivem mentalen Training umerziehen, das ihre Aufmerksamkeit auf den intellektuellen Teil ihres Wesens richtet, verlieren sie meist immer und beinahe vollständig diesen Kontakt mit ihrem seelischen Wesen.

Wenn du ein erfahrener Beobachter wärst, könntest du sagen, was in einer Person vor sich geht, einfach indem du in ihre Augen schaust! ... Man sagt, die Augen seien der Spiegel der Seele; das ist eine volkstümliche Redewendung, doch wenn die Augen die Seele nicht ausdrücken, dann deshalb, weil sich diese weit im Hintergrund befindet, von vielen Dingen verhüllt. Und dann, schau sorgsam in die Augen von kleinen Kindern, und du wirst eine Art Licht sehen – manche beschreiben es als freimütig – doch so wahr, so wahr, so wahr, das auf die Welt mit Staunen blickt. Nun, dieses Gefühl des Staunens ist ein Staunen der Seele, welche die Wahrheit sieht, aber nicht viel von der Welt versteht, da sie zu weit davon entfernt ist. Kinder haben es, doch in dem Maße wie sie mehr lernen, werden sie intelligenter, gebildeter – und dies ist ausgelöscht, und du siehst alle möglichen Dinge in ihren Augen: Gedanken, Wünsche, Leidenschaften, Bosheit – doch diese gewisse kleine Flamme, die so rein ist, ist nicht länger vorhanden. Und du kannst sicher sein, dass es das Mental ist, das dort ist, und die Seele ist weit in den Hintergrund getreten.

Selbst ein Kind, das kein genügend entwickeltes Gehirn hat, um verstehen zu können – wenn du es einfach eine Vibration des Schutzes oder der Liebe oder Fürsorge oder des Trostes fühlen lässt, wirst du sehen, dass es reagiert. Doch nimm beispielsweise einen Jungen mit vierzehn, der die Schule besucht, der gewöhnliche Eltern hat und schlecht behandelt wurde – sein Mental ist ganz im Vordergrund; etwas Hartes ist in ihm, die Seele ist zurückgetreten. Solche Jungen reagieren nicht auf diese Vibration. Man könnte sagen, sie seien wie aus Holz oder Gips.

DIE MUTTER (4:26)

*

Wenn die innere Wahrheit, die göttliche Gegenwart, bewusst in der Seele des Kindes wäre, könnte nicht länger gesagt werden, dass ein Kind ein kleines Tier ist, nicht wahr?

Warum nicht? In Tieren gibt es manchmal eine sehr intensive seelische Wahrheit. Natürlich bin ich der Meinung, dass das seelische Wesen in einem Kinde etwas mehr geformt ist, etwas bewusster als in einem Tier. Aber ich habe mit Tieren experimentiert, nur um es zu wissen; nun, ich versichere dir, dass ich selten in menschlichen Wesen solche Tugenden gefunden habe wie in Tieren, ganz simple, anspruchslose Tugenden. Wie zum Beispiel in Katzen: ich habe Katzen viel beobachtet; wenn man sie kennt – nun, sie sind wunderbare Geschöpfe. Ich kannte Mutterkatzen, die sich völlig für ihre Kätzchen aufopferten – die Menschen sprechen von Mutterliebe mit so viel Bewunderung, als wäre sie ein rein menschliches Privileg, aber ich habe diese Liebe in Mutterkatzen gesehen, und zwar in einem Ausmaß, das bei weitem die Liebe der gewöhnlichen Menschheit überschreitet. Ich kannte eine Mutterkatze, die ihre Nahrung nicht anrührte, bevor ihre Kätzchen alles genommen hatten, was sie brauchten. Ich habe eine andere Katze gekannt, die acht Tage bei ihren Kätzchen blieb, ohne eines ihrer Bedürfnisse zu befriedigen, weil sie Angst hatte, sie allein zu lassen; und eine andere Katze, die mehr als fünfzig Mal die gleiche Bewegung wiederholte, um ihre Jungen zu lehren, wie man von einer Wand zum Fenster springt; und ich möchte hinzufügen, mit einer Fürsorge, einer Intelligenz, einer Geschicklichkeit, die viele ungebildete Frauen nicht haben. Und warum ist das so? Weil keine mentale Einmischung stattfand. Es war ein ganz spontaner Instinkt. Was aber ist Instinkt? Es ist die göttliche Gegenwart in der Gattung der Spezies, und das, das ist die Seele der Tiere; eine kollektive, nicht eine individuelle Seele.

Ich habe in Tieren alle Reaktionen gesehen, emotional, liebevoll, sentimental, alle Gefühle, auf die die Menschen so stolz sind. Der einzige Unterschied ist, dass die Tiere nicht darüber sprechen und schreiben können, daher betrachten wir sie als untergeordnete Wesen, weil sie uns nicht mit Büchern, in denen sie ihre Gefühle beschreiben, überfluten können.

DIE MUTTER (4:27)

*

Mutter, hier spricht Sri Aurobindo von der “Seele dahinter, die alles stützt”. Was bedeutet das?

Nun ja, die Seele ist hinter der ganzen Ordnung, dieser dreifachen Ordnung des menschlichen Lebens und Bewusstseins, die Seele steht dahinter und stützt sie durch ihr Bewusstsein, das unsterblich ist. Aufgrund der Seele haben wir solch klaren Sinn für die Kontinuität. Im anderen Fall, wenn du vergleichst, was du jetzt bist mit dem, was du im Alter von drei Jahren warst, kannst du dich bestimmt in keiner Weise erkennen, weder physisch noch vital noch mental. Es gibt keinerlei Ähnlichkeit. Aber dahinter ist die Seele, die die Entwicklung, das Wachstum des Wesens stützt, und die dir die Kontinuität des Bewusstseins gibt, die dich fühlen lässt, dass du dasselbe Wesen bist, wenn auch absolut verschieden, durchaus verschieden. Wenn man sich später genügend beobachtet, kann man erkennen, dass die Dinge, die man zu jener Zeit verstehen und tun konnte, Dinge sind, die einem jetzt absolut unbegreiflich erscheinen, und dass man niemals etwas Ähnliches tun könnte, da man ganz und gar nicht mehr die gleiche Person ist. Und dennoch, weil da innen das seelische Bewusstsein war, das unsterblich ist, hat man das Gefühl, dass es immer das gleiche Wesen ist, das da war und weiterhin da ist und da sein wird, mit mehr oder weniger fortschreitenden und mehr oder weniger bewussten Veränderungen.

DIE MUTTER (7:221)

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Es gibt ein anderes (Mittel gegen die Furcht des Sterbens), ein wenig schwieriger, glaube ich, aber besser. Es besteht darin, sich zu sagen: “Dieser Körper bin nicht ich”, und zu versuchen, in sich den Teil zu finden, der wahrhaft das eigene Selbst ist, bis man sein seelisches Wesen gefunden hat. Und wenn man sein seelisches Wesen gefunden hat – sofort, verstehst du, hat man das Gefühl der Unsterblichkeit. Und man weiß, dass das, was hinausgeht oder hereinkommt, nur eine Frage der Annehmlichkeit ist: “Ich werde nicht wegen eines Paares Schuhe weinen, die ich ablege, weil sie voller Löcher sind! Wenn meine Schuhe abgetragen sind, werfe ich sie fort, und weine nicht.” Nun, das seelische Wesen hat diesen Körper angenommen, da es ihn für seine Arbeit brauchte, wenn aber die Zeit kommt, den Körper zu verlassen, das heißt, wenn man ihn verlassen muss, weil er, aus dem einen oder anderen Grund, nicht länger von Nutzen ist, dann verlässt man den Körper und hat keine Furcht. Es ist eine ganz natürliche Sache und es geschieht ohne das geringste Bedauern, das ist alles.

Und in dem Augenblick, in dem du in deinem seelischen Wesen bist, hast du dieses Gefühl, spontan, mühelos. Du steigst über das Physische auf und hast das Gefühl der Unsterblichkeit. Meiner Meinung nach ist das das beste Mittel. Alles andere ist ein intellektuelles, vernünftiges, rationales Hilfsmittel. Dies aber ist eine tiefe Erfahrung, und du kannst sie immer wieder haben, sobald du den Kontakt mit deinem seelischen Wesen wiederfindest. Es ist ein wahrhaft interessantes Phänomen, denn es ist automatisch. In dem Augenblick, in dem du in Kontakt mit deinem seelischen Wesen bist, hast du das Gefühl der Unsterblichkeit, das Gefühl, immer gewesen zu sein und immer zu sein, ewig. Und dann ist das, was kommt und geht – dies sind die Zufälle des Lebens, sie sind ohne Bedeutung.

DIE MUTTER (5:316)

*

Liebe Mutter, vermag die Seele sich ohne das Mental, das Vital und das Physische auszudrücken?

