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Mutters

Agenda

siebenten Band

21. September 1966

(Dieses Gespräch ergab sich aus einer persönlichen Frage Satprems; er fragte Mutter, ob er eine gewisse Geldsumme nicht ablehnen sollte, die ihm die französische Regierung anbot: eine Kriegsrente. Satprem beabsichtigte, diese Rente abzulehnen, weil er sich für kein Geld der Welt an eine Regierung oder ein Land gebunden fühlen wollte. Mutter riet ihm, dieses Geld für das göttliche Werk anzunehmen.)

Ich hatte eine Offenbarung, die eigentlich mehr der Kategorie der Visionen angehört.

Aus rein äußerlichen Gründen studierte ich gerade den beklagenswerten Zustand, in dem sich alle Länder befinden, die Verfassung der Erde, die wirklich schwierig und gefährlich ist, und dann zeigte mir eine umfassende Vision, wie die Nationen (die Menschen als Nationen) in zunehmend größerer Falschheit handeln und gehandelt haben und wie sie ihre ganze Schöpferkraft dazu verwendet haben, diese so entsetzlichen Zerstörungsmittel zu schaffen, mit der wirklich infantilen Vorstellung, sie seien so schrecklich, daß niemand sie benutzen würde. Doch sie wissen nicht (obwohl sie es eigentlich wissen müßten), daß die Dinge ein Bewußtsein und eine Kraft der Manifestation haben und daß all diese Zerstörungsmittel zum Gebrauch drängen. Und selbst wenn die Menschen sie nicht einsetzen wollen, wird sie eine stärkere Kraft als sie dazu drängen.

Als ich all das sah, diese bevorstehende Katastrophe, erhob sich eine Art Ruf oder Aspiration, etwas herabzuziehen, das diesen Irrtum zumindest neutralisieren könnte. Und es kam. Eine Antwort... Ich kann nicht sagen, ich hätte sie mit meinen Ohren gehört, trotzdem war es so klar, stark und präzise, daß es nichts zu diskutieren gab. Ich bin gezwungen, das in Worte zu übertragen. In Worten ausgedrückt, könnte man sagen: "Dafür hast du Auroville erschaffen."

Und dann die klare Vision, daß Auroville ein Zentrum der Kraft und Schöpfung sein wird, mit... (wie soll ich sagen?) dem Keim der Wahrheit. Wenn dieser ans Licht gelangen und sich entwickeln könnte, wäre bereits die Bewegung seines Wachstums eine Reaktion gegen die katastrophalen Konsequenzen des Rüstungswahnsinns.

Dies interessierte mich sehr, weil der Geburt von Auroville keinerlei Gedanke vorausging. Es war, wie immer, einfach eine Kraft, die wirkt, wie etwas Absolutes, das sich manifestiert, und dies war so stark (als sich die Idee von Auroville Mutter zeigte), daß ich den Leuten sagen konnte: "Selbst wenn ihr es nicht glaubt, selbst wenn alle Umstände dagegenzusprechen scheinen, SO WEISS ICH DOCH, DASS AUROVILLE SEIN WIRD. Es kann in hundert oder in tausend Jahren sein, das weiß ich nicht, aber Auroville wird sein, weil es so beschlossen ist." Es war beschlossen – ganz einfach als Folge eines Befehls ausgeführt, ohne weiteres Nachdenken. Als "man" mir das erklärte (ich sage "man", aber du weißt, was ich meine), geschah das, um mir zu sagen: "Aus diesem Grund hast du Auroville gemacht. Du weißt nichts davon, aber es ist aus diesem Grunde ..." Denn es war die LETZTE HOFFNUNG, auf die unmittelbar bevorstehende Katastrophe zu reagieren. Wenn in allen Ländern ein Interesse für diese Schöpfung erwacht, wird dies ganz allmählich die Macht haben, dem Irrtum entgegenzuwirken, in dem sie stecken.

Das interessierte mich sehr, weil ich noch nie daran gedacht hatte.

Und natürlich verstand ich sofort, als man mir das zeigte. Ich spürte, welche unsichtbare Wirkung die Schöpfung von Auroville hat. Es ist keine materielle, äußere Handlung, sondern eine Wirkung im Unsichtbaren. Seit jenem Augenblick versuche ich, dies den Ländern begreiflich zu machen, natürlich nicht außen, denn sie halten sich für allzu schlau, als daß man ihnen auch nur das geringste beibringen könnte, sondern im Innern, im Unsichtbaren.

