SITE OF SRI AUROBINDO'S & MOTHER'S  YOGA
      
Home Page | 01 Bande

Mutters

Agenda

ersten Band

31. Dezember 1960

(Am Morgen des 1. Januars improvisierte Mutter meist auf dem Harmonium, bevor sie die Neujahrsbotschaft vorlas. Am Vortag kam sie, um das Instrument auszuprobieren:)

Sehen wir... Seit wieviel Monaten? Seit mindestens acht Monaten habe ich das Instrument nicht berührt! Und morgen muß ich spielen – keine Lust. Aber was getan werden muß, muß getan werden!... Eine Meditation über das, was du kennst 1 – wir haben es zusammen vorbereitet –, dann werde ich sehen, ob etwas kommt.

(Schweigen)

Es herrscht ein Gedränge, das an Chaos grenzt. Eine schreckliche Verwirrung. Aber nächste Woche fangen die Leute an abzureisen. Die Krönung wird der 6. Januar sein, Epiphanias (aber wir haben daraus das Fest für die Darbietung der materiellen Welt an das Göttliche gemacht: die materielle Welt, die sich dem Göttlichen gibt), das wird der Höhepunkt sein, und dich sehe ich am 7. Danach werden wir ernsthaft arbeiten! Bis dahin, keine Arbeit – der Kopf befindet sich in einer Art Kompott... Oh! Wenn du wüßtest, schrecklich, was die Leute mir bringen, was sie verlangen...

(Mutter setzt sich an das Harmonium)

Ah! Der Schemel steht mit einem Fuß auf meinem Kleid. Bist du stark?

Ja, ja!

Kannst du mich hochheben? Ich bin sehr schwer, weißt du!...

Doch, ich habe nur Angst, dich umzukippen.

43 Kilo.

43 Kilo!

Ja, ich meine das humoristisch, wenn ich sage, ich bin sehr schwer!

Das glaube ich auch!

Ich wiege 43 Kilo. Normalerweise sollte ich 60 wiegen.

(Nach dem Spielen)

So ähnlich wird es sein... oder anders, keine Ahnung!

X schien diesmal mit seinem Besuch zufrieden zu sein. Wir hatten lange Meditationen von einer halben Stunde: er schien überhaupt keine Lust zu haben, wegzugehen! Und es vollzog sich vor allem eine äußerst ruhige Universalisierung. Eine absolute und universelle Ruhe in allen Zellen des Körpers. Ich weiß nicht, ob das nur speziell bei mir so war, doch er schien in demselben Zustand zu sein, sich nicht mehr bewegen zu können, ganz und gar zufrieden, mit einem Lächeln. Einmal hörte ich die Uhr schlagen, da dachte ich, es wäre Zeit, er wäre vielleicht bereit zu gehen, und ich schaute ihn an: er hatte das Mala 2, das er am Hals trägt, in die Hand genommen und machte gerade ein Japa. Sobald er sah, daß ich ihn anschaute, legte er es schnell wieder an!

Und das Überraschende: kein Wort zwischen uns, nichts, weder er noch ich. Und das scheint ihm genauso angenehm zu sein wie mir!

(Schweigen)

Jedenfalls werden am 6. alle abreisen. Doch morgen wird es schrecklich sein; ich werde sicherlich zwei Stunden dort sitzen und Kalender verteilen. Noch dazu wütet eine ganze Kontroverse über die Musik, die jede Woche in der Bibliothek gespielt wird: die einen sagen, sie ist sehr gut, die anderen, daß sie sehr schlecht ist (nun, die gewohnten Dinge). Und jeder plädierte mit mir. Sie sagten, sie würden mir bei der Prosperität 3 ein Konzert geben, damit ich selber entscheiden kann! Es wurde alles aufgenommen. Ich fürchte, es wird ziemlich laut sein... Ich weiß mir da sehr gut zu helfen: ich "denke" an etwas anderes! Aber das wird... Ich sehe es jetzt schon (wie ich eben sagte, wir stecken in einem Chaos): das wird der Gipfel sein.

In welcher Beziehung stecken wir im Chaos?

Lärm, Hast, Verwirrung, Leute... Lärm erscheint mir immer als Chaos, immer.

Ich muß sagen, an den Darshan-Tagen, unten, herrscht der große Klatsch, die Leute schauen sich an: wie ist der-und-der angezogen, und wie jener – die große Kirmes um das Samadhi.

