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Mutters

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ersten Band

19. Mai 1959

Solange man auf dem aufsteigenden Weg bleibt, ist die Arbeit relativ leicht. Diesen Weg hatte ich bereits zu Beginn des Jahrhunderts durchlaufen und eine ständige Beziehung zum Höchsten geschaffen, zu Dem, was jenseits des Persönlichen, jenseits der Götter und allen äußeren Ausdrucksweisen des Göttlichen, aber auch jenseits des Absoluten Unpersönlichen liegt. Darüber läßt sich nicht reden: man muß die Erfahrung selber machen. Und genau das muß in die Materie herabgebracht werden. Darin besteht der absteigende Weg, der, den ich mit Sri Aurobindo begann; und dort ist die Arbeit immens.

Bis zum Mental und zum Vital kann man es noch herabbringen (obwohl Sri Aurobindo sagte, bereits beim Mental würde es Tausende Leben benötigen, wenn man nicht einen vollkommenen surrender [Hingabe] praktiziert. Mit Sri Aurobindo drangen wir bis unterhalb der Materie hinab, bis ins Unterbewußte und sogar ins Unbewußte. Doch nach dem Hinabstieg kommt die Transformation, und wenn es an den Körper geht, wenn man ihn auch nur einen Schritt voranbringen will – nicht einmal einen ganzen Schritt, nur einen winzigen Schritt! –, dann verhakt sich alles: es ist als setzte man den Fuß in einen Ameisenhaufen... Dennoch ist die Gegenwart, die Hilfe der höchsten Mutter ständig anwesend; da erkennt man, daß eine derartige Arbeit für die normalen Menschen unmöglich ist oder Millionen Leben erfordern würde. Und um die Wahrheit zu sagen, außer man verrichtet die Arbeit für sie und die Sadhana des Körpers für das gesamte irdische Bewußtsein, werden sie niemals die physische Transformation erreichen oder nur in so ferner Zukunft, daß es besser ist, nicht darüber zu reden. Öffnen sie sich aber, überlassen sich in einer vollkommenen Hingabe, so kann die Arbeit für sie getan werden: sie müssen es nur zulassen.

Der Weg ist schwer. Dennoch ist dieser Körper voller gutem Willen; jede seiner Zellen ist erfüllt vom Psychischen; er ist wie ein Kind. Neulich rief er spontan aus: "O mein Sanfter Herr, gib mir die Zeit, Dich zu verwirklichen!" Er bat nicht, daß es schneller gehe, er bat nicht, von seiner Arbeit erleichtert zu werden: er bat nur um die ZEIT, die Arbeit zu tun. "Gib mir die Zeit!"

Diese Arbeit am Körper hätte ich schon vor dreißig Jahren beginnen können, doch ich wurde ständig in das aufreibende Ashramleben verwickelt. Es erforderte diese Krankheit 1, damit ich mich wirklich der Sadhana des Körpers widmen konnte. Man kann nicht sagen, ich hätte dreißig Jahre verloren, denn vor dreißig Jahren, selbst wenn ich es gekonnt hätte, wäre diese Arbeit wahrscheinlich verfrüht gewesen. Auch das Bewußtsein der anderen mußte sich entwickeln – die beiden Fortschritte hängen zusammen, der individuelle Fortschritt und der kollektive Fortschritt, der eine kann nicht vorankommen, wenn der andere nicht vorangeht.

Ich erkannte auch, daß für diese Sadhana des Körpers ein Mantra wesentlich ist. Sri Aurobindo gab keines; er sagte, man müsse die Arbeit auch tun können, ohne auf äußere Mittel zurückzugreifen. Hätte er den Punkt erreicht, wo wir jetzt stehen, würde er erkennen müssen, daß die rein psychologische Methode nicht ausreicht und daß ein Japa notwendig ist, denn einzig das Japa besitzt einen direkten Einfluß auf den Körper. So mußte ich die Vorgangsweise ganz alleine entdecken, mußte mein Mantra selber finden. Doch jetzt, wo die Dinge bereit sind, schaffte ich in einigen Monaten die Arbeit von zehn Jahren. Darin liegt die Schwierigkeit, es braucht Zeit, die Zeit...

Und ich wiederhole mein Mantra ständig – wenn ich wach bin und sogar wenn ich schlafe. Ich sage es, während ich mich anziehe, während ich esse, während ich arbeite, während ich mit anderen spreche; stets ist es im Hintergrund, die ganze Zeit, die ganze Zeit.

Man erkennt auch sofort den Unterschied zwischen denen, die ein Mantra haben, und den anderen. Bei jenen, die kein Mantra benutzen, selbst wenn sie eine lange Gewohnheit der Meditation oder Konzentration haben, bleibt etwas Verschwommenes, etwas Ungenaues um sie. Während das Japa denen, die es praktizieren, eine Art Präzision, Solidität gibt: ein festes Gerüst. Sie sind wie gestählt.

 

1 . Ende 1958, als Mutter die Entretiens am Sportplatz abbrach und das Ashram nur noch ausnahmsweise verließ.

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