Das geschah erst vor kurzem, vor zwei oder drei Tagen. Dies war mir noch nie gesagt worden, hier war es aber ganz deutlich. Mit "gesagt" meine ich "gesehen", verstehst du, gezeigt (wie ein präsentiertes Bild). Seither ist mein Interesse an Auroville beträchtlich gewachsen. Denn ich verstand, daß es nicht nur eine Schöpfung des Idealismus war, sondern ein absolut konkretes Phänomen mit der Hoffnung... vielmehr dem Willen, den schrecklichen Auswirkungen dieses psychologischen Irrtums, dieses Glaubens, daß Angst einen aus der Gefahr erretten könne, zu begegnen und entgegenzuwirken. Angst zieht die Gefahr eher an, als daß sie einen rettet. Und all diese Länder, all diese Regierungen begehen Dummheiten über Dummheiten wegen dieser Angst vor der Katastrophe.

All dies nur, um dir zu sagen, daß selbst dann, wenn die Nationen auch in sehr geringem Ausmaß (wie dieses Geldangebot von der französischen Regierung) am Werk Aurovilles mitarbeiten, ihnen das helfen wird. Es kann ihnen viel Gutes bringen, weitaus mehr, als es der Anschein ihrer Handlungen vermuten ließe.

Du sprichst von einer nahen Katastrophe. Wird es aber nicht einige Zeit brauchen, bis Auroville verwirklicht wird?

Nein! Ich spreche von der Zusammenarbeit der Länder, um etwas zu ERSCHAFFEN. Es geht nicht um die fertige Schöpfung von Auroville, sondern um die Zusammenarbeit der Nationen bei der Erschaffung von etwas, das auf Wahrheit gegründet ist statt auf einem Wettstreit in der Schöpfung der Lüge. Nicht wenn es fertig ist: Wenn Auroville fertig ist, wird es eine Stadt unter vielen sein, und nur seine eigene Kapazität der Wahrheit wird Macht haben, aber dies... bleibt abzuwarten.

Nein, es geht um ein gemeinsames Interesse daran, etwas zu bauen, das auf der Wahrheit basiert. Bis jetzt haben sie nur ein gemeinsames Interesse gezeigt (ohne verbindende Sympathie, versteht sich), auf der Basis der Lüge eine zerstörerische Macht zu erschaffen. Auroville hieße, etwas von dieser Kraft abzuleiten (von minimaler Quantität, aber um so höherer Qualität). Es ist wirklich eine Hoffnung – es basiert auf der Hoffnung: etwas zu schaffen, das ein Beginn von Harmonie sein soll.

Und zwar JETZT, sofort. Die Kraft der Ausbreitung ist viel größer, unverhältnismäßig größer als das ausstrahlende Zentrum (Mutter), das aus globaler Sicht praktisch unbekannt und fast inexistent ist. Das Zentrum und die Macht seiner Ausstrahlung und Ausbreitung stehen in keinem Verhältnis zueinander, das ist ziemlich bemerkenswert: von überallher kommen Antworten (auf Auroville). Antworten aus dem neuen Afrika, aus Frankreich, eine in Rußland, eine in Amerika, eine in Kanada und in einer Vielzahl von Ländern, in Italien... wirklich überall. Und nicht nur Individuen: auch Gruppen, Tendenzen, Bewegungen, selbst in einzelnen Regierungen.

Am widerspenstigsten, und das ist von einer wunderbaren Ironie, zeigen sich: die Vereinten Nationen! Diese Leute sind ein bißchen von vorgestern, ach, sie stecken noch in der "materialistischen, antireligiösen" Bewegung. Sie machten eine abschätzige Bemerkung zur Auroville-Broschüre, indem sie sagten, es sei "mystisch", mit einer "religiösen" Tendenz. Was für eine hübsche Ironie!

