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Mutters

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vierten Band

20. April 1963

Eben hat mir D erzählt, daß man ihm empfehle, mit offenen Augen zu meditieren (ich weiß, das hält einen irgendwie aktiv). Er sagte, wenn er aus Versehen die Augen schließt, kann er sich nicht mehr bewegen. Er bleibt bewußt, wird aber völlig unbeweglich: er kann nicht aufstehen, kann sich nicht bewegen, nicht einmal den Kopf drehen.

Das ist gefährlich.

Da riet ich ihm, die Augen auch wirklich offen zu halten: das hält eine gewisse Aktivität aufrecht. Wenn man die Augen schließt, fällt man völlig in Trance (man ist vollkommen bewußt, aber man fällt in Trance, und der Körper wird absolut unbeweglich). Théon lehrte mich, das Bewußtsein vom Körper zu lösen und es so zu trainieren, daß es allein handeln kann. Wenn man dann in Trance geht, kann man aufstehen, schreiben, sprechen und alles tun – man ist außerhalb des Körpers und nur noch ein Verbindungsglied bleibt. Aber das ist eine Frage der Übung. Es ist nicht gerade angenehm, aber es läßt sich machen.

Ich tat es bis zu dem Punkt, wo der Körper sogar noch sprechen konnte, als das Bindeglied abgetrennt wurde (ich hatte diese Erfahrung). Das ist sehr nützlich.

Ich sagte D, daß ich es ihn später lehren werde, denn es ist schlecht, wie gelähmt zu sein: wenn jemand unversehens ins Zimmer tritt, kann einem alles mögliche zustoßen.

Aber das bedeutet eine ziemliche Arbeit.

Ich bin noch nie in meinem Leben in Trance gewesen, ich habe nicht einmal jeden Kontakt mit der Außenwelt verloren.

Hast du nie deinen Körper gesehen?

Nie 1 .

Lieber so als anders!

Ich kannte mehrere Leute, besonders I, die mit Dilip arbeitete (sie hatte Visionen, sie tanzte auch): Wenn sie in Meditation versank, war es um sie geschehen. Sogar wenn sie zurückkehren und sich bewegen wollte, konnte sie dies nicht tun. Dilip mußte kommen, an ihren Händen ziehen, die Finger auseinanderlösen und ihren Körper bewegen, dann bekam sie sich allmählich wieder in den Griff. Verstehst du, das ist gar nicht gut.

Besser so als anders.

Aber bedeutet es nicht trotzdem eine Unfähigkeit...

Die Verbindung fehlt! Sie hat keine Kontrolle über ihren Körper, das ist alles. Mir ist das nie passiert, niemals.

Ich meinte, bedeutet die Tatsache, daß ich nie in Trance gehe, nicht eine Unfähigkeit?

Nein, ich bin sicher, daß du schon in Trance getreten bist, denn ich habe dich gesehen, nur weißt du es nicht.

Während der Meditation?

Nein, nicht während der Meditation: nachts.

Was mich betrifft, so wußte ich, daß ich diese Fähigkeit hatte, denn sie bewirkte, daß ich leicht in Ohnmacht fiel – nicht sehr oft, aber immerhin kam es vor. Als Kind, als ich überhaupt nichts wußte, wurde ich zwei–, dreimal ohnmächtig. Es stellte sich heraus, daß die Ohnmacht nicht unbewußt war – sie war bewußt –, und nach ein klein wenig Übung (nicht Übung der Ohnmacht, sondern der okkulten Praktik!), sah ich mich selbst, wenn ich ohnmächtig wurde. Sogar vorher schon hatte ich mich gesehen, aber ohne zu wissen, was es bedeutete, ich verstand nichts. Aber ich sah mich selbst. Wenn ich später ohnmächtig wurde, sah ich stets als erstes meinen Körper in einer lächerlichen Lage dort liegen, woraufhin ich mich energisch wieder hineinstürzte, was dem Ganzen ein Ende machte.

Ich muß wohl mit gewissen Anlagen geboren worden sein! (Lachen)

Aber sind meine Meditationen...

Oh, sie sind ausgezeichnet, mein Kind, sprich nicht schlecht von deinen Meditationen, sie sind hervorragend. Selten habe ich einen solchen Frieden gesehen! Ich habe nämlich viele Meditationen mit einem gewissen Frieden erlebt, aber gewöhnlich war es ein sehr träger und schwerer Frieden. Diese Art Frieden hingegen, der sich aufschwingt und in eine weiße Seligkeit eintritt, ist sehr selten. Sehr selten. Bei dir stellt er sich jedesmal ein: regelmäßig, automatisch, mühelos – ein natürlicher Zustand. Ich weiß nicht, ob du ihn hattest, bevor du hierher kamst, ich kann es nicht sagen...

Nein, in deiner Gegenwart wird er sehr konkret. Wenn ich allein bin, ist die Wahrnehmung verschwommener. Mit dir zusammen sehe ich zwar nichts, aber es ist fast so, als ob ich sähe.