Sie drückt sich fortwährend ohne sie aus. Sie muss sich nur deshalb mit ihrer Hilfe ausdrücken, damit das gewöhnliche menschliche Wesen sie wahrnimmt, dann dieses ist normalerweise nicht in direktem Kontakt mit der Seele. Wenn es in direktem Kontakt mit der Seele wäre, wäre seine Manifestation seelisch – und alles wäre wahrhaft gut. Aber da es nicht in Kontakt mit der Seele ist, weiß es nicht einmal, was sie ist – es fragt sich voller Verwunderung, was für eine Art Wesen das sein mag; um dieses durchschnittliche menschliche Bewusstsein zu erreichen, muss sie gewöhnliche menschliche Mittel gebrauchen, das heißt, die Hilfe des Mentals, des Vitals und des Physischen in Anspruch nehmen.

Eines von diesen mag ausgelassen werden, mit Sicherheit aber nicht das letztere, sonst ist man nicht länger ein bewusstes Wesen.

DIE MUTTER (7:42)

*

Die Herrschaft des Verstandes sollte nicht vor dem Inkrafttreten des seelischen Gesetzes enden, das den Göttlichen Willen manifestiert.

DIE MUTTER (15:246)

*

Es ist nicht jede Seele entwickelt und tätig; und nicht jede Seele ist unmittelbar dem Göttlichen zugewandt, bevor sie den Yoga ausübt. Lange Zeit hindurch sucht sie das Göttliche eher über Menschen und Dinge als auf dem direkten Weg.

SRI AUROBINDO (22:297)

*

Die Quelle der Aufrichtigkeit, des Willens, des Ausharrens befindet sich im seelischen Wesen, was sich in verschiedenen Menschen auf verschiedene Weise ausdrückt. Im allgemeinen ist es im höheren Teil des Mentals, wo sich dies zu formen beginnt, um aber wirksam zu sein, muss mindestens ein Teil des Vitals reagieren, denn die Intensität deines Willens kommt von dort, die verwirklichende Kraft des Willens kommt von seinem Kontakt mit dem Vital. Wenn es nur widerspenstige Elemente im Vital gäbe, wärst du nicht in der Lage irgendetwas zu tun. Doch gibt es immer etwas, irgendwo, das willens ist. Es ist genug, einmal eine Minute lang eine Aspiration gehabt zu haben und einen Willen, wenn auch sehr flüchtig, um sich des Göttlichen bewusst zu werden, das Göttliche zu verwirklichen, wie es einem Blitze gleich durch das ganze Wesen flammt – es gibt sogar Körperzellen, die reagieren. Das ist nicht alles sofort sichtbar, doch eine Reaktion ist überall. Und indem man langsam, vorsichtig, all diese Teile, die reagiert haben, und wenn es nur einmal war, zusammentut, kann man etwas Zusammenhängendes aufbauen und gestalten, das einem erlauben wird, seine Tätigkeit mit Willen, Aufrichtigkeit und Beharrlichkeit fortzusetzen.

Selbst eine flüchtige Vorstellung in einem Kind, in einem bestimmten Augenblick seiner Kindheit, wenn das seelische Wesen ganz im Vordergrund ist, wenn es ihr gelingt das äußere Bewusstsein zu durchdringen und dem Kind einfach einen Eindruck von etwas Schönem zu geben, das verwirklicht werden muss, schafft einen kleinen Kern, und darauf solltest du dein Tun aufbauen. Zu der großen Masse der Menschheit würdest du niemals sagen: “Du musst das Göttliche verwirklichen” oder “Übe den Yoga aus, um das Göttliche zu finden”. Wenn du genau hinsiehst, wirst du erkennen, dass es eine winzige Minderheit ist, zu der dies gesagt werden kann. Es bedeutet, dass diese Minderheit von Wesen darauf “vorbereitet” ist, den Yoga auszuüben; so ist es. Der Beginn einer Verwirklichung hatte stattgefunden – ein Beginn ist genug. Bei anderen ist es vielleicht etwas Altes, ein Erwachen, das von vergangenen Leben herrühren mag. Doch sprechen wir von jenen, die weniger bereit sind; es sind jene, durch deren ganzes Wesen in einem bestimmten Augenblick ein Blitz fuhr und eine Reaktion auslöste – das aber genügt. Es geschieht nicht vielen Menschen. Jene, die bereit sind, den Yoga auszuüben, sind nicht viele im Vergleich mit der unbewussten, menschlichen Masse. Nur eine Sache ist gewiss: die Tatsache, dass ihr alle hier seid, beweist, dass wenigstens ihr es hattet – es gibt solche, die sehr weit auf dem Pfade sind (manchmal wissen sie gar nichts davon), doch wenigstens ihr alle hattet ihn, diese Art von spontanem integralen Kontakt, der wie ein elektrischer Schock ist, ein Blitz, der dich durchfährt, und du erwachst zu der Tatsache: es gibt etwas zu verwirklichen. Möglicherweise überträgt sich die Erfahrung nicht in Worte, nur in eine Flamme. Das ist genug. Und um diesen Kern herum baut man sich auf, langsam, langsam, fortschreitend. Und wenn es einmal stattgefunden hat, verschwindet es nie mehr. Nur dann, wenn du einen Pakt mit den feindlichen Mächten geschlossen und dir beträchtliche Mühe gegeben hast, den Kontakt [mit dem seelischen Wesen] zu unterbrechen und seine Existenz zu ignorieren, – allein dann magst du den Eindruck gewinnen, er sei nicht mehr vorhanden. Und doch, ein einziger Blitz genügt, und er kehrt zurück.

Wenn du dies nur einmal erlebt hast, kannst du dir sagen, dass du in diesem Leben oder einem anderen mit Sicherheit die Verwirklichung erlangen wirst.

DIE MUTTER (4:254)

*

Die vollständige Einung des ganzen Wesens um das seelische Zentrum ist die essentielle Bedingung, um vollkommene Aufrichtigkeit zu verwirklichen.

DIE MUTTER (15:200)

*

Mitleid und Erbarmen sind im wesentlichen seelische Tugenden. Sie tauchen im Bewusstsein nur dann auf, wenn das seelische Wesen am aktiven Leben teilnimmt.

Das Vital und das Physische betrachten sie als Schwächen, denn sie drosseln den freien Ausdruck ihrer Impulse, die auf der Macht der Stärke gründen.

Das Mental ist, wie immer wenn es ungenügend gebildet ist, der Komplize des vitalen Wesens und der Sklave der physischen Natur, deren Gesetze, so überwältigend in ihrem halbbewussten Mechanismus, es nicht voll versteht. Wenn das Mental zur Wahrnehmung der ersten seelischen Regungen erwacht, entstellt es sie in seiner Unwissenheit und wendet Erbarmen in Mitleid oder bestenfalls in Wohltätigkeit; und Dankbarkeit in den Wunsch zurückzuzahlen, dem nach und nach die Fähigkeit anzuerkennen und zu bewundern folgt.

Allein, wenn das seelische Bewusstsein allmächtig im Wesen ist, kann Erbarmen mit allem, das der Hilfe bedarf, in welchem Bereich auch immer, sowie Dankbarkeit für alles, das die göttliche Gegenwart und Gnade offenbart, in welcher Form auch immer, in all ihrer ursprünglichen und leuchtenden Reinheit ausgedrückt werden, ohne dass man Erbarmen mit irgendeiner Spur von Gönnerhaftigkeit oder Dankbarkeit mit irgendeinem Gefühl von Minderwertigkeit verwechselt.

DIE MUTTER (15:297)

*

Die Entspannung und der Friede werden sehr tief und weit innen gefühlt, denn sie sind in der Seele, und die Seele ist sehr tief in uns, und verdeckt vom Mental und Vital. Wenn du meditierst, öffnest Du dich der Seele, gewahrst das Seelenbewusstsein tief innen und fühlst diese Dinge. Damit diese Entspannung, dieser Friede und dieses Glück stark und beständig und im ganzen Wesen und Körper empfunden werden, musst du noch tiefer nach innen gehen und die volle Kraft der Seele in das Physische bringen. Dies geschieht am leichtesten durch regelmäßige Konzentration und Meditation, verbunden mit dem Streben nach diesem Bewusstsein. Es kann ebenfalls durch Arbeit geschehen, durch Hingebung, indem man die Arbeit allein für das Göttliche tut, ohne an sich zu denken, und immer die Vorstellung im Herzen bewahrt, dass man sich der Mutter weiht. Dies auf vollkommene Weise zu tun, ist jedoch nicht einfach.

SRI AUROBINDO (23:738)

*

Liebe Mutter, was bedeutet seelische Ausgeglichenheit?

Seelische Ausgeglichenheit bedeutet die Ausgeglichenheit des Wesens, die von der Tatsache herrührt, dass die Seele die Bewegungen des Wesens lenkt, Herr aller Bewusstseinsregungen ist. Die Seele ist immer ausgeglichen. Wenn sie aktiv ist und das Wesen lenkt, bringt sie unweigerlich Ausgeglichenheit.

