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Mutters

Agenda

dreizehnten Band

27. Mai 1972

(Mutter ist verspätet)

Es gibt einen konkreten (und nicht besonders praktischen) Beweis, daß die supramentale Zeit nicht die gleiche ist wie die physische Zeit... Manche Sekunden erscheinen endlos, und Stunden vergehen im Nu. Und das ist völlig konkret. Resultat: ich bin immer zu spät dran.

Was tun? Ich weiß es nicht.

(Schweigen)

Das eigene Bewußtsein ist dabei, sich zu ändern – nicht das tiefe Bewußtsein (das wird immer klarer) sondern sozusagen das "praktische" Bewußtsein, das dabei ist, sich auf seltsame Weise zu ändern.

Plötzlich, während ich gerade esse, verschwindet alles aus dem Bewußtsein, und lange danach merke ich, daß ich dasitze (Geste, eine Hand in der Luft) mit dem Löffel in der Hand... Nicht gerade praktisch! (Lachen)

Aber während dieser Zeit, wo du plötzlich wegtrittst...

Ach, das ist interessant. Aber ich gehe nicht "weg", nein... Ich bin ganz und gar nicht in Trance: ich bin hellwach, in VOLLER Tätigkeit. Ich sehe Dinge, tue Dinge, höre Leuten zu... ständig. Und ich vergesse das materielle Leben. Plötzlich kommt dann etwas von außen, um mich daran zu erinnern.

Ich trete nicht aus dem materiellen Leben hinaus, aber... es erscheint anders.

(Schweigen)

Hast du nichts zu fragen?

Nein, liebe Mutter.

Oder etwas zu sagen?

Nein, nicht wirklich... Ich korrigiere gerade den Sannyasin, das Buch, das ich einst schrieb, und alle diese Erfahrungen und Dinge in den Höhen erscheinen mir jetzt so blaß.

Ach!

Fast wie ein Traum...

Ja.

... im Vergleich zu dem, was jetzt ist.

Nicht wahr!

Ich glaube wirklich, daß die physische Welt dabei ist, sich zu verändern. Wahrscheinlich werden wir es erst in einigen Jahrhunderten erkennen, denn es dauert lange, bis es für das gewöhnliche Bewußtsein sichtbar wird. Aber es fühlt sich an (Mutter betastet die Luft)... als sei sie aus etwas anderem beschaffen.

Von Zeit zu Zeit warnt mich etwas: "Sprich nicht, sprich nicht!" Damit ich den Mund halte, denn die Leute in meiner Umgebung könnten denken, ich werde verrückt.

!!!

(langes Schweigen)

Du sagst, nicht die Sicht der physischen Welt sondern die Beschaffenheit der Substanz selbst verändert sich?

Ja, ja, die Änderung liegt ganz und gar nicht in meiner Sichtweise... Wie soll ich sagen?... Es ist komisch.

Weißt du, ich habe gleichzeitig (um noch die alte Sprache zu gebrauchen) die OFFENSICHTLICHE Erfahrung einer ungeheuren Macht und die einer vollkommenen Machtlosigkeit.

Die alten Dinge, die vorgestern noch mächtig und fähig waren, erscheinen inexistent. Und gleichzeitig, wenn diese Kraft kommt, fühle ich konkret (und ich habe den Beweis durch die Tatsache), daß ein bloßer sich ausdrückender Wille oder auch einfach das Erschauen einer Sache... (Mutter senkt ihre Hände) allmächtig ist. Materiell. Sterbende Leute kehren zum Leben zurück; Leute, die sich wohl fühlen, brrt! scheiden plötzlich dahin – so weit geht das. Umstände, die unlösbar erscheinen, finden plötzlich eine Lösung – die Leute selbst sagen: "Es gleicht einem Wunder." Für mich ist das kein Wunder, es ist ganz einfach: es war so (Mutter senkt einen Finger). Aber es IST so. Das ist neu in der Welt. Es ist nicht mehr die frühere Art, es ist keine mentale Konzentration mehr, keine mentale Schau, all dies existiert nicht mehr – (Mutter senkt einen Finger): eine Tatsache.

Eine Tatsache.

Ich selbst bin noch zu sehr verbunden mit... [der Denkweise der Leute]. Gott sei Dank (Mutter wischt sich über die Stirn) ist das Mental verschwunden. Weißt du, ich bin... Ach! Das ist ein wunderbarer Segen... Aber in gewöhnlicher, äußerer Hinsicht scheine ich absolut verdummt zu sein.