Ja, genau: wer ist da, wer ist nicht da, und wie sieht er aus und mit wem ist er zusammen... oh!

(Nach einem Schweigen:) Und du? Etwas Neues?

Es ist nicht immer leicht.

Warum, nicht leicht!

Oh! Weißt du, Nacht über Nacht, Nacht über Nacht SEHE ich, wie die Dinge, die in ihrer Wahrheit so einfach sind, sich hier in der menschlichen Atmosphäre verkomplizieren. Das ist wirklich interessant; ich habe Visionen... denn es ist fast überwältigend, wie einfach eine Sache ist, wenn sie sich in ihrer Wahrheit befindet, und wie kompliziert, schmerzlich, ermüdend, lästig sie hier wird.

Aber es genügt, einen Schritt zurück zu tun, und man kommt aus all dem heraus.

Das will ich dir erzählen... Warte, wir haben noch drei Minuten, ich werde dir eine der letzten Visionen beschreiben (aber es ist fast dasselbe jede Nacht):

Ich war irgendwo zu Hause. Es war eine Welt, in der alles Licht wie eine Sonne war (golden mit karmesinrotem Widerschein im Inneren): wirklich sehr schön. Es war eine Stadt, ich befand mich in einem Haus in dieser Stadt und ich wollte jemandem etwas bringen, eine Anzahl von... keine Geschenke, sondern Dinge, die er brauchte. So hatte ich alles hergerichtet, alles vorbereitet, und hatte meine Pakete im Arm (ich hatte mir die nötige Zeit genommen, alles schön herzurichten) und ging zu einer Zeit hinaus, wo die Stadt vollkommen verlassen war: keine einzige Person auf den Straßen. Absolute Einsamkeit. Und ein Wohlbefinden, ein Licht, eine Kraft! Wirklich eine Glückseligkeit, einfach so, ohne Anlaß. Und meine Pakete, anstatt mir schwer in den Armen zu liegen, zogen mich! Sie zogen mich: ich schritt voran, und jeder Schritt war eine Freude, wie ein Tanz.

Das hielt die ganze Zeit an, in der ich die Stadt durchquerte. Dann erreichte ich den Randbereich, gerade am Anfang von etwas anderem, wo ich meine Pakete hinbringen sollte, und dort sah ich ein wenig im Hintergrund ein Haus im Bau: es war das Haus dessen, dem ich die Geschenke brachte (all das ist natürlich von einem deutlichen Symbolismus).

Als ich mich näherte, sah ich schon von einiger Entfernung plötzlich Arbeiter am Werke. Da verwandelte sich augenblicklich... augenblicklich diese weite, sonnige, so sanfte Straße – so sanft unter den Füßen – in die Spitze eines Baugerüstes. Und dieses Baugerüst war nicht gut konstruiert, und je mehr ich mich näherte, um so komplizierter wurde es: manche Bretter hingen über den Rand, Balken lagen lose. Kurz, bei jedem Schritt mußte man schauen, wo man den Fuß hinsetzte, um sich nicht den Hals zu brechen. Ich begann sehr verärgert zu werden. Und meine Pakete wurden schwer. Sie waren schwer und behinderten meine Arme: ich konnte mich nirgendwo festhalten und mußte mich ständig im Gleichgewicht halten. Da begann ich zu denken: "Mein Gott, wie ist diese Welt kompliziert!" Im selben Augenblick sah ich eine junge Person kommen; ein junges Mädchen, in europäischer Kleidung mit einem Hut auf dem Kopf... alles schwarz! Sie hatte weiße Haut, aber ihre Kleider waren schwarz; ihre kleinen weißen Füße steckten in schwarzen Schuhen. Alles war schwarz, völlig schwarz, pechschwarz. Als wäre es die vollkommene Unbewußtheit. Sie kam auch mit Paketen (viel mehr als ich) und überquerte dieses ganze Baugerüst in Sprüngen, setzte ihre Füße hin, wo es ihre gerade paßte! Ich dachte mir: "Du meine Güte, sie wird sich den Hals brechen!" – Aber überhaupt nicht! Sie war vollkommen unbewußt, merkte nicht einmal, daß es gefährlich und kompliziert war – die vollkommene Unbewußtheit. Aber ihre Unbewußtheit erlaubte ihr voranzukommen! Als ich das sah, dachte ich: "Ah, manchmal ist es doch gut, unbewußt zu sein!" Dann verschwand sie: sie war nur gekommen, um mir eine Demonstration zu machen (sie hatte mich nicht gesehen, schaute mich nicht an). Dann sah ich unten die Arbeiter und die Komplikationen immer ärger werden, immer schlimmer, immer schlimmer; und dann gab es nicht einmal eine Leiter, um hinabzusteigen – kurz, es wurde unerträglich. Dann lehnte sich etwas in mir auf: "Ah, nein! Jetzt reicht es mir, das ist idiotisch!"