DIE MUTTER (6:393)

*

Warum wird dann gesagt: “Die seelische Ausgeglichenheit ist notwendig?”

Ja. Es bedeutet, dass die Hilfe der seelischen Ausgeglichenheit erforderlich ist. Es bedeutet nicht, dass das seelische Wesen ausgeglichen werden muss: man muss vielmehr unter dem Einfluss der seelischen Ausgeglichenheit stehen. Die Seele ist immer ausgeglichen. Aber das menschliche Wesen ist nicht immer unter dem Einfluss der Seele, welcher die Ausgeglichenheit bringt. Der Einfluss der Seele bringt die Ausgeglichenheit.

DIE MUTTER (6:396)

*

Es gibt viele verschiedene Gründe dafür, dass man sich manchmal mehr voller Leben fühlt, mehr voller Kraft und Freude ... Im gewöhnlichen Leben gibt es Menschen, die aufgrund ihrer eigentlichen Konstitution, der Art und Weise wie sie gemacht sind, sich in einer gewissen Harmonie mit der Natur befinden, so als würden sie im gleichen Rhythmus atmen; und diese Menschen sind im allgemeinen immer fröhlich und glücklich; sie haben in allem, was sie tun, Erfolg, sie meiden viele Sorgen und Katastrophen, sie sind tatsächlich im Harmonie mit dem Rhythmus des Lebens und der Natur. Und außerdem gibt es Tage, da man in Kontakt mit dem wirkenden göttlichen Bewusstsein ist, mit der Gnade, und dann hat alles den Anflug dieser Gegenwart, und ist von ihr getönt; selbst Dinge, die dir meist langweilig und uninteressant erscheinen, werden charmant, angenehm, lehrreich, alles lebt und vibriert und ist voller Versprechen und Kraft. Wenn man sich daher dem öffnet, fühlt man sich stärker, freier, glücklicher, voller Energie, und alles hat eine Bedeutung. Man versteht, warum die Dinge so sind, wie sie sind, und nimmt an der allgemeinen Bewegung teil.

Es gibt andere Zeiten, wenn man aus dem einen oder anderen Grund wie umwölkt ist oder verschlossen oder tief in einem Loch, und man empfindet nichts mehr und alle Dinge sind ohne Geschmack, Interesse und Wert; man ist ein wandelnder Holzklotz.

Wenn man nun fähig ist, sich bewusst mit seinem seelischen Wesen zu einen, kann man immer in diesem Zustand der Empfangsbereitschaft sein, der inneren Freude, der Energie, des Fortschritts, der Einung mit der Göttlichen Gegenwart. Und wenn man damit geeint ist, sieht man sie überall, in allem, und alle Dinge erhalten ihre wahre Bedeutung.

Wovon hängt das ab? ... Von einem inneren Rhythmus. Vielleicht einer Gnade. In jedem Fall von einer Empfangsbereitschaft für etwas, das jenseits deiner ist.

DIE MUTTER (8:305)

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Wahrlich, der Ausdruck eines echten seelischen Lebens im Wesen ist Friede, eine freudige Heiterkeit.

Alles Leiden ist daher ein wertvoller Hinweis auf unseren schwachen Punkt, jenes Punktes, der eine größere spirituelle Bemühung von uns verlangt.

DIE MUTTER (2:57)

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Wahres Glück hängt nicht von den äußeren Umständen des Lebens ab. Wahres Glück kann man nur erlangen und fortwährend bewahren, indem man sein seelisches Wesen entdeckt und sich damit eint.

DIE MUTTER (16:290)

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Ich glaube, je seelischer man ist, desto mehr Schwierigkeiten hat man im allgemeinen. Nur, dass man gerüstet ist, den Schwierigkeiten entgegenzutreten. Doch je seelischer man ist, desto mehr steht man in Widerspruch mit dem gegenwärtigen Zustand der Welt. Und wenn man sich mit etwas in Widerspruch befindet, resultiert das in Schwierigkeiten. Und ich habe bemerkt, dass sehr häufig diejenigen, die viele Schwierigkeiten haben, jene sind, die einen mehr oder weniger engen Kontakt mit ihrem seelischen Wesen haben. Wenn du über Umstände sprechen willst – ich meine nicht den Charakter, das ist etwas ganz anderes, sondern die äußeren Umstände – die Menschen, die am meisten zu kämpfen haben, und den meisten Grund hätten zu leiden, sind jene, die ein sehr entwickeltes seelisches Wesen haben.

Die Entwicklung des seelischen Wesens hat ein zweifaches und gleichzeitiges Ergebnis. Das heißt, mit der Entwicklung des seelischen Wesens wächst die Empfindsamkeit des Menschen. Und mit dem Anwachsen der Empfindsamkeit geht die Fähigkeit zu leiden einher; aber es besteht ein Ausgleich, das heißt, in dem Maß wie man in Beziehung mit dem seelischen Wesen steht, begegnet man den Umständen des Lebens in ganz anderer Art und Weise, mit einer Art inneren Freiheit, die es einem ermöglicht, sich von einer Situation zurückzuziehen und den Schock nicht in der üblichen Weise zu empfinden. Du vermagst den Schwierigkeiten oder den äußeren Dingen mit Ruhe, Frieden und einem hinreichend inneren Wissen zu begegnen, und wirst nicht beunruhigt. So, auf der einen Seite bist du empfindsamer, auf der anderen hast du größere Kraft mit der Empfindsamkeit fertig zu werden.

DIE MUTTER (7:21)

*

Es ist nicht das seelische Wesen, das aus persönlichen Gründen leidet, sondern das Mental, das Vital und das gewöhnliche Bewusstsein des unwissenden Menschen. Und zwar weil der Kontakt zwischen dem äußeren Bewusstsein und dem seelischen Bewusstsein kein gefestigter ist. Derjenige, in welchem der Kontakt wohl fundiert ist, ist immer glücklich.

Das seelische Wesen arbeitet mit Beharrlichkeit und Inbrunst, um die zu bewerkstelligende Einung zu einer vollendeten Tatsache zu machen, doch beklagt es sich niemals, und weiß auf die Stunde der Verwirklichung zu warten.

DIE MUTTER (14:357)

*

Das reine seelische Wesen besteht aus der Essenz des Ananda, es stammt von der Seligkeitsseele im Universum; das oberflächliche Herz der Emotionen aber wird durch die widerstreitenden Erscheinungen der Welt niedergedrückt, und erduldet viele Reaktionen von Leid, Furcht, Niedergeschlagenheit und Leidenschaft, sowie von kurzlebiger und teilweiser Freude.

SRI AUROBINDO (21:708)

*

Du kannst deine Möglichkeiten vervielfältigen, vergrößern und mehren; du kannst plötzlich etwas hervorbringen, von dem du nicht wusstest, dass es in dir sei ... Wenn man sein seelisches Wesen entdeckt, entwickeln und offenbaren sich gleichzeitig ganz unerwartete Dinge, die man vorher keinesfalls tun konnte, und von denen man nicht annahm, dass sie in der eigenen Natur liegen würden. Auch hiervon weiß ich zahlreiche Beispiele ...

Ich kannte ein junges Mädchen, die in einem sehr durchschnittlichen Milieu geboren wurde, nicht viel Erziehung genossen hatte, sich in einem recht schwerfälligen Französisch ausdrückte, und ihre Vorstellungskraft nicht entwickelt hatte und überhaupt keinen literarischen Sinn besaß: solcherart waren unter anderem die Möglichkeiten, die sie nicht hatte. Nun, dann hatte sie die innere Erfahrung der Fühlungnahme mit ihrem seelischen Wesen, und solange diese lebendig und sehr gegenwärtig war, schrieb sie bewundernswerte Dinge. Wenn sie von diesem [Bewusstseins-] Zustand in ihren gewöhnlichen zurückverfiel, konnte sie keine zwei Sätze richtig zusammenbringen! Und ich sah Beispiele von beiden Arten ihrer Schriftstellerei.

Es ist ein Genius in jedem von uns – wir wissen es nur nicht. Wir müssen den Weg finden, damit er hervortritt, er ist da und schläft, er bittet um nichts anderes, als sich offenbaren zu dürfen; wir müssen ihm die Tür öffnen.

DIE MUTTER (9:396)

*

Ich bin auch gefragt worden, ob das seelische Wesen oder das seelische Bewusstsein dasjenige Medium sei, durch welches die Inspiration wahrgenommen werde.

Im allgemeinen, ja. Der erste Kontakt, den du mit höheren Regionen hast, ist ein seelischer. Gewiss, bevor ein inneres seelisches Öffnen erreicht wird, ist es schwierig, diese Inspirationen zu haben. Es kann ausnahmsweise vorkommen und unter außergewöhnlichen Bedingungen als eine Gnade, doch der wahre Kontakt kommt durch die Seele – weil das seelische Bewusstsein ganz bestimmt das Medium mit der größten Affinität zur göttlichen Wahrheit ist.

