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Mutters

Agenda

zehnten Band

12. November 1969

(Mutter sucht einen "Lückenfüller" für das nächste Bulletin.)

Hier habe ich etwas:

In life the most precious things are among those you do not see with your physical eyes.

(Satprem übersetzt)

Die wertvollsten Dinge im Leben sind jene, die man nicht mit physischen Augen sieht.

Nein, ich sagte nicht "jene", ich sagte "gehören zu jenen", denn es können auch die schlechtesten sein.

Wir könnten auch etwas Kurzes von Sri Aurobindo bringen.

(Satprem liest)

Every truth, however true in itself, yet, taken apart from others which at once limit and complete it becomes a snare to bind the intellect and a misleading dogma...

Oh, das ist sehr gut.

...For in reality, each is one thread of a complex weft, and no thread must be taken apart from the weft. 1

Das müssen wir drucken.

*
*   *

Gut...

Hast du nichts zu fragen? Nichts zu sagen?...

Und du?

Die Arbeit schreitet im Galopp voran.

Ich habe den Eindruck, sehr bedrängt zu werden.

Bedrängt?

Vor allem im Unterbewußten.

Oh, ja. Ich auch. Eine allgemeine Revolte.

Aber das Bewußtsein des "Wie", d.h. was man innerlich tun muß, wird immer klarer und genauer. Doch alles, alles scheint sich querzustellen: die Leute, die Dinge, alles. Kein Tag vergeht, ohne daß man mir vier oder fünf haarsträubende Geschichten erzählt... und einige spielen sich hier ab.

Zugleich ist das Bewußtsein kristallklar – es wird immer klarer.

Ich sehe nicht, was dies auflösen kann, denn im Wachbewußtsein ist man mehr oder weniger... ich will nicht sagen leuchtend, aber immerhin auf das Licht hin strebend. Sobald man jedoch die Augen schließt und einschläft, wird man drei Minuten später verfolgt und schlägt sich mit Dingen herum... Warum ist das so? Was kann das auflösen?

So ist das bei dir?

Ja. Was kann das auflösen?

Das Bewußtsein des Höchsten, das wahre Bewußtsein.

Das ist ja die Schwierigkeit: Sobald man die Augen schließt, hat man den Eindruck, eine andere Person zu sein, und so passiert es.

(Mutter atmet schwer)

Es ist wahr, ich habe viele lange Jahre damit verbracht, dies zu ändern, d.h. zu bewirken, daß das Bewußtsein die ganze Nacht lang bewußt bleibt. Das erfordert sehr viel Zeit.

Konzentrierst du dich, bevor du einschläfst?

Oh, immer. Das ist ja das Erstaunliche.

Ist es vitaler oder mentaler Art?

Ich habe den Eindruck, es ist vital... Letzte Nacht war es zum Beispiel, als befände ich mich heimlich oder ohne Billett auf einem riesigen Schiff, und ich verbrachte endlose Stunden damit, von einem Ort zum anderen zu laufen, um mich zu verstecken, und ich wurde verfolgt, weil ich kein Billett hatte oder nicht das Recht hatte, dort zu sein – die ganze Zeit wurde ich verfolgt. Was ist das für eine Welt?

Das Vital.

Und was bedeutet dieses Schiff?... Die menschliche Gesellschaft?

Sag mal, das ist aber sehr interessant!

(nach einem Schweigen)

Alle Bewegungen der Evolution – auf welcher Ebene auch immer – drücken sich immer durch ein Transportmittel aus: Schiff, Zug, Auto, egal was. Und... Waren viele Leute auf dem Schiff?

Ja, viele.

War es ein großes Schiff?

Ja, ein großer Ozeandampfer.

Dann ist es bestimmt das (lachend). Es repräsentiert die kollektive Evolution, wie sie nach den Gesetzen der gewöhnlichen Natur abläuft, und du repräsentiertest darin das höhere Wissen, welches die Gangart, d.h. die Bewegung des Schiffes ändern wollte. Das ist sehr klar. Und (lachend) du weißt, wie die Welt ist: sie will natürlich nicht gestört werden. Daher mußtest du dich verstecken.

Ach, ich wurde verfolgt, ich lief von einer Kabine zur anderen, überall suchte ich einen Zufluchtswinkel.

Ja, das ist es.

Das ist sehr anstrengend.

