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Mutters

Agenda

siebenten Band

26. Januar 1966

(Zum Thema des letzten Gesprächs: der hellblaue und rosafarbene Purani)

(Scherzend) Schade, daß man keine Bilder von diesen Dingen machen kann. Purani hatte nämlich viele Bewunderer und Schüler, vor allem in Amerika, und wenn ich ihnen jetzt sein Bild schicken könnte, wie ich ihn sah, hellblau und rosafarben (lachend) – das wäre doch herrlich!

(langes Schweigen)

Zur Zeit vollzieht sich eine systematische Vernichtung aller vorgefaßten Ideen, Vorurteile, Gewohnheiten, aller Gesichtspunkte sozialer, moralischer, hygienischer und gesundheitlicher Art; "das" nimmt alles, eine Sache nach der anderen, und zerstört sie voller Ironie.

Letzte Nacht betraf es die "hygienischen" Maßnahmen im Hinblick auf das Essen. Eine urkomische Demonstration der menschlichen Unwissenheit hinsichtlich der Vorsichtsmaßnahmen, die man trifft, und aller möglichen Vorurteile, die man hat... mit Szenen und Bildern, die unbezahlbare Theaterkomödien abgeben würden.

Es ging um Krabben zum Essen (!), und das ließ mich an Europa denken. Dort ist man überhaupt nicht wie hier besessen von der Idee einer möglichen Ansteckung durch die Nahrung, die man zu sich nimmt: in Europa siehst du eine Frucht, nimmst sie und ißt sie. Ich erinnere mich, Krabben vom Stand vor einem Lebensmittelgeschäft gekauft zu haben, also auf dem Bürgersteig, draußen... trotzdem verschwendete man keinen Gedanken daran. Und es ist einem nichts passiert!... Das kam sehr früh heute morgen, und von einer Komik wie die unterhaltsamste Posse! Wer hat doch gleich solche Schwänke geschrieben? (Mutter sucht vergeblich nach dem Namen) Es fällt mir nicht mehr ein... Weißt du, die Namen entgleiten mir irgendwie, und von der anderen Seite kommen lauter ähnlich lautende Klänge. Ich suchte den Namen, etwas zog vorbei, und von der anderen Seite kam wie ein Scherz "cartilage" [Knorpel]! (Mutter lacht) Wie heißt er also, dieser "Moderne", der Schwänke schrieb, aber sehr gute?

Courteline.

(Mutter lacht) Cartilage!

Es waren diese großen Krabben, die man hier "Krebse" nennt: sie sind so groß wie Krebse. Irgend jemand (ein Schüler hier), der schon lange tot ist, kam und brachte mir diese Krabben, das heißt, ich traf ihn in den Zimmern unten... Es gibt Zimmer, die irgendwo in einer Art Unterbewußtsein nachgebildet werden, und zwar genau dieses Unterbewußte, das transformiert und bearbeitet werden muß. Dort existiert eine Art Reproduktion von Zimmern, die hier unten liegen (unter Mutters Zimmer), aber nicht gleich sind (wenn auch in derselben Anordnung), und dort geht eine bestimmte Kategorie von Tätigkeiten vor sich. Dort trafen wir uns einmal, wie ich dir schon sagte: du wolltest die Ideen der Leute klären! Es war derselbe Ort, aber nicht physisch hier sondern im Unterbewußtsein. Und da war dieser große gutmütige Mann, der über lange Zeit hinweg am Samadhi gewacht hat, Haradhan, und als er mich kommen sah, sagte er: "Ich habe Ihnen etwas mitgebracht." In eine Art dunkelblaues Tuch hatte er zwei große Krebse eingewickelt, und die gab er mir. Sie waren gekocht und fertig zum Essen. Das Tuch gefiel mir nicht sonderlich, und ich dachte: "Wie kann man das wohl vor dem Essen etwas hygienischer herrichten?" (Lachend) Weißt du, es ist eine Farce – die Farce, damit man... die eigene Dummheit verstehen lernt. Ich fing an zu schälen... wie nennt man das? Nicht die "Haut"... Siehst du, auch hier ist das Wort nicht gekommen, dafür stellte sich "cuirasse" [Harnisch, Panzer] ein! (Lachend) Cuirasse und cartilage [Harnisch und Knorpel]!... Nun... ich entfernte das also, aber sogleich sagte ich mir: "So ein Blödsinn! Jetzt ist es noch exponierter als vorher!" Ich überlegte, was ich jetzt machen sollte, und lief in eine Ecke (an die Stelle von Pavitras Labor), fand einen Wasserhahn und legte meinen Krebs darunter. Sofort hörte ich jemanden sagen – nicht irgend jemanden, sondern die innere Stimme (lachend): "Das Wasser ist noch schmutziger als das Tuch!" Das Bewußtsein kam mit dem Licht, und in einer ganz klaren Vision zeigte man mir die Relativität der Maßnahmen, die man ergreift, die alle nur auf vorgefaßten Ideen beruhen und auf keinerlei wirklichem Wissen gründen. Schließlich wurde mir gesagt (lachend): "Nun iß schon, es ist das Beste, was du tun kannst!" Ich aß also meinen Krebs, und er schmeckte sehr gut!

Weißt du, daraus könnte man eine Farce machen. Und die Bilder! Eine solche Posse!...

Vieles ist so. Und alles mit... (lachend) einer "erzieherischen" Absicht, um einem die Kinderei zu zeigen, in der man lebt.

*
*   *

Dann geht Mutter zur Übersetzung von Savitri über:

Ascetic voices called of lonely seers

On mountain summits or on river banks

Or from the desolate heart of forest glades

Seeking heaven's rest or the spirit's worldless peace,

Or in bodies motionless like statues, fixed

In tranced cessations of their sleepless thought

Sat sleeping souls, and this too was a dream.1

(X.IV.642)

(Lachend) Er ist schrecklich! Er hat die Gabe, alles zunichte zu machen.

Aber das ist außerordentlich wahr. Es versetzt einen sofort in die Atmosphäre der Relativität all dieser menschlichen Auffassungen.

Das Schlimme daran ist, daß das äußere Wesen Mühe hat, seine Gewohnheit zu vergessen, alle materiellen Dinge als wahr, wirklich und konkret zu betrachten: "Das ist doch konkret. Man berührt es, man sieht es, man fühlt es ..."

Das kommt allmählich.

Ich sage dir, so geht das jede Nacht; etwas, das der Komik und der Lächerlichkeit preisgegeben und zerpflückt wird. Sehr interessant. Dabei gibt es herrliche Dinge vom Standpunkt der Moral aus, wirklich herrlich! Aber... (Mutter legt einen Finger auf den Mund) das ist für später.

 

1 Die asketischen Stimmen einsamer Erleuchteter riefen auf Bergesgipfeln oder an der Flüsse Ufer oder aus verlassenem Herzen von den Lichtungen des Waldes, die nach des Himmels Ruhe oder nach des Geists weltlosem Frieden suchten. Oder in Körpern, die bewegungslos wie Statuen waren, erstarrt in abebbender Trance ihres schlaflosen Denkens, saßen schlafende Seelen, – doch auch dieses war ein Traum. (dt. S. 656f)

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