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Mutters

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ersten Band

28. Januar 1960

Mit all diesen Wiederholungen von Mantras, diesen Stunden des Japas, die ich jeden Tag zu machen habe, scheinen die Schwierigkeiten sich vervielfältigt zu haben. Als würde das alle Schwierigkeiten aufrühren oder steigern.

Der Sieg gehört dem Ausdauerndsten.

Als ich vor einem Jahr mein Japa begann, überfielen mich alle nur möglichen Schwierigkeiten, alle Widersprüche, alle Vorurteile; die Atmosphäre füllte sich mit Widerständen. Wenn ich anfing, für das Japa auf und ab zu gehen, stieß sich dieser arme Körper sogar, begann falsch zu atmen, zu husten: er wurde von allen Seiten angegriffen. Bis auf den Tag, wo ich mir den Widersacher schnappte und ihm sagte: "Hör gut zu, du kannst tun, was du willst, aber ich werde bis zum Ende gehen und nichts wird mich daran hindern können, selbst wenn ich das Japa hundert Millionen Mal wiederholen muß." Das hatte ein wirklich erstaunliches Resultat, als würde mit einem Schlag ein Schwarm von Fledermäusen ins Licht fliegen. Von dem Augenblick an begann es gut zu gehen.

Wir begreifen nie genug, welche unwiderstehliche Wirkung ein fest entschlossener Wille haben kann.

Es gab natürlich noch Schwierigkeiten, aber Schwierigkeiten, die dem entstammten, was im Inneren zu ändern war.

Die Schwierigkeiten kommen gerade von den winzigen, scheinbar banalsten Dingen, die keinerlei besonderes Interesse bieten, die aber den Weg verstellen. Sie entstehen aus einem Nichts, einer Einzelheit: ein Wort, das gerade einen empfindlichen Punkt berührt, die Krankheit eines Mitmenschen, egal was, und plötzlich zieht es sich zusammen; dann muß die ganze Arbeit von vorne begonnen werden, als wäre noch nichts getan worden.

Von allen Formen des Egos könnte man meinen, das physische Ego wäre am schwersten zu überwinden (oder das körperliche Ego, denn für das Physische geschah die Arbeit schon vor langer Zeit). Man könnte meinen, die Form des Körpers stelle gerade einen Sammelpunkt dar und daß ohne diese Sammlung, ohne diese Härte, kein physisches Leben möglich wäre. Aber das ist nicht wahr! Der Körper ist ein wirklich wunderbares Werkzeug; er ist fähig, sich zu weiten, unermeßlich zu werden; dann vollzieht sich alles, alles, die geringste Geste, die geringste Arbeit, in einer wunderbaren Harmonie,
mit einer bewundernswerten Plastizität. Aber plötzlich, wegen irgendeiner Dummheit, einem Luftzug, einem Nichts, vergißt er – er fällt in sich zurück, in die Angst zu verschwinden, die Angst, nicht mehr zu sein. Dann muß alles wieder von vorne begonnen werden. Hier, in diesem Yoga der Materie, merkt man, wieviel Ausdauer erforderlich ist. Ich habe mir ausgerechnet, daß ich für hundert Millionen Wiederholungen des Japas zweihundert Jahre brauchen würde. Nun, ich bin bereit, zweihundert Jahre zu kämpfen, wenn es sein muß, aber die Arbeit wird getan werden.

Sri Aurobindo hatte mich ausdrücklich gewarnt, als ich noch in Frankreich war, daß dieses Yoga in der Materie das schwierigste von allen ist. Für die anderen Yogas sind die Pfade gründlich ausgetrampelt, man weiß, wo es lang geht, wie man vorzugehen hat, was in diesem oder jenem Fall zu tun ist. Doch für das Yoga der Materie wurde noch nie etwas getan, so muß man in jedem Augenblick alles erfinden!

Gewiß geht es jetzt besser, vor allem seit Sri Aurobindo sich im Subtilphysischen eingerichtet hat 1, ein fast materielles Subtilphysisches. Aber es bleiben noch viele offene Fragen... Mal versteht der Körper, dann vergißt er. Die Hindernisse des Widersachers sind nichts, weil man deutlich sieht, daß sie von außen kommen, daß sie feindlich sind, also tut man das Nötige. Doch all die kleinen Dinge des täglichen materiellen Lebens, dort liegt die Schwierigkeit – plötzlich versteht der Körper nicht mehr, er vergißt.

Dennoch ist er FROH. Er tut die Arbeit gerne, er lebt nur für dies, um sich zu ändern, sich zu transformieren, das ist sein Daseinsgrund. Und er ist ein so williges Instrument, so voll von gutem Willen! Einmal begann er sogar wie ein Baby zu weinen: "O Herr, gibt mir Zeit, die Zeit, um mich zu transformieren..." In ihm ist eine so treuherzige Inbrunst für die Arbeit, aber er braucht Zeit – die Zeit ist ein Problem. Er will nur leben, um zu siegen. Leben, um den Sieg des Herrn zu erringen. 2

 

1 Erfahrung vom 24.-25. Juli 1959, "Sri Aurobindos Wohnstätte".

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2 Eigentlich endete Mutter mit dem vorletzten Satz. Dann sandte sie Satprem am Tag darauf folgende Notiz: "Freitag, 29.1.60 – Gestern, als ich Dich verließ, war die Erfahrung zugegen, aber in der Hast des Abschieds kamen nicht die richtigen Worte, oder besser gesagt, kamen nur unvollständig (ich sagte: "Leben, um zu siegen"). Was mein Körper fühlte, war: "Leben, um den Sieg des Herrn zu erringen"."

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