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Mutters

Agenda

dreizehnten Band

14. April 1973

(Mutter ist sehr außer Atem, sie scheint zu leiden.)

Jetzt wird mein Nervensystem dem Supramental angepaßt. Ich habe den Eindruck... weißt du, die Leute nennen das "Neurasthenie" – man weiß nicht, was es eigentlich ist, aber das ganze Nervensystem... Das ist schlimmer, als zu sterben 1 .

Ja, liebe Mutter.

Aber ich glaube, daß... Ich glaube, ich kann die göttliche Schwingung übertragen.

Oh, ja, gewiß!

Du sagst mir, wenn du es fühlst?

Wenn man in deiner Nähe ist, ist es gewaltig – man ist... Eine solche Sturzflut... Man hat den Eindruck eines reinigenden Feuers... Das erweitert einen, es erfüllt einen – es ist DAS!

Willst du noch etwas bleiben [zum Meditieren]?

Weißt du, liebe Mutter, gerade weil du seit einiger Zeit äußerlich machtlos scheinst, habe ich angefangen, die Höchste Mutter zu spüren. Als dir noch all deine Kräfte zur Verfügung standen...

Ich weiß, daß mein Körper... Ich weiß, daß dieser Körper... Hör zu, ich habe akzeptiert – der Herr hat mich gefragt, ob ich mich der Transformation unterziehen wolle, und ich sagte ja (ich hätte auf alle Fälle ja gesagt), aber... für das gewöhnliche menschliche Bewußtsein bin ich dabei, verrückt zu werden 2 .

Ja, ich verstehe, Mutter. Ich verstehe... Jeder andere hätte sich hundertmal eher aus dem Staub gemacht, als da drin zu bleiben und all das durchzumachen. Das verstehe ich.

Geht es dir denn gut?

Ja, ja, Mutter.

Wenn du so bist [in Meditation], geht es dir gut?

Oh, Mutter, es fühlt sich an, als hätte ich das Ziel meines Lebens erreicht!

Gut. Wieviel Uhr ist es?

Es ist zehn Uhr fünfundzwanzig.

Bis... ich weiß nicht, ob es elf Uhr oder zehn nach elf ist... behalte ich dich hier.

Ja, Mutter, halte mich!

(Mutter geht in sich)

 

ADDENDUM

Ein Reiskorn?

"Für das gewöhnliche menschliche Bewußtsein bin ich dabei, verrückt zu werden ..." Was geschah am 17. November 1973? Oder vielleicht: Was geschieht jetzt?

Seit so vielen Jahren haben wir jedes von Mutters Worten unter die Lupe genommen – haben all das MITERLEBT, mit klopfendem Herzen oder mit gebrochenem Herzen. Was ist geschehen? Warum?... Niemals werden wir eingestehen, daß sie fortgegangen ist, weil der Versuch scheiterte – ebensogut könnten wir sagen, die Menschheit sei gescheitert; auch nicht, daß sie aufgegeben hat oder daß es zu schwierig war – nichts war für sie zu schwierig, und sie kämpfte wie eine Löwin. Und zu sagen: "der Körper hat versagt", weil er zu alt war, wie die anderen erklärten, oder aus diesem oder jenem Grund – offensichtlich hat man nie diese Macht gefühlt oder berührt, um so etwas sagen zu können, denn "Das" kann einen Toten und alle Toten auferwecken... ohne daß es einen Unterschied machen würde. Was dann? In einem bestimmten Moment verlor Mutter den Kontakt mit ihrem Körper, oder vielmehr, "Das" verlor den Kontakt mit Mutters Körper. Ja, eines Tages (am 10. März) hatte sie gesagt: "Wenn ich den Kontakt verlöre – aber das ist unmöglich!" Und an einem anderen Tag, am 4. Dezember 1971, hatte sie erklärt: "Nur ein gewaltsamer Tod könnte die Transformation aufhalten, sonst wird es unaufhaltsam weitergehen ..."