Aber wenn du in deinem Schlaf mit dem höchsten Bewußtsein verbunden geblieben wärest, hättest du, anstatt dich verfolgt zu fühlen, wahrscheinlich auch gefühlt, daß man dich nicht haben wollte und du dich verbargst, um deine Arbeit tun zu können, aber daß du dort sein WOLLTEST. Dies ist nur eine Nuance im Gefühl, verstehst du? Dieses Bild... oh, das habe ich schon so oft gesehen!

Ich habe das auch schon mehrere Male erlebt.

Ja, Orte mit einer riesigen Menge, die einen angreifen will. Aber wenn man dabei diesen inneren Kontakt aufrechterhalten kann, dann spürt man dieses Bewußtsein, das einen führt, so daß jeglicher böse Wille an einem abprallt.

Das ist wirklich interessant. Es ist ein sehr zutreffendes Bild. Jene, die den Weg zeigen, denen ergeht es so.

Sie werden angegriffen.

Angegriffen, ja, buchstäblich.

Es ist im Vital, wenn das Vital jedoch den Kontakt bewahren kann, sieht man zwar deutlich, wie man angegriffen wird, aber man weiß, daß man vollkommen beschützt wird. So tut man das Nötige, um nicht entdeckt zu werden, aber ohne dabei dieses Gefühl der Bedrohung zu empfinden.

Ja, diese Dinge werden sich erst ändern, wenn sich die Welt ändert. Zur Zeit ist sie im vollen Aufruhr, ach! Als wäre etwas hineingeworfen worden, das überall ein Aufwallen von Wut verursacht.

Auch tagsüber und ohne ersichtlichen Grund habe ich manchmal dieses Gefühl, daß alles knirscht, daß ich mich unbehaglich und nicht wohl fühle; obwohl es dafür in meinem Wachbewußtsein keinen Anlaß gibt.

Ja, so ist es. Aber in letzter Zeit (vor kurzem: einmal gestern, einmal am Freitag) hatte ich diese Art... (ich weiß nicht, wie man das nennt, aber er 2 meint, es sei eine "Krankheit" – ich sagte: ich habe keine Krankheiten!) Die Nerven werden von der nervösen Atmosphäre der anderen angegriffen – dies verursacht fast unerträgliche Schmerzen. Seit ich hier lebe, hatte ich das nie gehabt, Sri Aurobindo hatte mich davon befreit. Ich hatte ihm erklärt, wie ich es bekam, als ich von Indien nach Frankreich zurückkehrte, und es war recht ernst. Aber seit ich hier bin, nie wieder. Und neulich kam es durch jemanden zurück, der hier war und es hervorrief. Diese Person weiß nichts davon, es gab keinen BEWUSSTEN bösen Willen. Gestern war es wieder so mit einer anderen Person. Ich mußte... den Herrn mit großer Kraft auf die Nerven einwirken lassen – ich brauchte mehr als eine dreiviertel Stunde, um es wieder in Ordnung zu bringen. Und da sagte ich mir: "Teufel noch mal, die Schlacht wird ernst!"

Man nennt das eine Nervenkrankheit: alle Nerven werden überempfindlich und verursachen ganz schreckliche Schmerzen. Als ich das damals hatte, konnte ich nicht mehr essen, nicht mehr schlafen, mich nicht mehr bewegen, nicht mehr... Und dies weil... 3 Ich hatte eine Dummheit begangen: ich war nach Frankreich zurückgekehrt und hatte mein psychisches Wesen hier zurückgelassen; sobald ich mich weit genug von der Atmosphäre hier entfernt hatte, packte es mich. Als ich ins Mittelmeer kam, fing es an. Und es war sehr ernst.

Hin und wieder kam es zu solchen Attacken, aber als ich endgültig hierher zurückkehrte, brachte Sri Aurobindo das völlig zum Verschwinden (dies ist jetzt schon lange her). Erst letzten Freitag kam es zurück, und gestern... Ich hoffe, daß es nicht wieder anfangen wird.

Aber es ist eine Schlacht... Das gleiche geschieht mit P.L.: die Schlacht wütet überall. Vor allem im Vital, mehr noch als im Mental. Im Mental gibt es eine Bewegung des Verständnisses, aber im Vital... eine Wut, eine wirkliche Wut.

Man muß durchhalten. Das habe ich mir auch gesagt: Man muß durchhalten, etwas anderes kann man nicht machen.