Das liegt daran, daß die Shakti fehlt, wenn du allein bist. (Lachen)

Ja, das ist wahr.

Aber das Beste, was ich hier bei Leuten sehe, die lange geübt haben, ist gewöhnlich ein blank – weißt du, a blank silence [ein leeres Schweigen]. Es ist leer – unbewegt, ruhig, schweigend, aber blank – nach einer gewissen Zeit hat man genug davon. Es kann nicht sehr lange andauern. In Indien erleben die Leute es gewöhnlich so... und sie kehren wie betäubt daraus zurück.

Bei dir hingegen ist es ein Emporschießen in etwas Weißes – etwas Strahlendes, aber Weißes –, das heißt, es ENTHÄLT etwas. Sehr leuchtend, sehr weiß und von bewundernswerter Reglosigkeit. Es ist auch glückselig, man kann lange darin verweilen – sehr angenehm.

Seit ich mit dir meditiere, habe ich lediglich an einer Erweiterung gearbeitet, denn zu Beginn war es ziemlich begrenzt 2 . Es ist äußerst schwierig, diesen weißen Frieden voller Weite zu haben. Ich sprach mit Sri Aurobindo über all diese Erfahrungen, und er sagte mir immer, das VOLLE, konkrete und weiße, reine, vollkommen reine Schweigen, MIT DER UNERMESSLICHKEIT... there are not many who can have it [nicht viele können es erlangen]. Ich muß sagen, ich habe dein Schweigen enorm erweitert. Man fühlt sich jetzt nicht mehr eingesperrt – ich laß mich nicht gerne einsperren! Man fühlt sich nicht mehr eingesperrt: der Frieden entfaltet sich.

So ist es gut. Nein, beklag dich nicht über das, was du hast, manche Leute arbeiten mehrere LEBEN lang dafür.

Das andere ist eine angeborene Fähigkeit, seinen Körper zu verlassen, eine spontane Fähigkeit. Um konkret, völlig materiell in Trance zu treten, wie du es erwartest, mußt du nach Belieben austreten, eintreten, austreten, eintreten können. Da die Leute gewöhnlich große Mühe haben, den Körper zu verlassen, wissen sie hinterher nicht mehr, wie sie zurückkehren können. Sie geraten dann in lächerliche Situationen.

Ich hatte zwei solche Erfahrungen. Die erste ereignete sich in Tlemcen 3, die zweite in Japan. Es wütete eine Grippeepidemie, die vom Krieg herrührte (vom Ersten Weltkrieg) und die meistens tödlich endete. Innerhalb von drei Tagen bekamen die Leute eine Lungenentzündung und aus war's! In Japan gab es sonst nie Epidemien, es traf die Leute also völlig ahnungslos, und die Krankheit stieß auf ein günstiges, völlig unvorbereitetes Gebiet. Es war schrecklich: die Leute starben täglich zu Tausenden, fürchterlich. Ein allgemeines Entsetzen verbreitete sich, man wagte sich nicht mehr ohne Maske vor dem Mund hinaus. Jemand, den ich nicht nennen will, sagte mir (Mutter nimmt einen schroffen Ton an): "Was bedeutet das?" Ich antwortete ihm: "Es ist besser, nicht darüber nachzudenken." – "Warum nicht? Das ist doch interessant! Man muß es erfahren, und Sie sind doch dazu fähig: Was ist es also?" Dumm wie ich war, mußte ich gerade ausgehen. Ich mußte ein Mädchen am anderen Ende von Tokio besuchen. Tokio ist die größte Stadt der Welt, sie zu durchqueren dauert lange, und ich war keine reiche Frau, die es sich leisten konnte, im Auto herumzufahren: ich fuhr also mit der Straßenbahn... Was für eine Atmosphäre! Eine Atmosphäre der Panik in der ganzen Stadt! Wir wohnten in einem Haus in einem großen Park, völlig isoliert, aber die Atmosphäre der Stadt war fürchterlich. Dann die Frage: "Was bedeutet das?", die mich natürlich damit in Kontakt brachte – ich kam mit der Infektion zurück. Es mußte so kommen! (lachend) Ich kam mit der Krankheit zurück.