!!!

Es ist gut, daß jemand wie du an meiner Seite ist, der weiß, daß da etwas anderes vor sich geht.

Aber ja! Gewiß ist da "etwas anderes"!

Dabei spüre ich eine solche Kraft!... Und wenn ich mich ausruhe, schlafe ich nicht, sondern trete in diese supramentale Aktivität ein, und da... oh, mein Kind!... ich sehe mich aktiv, mit einer außerordentlichen Kraft. Und dann ist da nicht mehr... Wenn ich spreche, muß ich "ich" sagen, aber das entspricht nichts, das ist... es ist Das Bewußtsein, es ist ein Bewußtsein. Es ist ein Bewußtsein, das weiß, ein Bewußtsein, das kann. Ein BEWUSSTSEIN: keine Person – ein Bewußtsein, das weiß und das handelt. Und das sich dessen (Mutter zeigt auf ihren Körper) bedient, um mit den Leuten in Kontakt zu bleiben.

Ja, da ist keine Person mehr – manchmal habe ich den Eindruck (lachend) einer Marionette (Geste wie am Ende eines Fadens), deren man sich bedient, um mit den Leuten in Kontakt zu treten. Und weil die physischen Mittel so beschaffen sind (wackelige Geste)... Ich fühle mich sehr stark – sehr stark und inexistent. Beides zusammen, verstehst du... Man scheint wirklich verdummt zu sein.

Aber da (Mutter öffnet die Arme nach oben und breitet sie langsam aus, als umarmte sie das ganze Universum) ist es leuchtend, klar, stark und groß... auch physisch. Und es ist PHYSISCH, das ist wirklich erstaunlich! Früher zog ich mich in einen inneren Wesenszustand zurück (all diese inneren Ebenen kenne ich gut, ich hatte die Erfahrung, ich führte ein bewußtes Leben) – all das... ist vorbei. Es ist vorbei... (lächelnd) Als bildete sich eine neue physische Ebene 1 .

Natürlich bin ich für die gewöhnliche Sicht immer noch eine alte Person in einem Stuhl, die sich nicht frei bewegen kann; obwohl ich manchmal plötzlich den Eindruck habe, wenn ich aufstünde, könnte ich ohne Schwierigkeiten laufen... Aber etwas sagt mir: "Geduld! Geduld!..." Und so warte ich eben.

Hartnäckig taucht immer wieder eine Idee auf (Geste eines Hämmerns): Wenn mein Körper Hundert wird, werde er sich verjüngen. Das ist eine beharrliche Idee, die nicht von mir stammt und die so wirkt (Geste des Hämmerns von oben), damit ich mich gedulde (aber ich bin nicht ungeduldig). Geduld.

Bis hundert sind es noch sechs Jahre, nicht wahr?

Ja, sechs Jahre, liebe Mutter, sehr wenig.

Aber die Fähigkeiten des Körpers werden sich ändern, BEVOR sich die Erscheinung des Körpers verändert – die Erscheinung ändert sich ALS LETZTES; und über diesen Punkt ist mir nichts bekannt, das steht nie zur Debatte. Die Frage ist, welchen Gebrauch das Bewußtsein davon machen kann. Und es wird keine "Jugend" sein, sondern eine andere Fähigkeit, die kommen wird, um sich des Körpers zu bedienen. Wohl um ihn zu transformieren? Oder für etwas anderes? Das weiß ich nicht... Ich weiß es nicht; seltsamerweise spreche ich nur davon und denke nur daran, wenn du da bist, als bestehe eine Notwendigkeit, daß jemand es weiß – sonst beschäftigt mich das nicht (Geste mit offenen Händen).

Es gibt Stunden der Kontemplation, die Stunden sehr aktiver Arbeit sind. Sie dauern Stunden, erscheinen aber wie Minuten. So ist es jetzt.

(Schweigen)

Und du?

Es geht gut, liebe Mutter.

Oh, mein Kind!... (Mutter nimmt Satprems Hände).

Du erfüllst mich.

Etwas... (Mutter beugt sich) etwas in mir nimmt dich und umarmt dich voller Zärtlichkeit.

(Kontemplation)

 

1 "Er entdeckte die beiden Welten, ewig und in demselben Nest." Rig-Veda I.62.7

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