Mutters
Agenda
ersten Band
18. Januar 1957
(Brief von Satprem an Mutter)
Pondicherry, 18. Januar 1957
Liebe Mutter,
Mich zerreißt der Konflikt zwischen dem Schattenteil einer Vergangenheit, die nicht sterben will, und dem neuen Licht. Ich frage mich, ob anstatt in irgendeine Wüste zu fliehen, es nicht besser wäre, diesen Konflikt zu lösen, indem ich ihn objektiviere und das Buch schreibe, über das ich mit Dir sprach.
Aber ich möchte wissen, ob es tatsächlich nützlich ist, dieses Buch zu schreiben, oder ist es eine untergeordnete Aufgabe, ein Notbehelf?
Du sagtest mir einmal, ich könnte Dir "nützlich" sein. Und zufällig stieß ich vor kurzem auf diese Stelle von Sri Aurobindo: "Jeder hat etwas Göttliches in sich, etwas ihm Eigenes, eine Möglichkeit der Vervollkommnung und Kraft in einer bestimmten Sphäre, wie klein auch immer, die Gott ihm anbietet, und er kann sie annehmen oder zurückweisen."
Könntest Du mir als Gnade sagen, was dieses Besondere in mir ist, das Dir nützlich sein, Dir dienen kann? Wenn ich wissen könnte, welches meine wahre Aufgabe in dieser Welt ist... Alle die widersprüchlichen Anstöße in mir stammen daher, daß ich wie eine ungenutzte Kraft bin, wie ein Wesen, dessen Platz nicht bestimmt ist.
Was siehst Du in mir, Mutter? Erfülle ich im Schreiben das, was erfüllt werden muß – oder gehört all das noch einer niederen Welt an? Und wozu kann ich dann dienen? Wenn ich zu etwas nützlich wäre, würde mir das ein wenig Luft zum Atmen geben.
Dein Kind
Bernard