Später, wenn man aus dem mentalen Bewusstsein in ein höheres Bewusstsein jenseits des Mentals aufgetaucht ist, selbst jenseits des höheren Mentals, und wenn man sich den Regionen des Obermentals öffnet, und durch das Obermental dem Supramental, kann man die Inspirationen direkt empfangen. Und dort natürlich werden sie häufiger, reicher, wenn man es so ausdrücken will, vollständiger. Es kommt dann eine Zeit, in der Inspiration nach Wunsch erlangt werden kann, das aber setzt offensichtlich eine beträchtliche innere Entwicklung voraus.

DIE MUTTER (10:5)

*

Jeder von euch sollte fähig sein, mit seinem seelischen Wesen die Fühlung aufzunehmen, es ist keine unerreichbare Sache. Dein seelisches Wesen ist genau deshalb da, um dich mit den göttlichen Kräften in Kontakt zu bringen. Und wenn du in Kontakt mit deinem seelischen Wesen bist, beginnst du zu fühlen, eine Art Wahrnehmung dessen zu haben, was göttliche Liebe sein kann. Wie ich gerade gesagt habe, ist es nicht genug, dass du eines Morgens aufwachst und sagst: “Oh, ich wäre gerne in Kontakt mit der göttlichen Liebe”, so ist es nicht. Wenn es dir gelingt, durch eine anhaltende Bemühung, durch eine tiefe Konzentration, durch ein großes Vergessen des Selbstes in Kontakt mit deinem seelischen Wesen zu kommen, würdest du nicht einmal davon träumen, zu denken: “Oh, ich wäre gerne in Kontakt mit der göttlichen Liebe” – du bist dann in einem Zustand, in dem alles diese göttliche Liebe zu sein scheint, und nichts sonst. Und dennoch ist es nur eine Umkleidung, es ist aber die Umkleidung mit einem schönen Gewebe.

Also, die göttliche Liebe braucht nicht für sich und getrennt vom seelischen Wesen gesucht und erkannt werden?

Nein, finde dein seelisches Wesen und du wirst verstehen, was göttliche Liebe ist. Versuche nicht in direkten Kontakt mit der göttlichen Liebe zu kommen, denn dies wird wiederum ein vitales Begehren sein, das dich treibt; du wirst dir dessen vielleicht nicht bewusst sein, aber es wird ein vitales Begehren sein.

Du musst dich bemühen, mit deinem seelischen Wesen in Kontakt zu kommen, bewusst und frei im Bewusstsein deines seelischen Wesens zu werden, und dann, ganz natürlich, spontan, wirst du wissen, was göttliche Liebe ist.

DIE MUTTER (4:245)

*

Auf der physischen Ebene drückt sich das Göttliche durch Schönheit aus, auf der mentalen Ebene durch Wissen, auf der vitalen Ebene durch Macht und auf der seelischen Ebene durch Liebe.

Wenn wir uns hoch genug erheben, entdecken wir, dass diese vier Aspekte sich miteinander in einem einzigen Bewusstsein vereinen, voller Liebe, leuchtend, mächtig, schön, alles enthaltend, alles durchdringend. Allein, um dem universalen Spiel Genüge zu tun, teilt sich dieses Bewusstsein in verschiedene Linien oder Aspekte der Manifestation auf.

DIE MUTTER(15:6)

*

Je tiefer die Emotion, je intensiver die Bhakti ist, desto größer ist die Kraft für die Verwirklichung und Umwandlung. Die Intensität der Emotion bringt meist das seelische Wesen zum Erwachen – und denn öffnen sich die inneren Türen dem Göttlichen.

SRI AUROBINDO (23:780)

*

Die Emotion ist ein gutes Element im Yoga, das emotionale Begehren aber wird leicht zu einer Ursache der Störung, zu einem Hindernis.

Wende deine Emotionen dem Göttlichen zu, strebe nach ihrer Läuterung – dann werden sie zu einer Hilfe auf dem Weg und sind nicht mehr eine Ursache des Leidens.

Die Emotion nicht abzutöten, sondern sie dem Göttlichen zuzuwenden, das ist der richtige Weg im Yoga.

Sie muss aber eine reine Emotion werden und auf spirituellem Frieden und spiritueller Freude aufgebaut sein, und sie muss in Ananda umgewandelt werden können. Gleichmut und Ruhe im Mental und den vitalen Teilen und ein intensives seelisches Gefühl im Herzen können durchaus harmonieren.

Erwecke durch dein Streben das seelische Feuer im Herzen, das stetig zum Göttlichen brennt – das ist der einzige Weg, die emotionale Natur zu befreien und zu vollenden.

SRI AUROBINDO (23:780)

*

Nur die gewöhnlichen vitalen Emotionen sind es, die Energie verschwenden und die Konzentration und den Frieden stören, und die verhindert werden müssen. Emotion als solche ist nichts Schlechtes; sie ist ein notwendiger Teil der menschlichen Natur, und die seelische Emotion ist eine der machtvollsten Hilfen der Sadhana. Diese seelische Emotion, welche die Tränen der Liebe für das Göttliche oder die Tränen des Ananda auslöst, sollte nicht unterdrückt werden; es ist allein das vitale Gemisch, das die Störung in der Sadhana verursacht.

SRI AUROBINDO (23:781)

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Die emotionale Anbetung ist äußerlicher als die seelische – sie neigt dazu, sich äußerlich auszudrücken. Die seelische ist innerlich, und kann die Richtung für das ganze innere und äußere Leben bestimmen. Die emotionale kann zwar intensiv sein, ist aber in ihrer Grundlage weder fest noch machtvoll genug, um richtungsverändernd auf das Leben einzuwirken.

SRI AUROBINDO (23:781)

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Wie oft haben wir das wiederholt: alles, was vom Mental stammt, ist gänzlich relativ. Je gebildeter das Mental ist und sich verschiedenen Disziplinen unterworfen hat, desto fähiger wird es, zu beweisen, dass das, was es vorbringt oder was es sagt, richtig sei. Man kann die Richtigkeit von allem und jedem durch Argumentation beweisen, doch dadurch wird es nicht wahr. Es bleibt eine Meinung, ein Vorurteil, ein Wissen, das auf Erscheinungen beruht, die als solche mehr als zweifelhaft sind.

Es scheint also nur einen Ausweg zu geben, und der ist, seine Seele zu suchen und zu finden. Sie ist da, sie will sich nicht verstecken, sie spricht nicht mit dir, um die Dinge zu komplizieren; im Gegenteil, sie gibt sich große Mühe, dir dabei zu helfen, gefunden und gehört zu werden. Doch zwischen deiner Seele und deinem aktiven Bewusstsein, gibt es zwei Wesen, die eine Menge Lärm schlagen, das Mental und das Vital. Und weil sie viel Lärm machen, während die Seele das nicht tut – oder vielmehr so wenig wie möglich tut –, hindert ihr Lärmen dich daran, die Stimme der Seele zu hören.

Wenn du nun wissen willst, was deine Seele weiß, musst du dich innerlich bemühen, sehr aufmerksam zu sein; und in der Tat, wenn du aufmerksam bist, kannst du hinter dem äußeren Lärm von Mental und Vital etwas sehr Subtiles, sehr Ruhiges, sehr Friedvolles wahrnehmen – etwas das weiß, und auch sagt, was es weiß. Aber die Hartnäckigkeit der anderen ist so zwingend, während jene so ruhig ist, dass du sehr leicht verleitet wirst, auf das zu hören, was den meisten Lärm macht; meist erkennst du erst hinterher, dass jene recht hatte. Sie erlegt sich dir nicht auf, sie zwingt dich nicht zu hören, denn sie ist ohne Ungestüm.

Wenn du zögerst, wenn du dich fragst, was unter diesen oder jenen Umständen zu tun sei, kommen das Begehren und die mentalen und vitalen Vorlieben, die einen Druck ausüben, die beharren, bestätigen und sich aufdrängen und, mit den besten Gründen der Welt, Beweismaterial für sich aufbauen. Und wenn du nicht auf der Hut bist, wenn du dir nicht eine feste Disziplin auferlegt hast, wenn du nicht die Gewohnheit der Selbstkontrolle hast, überzeugen sie dich schließlich, dass sie im Recht sind. Und, wie ich kurz zuvor sagte, sie schlagen soviel Lärm, dass du die winzige Stimme oder die winzige, sehr ruhige Andeutung der Seele nicht einmal hörst, welche sagt: “Tu es nicht.”

