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Mutters

Agenda

zehnten Band

21. Mai 1969

(Ein Foto betreffend, das aufgenommen wurde, bevor man
Pavitras Sarg schloß und in die Erde niederließ. Satprem stand rechts neben dem Sarg.)

Keine Neuigkeiten? Hast du nichts von P.L. gehört?

Nein, liebe Mutter... Hier ist das [ein Umschlag].

Was ist es?

Die Rente...

Ach!... Braucht deine Mutter nichts?

(Schweigen)

Ich sah die Fotos – hast du die Fotos gesehen? Hat man sie dir gezeigt? Bei der Beerdigung haben sie Fotos aufgenommen. Ich erzähle dir das, denn im Zusammenhang damit ist etwas Interessantes geschehen... Auf einem Foto bist du zu sehen (da waren auch A, der Gouverneur und...), als ihr gerade dabei ward, den Sarg zu schließen. Und in dem Augenblick... Weißt du, Pavitras Präsenz verschmolz nicht mit dem Rest (mit Mutter): sie blieb ganz ruhig dort, er ist sehr ruhig – das hat sich nicht verschmolzen. In dem Moment, als ich das Foto betrachtete und dich sah, geschah etwas hier drinnen (Geste zum Herzen, wie eine Gefühlsregung), ich weiß nicht, wie eine Zärtlichkeit, und er war fast glücklich. Ich kann nicht erklären, was es ist. Als sagte er: "Ach, Satprem ..."

Das hat ihm wirklich Freude bereitet.

Seltsam. Ich erwartete das gar nicht – man gab mir die Fotos, und ich betrachtete sie. Da fühlte ich plötzlich etwas (dieselbe Geste zum Herzen)... Das erstaunte mich sehr. Denn du hattest mich gefragt: "Wird er sich verschmelzen?" Das heißt also, daß er sogar diesen Kontakt bewahrt hat. Von Zeit zu Zeit, wenn jemand etwas die Arbeit Betreffendes sagt, stellt er seine Überlegungen an (das ist mir aufgefallen), aber dort war es sehr stark, fast wie ein kleiner Freudenschrei, verstehst du: "Ach, Satprem!" Da dachte ich: "Wie schön! Das hat ihm wirklich Freude gemacht."

Ich frage mich, ob Pavitras Bewußtsein besonders unversehrt geblieben war, weil es hier eintrat (in Mutter), oder ob es immer so ist... Wohin geht jemand, der bewußt ist? Bleibt er hier 1? Ich sagte dir ja, in Amritas Fall ist es eine gewisse, nicht allzu präzise Form, die ständig da ist, die sich ausruht und die hin und wieder erwacht, aber er scheint nicht besonders an den materiellen Dingen interessiert zu sein. Nach dem, was ich sah, scheint Pavitra sich ihrer jedoch bewußt zu sein. Das halte ich für ziemlich bemerkenswert.

Ich sah Fälle von Leuten, die sich weiterhin für das Geschehen hier interessierten, aber sie haben eine unabhängige Form. Bei Pavitra ist das anders.

Es erstaunte mich, weil es so stark war (dieselbe Geste zum Herzen).

In der ganzen letzten Zeit, schon seit einigen Wochen, besteht ständig eine Art... ich kann nicht sagen Besorgnis, eher ein Wissensdurst: In welchem Maße und auf welche Weise bleiben sich die Fortgegangenen zum Beispiel ihrer früheren Aktivitäten bewußt, und interessieren sie sich noch dafür, beschäftigen sie sich noch damit – sind sie dessen fähig?

In Sri Aurobindos Fall ist es völlig anders: bei ihm haben sich diese Fähigkeiten gewissermaßen vervielfältigt. Seine Gegenwart im Subtilphysischen ist beständig. Dort geht er überallhin, besucht zahlreiche Leute und ist sich vieler Dinge bewußt und befaßt sich damit – eine Vielzahl von Dingen. Es hat seine Aktion vervielfacht. Aber sein Fall ist eine Ausnahme.

(Schweigen)

Ich habe mich oft dasselbe gefragt. Ich dachte mir oft: Wird mir auf der anderen Seite die hiesige Seite genauso unbewußt sein, wie mir hier die andere Seite unbewußt ist?

