Mutters
Agenda
dreizehnten Band
29. Januar 1972
(Satprem liest Mutter einen Brief des mit P.L. befreundeten Monsignore R. vor, der sich mit der Hoffnung, ein neues Leben zu beginnen, an Mutter wendet. Mutter verharrt
eine Viertelstunde lang auf ihn konzentriert.)
Ist er krank?
Er mußte sich einer Reihe sehr schwerer Operationen unterziehen. Ich glaube, bei der letzten entfernte man eine Lunge.
Oh!
Dieser Mann hat allerlei Schläge erhalten. Er hat eine Rekordzahl von Operationen hinter sich.
Was ist der Zeitunterschied zu Frankreich?
Fünf oder fünfeinhalb Stunden.
Das heißt?
Das heißt, daß es jetzt halb sechs oder sechs Uhr morgens ist.
Notiere dir die jetzige Zeit!
Es ist elf Uhr.
Könntest du ihn fragen, ob... Welches Datum haben wir?
Wir haben den 29.
...Ob er am 29. um elf Uhr (du nennst die Zeit dort drüben) etwas gespürt hat?
Und wenn er etwas gespürt hat – was immer es auch sei, wenn er ein Gefühl hatte (ich sage nicht, welches), etwas wie eine Kraft oder irgend etwas, irgendein Phänomen –, wenn er es zu dieser Stunde gespürt hat, könnten wir uns auf einen Tag und eine Zeit einigen und etwas versuchen: ich würde eine spezielle Konzentration auf ihn richten.
Wenn er sein Foto schicken könnte, wäre es einfacher.
Das ist alles, was ich tun kann.
Schick ihm einen eingeschriebenen Brief!
(Schweigen)
Es wäre besser, wenn er selbst die Zeit festsetzt, wo er eine Weile frei und ruhig sein kann.
(Schweigen)
Was sagte ich, solle man ihn fragen?
Ob er etwas gespürt habe...
Es ist besser, nicht "gespürt" zu sagen: ob er sich irgendeiner Sache BEWUSST war; denn bei "Spüren" könnte er an ein vitales oder physisches Gefühl denken. Ob er sich etwas bewußt war.
(Mutter geht bis zum Ende in sich,
dann nähert sich Sujata)
Liebe Mutter, ich möchte dich auf ein recht eigenartiges Phänomen aufmerksam machen. Vorletzte Nacht hatten Satprem, F und ich unabhängig voneinander einen ähnlichen Traum.
Ach! Und was war es?
Massive Angriffe.
Durch wen?
Ich weiß nicht, liebe Mutter. Aber was ich sah, war, daß viele Leute des Ashrams zugegen waren und man uns hinrichten wollte. Ich hatte einen unerschütterlichen Glauben und dachte: "Das ist nicht möglich, im letzten Moment wird ein Wunder geschehen ..."
Ja.
Ich sagte das zu jemandem, der sehr beunruhigt und deprimiert war.
Zu wem?
Ich weiß es nicht, ich erinnere mich nicht mehr – jemand, der ebenfalls hingerichtet werden sollte. Auch viele Kinder waren da. Dann hörte ich etwas wie einen großen Gesang (viele Leute waren versammelt, und es war der Augenblick, wo wir hingerichtet werden sollten), wie ein Mantra, das von allen aufstieg, etwa so: OM Namo Bhagavaté Sri Arabindaye.
Sieh an!
Alle sangen das – alle. Und dann verschwand die Bedrohung.
Und wer hatte diesen Traum noch?
Satprem sah sich einem massiven Feuer von Bomben und Granaten ausgesetzt 1 . Und F sah, daß sie dich besuchen wollte, aber man hatte sie in ein Zimmer eingeschlossen. Sie wollte dir das Essen bringen, doch man sagte ihr: "Nein, nein, Mutter ißt nicht." Sie wußte, daß es Lügen waren, aber man wies sie ab.
Wann war das?
Nicht letzte Nacht, die Nacht davor.
Ja, ja.
Du hattest den vollständigsten Traum.
Aber du hast gesehen, daß es nicht zum Angriff kam.
Ja, er löste sich auf, als man den Namen Sri Aurobindos sang. [Sujata singt:] OM Namo Bhagavaté Sri Arabindaye...
Das ist es, das ist es. Und es ist wahr, mein Kind... Das war gut.
Wurden wir angegriffen?
Nicht physisch natürlich.
Es ist gut. Es ist wahr. Es war die Nacht davor. Ich selbst wiederholte das Mantra die ganze Nacht.
Es ist gut, mein Kind.
1 Er flüchtete in eine Art bewegliche Dunkelheit, die wie von blassen, milchweißen Adern durchzogen war, und entkam in deren Schutz.