Dieses “Tu es nicht” kommt oft, doch du verwirfst es als etwas, das keine Macht hat und folgst deinem impulsiven Geschick. Doch wenn du wahrhaft aufrichtig bist in deinem Willen, die Wahrheit zu finden und zu leben, dann lernst du immer besser zu hören, du lernst mehr und mehr zu unterscheiden, und selbst wenn es dich eine Anstrengung kostet, selbst wenn es dir Schmerz verursacht, lernst du zu gehorchen. Und selbst, wenn du nur einmal gehorcht hast, ist es eine machtvolle Hilfe, ein beträchtlicher Fortschritt auf dem Pfad der Unterscheidung zwischen dem, was die Seele ist und was nicht. Mit diesem Unterscheidungsvermögen und der notwendigen Aufrichtigkeit, wirst du mit Sicherheit das Ziel erreichen.

Nur solltest du es nicht eilig haben, du darfst nicht ungeduldig sein, du musst sehr ausdauernd sein. Du tust zehn Mal das Falsche, bevor du einmal das Richtige tust. Wenn du aber das Falsche tust, darfst du nicht alles verzweifelt aufgeben, sondern musst dir sagen, dass die Gnade dich niemals verlässt, und dass es das nächste Mal besser sein wird.

Wir sagen also abschließend, dass du, um die Dinge zu erkennen wie sie sind, dich zuerst mit deiner Seele vereinen musst, und um dich mit deiner Seele vereinen zu können, musst du es beharrlich und ausdauernd wollen.

Nur die Intensität der Konzentration auf das Ziel kann den Weg verkürzen.

DIE MUTTER(10:24)

*

Liebe Mutter, ist es möglich mit dem menschlichen Mental die Seele eines anderen Menschen zu erkennen?

Die Dinge sind nicht so scharf umrissen und getrennt wie sie im Sprechen sind; genau deshalb ist es ziemlich schwierig, in sich selbst sehr klar und deutlich die verschiedenen Teile des Wesens zu sehen, außer man hatte ein sehr langes Training und eine lange Schulung, um zu lernen und zu beobachten. Es gibt keine Isolierungen zwischen der Seele und dem Mental, dem Vital, und selbst dem Physischen. Es gibt eine Infiltration der Seele in das Mental. In manchen Menschen ist sie sogar ganz beträchtlich, sie ist wahrnehmbar. Daher ist der Teil des Mentals, der eine gewisse Sensibilität hat, einen gewissen subtilen Kontakt mit dem seelischen Wesen, fähig, die Gegenwart der Seele in anderen zu fühlen.

Jene, die in bestimmten Ausmaß die Fähigkeit haben in das Bewusstsein von anderen einzutreten, bis zu dem Punkt, wo sie fähig sind, deren Denken und mentale Aktivität direkt wahrzunehmen oder zu fühlen, welche in die mentale Atmosphäre von anderen eintreten können, ohne Worte gebrauchen zu müssen, um sich verständlich zu machen – diese Menschen können leicht unterscheiden zwischen jemanden, dessen Seele aktiv ist und jemanden, dessen Seele schläft. Die Aktivität der Seele gibt der mentalen Aktivität eine besondere Färbung – sie ist leichter, umfassender und leuchtender – das kann gefühlt werden. Zum Beispiel, wenn du in die Augen von jemanden schaust, vermagst du mit einiger Sicherheit zu sagen, dass diese Person eine lebendige Seele hat, oder aber, dass du seine Seele in seinen Augen nicht siehst. Viele Menschen können das fühlen und sagen – “viele”, ich meine, unter den entwickelten Menschen. Aber natürlich, genau zu wissen, wie weit jemandes Seele erwacht und aktiv ist, inwieweit sie das Wesen lenkt, inwieweit sie der Meister ist, muss man selbst das seelische Bewusstsein haben, denn allein das kann endgültig entscheiden. Es ist trotzdem nicht ganz ausgeschlossen, eine innere Vibration zu spüren, die dich sagen lässt: “Oh, diese Person hat eine Seele.”

Nun, offensichtlich ist meist das, was die Menschen “Seele” nennen – einige Initiierte ausgenommen – die vitale Aktivität. Wenn jemand ein starkes, aktives, widerspenstiges Vital hat, das die Tätigkeiten des Körpers lenkt, das einen sehr lebendigen oder intensiven Kontakt mit Menschen und Dingen und Ereignissen hat, wenn es einen ausgeprägten Sinn für Kunst hat, für alles, was Schönheit ausdrückt, sind wir im allgemeinen versucht zu sagen: “Oh, er hat eine lebendige Seele”; es ist aber nicht seine Seele, es ist sein vitales Wesen, das lebendig ist, und die Tätigkeiten des Körpers dominiert. Das ist der erste Unterschied zwischen jemanden, der sich zu entwickeln beginnt und jenen, die noch in der Trägheit, dem tamas des rein stofflichen Lebens befangen sind. Es verleiht sowohl der Erscheinung als auch der Tätigkeit eine Art Vibration, eine intensive Vibration, die oft den Eindruck entstehen lässt, dass diese Person eine lebendige Seele hat; es stimmt aber nicht, es ist ihr Vital, das entwickelt ist, das eine spezielle Fähigkeit besitzt, und stärker als die physische Trägheit ist, und eine Vibration, ein Leben und eine Aktivität von großer Intensität verleiht, welche jene, deren vitales Wesen nicht entwickelt ist, nicht besitzen. Diese Verwechslung zwischen vitaler Aktivität und der Seele ist eine sehr häufige ... Die vitale Vibration ist viel eher wahrnehmbar für das menschliche Bewusstsein als die Vibration der Seele.

Um die Seele in jemanden wahrzunehmen, muss das Mental in der Regel sehr ruhig sein – sehr ruhig, denn wenn es aktiv ist, werden seine Vibrationen gesehen, nicht die der Seele.

Und dann, wenn du jemanden betrachtest, der sich seiner Seele bewusst ist und in seiner Seele lebt – wenn du ihn betrachtest, hast du den Eindruck in die Person hinabzusteigen, tief, tief, tief in sie einzutreten, weit, weit, weit, weit innen; während meist, wenn du in die Augen von jemanden schaust, du sehr bald auf eine Fläche stößst, die vibriert und deinen Blick erwidert, aber du hast nicht das Gefühl, hinabzusteigen, nach unten, tief wie in ein Loch, und sehr weit, sehr, sehr, sehr weit innen, ... und dann hast du ... eine kleine, sehr ruhige Reaktion. Im anderen Fall trittst du ein – es gibt Augen, in die du nicht eintreten kannst, sie sind geschlossen wie eine Tür. Und wiederum gibt es Augen, die offen sind – du trittst ein und dann, ziemlich nah dahinter, erreichst du etwas, das pulsiert, so, manchmal leuchtend, vibrierend. Und dann, das ist es; wenn du dich irrst, sagst du: “Oh, er hat eine lebendige Seele" – es stimmt nicht, es ist sein Vital.

Um die Seele zu finden, musst du es so machen (Geste des Tief-nach-Innen Gehens), so, zieh dich zurück von der Oberfläche, zieh dich tief nach innen zurück und geh hinein, geh hinunter, hinunter in ein sehr tiefes Loch, still, reglos, und dort, dort ist eine Art von ... etwas Warmes, Ruhiges, reich an Substanz und sehr still, sehr voll, wie etwas Süßes, das ist deine Seele.

Und wenn man beharrlich und sich seiner selbst bewusst ist, stößt man auf eine Art von Fülle, die das Gefühl von etwas Vollständigem verleiht, das unergründliche Tiefen birgt, die, würde man in sie eintreten, viele Geheimnisse enthüllten ... wie die Spiegelung von etwas Ewigem in sehr friedvollen Wassern. Und man fühlt sich nicht länger durch die Zeit begrenzt.

Man hat das Gefühl, immer gewesen zu sein und in alle Ewigkeit zu sein.

So ist es, wenn man den Kern der Seele berührt hat.

Und wenn der Kontakt bewusst und vollständig genug war, befreit er dich von der Fessel der äußeren Form; du hast nicht länger die Empfindung, dass du nur deshalb lebst, weil du einen Körper hast. Das ist meist die übliche Empfindung des Wesens, so sehr an diese äußere Form gebunden zu sein, dass man an den Körper denkt, wenn man an “sich selbst” denkt. Das ist die übliche Sache. Die persönliche Wirklichkeit ist die Wirklichkeit des Körpers. Erst wenn man sich um die innere Entwicklung bemüht und versucht hat, “etwas” im eigenen Wesen zu finden, das ein wenig beständig ist, beginnt man zu fühlen, dass dieses “Etwas”, das durch alle Zeiten und allen Wechsel immer bewusst ist, dass dieses Etwas “ich selbst” sein muss. Das jedoch erfordert bereits ein Forschen, das ziemlich tief geht. Im anderen Fall, wenn du denkst: “Ich werde dies tun”, “Ich brauche jenes”, ist es immer dein Körper, eine kleine Art von Willen, der aus einem Gemisch von Gefühlen besteht, von mehr oder weniger verworrenen, sentimentalen Reaktionen und noch konfuseren, vermischten Gedanken, die von einem Impuls, einer Anziehung, einem Begehren, einer Art von Willen angeregt werden; und all das wird augenblicklich “ich selbst” – aber nicht direkt, denn man sieht dieses “ich selbst” nicht als unabhängig von Kopf, Körper, Armen und Beinen und allem, was sich bewegt an – es ist sehr eng damit verbunden.

