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Mutters

Agenda

siebenten Band

11. Juni 1966

(Das Gespräch dreht sich zunächst um das Buch, an dem Satprem schreibt und das Mutter nachts "diktiert", welcher Text von Satprem aber schlecht empfangen wird.)

Du, ich schreibe weiterhin! Es ist unglaublich! Das ist mir noch nie passiert.

Phantastische Dinge...

Geht es voran bei dir?

Nicht sonderlich, und schon gar nicht schnell.

Schreibst du chronologisch oder fängst du mit dem Schluß an?

Nein, nein, ich schreibe immer chronologisch... Es geht aber nicht gut, und es kommt überhaupt nicht mühelos. Ich frage mich, wo die Blockade liegt.

Dies geschieht aus folgendem Grund: Wenn man zu schreiben beginnt, begibt man sich in die mentale Atmosphäre, in eine menschliche mentale Atmosphäre. Der Übergang geschieht beinahe unmerklich, man ist so sehr daran gewöhnt, in einer menschlich mentalen Atmosphäre zu denken, sich auszudrücken und zu fühlen... eine Atmosphäre, die, verglichen mit dem menschlichen Individuum, immerhin sehr weit, komplex und geschmeidig ist (diejenigen, die sich darin bewegen, haben bereits den Eindruck einer höheren Intelligenz und eines außergewöhnlichen Verständnisses usw.). Aber vom Standpunkt der Wahrheit aus gesehen ist das derart künstlich und KONVENTIONELL! Eine sehr dauerhafte Konvention, die je nach Zeiten und Epochen leichten Veränderungen unterworfen ist, aber doch eine Art Dauerhaftigkeit hat. Auf mich wirkt das wie... (Mutter macht eine Kreisbewegung um ihren Kopf) eine Kugel, in der man sich befindet, die zwar hell ist, aber so künstlich.

Gerade heute morgen hatte ich eine ganze Reihe von Erfahrungen zum Thema Egoismus. Ich erinnere mich, wie jemand in meiner Anwesenheit mit Sri Aurobindo sprach (vor vielen Jahren) und über einen Dritten sagte: "Ach, der ist ein Egoist!" Sri Aurobindo lächelte und antwortete: "Ein Egoist?" (ich übersetze natürlich) "Aber der größte Egoist ist doch das Göttliche, denn Ihm gehört alles, und Er sieht alles in Beziehung zu Sich selbst." Ich fand das ziemlich gewagt. Und ausgerechnet heute morgen (es war übrigens nicht das erste Mal) spürte ich plötzlich, wie falsch diese ganze Vorstellung von Egoismus ist, diese ganze Mißbilligung des Selbstsüchtigen, und zugleich all diese Nuancen von Nachsicht und Verständnis – diese ganze Welt ist so falsch, so starr und außerhalb der Wahrheit. Außerhalb der Wahrheit nicht in dem Sinne, daß das Gegenteil wahr wäre, das nicht. Diese "moralinhaltig-mentale" Vorstellung, die so selbstverständlich hingenommen wird, daß kein Mensch sie in Frage stellt – wie meilenweit von der Wahrheit entfernt das doch liegt.

Aber die Erfahrung von heute morgen war lichtvoll, weil ich in der Wahrheit LEBTE. Ich hatte die Erfahrung von beidem – der wahren und der konventionellen Atmosphäre. Eine Konvention, die nicht an Ort oder Zeit gebunden ist. Vielmehr sind es Konventionen, die vom menschlichen Bewußtsein GESCHAFFEN werden und je nach Bedarf fast unmerklich variieren und sich verändern, die aber doch eine wirkliche Konvention sind. Auf mich wirkte das wie eine Seifenblase – riesengroß, so groß wie die Erde selbst, sogar noch größer.

Zugleich hatte ich auch die Erfahrung (eine Erfahrung, die ich sehr oft habe), daß, wenn man im Licht lebt, das Verstehen vollkommen ist. Nichts, was sich widerspiegelt oder sich selbst sieht... etwas, das IST, das existiert: ein lebendiges Licht. Sobald man es ausdrücken will, wird es zur Seifenblase und fällt ins Konventionelle zurück, auch wenn man gar nichts sagt oder es nur sich selbst sagt. Wenn man so verharrt (Geste der Reglosigkeit, nach oben gewandt), dann ist es DAS. Sobald man es aber ausdrücken oder gar aufschreiben will, dann ist es so, als zöge es sich in die Seifenblase zurück und würde konventionell. Das geht so weit, daß es mir in diesen Tagen sehr schwer fällt, etwas zu schreiben, wenn ich aktiv bin, so belanglos, trocken und entstellt kommt mir das vor.

Nachts hingegen... (lachend), sozusagen als Reaktion, diktiere ich alle möglichen Sachen. Ich erinnere mich bloß nicht daran, was ich diktiere, es geschieht gänzlich woanders.

Ich fühle diese Künstlichkeit ständig.

Ja.

Ständig. Ich weiß nicht, ich warte, ich hoffe auf irgend etwas, das rein oder wahr ist. Aber ständig spüre ich diese Künstlichkeit.

Genau.

Vielleicht steht die Lösung vor der Tür. Das ist immer so. Wir werden ja sehen.

(Schweigen)

Wenn man da wieder heraustritt, ist das wunderbar. Es ist... als tauchte man in eine grenzenlose Weite, eine lichte Weite, voll lebendigen Lichts. So lebendig, mächtig, aktiv! Einfach wunderbar. Und dann kommt einem alles andere so armselig vor, puh!

Ja.

Also... (lachend) vielleicht stehen wir unmittelbar davor, auf die Lösung zu stoßen.

*
*   *

(Etwas später geht es um die Frage, ob man den Text des letzten Gesprächs vom 8. Juni 1966 als Anhang zum fünfzehn Jahre älteren Entretien vom 19. April 1951 veröffentlichen soll. Satprem äußert seine Zweifel wegen der völligen Verschiedenheit der beiden Texte.)

Auf jeden Fall muß man das bringen (das Gespräch vom 8. Juni), das ist sehr wichtig. Und sehr nützlich. Das müssen die Leute wissen.

Ich hatte den Eindruck, als lägen Welten zwischen den beiden...

Das macht nichts.

Gerade dadurch erhält man einen kleinen Einblick in den Yoga – den materiellen Yoga. Das, was er eigentlich bedeutet.

Verstehst du, das Endergebnis ist so wunderbar, daß alles, was die Leute bis dahin kannten, selbst jene, die völlig einzigartige und außergewöhnliche Erfahrungen gemacht haben, im Vergleich dazu verblaßt.

Und der Körper beginnt, dies wahrzunehmen; dadurch fängt er auch an zu spüren, daß, wie hart er auch immer auf die Probe gestellt wird (was man auf englisch ordeal nennt), der Preis für die Sache nicht zu hoch ist.

Er ist bereit. Er ist bereit, alles zu ertragen, um DAS zu erlangen... etwas, das jegliches Verständnis übersteigt. Es gibt eine Fülle an Erfahrungen, die nirgends sonst gelebt werden können außer hier (im Körper). Das ist etwas, das über einen kommt (massive Geste, die das ganze Wesen ergreift). Wie ich schon sagte, eine Absolutheit an Aufrichtigkeit. Man IST einfach.

Natürlich haben wir noch einen langen Weg zu gehen, und der Weg... Ich weiß nicht... gewisse Leute können sich vielleicht unterwegs mit Blumen schmücken, aber... auf jeden Fall scheint mir das nicht der direkteste Weg zu sein!

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