Man kann sich nur... verstehst du: an das höchste Bewußtsein klammern (Mutter ballt ihre Fäuste), sich so fest anklammern, daß ES allein existiert – sich nicht direkt der Böswilligkeit bewußt sein, die einen umgibt. Das ist sehr wichtig. Es gibt NUR den Höchsten, alles übrige existiert nicht, ist nicht wahr. So (dieselbe Geste mit geballten Fäusten). Man muß sich festhalten und ausdauernd sein, so wie man sich im brodelnden Meer an eine Klippe klammern würde.

Das Bewußtsein kann die Angriffe nicht mehr fühlen. Es sieht sie, ist bewußt, aber es spürt sie nicht mehr, das ist vorbei. Nur der Körper kann noch... ich glaubte, es sei vorbei, aber er spürt noch.

Überall gibt es böse vitale Willenskräfte. Das macht die Leute unangenehm, wütend, sie reagieren...

Wir müssen einfach durchhalten, das ist alles – man kann nichts anderes machen.

(Schweigen)

Wenn wir nicht fähig sind, müssen wir alles von vorn beginnen.

(Schweigen)

Dies ist die Gelegenheit für die physischen Zellen, die physische Transformation durchzustehen. Deshalb... deshalb gibt es den Tod (lachend). Wenn wir nicht durchhalten können, sterben wir.

Es ist kein Spaß – aber interessant.

Es ist interessant, denn ich erinnere mich, damals, als ich dieses Nervenproblem bekam (das war 1915), hatte ich schon den Yoga geübt, ich hatte bereits eine größere Erfahrung als die meisten Leute, und ich erinnere mich, wie es damals war, wie ich durchhielt, und nun ist es wiedergekommen... 1915, jetzt haben wir 1969, d.h. mehr als fünfzig Jahre später. Und ich spürte wirklich den Unterschied in meinem Körper. Am ersten Tag, als dies kam – und ich muß dir sagen, es gilt als einer der am schwersten zu ertragenden Schmerzen –, das einzige war... es gab nichts anderes als: "Ach, Du!" Einfach so. Um sich dann so anzuklammern (gleiche Geste mit geballten Fäusten), sich nicht mehr rühren. Und diese Schmerzen sind äußerst unangenehm, sie hindern einen am Atmen, man kann sich nicht bewegen, alle Nerven sind gestört. Früher wußte ich zwar, wie ich mich verhalten mußte, und ich rief [den Höchsten], irgendwie war ich aber doch mit dem Schmerz identifiziert (zumindest teilweise), diesmal aber trat keine Reaktion des Leidens ein – die Schmerzen waren da, aber keine Reaktion von... ja, das, was sich durch dieses wunderbare "Selbstmitleid" ausdrücken könnte, das man immer hat. Das war vollständig weg, es gab nur noch: "Ach... Du, Du, Du, Du, Du ..." Und einen Druck auf die Person, die da war... und die nebenbei bemerkt weder neulich noch gestern irgend etwas bemerkte (das erste Mal war es eine Frau und gestern ein Mann): sie merkten beide nichts.

Aber ich sagte mir: "Jetzt wird's ernst!" Die Welt des Vitals beginnt zu revoltieren.

Vor dem Einschlafen müßtest du dich also mit einem beharrlichen Willen darauf konzentrieren, vollständig mit dem höchsten Bewußtsein identifiziert zu sein (gleiche Geste mit geballten Fäusten), was auch immer geschieht. Dann werden die Umstände zwar dieselben sein, aber anstelle dieses unangenehmen Gefühls, verfolgt zu werden, sieht man alles mit... Man sieht, wie einem das Bewußtsein beisteht und in allen Umständen hilft. Auf die Weise wird es wirklich interessant.

Bist du nach dem Aufwachen müde?

Meistens ja.

Aber ich fasse das als gutes Zeichen auf (Mutter lacht). Das heißt, es geht dir gut, es geht gut.

Gut!

 

1 Jede Wahrheit, so wahr sie für sich selbst sein mag, wird eine Falle, die den Intellekt fesselt, und ein trügerisches Dogma, wenn man sie von anderen trennt, die sie zugleich begrenzen und vervollständigen; denn in Wirklichkeit ist jede ein einzelner Faden eines komplexen Gewebes, und kein Faden darf aus dem Gewebe entfernt werden.

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2 "Er" = Mutters Arzt.

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3 In jener Zeit (in Frankreich) verbrachte Mutter ihre Nächte damit, Gärten voller Schlangen zu durchqueren (Richards Atmosphäre).

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