(Mutter lacht sehr)

Die allermeisten Menschen – die überwiegende Mehrzahl – gehen in eine Art Aufarbeitungsschlaf ein. All die Erfahrungen, die sie während des Lebens hatten, alles, was sie gelernt haben, muß ihr Bewußtsein sozusagen verarbeiten. Anfangs... (Théon wußte viele Dinge – ich weiß nicht, woher er sein Wissen bezog, aber ich prüfte vieles nach und fand, daß es stimmte), am Anfang der Entwicklungskurve ist der Zeitabstand zwischen den einzelnen Leben sehr lang. Das ist eine Art Aufarbeitungsschlaf, wo sich die Folgen dessen, was man gelernt hat, innerlich weiterentwickeln. Im Laufe des Wachstums des psychischen Wesens, und mit zunehmender Bewußtwerdung, folgen die Inkarnationen dichter aufeinander, bis die Reinkarnation schließlich nur noch das Ergebnis einer Wahl wird: an einem präzisen Ort, zu einer festgesetzten Zeit. Dann kann die nächste Reinkarnation nah oder fern sein, je nachdem, was das psychische Wesen tun will, entsprechend der Aktion, die es ausführen will. Da gibt es alle möglichen Unterschiede. Aber im Anfangsstadium der psychischen Entwicklung liegen die Reinkarnationen weit auseinander. Ich habe mich deshalb häufig gefragt... Théon spricht von einem psychischen ZUSTAND, wo diese Wesen sich ausruhen (das stimmt, es gibt einen solchen Ort, ich kenne ihn), aber besonders am Anfang ihrer Entwicklung sind viele Leute sehr eng mit der Erde verbunden. Ich sah zum Beispiel schon oft Leute in Bäumen, sehr oft. Häufig, wenn ich jemandem folgte (mit dem inneren Blick), sah ich ihn in einen Baum eintreten, oder wenn ich einen Baum betrachtete, sah ich jemanden darin. Andere... oh, die Leute klammern sich an Orte, die sie besonders interessierten. Zum Beispiel sah ich einen Mann, der sich nur für sein Geld interessierte, das er irgendwo versteckt hatte, und als er seinen Körper verließ, ging er schnurstracks dorthin, ließ sich dort nieder und rührte sich nicht mehr vom Fleck... Das hatte übrigens ein seltsames Ergebnis, denn es führte zur Entdeckung des Ortes. Seine Anwesenheit verursachte Kraftströme; gewisse Leute fühlten das und sagten sich: oh, da muß etwas sein.

Vor langer Zeit beschäftigte ich mich ziemlich intensiv mit solchen Phänomenen und konnte zahlreiche Entdeckungen machen (mit Théons Hinweisen). Nachher interessierte mich das nicht mehr. Jetzt in letzter Zeit gehen mir viele dieser vergangenen Dinge jedoch wieder durch den Sinn, alles mögliche...

Aber ich glaube, Pavitras Fall ist wirklich eine Ausnahme. Mir geschieht das jedenfalls zum ersten Mal – das habe ich bei niemandem zuvor erlebt. Ich erzählte dir, daß Sri Aurobindo, als er fortging, während mehrerer Stunden die ganze Kraft und das supramentale Bewußtsein, das er in seinem Körper konzentriert hatte, in mich übertrug. Das geschah sofort, nachdem er gegangen war. Ich fühlte, daß er mich gerufen hatte. So näherte ich mich seinem Bett und betrachtete ihn, und dann... ich sah es: die ganze supramentale Kraft, die er in seinem Körper angesammelt hatte, gab er an mich weiter, und ich spürte sie überall mit einer Reibung in meinen Körper eintreten. Das dauerte Stunden. Aber dies ist ein völlig außergewöhnlicher Fall, wie ich schon sagte. Was mit Pavitra geschah, ist wirklich... es ist nicht dasselbe: Er verließ einfach willentlich seinen Körper (nicht sein psychisches Wesen sondern so materiell, wie er nur konnte), und ich spürte es in meinem ganzen Körper, es trat in mich ein... Wenn ich jetzt nach innen schaue, kann ich zwar nicht sagen, daß ich eine Form sehe, aber... er ist nicht völlig verschmolzen. Und bei gewissen Dingen – die Leute und die Schule betreffenden Dingen 2 – zeigt sich eine sehr deutliche persönliche Reaktion. Dann diese Fotos... ich glaube, das ist wirklich außergewöhnlich.

Ich fühlte etwas im Gehirn... Du weißt, daß mein Kopf völlig still ist, seit mir Sri Aurobindo das mentale Schweigen gab; er trat nie wieder in Aktion, und das Bewußtsein blieb stets da (Geste oberhalb), und von dort wirkte es. Aber seit Pavitra da ist, ließ mich etwas innerlich fragen (Geste zur Stirn): "Könnte ich wohl das mathematische Wissen erlangen, das du hattest?" Ich fragte ihn das. Seine Antwort lautete: "Aber ja, das wäre ein Leichtes, wenn du deinen Kopf wieder in Bewegung setzen würdest." Das will ich jedoch nicht. Jedenfalls...