Erst nachdem du viel nachgedacht, viel gesehen, viel gelernt, viel beobachtet hast, beginnst du zu erkennen, dass das eine mehr oder weniger unabhängig vom anderen ist, und dass der Wille dahinter, es entweder handeln lässt oder nicht, und dann fängst du an, dich mit der Bewegung, der Tätigkeit, nicht mehr völlig zu identifizieren, zu erkennen, dass etwas schwebt. Doch um das zu erkennen, hast du viel zu beobachten.

Und dann musst du noch viel mehr beobachten, um zu sehen, dass diese zweite Sache, diese Art von aktivem, bewussten Willen von etwas anderem in Bewegung gesetzt wird, das beobachtet, urteilt, entscheidet und versucht, seine Entscheidungen auf Wissen zu gründen – das geschieht noch viel später. Und daher, wenn du beginnst dieses “etwas andere” zu sehen, beginnst du zu erkennen, dass es die Macht hat, die zweite Sache, die ein aktiver Wille ist, in Bewegung zu setzen; und nicht nur das, sondern dass es eine sehr direkte und sehr wichtige Wirkung auf die Reaktionen hat, die Gefühle, die Sinneswahrnehmungen, und dass es schließlich alle Regungen des Wesens zu kontrollieren vermag – dieser Teil, der wacht, beobachtet, urteilt und entscheidet. Das ist der Anfang der Kontrolle. Wenn man sich dessen bewusst wird, hat man den Faden ergriffen, und wenn man von Kontrolle spricht, weiß man: “Ah, ja, dies ist es, was die Macht der Kontrolle hat.

So lernt man sich selbst beobachten.

DIE MUTTER (9:308)

*

Zu Beginn der Menschheit war das Ego das einende Element. Um das Ego wurden die verschiedenen Daseinszustände gruppiert; doch nun, da die Geburt der Übermenschheit vorbereitet wird, muss das Ego verschwinden und dem seelischen Wesen Platz machen, das durch die göttliche Intervention langsam geformt wurde, um das Göttliche im menschlichen Wesen zu manifestieren.

Unter diesem Einfluss der Seele manifestiert sich das Göttliche im Menschen und bereitet so das Kommen der Übermenschheit vor. Die Seele ist unsterblich, und es ist die Seele, durch welche die Unsterblichkeit auf Erden manifestiert werden kann.

Daher ist das Wichtige, jetzt die Seele zu finden, sich mit ihr zu einen, und ihr zu erlauben, das Ego zu ersetzen, das gezwungen werden wird, sich entweder umwandeln zu lassen oder zu verschwinden.

DIE MUTTER (16:432)

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Glossar

Die meisten Erläuterungen der unten angeführten Ausdrücke wurden den Schriften Sri Aurobindo entnommen.

Zur Sanskritschreibweise: Sri Aurobindo verwendet für Sanskritworte häufig eine allgemein gebräuchliche Transkription mit Großschreibung und ohne diakritische Zeichen. In dieser freieren Schreibweise wird zum Beispiel das Wort sraddha “Shraddha” geschrieben. Es handelt sich dabei meist um häufig vorkommende Worte, die er in den englischen Text einfügt. Er verwendet jedoch ebenso die Original-Sanskritschreibweise, in welcher die Worte klein geschrieben und mit diakritischen Zeichen versehen werden; im Druck wird dies kursiv hervorgehoben. Die deutsche Übersetzung folgt dieser Methode. – Anmerkung der Übersetzerin

*

adhara (Adhar)
Fahrzeug (Gefäß, Stütze); dasjenige, worin Bewusstsein jetzt enthalten ist; Mental-Leben-Körper.

agni (Agni)
Gottheit des Feuers.

agni pavaka
das läuternde Feuer; das seelische Feuer.

ananda (Ananda)
Seligkeit, Entzücken, Glückseligkeit, spirituelle Ekstase; das essentielle Prinzip des Entzückens; ein Selbst-Entzücken, welches die eigentliche Natur des transzendenten und unendlichen Daseins ist.

annamaya purusa (Annamaya Purusha)
die Seele im Körper; physisches, bewusstes Wesen; stoffliches Wesen.

apara prakrti
die niedere Natur, die äußere objektive und oberflächlich subjektiv scheinende Natur, die sich in jedem Mental, Leben und Körper manifestiert.

Aspiration
wird in dieser Übersetzung als gleichbedeutend mit Streben, Sehnen gebraucht.

asura (Asura)
der Starke oder Mächtige, ein Titan; ein feindliches Wesen.

atman (Atman)
Selbst; Spirit; die ursprüngliche und eigentliche Natur unseres Daseins; das wahre und höchste Selbst.

äußere Wesen (das)
das Oberflächenwesen in uns, das aus unserem gewöhnlichen äußeren Mental-, Leben- und Körperbewusstsein besteht, im Gegensatz zum inneren Wesen, das aus einem inneren Mental, einem inneren Leben und einem inneren physischen Bewusstsein besteht, die sich hinter dem Schleier befinden.

avatara (Avatar)
Inkarnation; die Herabkunft in eine Form; die Offenbarung der Gottheit in der Menschheit; das Göttliche in einer menschlichen Erscheinung manifestiert.

avidya (Avidya)
die Unwissenheit; das Bewusstsein der Vielheit; das relative und vielfache Bewusstsein.

Begierdenseele (die) (desire-soul)
die Oberflächenseele in uns, die in unserem vitalen Verlangen wirkt, in unseren Emotionen, in unserer ästhetischen Fähigkeit, und in unserem mentalen Suchen nach Macht, Wissen und Glück.

Bewusstsein (das)
die fundamentale Sache im Dasein; es ist die Energie, die Bewegung, die Bewegung des Bewusstseins, die das Universum erschafft und alles, was es enthält.

bhakta (Bhakta)
der Liebende des Göttlichen; der Anbetende.

bhakti (Bhakti)
Liebe zum Göttlichen, Anbetung des Göttlichen.

bindu (Bindu)
Tupfen, Fleck, Punkt.

brahman (Brahman)
die Wirklichkeit; das Ewige; das Absolute; der Spirit; das Höchste Wesen; der Eine, neben dem nicht anderes besteht.

caitya purusa (Chaitya Purusha)
die seelische Person; das seelische Wesen.

citta (Chitta)
elementares Bewusstsein; Mental-Substanz; die allgemeine Substanz des mentalen Bewusstseins.

devayana
ein Reisen der Götter oder zu den Göttern

dharma (Dharma)
Gesetz des Wesens, Standard der Wahrheit, Regel oder Gesetz des Handelns; das kollektive indische Konzept der religiösen, sozialen und moralischen Regel und Einstellung; die ethische Haltung und das rechte Gesetz des individuellen und sozialen Lebens.

Ebenen über dem Kopf (die)
aufeinander folgende Zustände, Ebenen, Stufen oder abgestufte Mächte des Wesens oberhalb unseres normalen Mentals, verborgen in unseren überbewussten Teilen; höhere Bereiche des Mentals; Abstufungen von spirituellem Bewusstsein und spiritueller Erfahrung.

Feindliche Kräfte
Kräfte, die alles zu entstellen suchen, gegen das Göttliche revoltieren und sich dem Yoga widersetzen.

Göttliche (das)
die Höchste Wahrheit, das Höchste Wesen, von dem alle stammen, und in dem alle sind.

Höheres Mental
eine der Ebenen des spirituellen Mentals, die erste und niedrigste; eine erste Ebene spirituellen Bewusstseins.

hrdaye guhayam
die geheime Höhle des Herzens.

Inneres Mental
das, was hinter dem Oberflächen-Mental, hinter unserer gewöhnlichen Mentalität liegt; es ist ein Teil des inneren Wesens.

Inneres Physisches
siehe inneres Wesen

Inneres Vital
siehe inneres Wesen

Inneres Wesen
das innere Mental, das innere Vital, das innere Physische mit der Seele dahinter als dem innersten Wesen; das innere Wesen ist das wahre Wesen.