Als hätte man mir einen Schlag auf den Kopf versetzt, ich war völlig benommen. Ein Arzt wurde gerufen. Es gab keine Medikamente mehr in der Stadt – es gab nicht genug Arzneimittel für alle Leute, aber wir wurden als wichtige Leute angesehen (!), und so brachte mir der Arzt zwei Tabletten. Ich sagte ihm (lachend): "Doktor, ich nehme nie Medikamente." – "Wie bitte! Dabei sind sie so schwer erhältlich!" Ich antwortete: "Eben, sie sind sehr gut für andere!" Aber... Ich lag mit hohem Fieber im Bett, und plötzlich fiel ich in Trance – eine wirkliche Trance, die einen aus dem Körper reißt –, und ich wußte Bescheid. Ich wußte: "Das ist das Ende. Wenn ich mich dem nicht widersetze, ist es aus." Ich sah mir das an und erkannte, daß ich es mit einem Wesen zu tun hatte, dessen eine Kopfhälfte von einer Bombe weggerissen worden war. Es wußte nicht, daß es tot war, und klammerte sich an den Erstbesten, um ihm das Leben auszusaugen. Es war einer von den zahllosen Toten. Ein solches Wesen war gerade im Begriff, sein "Werk" an mir zu verrichten. Jedes dieser Wesen war von einer äußerst krankhaften und intensiven Atmosphäre menschlicher Zersetzung umgeben, und diese ganze Atmosphäre verursachte die Krankheit. Wenn es nur das war, konnte man genesen, aber sobald eines der Wesen mit nur einem halben Kopf oder einem halben Körper, das heißt ein Wesen, das so brutal getötet worden war, daß es nichts von seinem Tod wußte und das versuchte, wieder einen Körper zu finden, um weiterleben zu können (die Atmosphäre übertrug die Krankheit täglich auf Tausende von Menschen, es wimmelte von Kranken, eine regelrechte Seuche), wenn sich so ein Wesen an einen heftete, dann starb man. In drei Tagen war es um einen geschehen – sogar schneller: manchmal passierte es innerhalb eines Tages. Als ich das sah und verstand, sammelte ich meine ganze okkulte Energie, meine ganze okkulte Kraft und... (Mutter schlägt mit der Faust nach unten, wie um gewaltsam in ihren Körper zurückzukehren). Ich drehte mich in meinem Bett um, wachte auf, und es war vorbei. Darüber hinaus blieb ich sehr ruhig und begann, in der Atmosphäre zu arbeiten... Mein Kind, von jenem Tag an gab es keine neuen Fälle mehr! Das war so außergewöhnlich, daß die japanischen Zeitschriften sogar davon berichteten. Sie kannten den Grund dafür nicht, aber von jenem Tag und jener Nacht an gab es keinen neuen Fall mehr. Langsam wurden die Leute wieder gesund.

Ich erzählte dies unserem japanischen Freund, der im selben Haus wohnte. Ich sagte ihm: "Jetzt verstehst du, worum es sich bei dieser Krankheit handelt. Es ist ein Produkt des Krieges und verhält sich folgendermaßen: so und so... und dieses Wesen mußte für seinen Versuch bezahlen!" Natürlich hat die Tatsache, daß ich seinen Einfluß abwendete, indem ich mich stellte und kämpfte... [die Formation aufgelöst]. Aber welche Kraft es dafür brauchte! Unglaublich!

Er erzählte es Freunden, die es ihrerseits weitererzählten, und schließlich wurde die Geschichte bekannt. Es gab sogar eine Art kollektive Danksagung der Stadt für mein Eingreifen... Aber alles rührte daher: "Was bedeutet diese Krankheit? Sie können es doch erfahren, nicht wahr?" (Lachend) Stecken Sie sich doch an!

Das Gefühl, dieser Sache völlig gelähmt ausgeliefert zu sein – völlig gelähmt, unmöglich... Du bist nicht mehr in deinem Körper, du kannst nicht mehr auf ihn einwirken. Dann das Gefühl der Befreiung, wenn man sich wieder bewegen kann.

Ich hatte ein furchtbares Fieber, das nun natürlich allmählich sank – nach ein paar Tagen war ich völlig geheilt. Ich wurde sehr schnell wieder gesund.

Gut, mein Kind.

Und jetzt gehst du zu ihm... (zu X)

(Schweigen)

Ich bin in der Debatte mit dem Tod.

Das entspricht genau der allgemeinen Geisteshaltung: dieser Zustand des Unglaubens, ach, das ist schrecklich! Wenn man nicht wüßte, daß danach etwas anderes kommt, wäre es schrecklich.

Dieses Savitri ist wunderbar. Er hat alles vorausgesehen, alles erkannt, alles, alles – es gibt nichts, das er nicht erforscht hätte.

 

1 In der Tat ist das nicht ganz zutreffend. Satprem erinnert sich daran, wie er mehrere Male beim Spielen in seinem Kinderzimmer seinen Körper auf dem Bett ruhig schlafen sah – woraufhin er sich wieder in ihn hineinstürzte.

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2 Mutter hatte Satprem einmal gesagt, er stecke in einer Art "weißem Würfel".

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3 Mutter spricht von der Erfahrung, bei der das Bindeglied durchtrennt wird und man nicht mehr in seinen Körper zurückkehren kann (das heißt, man ist klinisch tot). Bei der ersten Erfahrung in Tlemcen handelt es sich wahrscheinlich um jenen Vorfall, als Mutter auf der Suche nach dem "Mantra des Lebens" ihren vitalen Körper verlassen hatte und das Bindeglied durch einen Wutanfall Théons zertrennt wurde.

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