Es ist so, als spräche ich mit jemandem, der darinnen ist.

Er war so froh! Ich glaube, er mochte dich sehr. Er sprach nie über all das. Deine Gegenwart dort bereitete ihm wirklich Freude.

Ich hielt mich bei Pavitra immer ein wenig zurück, denn er hatte zwei Seiten: zum einen diese leuchtende Seite, die ich sehr schön fand, und dann eine ganz andere ..., die meinem Vater ähnelte: eine etwas starre, mentale Seite. Daher hielt ich mich zurück, das verhinderte die Kommunikation.

Ja, er war starr.

Das war die eine Seite.

(langes Schweigen)

Eine sonderbare Auswirkung dieser Erfahrung war, daß der Tod für mich seither etwas völlig Irreales geworden ist – augenblicklich. Der Körper (lachend) ist komisch... Von Zeit zu Zeit fragt er sich: "Bin ich eigentlich lebendig oder tot?" In der Art: "Lebe ich, oder... Ich bin mir nicht sicher." Mein Körper hatte ein sehr starkes Fieber 3, es ging ihm ziemlich schlecht, und er wußte nicht richtig, ob er es war... Das dauerte nicht an. Ich weiß nicht... All das erscheint wie eine Demonstration, um uns die Geheimnisse des Daseins verständlich zu machen. Seltsam.

(Mutter tritt in Kontemplation)

Etwas hat sich auch in den Nächten verändert. Die letzten beiden Nächte waren äußerst aktiv. Ich begab mich an Orte... wenn ich früher dorthin ging, blieb ich nicht lange. Dort waren viele Leute, und zwar vermischt, d.h. die sogenannt Toten zusammen mit den sogenannt Lebenden. Ohne Einschränkung zusammen, und sie waren es gewohnt, zusammen zu sein, und fanden das völlig natürlich – eine MENGE Leute. Letzte Nacht bemerkte ich, daß Nolini [ein "Lebender"] dort war – und er schien es gewohnt zu sein, sich dort aufzuhalten –, wir ordneten Dinge, organisierten und entschieden... Das scheint im Subtilphysischen zu sein.

Ich erinnere mich, daß ich mir beide Male, heute und gestern, beim Aufstehen sagte: "Sieh an! Dieser und jener Person hatte ich gesagt, daß ich sie nachts nicht sehe, und doch sehe ich sie regelmäßig." Zu einer dieser Personen (wer war es doch gleich?...), jedenfalls sagte ich: "Aber ja, ich sehe Sie ständig, und wir tun ständig etwas zusammen." Das eröffnete mir gleichsam die Erinnerung an eine neue Tätigkeit – nicht "neu": eine neue Erinnerung an eine alte Tätigkeit 4 .

Der Eindruck verstärkt sich immer mehr, daß nur unser Kopf und unsere Sichtweise die abgetrennten Grenzen schaffen [zwischen Leben und Tod, zwischen den einen und den "anderen"] – aber so ist es ganz und gar nicht. Alles ist vermischt, und das Bewußtsein... (Geste eines Umrührens und Mischens) entwickelt sich irgendwie im gegenseitigen Austausch. Und all das zusammen.

Die Dinge sind viel enger miteinander verwoben, als man glaubt.

(Schweigen)

Eine Tatsache ist jedenfalls unumstößlich seit Pavitras Weggang: Wenn es je die geringste Todesangst oder Besorgnis deswegen in meinem Körper gegeben hat, so ist sie jetzt VOLLKOMMEN verschwunden. Seit dieser Erfahrung ist sie restlos verschwunden. Der Eindruck: "Warum machen die Leute bloß so viel Aufhebens wegen dieser Geschichte!"

Seltsam.

 

1 Mutter will sagen "hier, der irdischen Geschehnisse bewußt".

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2 Pavitra war der Direktor der Schule und Generalsekretär des Ashrams.

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3 Pavitra hatte ein sehr starkes Fieber, bevor er seinen Körper verließ. Vielleicht hatte Mutter dies in ihrem Körper gespürt.

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4 Mutter hatte schon mehrmals von einem Ort gesprochen, wo die "Toten" und die "Lebenden" ohne Unterschied zusammen sind: siehe Agenda Bd. 3 vom 12. Oktober 1962 und Bd. 8 vom 6. Dezember 1967.

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