Und AUGENBLICKLICH befand ich mich unten, meiner Pakete entledigt. Alles wurde vollkommen einfach (ich hatte sogar die Pakete mitgebracht, ohne es zu merken): alles, alles ordnete sich, bestens, sehr leuchtend, sehr einfach – nur weil ich gesagte hatte: "Ah, aber jetzt reicht es mir mit diesen Geschichten; was soll das nur mit all diesen idiotischen Komplikationen!" So ist es. 4

Und dabei handelt es sich nicht um "Träume": das sind bestimmte Aktivitäten – reeller, konkreter als das materielle Leben; die Erfahrung ist dort sehr viel konkreter als im gewohnten Leben.

Beispiele dieser Art habe ich zu Hunderten... Nicht immer dasselbe Bild; die Bilder wechseln, doch stets dieselbe Geschichte: die Sache in ihrer Wahrheit ist vollkommen leuchtend, angenehm, charmant – und sobald die Menschen sich einmischen, wird es eine abscheuliche Komplikation. Und wenn man sagt: "Nein! Mir reicht es mit all dem, das ist NICHT WAHR," da verschwindet es.

Solche Geschichten erlebte ich in "Träumen" mit X. Ich sah ihn sehr jung (seine Erziehung, die Ideen, die er hatte, wie er geprägt wurde). Und ich tat dasselbe. Ich war bei ihm – aber das erzähle ich dir ein anderes Mal... Und schließlich war ich es leid, ich sagte: "Ah, nein! Das ist lächerlich!" und verließ damit das Haus. Und vor der Tür hockte ein kleines Eichhörnchen auf seinen Hinterbeinen und machte mir kleine freundliche Zeichen. Ah! sagte ich, hier ist einer, der besser versteht! 5

Doch danach merkte ich, daß es geholfen hatte, ihn von diesem ganzen Gewicht seiner vergangenen Erziehung zu befreien. Sehr interessant... Nacht über Nacht, Nacht über Nacht, Nacht über Nacht, so viele Dinge! Das würde ganze Romane ergeben.

 

1 Über die Botschaft: "Diese wunderbare Welt der Glückseligkeit, vor unseren Toren, die unseren Ruf erwartet, um auf die Erde herabzukommen."

Rückwärts zum Text

2 Mala: eine Art Kette von Holzperlen, mit der man ein Mantra wiederholt.

Rückwärts zum Text

3 Der Saal, wo Mutter die Schüler am Ersten jedes Monats mit dem Nötigen für den Monat versorgte (Seife, Schreibpapier, usw).

Rückwärts zum Text

4 Später entdeckte Mutter, daß diese Welt der Komplikationen das Symbol des physischen Mentals ist.

Rückwärts zum Text

5 Später erzählte Mutter den Rest ihres "Traumes" mit X: Das war sein Haus, und es war ziemlich kompliziert hineinzukommen. Ich war gerade dabei ein Mantra oder ein Japa zu wiederholen, als X kam; er hatte einen Ausdruck... zutiefst vorwurfsvoll! Dann roch er meine Hände: "Es ist eine schlechte Angewohnheit, Parfum zu tragen (Mutter lacht). Mit Parfum kann man kein spirituelles Leben führen." Da sah ich ihn an und dachte: "Mein Gott! Muß er so rückständisch sein!" Aber es ärgerte mich, deshalb sagte ich: "Gut, ich gehe." Als ich mich der Tür näherte, fing er an zu sagen: "Ist es wahr, daß Sie mehrmals verheiratet waren und sich einmal scheiden ließen?" Da kam eine Art Zorn in mich (lachend) und ich erwiderte: "Nein, nicht nur einmal, sondern zweimal!" Und damit ging ich hinaus. All diese alten Ideen... Und danach sah ich das kleine Eichhörnchen.

Rückwärts zum Text

 

 

 

 

 

 

 

in French

in English