Mutters
Agenda
zwölften Band
29. Dezember 1971
(Mutter streichelt Satprems geschwollenes Auge)
Ach, das tut nicht weh, Mutter... Hast du Neuigkeiten?
Es geht – es geht schnell voran.
Dadurch, daß es schnell geht, wird es übertrieben (Geste eines Ziehens).
Während ein und derselben Mahlzeit esse ich zum Beispiel, ohne es überhaupt wahrzunehmen, einzig im göttlichen Bewußtsein, dann komme ich plötzlich zurück, und ich kann nicht mehr schlucken. Ich ersticke. Das ist sehr extrem, weil es schnell geht. Aber ich weiß, was es ist.
Vorhin gab ich X 1 eine Meditation. Es ist GANZ UND GAR NICHT mehr das, was es war... (wie soll ich sagen?) Es besteht eine Art ruhiger Autorität. Aber er ist aufnahmefähig.
Die Kraft... (Mutter schlägt ihre Hände mit einer unwiderstehlichen Geste nieder), oh, eine große Änderung hat sich vollzogen.
(langes Schweigen)
Ich habe einen Brief von Indira erhalten.
Ach, ja?
(Mutter reicht einen Umschlag)
Verehrte Mutter,
Während dieser kritischen Monate dachte ich ständig an Sie. Mir fehlen die Worte, meine Dankbarkeit für Ihre Hilfe auszudrücken. Ihre Segnungen sind eine große Kraftquelle. Unsere Schwierigkeiten sind noch nicht vorüber ....
(Mutter nickt zustimmend)
... Die amerikanische Regierung ist äußerst verärgert, daß ihre Berechnungen so völlig fehl gingen, und sie werden ihre Macht einsetzen, um uns zu demütigen, insbesondere, um eine Spaltung zwischen Bangladesh und uns selbst zu schaffen.
Ich denke, unsere Nation hat einen Schritt zur Reife getan. Aber es gibt viele, die nur das Heute ansehen. Wenn Indien groß werden soll, müssen wir die Qualität des Volksgeistes verbessern. Ich weiß, daß dies Ihr Wunsch ist.
Auf meine bescheidene Weise tue ich, was ich kann.
Mit respektvollen Grüßen,
Ihre
Indira Gandhi
Das ist gut.
Es ist gut. Ich habe folgendes geantwortet:
An Indira
Mit Segnungen.
Indien muß stolz auf Ihre Führerschaft sein. Möge das Land seinen wahren Platz in der Welt einnehmen, um den Weg zur höchsten Wahrheit zu zeigen.
In Liebe,
Mutter
Es ist gut, daß sie diese Richtung einschlägt.
Ja, das ist gut.
Ich dachte nicht, daß sie so ist.
(Mutter nickt)
Aber es bleiben noch viele Schwierigkeiten.
Oh!... Ein Halsabschneider ist... [Präsident von Pakistan] geworden.
Oh! Ja, der...
Ein wirklicher Halsabschneider. Aber er ist dabei, seine eigenen Leute zu töten. Man hat Lehrer hingerichtet, weil sie anderer Meinung waren. Er begeht scheußliche Taten in seinem eigenen Land... Im Grunde ist dies nötig, um die Lüge der Sache aufzuzeigen [der Teilung von Pakistan und Indien].
Dennoch täuscht der neue Präsident Pakistans eine demokratische Fassade vor.
Indem er die Leute umbringt!
Mehrere Provinzen in Westpakistan revoltierten gegen die Leute, die er als Gouverneure eingesetzt hat 2 . Wir werden sehen.
(Schweigen)
Die Dinge gehen schnell voran.
Ich empfinde sie als sehr knirschend.
Oh... es geht schnell. Je schneller es vorangeht, um so größer ist das Ziehen.
Ich brauche deine aktive Hilfe.
Geht es dir nicht gut?
Es ist schwierig.
(langes Schweigen)
Für mich war der schnellste Weg... (wie soll ich sagen?) die wachsende Empfindung meiner Nichtigkeit – meiner Nichtexistenz. Nichts können, nichts wissen, nichts wollen; das GANZE Wesen mit... es ist keine Aspiration mehr, es ist so (Geste der Hingabe, offene Hände), das ist unvermeidlich: "Ohne das Göttliche, nichts – ich bin nichts, ich verstehe nichts, ich kann nichts. Ohne das Göttliche, nichts." Und so sein (gleiche Geste mit offenen Händen). Und dann... ein Friede... ein leuchtender Friede... und so mächtig! Und wenn ich ruhig bin... Das sah ich auf sehr interessante Weise, denn früher, wenn ich X eine Meditation gab, bedeutete das immer eine Anstrengung – eine Anstrengung, um zu meditieren, eine Anstrengung, um zu... Und diesmal ... (Mutter senkt ihre Hände) zwingt es sich auf. Eine Gegenwart, die sich aufzwingt. Außergewöhnlich... Da fragte ich mich, wie diese Meditation verlaufen wäre, wenn es wie vorher gewesen wäre – überhaupt nicht, es ist so: (Mutter schlägt ihre Hände nieder).
So geht es gut.
Aber zuerst muß man von einer absoluten Aufrichtigkeit sein, das heißt, die ÜBERZEUGUNG: man ist nichts, man kann nichts, man weiß nichts, man hat absolut NICHTS... (Mutter hebt einen Zeigefinger) nur das Göttliche. Dann geht es gut.
Ich sagte es dir schon, das ist so stark, daß ich in manchen Augenblikken nicht einmal essen kann. Wenn es so ist, wenn das Bewußtsein so kommt (Geste der Hingabe, offene Hände), beende ich mein Essen, ohne es zu merken... Das ist unaussprechlich. Aber es ist wunderbar.
Man darf allerdings keine Angst haben – wenn man Angst hat, wird es schrecklich. Glücklicherweise hat mein Körper keine Angst.
(Schweigen)
Es ist etwas schwierig, ja, aber... (Mutter nimmt Satprems Hände)
(Schweigen)
Das nächste Mal ist der 1. Januar.
Ja, liebe Mutter, Samstag, der erste – eine Chance 3 .
(Mutter lächelt) Ja, es wird gehen.
Ja?
(Meditation, dann ein so schönes Lächeln,
und Mutter reicht das Foto von 1972,
wo sie einem lächelnden chinesischen Baby ähnelt)
Hast du das?
Oh, das ist sehr charmant!
1 Ein Tantriker, dem Mutter jedes Jahr an seinem Geburtstag eine Meditation gibt.
2 Besonders in Beluchistan, in Quetta.
3 Eine Chance, daß das Datum des nächsten Treffens auf den ersten Tag des Jahres fällt.