Innerstes Wesen
siehe seelisches Wesen

Integraler Yoga
der volle Yoga, Puma Yoga; ein vierfacher Pfad; ein Yoga des Wissens für das Mental, ein Yoga der Bhakti für das Herz, ein Yoga der Werke für den Willen und ein Yoga der Vollendung für die ganze menschliche Natur; seine zwei hauptsächlichen Elemente sind: erstens, das Akzeptieren der Welt als einer Manifestation der Göttlichen Macht, und nicht ihre Zurückweisung als Missgriff oder Illusion; und zweitens, das Akzeptieren dieser Manifestation als einer spirituellen Evolution mit dem Yoga als Hilfsmittel für die Umwandlung von Mental, Leben und Körper in Instrumente einer spirituellen und supramentalen Vollendung.

isvara-sakti (Ishwara-Shakti)
das zweifache Prinzip des Herrn (isvara) und seiner ausführenden Macht (sakti)

jivatman (Jivatman)
das individuelle Selbst; das zentrale Wesen; der atman, Spirit oder das ewige Selbst des lebenden Wesens; das vielfache Göttliche, welches als das individualisierte Selbst oder der individualisierte Spirit des erschaffenen Wesens hier manifestiert ist.

karma (Karma)
Tun, Arbeit; das Prinzip von Ursache und Wirkung im menschlichen Leben; angehäufte Saat vergangenen Tuns.

Kraft (die)
die göttliche Kraft

ksara purusa (Kshara Purusha)
die Seele in der Natur; der Spirit in der Veränderlichkeit der kosmischen Erscheinung und des kosmischen Werdens.

Lebenskraft (die)
die reine vitale Energie oder Lebens-Energie, in Sanskrit Prana genannt.

manomaya purusa (Manomaya Purusha)
die mentale Person; das mentale Wesen.

Mental (das)
in seinem allgemeinen Gebrauch bezieht das Wort unterschiedslos das gesamte Bewusstsein mit ein; denn der Mensch ist ein mentales Wesen und mentalisiert alles; doch in der Sprache des Yogas werden die Worte “Mental” und “mental” gebraucht, um spezifisch denjenigen Teil der menschlichen Natur zu bezeichnen, der mit Kenntnis und Intelligenz zu tun hat, mit Ideen, mit mentalen oder gedanklichen Wahrnehmungen, den gedanklichen Reaktionen auf die Dinge, mir den wahren mentalen Bewegungen und Formierungen, mir mentaler Schau und mentalem Willen etc., die Teile seiner Intelligenz sind.

Mentale Hülle (die)
eine der drei Hüllen des Bewusstseins in uns; die drei Hüllen sind: die stoffliche, annakosa, in welcher der physische Kontakt und das physische Bild empfangen und geformt werden; die vitale oder nervliche Hülle, pranakosa, in welcher der nervliche Kontakt und die nervliche Formierung stattfinden; und die mentale Hülle, manahkosa, in welcher mentaler Kontakt und mentale Vorstellung stattfinden.

Mentale Welt (die)
eine Welt mentaler Existenz, in welcher weder Leben noch Materie, sondern das Mental der erste entscheidende Faktor ist.

moksa (Moksha)
Erlösung, Befreiung; spirituelle Befreiung.

mukti (Mukti)
Befreiung

nirvana (Nirvana)
das Erlöschen des Egos, des Begehrens und der egoistischen Tat und Mentalität.

Obermental (das)
die höchste der Ebenen unterhalb des Supramentals.

papa (Papa)
Sünde, Schuld.

paramesvara (Parameshvara)
höchster Gott

para prakrti
die höchste Natur; die eigentliche Natur des Göttlichen; die unendliche, zeitlose, bewusste Macht des selbstbestehenden Wesens, aus dem sich alle Existenzen im Kosmos manifestieren.

para prakrtir jivabhuta
die spirituelle Natur, die zum jiva wurde.

Persönlichkeit (die)
eine komplexe Zusammensetzung der Natur mit vielen Schichten und weiteren Schichten innerhalb jeder Schicht; eine zeitweilige mentale, vitale oder physische Formierung, die vom Wesen, der wirklichen Person, der seelischen Wesenheit, zur Oberfläche gebracht wird.

Physische (das)
der äußerste Teil des Wesens; alles hat einen physischen Teil – es gibt ein mentales Physisches, ein Mental des Körpers; das emotionale Wesen hat einen physischen Teil; das Stoffliche ist das Stofflichste des Physischen.

pitryana
der Weg der Väter, von dem angenommen wird, dass er in geringere Welten führt, die die Väter erlangten, die noch zu der Evolution der Unwissenheit gehören.

prakrti (Prakriti)
Natur, Natur-Kraft.

pranamaya purusa (Pranamaya Purusha)
die Seele im Leben; das wahre vitale Wesen.

punya
Tugend, Verdienst;

purusa (Purusha)
Person; bewusstes Wesen; bewusste Seele; essentielles Wesen, welches das Spiel der prakrti stützt.

purusa antaratman (Purusha Antaratman)
das bewusste Wesen als das innere Selbst oder die Seele.

sadhaka (Sadhak)
jemand, der die Sadhana oder den Yoga ausübt.

sadhana (Sadhana)
die Ausübung des Yoga; die Übung, durch welche Vollendung erreicht wird (siddhi); spirituelles Selbst-Training, spirituelle Übung.

samata (Samata)
Gleichmut, Ausgeglichenheit.

Seele
der Funke des Göttlichen, der in allen Dingen ist.

Seelen-Personalität (die)
das seelische Wesen oder die Seelenform, die sich in der Evolution entwickelt und von Leben zu Leben geht, bis alles für die höhere Evolution jenseits der Unwissenheit bereit ist.

Seelen-Funke (der)
der Funke des Göttlichen, der die obskure Masse der äußeren Natur stützt, und um den das seelische Wesen wächst, die geformte Seele oder der wirkliche Mensch im Inneren.

Seelisch
das seelische Wesen; (manchmal) die seelische Essenz.

Seelische Individualität (die)
die individualisierte Seele, die von hinter dem Herz-Zentrum die mentale, vitale, physische und seelische Evolution des Wesens in der Natur stützt; das seelische Wesen.

Seelisches Wesen
die Seele; wenn die Seele, ein Funke des Göttlichen, der in allem Leben und aller Materie gegenwärtig ist, im Laufe der Evolution eine Individualität zu entwickeln beginnt, dann wird diese seelische Individualität “seelisches Wesen” genannt.

Seelische Wesenheit (die)
der Funke des Göttlichen, der als das innere göttliche Prinzip in die Evolution herabkommt, um die Evolution des Individuums aus der Unwissenheit in das Licht zu unterstützen; sie wächst hinter dem Mental, Vital und dem Physischen als das seelische Wesen.

Selbst (das)
unser selbst-bestehendes Wesen; das bewusste, essentielle Dasein, eins in allen.

siddhi (Siddhi)
Vervollkommnung, Vollendung, Erfüllung der Ziele der Selbst Disziplin durch den Yoga.

sraddha
Riten, die zu Ehren und für das Wohl der Toten abgehalten werden.

Subliminal (das)
das innere Wesen in seiner Totalität von innerem Mental, innerem Leben, innerem Physischen, gestützt von der Seele oder der seelischen Wesenheit.

Subtiler Körper
die Hülle und subtil-physische Stütze des inneren Wesens.

Subtil Physisch (feinstofflich)
eine feine Hülle, nächst dem Physischen und ihm am meisten gleichend, jedoch im Besitz einer Freiheit, Plastizität, Intensität, Macht und Farbe und Weite und einem vielfältigen Spiel, von dem wir bislang auf Erden keine Möglichkeit haben.

Supramental (Supermind) (das)
das volle Wahrheitsbewusstsein der Göttlichen Natur, in welchem das Prinzip der Teilung und Unwissenheit nicht besteht, welches immer voll eines Lichtes und Wissens ist, das jede mentale Substanz oder mentale Regung übersteigt; im Supramental hören mentale Trennungen und Gegensätze auf zu bestehen, die Probleme, die durch unser trennendes und zerstückelndes Mental geschaffen werden, verschwinden und die Wahrheit wird als ein leuchtendes Ganzes erkannt.

tamas (Tamas)
Dunkelheit, Obskurität; Unwissenheit und Trägheit; die Kraft des Unbewussten.

tapasya (Tapasya)
Bemühung, energetische Spannung, Enthaltsamkeit des persönlichen Willens, asketische Kraft, Askese; Konzentration des Willens und der Energie, um das Mental, Vital und Physische zu kontrollieren und zu wandeln, oder um das höhere Bewusstsein herabzubringen, oder für jeden anderen yogischen oder hohen Zweck.

Umwandlung (die)
der Zustand, in welchem das höhere Bewusstsein oder die höhere Natur in das Mental, Vital und den Körper herabgebracht wird und an die Stelle der niederen Natur tritt.

Unbewusste (das)
in seiner kosmischen Manifestation offenbart der Höchste, da er das Unendliche ist und nicht durch irgendwelche Begrenzung gebunden, in seinem Bewusstsein der unendlichen Möglichkeiten etwas, das das Gegenteil seiner selbst zu sein scheint, etwas, worin Finsternis, Unbewusstheit, Trägheit, Fühllosigkeit, Disharmonie und Zerfall sein kann; es ist das Unbewusste am Grunde der stofflichen Welt.