Übrigens wurde der Streit zwischen Indien und Pakistan 1, sogar rein äußerlich, ganz klar unter dem Druck der Kräfte der Wahrheit... (wie soll ich sagen?... mir kommen die Worte auf englisch:) initiated and driven [initiiert und angetrieben], um eine große "asiatische Föderation" zu schaffen, die eine Puffermacht gegen Rotchina und seine Bewegung bilden sollte. Eine Föderation, die eben die Rückkehr Pakistans mitsamt all seiner Gebiete erfordert hätte und die auch Nepal, Tibet, Burma und im Süden Ceylon einschließen sollte. Eine große Föderation mit einer autonomen, völlig freien Entwicklung all ihrer Mitglieder, die aber vereint gewesen wären durch eine gemeinsame Aspiration nach Frieden und ihren Kampf gegen die Invasion der Kräfte der Auflösung. Dies war ganz klar und gewollt – und nur das Eingreifen der Vereinten Nationen brachte alles zum Erliegen 2 .

Offiziell sage ich nichts, denn ich habe ja schon gesagt und sage immer wieder, daß die Politik gänzlich auf Lüge basiert, und ich befasse mich nicht damit, d.h. ich mache keine Politik, ich will es nicht – aber ich kann klar sehen!... Man bat mich um meine Meinung, fragte mich nach meiner Sicht der Dinge und erbat Rat (von allen Seiten übrigens), und ich sagte: "Nein, ich befasse mich nicht mit Politik." Verstehst du, die ganze Diplomatie basiert vollkommen auf der GEWOLLTEN, absichtlichen Lüge; solange dem so ist, gibt es keine Hoffnung. Die Inspirationen werden immer von der falschen Seite kommen: die Inspirationen, Impulse, Ideen, alles kommt von der falschen Seite, was grobe Schnitzer für alle Beteiligten praktisch unvermeidlich macht. Einige wenige Individuen spüren und wissen dies und sind halbwegs verzweifelt, weil niemand auf sie hören will.

Unglücklicherweise sucht man entsprechend der heutigen Entwicklung die Unterstützung der UNESCO für Auroville. Ich persönlich wußte schon im voraus, daß diese Leute das nicht verstehen können, aber... man versucht es halt. Denn es gibt überall Leute (das ist eine Art Aberglaube), die sagen: "Nein, ich spende nur Geld, wenn die UNESCO ihre Zustimmung und Ermutigung gibt" (ich spreche von jenen, deren Beitrag zählt), viele Leute also...

Für mich ist das alles nur die Kruste, eine ganz oberflächliche Erfahrung – die Kruste. Die Dinge müssen sich darunter ereignen, unter dieser Kruste. Sie ist nur Schein.

Genau dies habe ich denjenigen gesagt, die sich um Auroville kümmern: "Diese Leute [die UNESCO] liegen zweihundert Jahre zurück, was den Weg der Erde anbelangt, folglich besteht wenig Hoffnung, daß sie verstehen werden." Aber letztlich habe ich ihnen nicht untersagt, es zu versuchen. Ich erteile keine Ratschläge.

Solch unscheinbare Einzelheiten wie die, worüber wir gerade gesprochen haben (das Renten-Angebot der französischen Regierung) sind jedoch ein Hinweis: diese Länder arbeiten mit an der Wahrheit, ohne es zu wissen. Und das ist sehr gut, um so besser für sie. Es tut ihnen gut. Es macht nichts, wenn sie es nicht wissen (lächelnd): sie kommen nur um die Freude, es getan zu haben, das ist alles.

(Schweigen)

Aber ich war die erste, die das sehr interessierte, weil es so kam (Geste einer unwiderstehlichen Herabkunft), mit einer allmächtigen Autorität: "Deshalb ist Auroville geschaffen worden."

(Mutter geht in Kontemplation,
anschließend fährt sie fort:)

Man sieht alle möglichen lustigen Sachen vorüberziehen. Eben jetzt der Gedanke: "Ach, das ist ja ein umgekehrter Turm zu Babel." (Mutter lacht) Interessant. Sie hatten sich erst zusammengetan und dann bei seinem Bau zerstritten. Und jetzt haben sie sich zusammengefunden, um sich beim Bau zu vereinen. Siehst du: ein umgekehrter Turm zu Babel!