Unterbewusste (das)
der völlig unterdrückte Teil unseres Wesens, in welchem es keinen wach-bewussten und zusammenhängenden Gedanken, Willen, keine Empfindung oder geordnete Reaktion gibt, der aber dennoch dunkel die Eindrücke von allen Dingen empfängt und in sich bewahrt, und von dem ebenfalls alle Arten von Anregungen, von beharrlich gewohnten Regungen, roh wiederholt oder in eigenartige Formen verkleidet, in den Traum oder die Wachnatur aufschießen können.

Unwissenheit (die)
ein Schleier, der Mental, Körper und Leben von ihrem Ursprung und ihrer Wirklichkeit, Sachchidananda, trennt; das Bewusstsein, sich in der Abfolge der Zeit zu befinden; es wird Unwissenheit genannt, da es das Wissen der Einheit hinter sich gelassen hat, und da es nicht fähig ist, weder sich selbst noch die Welt, weder die transzendente noch die universale Realität wahrhaft und vollständig zu kennen.

upanisad (Upanishade)
eine Gruppe heiliger Schriften der Hindus, die als Quelle der Vedanta Philosophie angesehen werden.

Vital (das)
die Lebensnatur, die aus Begierden besteht, aus Sinneswahrnehmungen, Gefühlen, Leidenschaften, Tatenergien, dem Willen des Begehrens, den Reaktionen der Begierden-Seele und dem ganzen Spiel von besitzergreifenden und anderen verwandten Instinkten, wie Ärger, Furcht, Gier, Lust etc.

Vitale Hülle (die)
Nerven-Körper; Nerven-Hülle.

Vitales Mental (das)
eine Art Vermittler zwischen Vital und eigentlichem Mental; ein Teil der Vital-Natur, dessen Aufgabe es nicht ist, zu denken und vernünftig zu folgern, wahrzunehmen, zu betrachten und etwas herauszufinden oder zu bewerten, sondern zu planen oder zu träumen oder sich vorzustellen, was getan werden könnte.

Vitales Physisches
der Nerven-Teil des Wesens; die Lebenskraft, die eng verknüpft ist mit den Reaktionen, Begierden, Erfordernissen und Empfindungen des Körpers.

Wahrheit (die)
die höchste spirituelle Wahrheit.

Wahrheits-Bewusstsein (das)
das Bewusstsein der essentiellen Wahrheit des Wesens; es hat eine direkte Schau der Wahrheit.

Wissen
Bewusstsein der Wahrheit; das Bewusstsein der Einen Realität.

yoga (Yoga)
eine methodische Bemühung zur Selbst-Vervollkommnung.

yogadrsti (Yogadrishti)
yogische (Macht der) Vision.

yogin (Yogin)
jemand, der den Yoga ausübt; jemand, der eine gefestigte Verwirklichung erlangt hat.

Zwischenbereich (der)
ein verworrener Zustand oder Durchgang, in welchem man das persönliche Bewusstsein verlässt und sich dem Kosmischen öffnet (dem kosmischen Mental, dem kosmischen Vital, dem kosmischen Physischen und vielleicht einem Teil des kosmischen Höheren Mentals), ohne jedoch die menschlichen Mental-Ebenen überschritten zu haben; man ist nicht im Besitz der göttlichen Wahrheit auf ihren eigenen Ebenen und hat auch keinen direkten Kontakt mit ihr, kann aber etwas von dorther empfangen, selbst vom Obermental auf indirekte Weise; da man aber noch in der kosmischen Unwissenheit befangen ist, kann alles, was von oben kommt vermischt und entstellt und von niedrigen und sogar feindlichen Mächten für ihre Zwecke ergriffen worden sein.

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Quellennachweis

Die Abschnitte in diesem Buch wurden der Gesamtausgabe der Werke Sri Aurobindos aus dem Jahre 1972 (Sri Aurobindo Birth Centenary Library) sowie den Gesammelten Werken der Mutter (Collected Works ofthe Mother) entnommen. Die einzige Ausnahme ist der erste Abschnitt auf S. 3, welcher der Zeitschrift Sri Aurobindo: Archives and Research, Band 3, Nr. 2, S. 202-03, entnommen wurde. Alle in diesem Buch angeführten Werke Sri Aurobindos wurden in Englisch verfasst; diejenigen der Mutter wurden entweder von ihr in Englisch verfasst oder später aus dem französischen Original in Englische übersetzt.

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SRI AUROBINDO BIRTH CENTENARY LIBRARY

Band 9 The Future Poetry

Band 18 The Life Divine: Book One and Book Two, Part One

Band 19 The Life Divine: Book Two, Part Two

Band 20 The Synthesis of Yoga: Parts One and Two

Band 21 The Synthesis of Yoga: Parts Three and Four

Band 22 Letters on Yoga: Part One

Band 23 Letters on Yoga: Parts Two and Three

Band 24 Letters on Yoga: Part Four

Band 25 The Mother

COLLECTED WORKS OF THE MOTHER

Band 2 Words of Long Ago

Band 3 Questions and Answers

Band 4 Questions and Answers 1950-51

Band 5 Questions and Answers 1953

Band 6 Questions and Answers 1954

Band 7 Questions andAnswers 1955

Band 8 Questions and Answers 1956

Band 9 Questions and Answers 1957-58

Band 10 On Thoughts and Aphorisms

Band 12 On Education

Band 14 Words of the Mother

Band 15 Words of the Morher

Band 16 Some Answers of the Mother

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Die Quellenangaben nach den Textauszügen erscheinen in abgekürzter Form. Die erste Zahl bezeichnet den Band der englischen Gesamtausgabe und die folgende Zahl die Seite in diesem Band. Alle Angaben beziehen sich auf die beiden englischen Gesamtausgaben.

 

1 Die citta und der seelische Teil sind ganz und gar nicht das gleiche. Citta ist ein Ausdruck aus einer völlig anderen Kategorie; in ihr werden die hauptsächlichen Funktionen unseres äußeren Bewusstseins koordiniert und geordnet, und um sie zu erkennen, brauchen wir nicht hinter unsere Oberfläche oder äußere Natur zu gehen.

“Kategorie” bedeutet hier eine andere Klasse psychologischer Faktoren, tattva-vibhaga. Die Seele gehört zu einer Klasse – Supramental, Mental, Leben, Seele, Körper – und bezieht sowohl die innere als auch die äußere Natur mir ein. Citta gehört einer ganz anderen Klasse oder Kategorie an – buddhi, manas, citta, prana usw. –, dies ist die Klassifikation der gewöhnlichen indischen Psychologie des äußeren Wesens. In dieser Kategorie werden von den indischen Denkern nur die Hauptfunktionen unseres äußeren Bewusstsein koordiniert und geordnet; citta ist eine der hauptsächlichen Funktionen dieses äußeren Bewusstseins, wir brauchen daher, um sie zu erkennen, uns nicht hinter unsere äußere Natur zu wenden.

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2 Mit Solarplexus meint die Mutter die Herz- (nicht die Nabel-) Region. Das geht aus einer anderen Äußerung hervor, wo sie sagt: “Im allgemeinen ist es im Herzen, hinter dem Solar-Plexus, wo man diese leuchtende Gegenwart findet. Siehe auch die Antwort zu der Frage: “Ist das seelische Wesen im Herzen?” (S. 146)

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3 Das Wort “Seele” wird in unserem gewöhnlichen Sprachgebrauch meist in Bezug auf diese Begierdenseele, und nicht die wahre Seele gebraucht. Noch freier wird es hinsichtlich psychologischer und anderer Erscheinungen von abnormaler oder übernormaler Art benutzt, die in Wirklichkeit mit dem inneren Mental, dem inneren Vital und dem Feinstofflichen verbunden sind, subliminal in uns, und die nichts mit der direkten Tätigkeit der Seele zu tun haben. Selbst Phänomene wie Materialisierung und Entmaterialisierung sind hierin eingeschlossen, obwohl sie ganz offensichtlich keine Seelentätigkeiten darstellen, und kein Licht auf die Natur oder das Dasein der seelischen Wesenheit werfen können.

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4 Mutter gebraucht im folgenden, wenn sie von der Seele spricht, die dritte Person Einzahl.

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5 Zu der Zeit, als dieses Gespräch veröffentlicht wurde, fügte die Mutter der Genauigkeit halber folgende Bemerkung hinzu: “Einige Teile des Vitals sind Welten der Unordnung und die Wesen, die dem Vital innewohnen, haben kein seelisches Wesen. Das seelische Wesen existiert nur auf Erden, in der physischen Welt. Daher sagte ich in Kürze, dass der göttliche Funke, der die Seele um sich anordnet, die Welten der Unordnung überging und sich direkt in der physischen Welt manifestierte, um dort diese Möglichkeit der Ordnung um den göttlichen Funken zu schaffen.

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