(Mutter hält einen Augenblick lang inne,
als sehe sie etwas)

Auf einmal sieht man... Da ist ein gewisser Bereich, ein weiter und ewiger Bereich in der Erdatmosphäre, in dem die Dinge eine andere Bedeutung annehmen, die die Erscheinungen mitunter Lügen strafen, und man sieht eine riesige, enorme Strömung, die alle Umstände und Ereignisse einem einzigen Ziel entgegenträgt... stets dasselbe Ziel und auf sehr unerwarteten Wegen. Alles wird sehr weit, und trotz des Grauens der Einzelheiten nimmt es im Ganzen einen sehr lächelnden Rhythmus an...

Ich erinnere mich wieder, diese ganze Erfahrung kam, nachdem ich ein Buch gelesen hatte, das erst kürzlich in Indien auf englisch erschienen ist, mit dem Titel The Roll of Honour, in dem sich ein Foto und eine kurze Biographie aller findet, die im Kampf gegen die Engländer für Indiens Befreiung gefallen sind. Eine Menge Fotos (manchmal nur das Foto von der Polizei, unmittelbar nachdem sie getötet wurden und auf der Erde lagen). Und all dies brachte eine bestimmte Atmosphäre mit sich: die Atmosphäre jener selbstlosen Menschen guten Willens, die ein tragisches Schicksal erlitten. Das löste eine ähnliche Wirkung bei mir aus wie die Fotos über die Greueltaten der Deutschen während des Zweiten Weltkrieges. Es ist offensichtlich, daß diese Dinge unter dem direkten Einfluß bestimmter feindlicher Mächte stehen, aber wir wissen, daß diese Mächte in gewisser Weise die Erlaubnis haben, ihre Wirkung zu entfalten – genau durch diese Empfindung des Grauens –, um das Erwachen des Bewußtseins zu beschleunigen. Und diese sehr starke Erfahrung, ähnlich derjenigen beim Betrachten der Fotos über die Kriegsverbrechen der Deutschen in Frankreich, brachte mich mit der Schau des modernen irdisch-menschlichen Irrtums in Verbindung. (Dies ist ein neuzeitliches Phänomen: es hat in diesen letzten tausend Jahren angefangen und wird seit einem Jahrhundert immer akuter.) Und damit einhergehend die Aspiration, dem entgegenzuwirken: doch wie?... Was tun?... Und die Antwort: "Dafür hast du Auroville geschaffen."

Es ist eine Wahrnehmung der Kräfte, die direkt auf die materiellen Ereignisse einwirken – die Ereignisse sind illusorisch und trügerisch. Zum Beispiel der Mann, der beim Kampf um die Freiheit seines Landes ermordet wird, weil er ein Rebell ist, und der wie ein Besiegter aussieht, wie er da am Straßenrand liegt: doch er ist der eigentliche Sieger. Das ist es, das zeigt das genaue Verhältnis zwischen der Wahrheit und dem äußeren Anschein. Wenn man dann in dieses Bewußtsein eintritt, wo man das Spiel der Kräfte wahrnimmt und die Welt in diesem Licht sieht, ist es wirklich interessant. Als ich in diesem Zustand war, wurde mir gesagt oder deutlich gezeigt (es ist unausdrückbar, weil es ohne Worte geschah; aber es sind Fakten): "Deshalb hast du Auroville geschaffen ..." So wie mit diesem Foto 3 .

Hier, das kannst du behalten!

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Eine Notiz von Mutter über Auroville:

Die Menschheit ist nicht die letzte Stufe der irdischen Schöpfung. Die Evolution geht weiter, und der Mensch wird übertroffen werden. Jeder muß selbst wissen, ob er am Erscheinen der neuen Art teilnehmen will. Für diejenigen, die mit der Welt zufrieden sind, besteht offensichtlich kein Grund für die Existenz von Auroville.

 

1 Es handelt sich um den Konflikt vom Vorjahr, im September 1965. Mutter hatte bei dieser Gelegenheit Indien offiziell ermutigt, bis zum letzten zu kämpfen.

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2 Unter dem Druck der Vereinten Nationen gab Indien seinen strategischen Vorteil gegenüber Pakistan auf und "ergab sich" in Taschkent.

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3 Mutter wies dabei auf den im Sieg gefallenen Rebellen am Straßenrand, womit sie ausdrücken wollte, daß die bescheidene Erscheinung Aurovilles in keinem Verhältnis zu seiner wirklichen Rolle im Unsichtbaren steht.

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