So stehen wir vor zwei möglichen Lösungen zu diesem Problem... Wie in einem Krimi, und wenn es kein Krimi ist, was ist es dann? Welche andere Erklärung kann dieses Rätsel haben? Sicherlich waren da diese fürchterlichen Leute, aber sie waren nicht außergewöhnlich, weder im Guten noch im Schlechten: sie repräsentierten die mittelmäßige Menschheit und das gewöhnliche physische Bewußtsein, und sie hielten all das für fragwürdige Träume oder Halluzinationen. Sie glaubten alle, Mutter sei alt, senil oder sogar "verrückt", und daß sie sterben werde – aber kann dieser menschliche Pygmäenglaube ein solches Bewußtsein zugrunde richten? Eine solche Kraft? Einen solchen Willen? Kann das Unterfangen wirklich wegen unseres Glaubens oder Unglaubens scheitern?

Sie war also allein – sie wird es jedenfalls bald sein, am 19. Mai, fünfunddreißig Tage nach diesem Gespräch. Wir haben immer noch in den Ohren, wie Mutters Sohn uns einige Tage nach dem 19. Mai fragte: "Wie werden wir mit Mutter kommunizieren?" – "Es wird keine Kommunikation mehr geben." Er war fassungslos, wir nicht. Kommunizieren mit WEM? Doch wir waren überzeugt, daß mit oder ohne Kommunikation die Erfahrung weitergehen würde: Mutter wollte das Nahrungsbindeglied der alten Physiologie kappen – die anderen ließen es nicht zu. Blieb die kataleptische Trance, das Märchen, Dornröschen – auch das wollten sie nicht. Immer noch hören wir die Stimme des Rohlings: "Nein, ich will nicht."

Was dann?...

Hat sie entschieden, fortzugehen? – Niemand wird uns überzeugen können, daß Mutter dies "entschieden hat", oder daß sie alt oder verrückt war, oder daß sie nicht mehr konnte.

Hat "der Herr entschieden?" – Auf jeden Fall ist es Er, der entscheidet. Aber er bedient sich menschlicher Instrumente, sonst hätte diese Welt niemals bestanden, und diese menschlichen Instrumente haben die Freiheit der Wahl: sie sind nicht bloße kleine Marionetten in den Händen "Gottes". Das heißt, um genauer zu sein: wir können wählen, Marionetten Gottes zu sein oder Marionetten von Dämonen – und vielleicht führt uns das eine UND das andere gemeinsam zu einem unvorhersehbaren Ziel.

Die Menschen haben also entschieden. Sie wollten keine Trance, sie wollten keine Erfahrung, sie wollten kein Märchen, sie wollten nicht, daß es endlos so weiterging.

Eine Tatsache verfolgt uns seit sieben Jahren, und zwar ein gewisser Abschnitt in Pranabs Rede, einige Tage nach Mutters Weggang. (Wir wollen hier niemandem den Prozeß machen: wir schreiben Geschichte; wir wollen exakte Tatsachen berichten, die genauen Worte, genaue Portraits – ich bin Mutters Schreiber, das ist alles... und ich liebe sie, denn es ist gut zu lieben.) In dieser Rede findet sich eine kleine Bemerkung, "wie nebenbei" gesagt, wie etwas "völlig Natürliches". Er beschreibt "die letzten Tage" – so erscheint es uns natürlich erst NACHHER, wenn die Geschichte abgeschlossen ist – im Verlauf sind es Tage wie alle anderen:

In der Nacht vom 14. November sagte sie: "Helft mir aufzustehen und zu gehen!" Wir zögerten sehr, aber da sie darauf bestand, hoben wir sie hoch von ihrem Bett. Sie konnte nicht gehen, schwankte etwas, brach fast zusammen. Als wir das sahen, brachten wir sie wieder zurück in ihr Bett. Wir sahen, daß ihr Gesicht ganz weiß und ihre Lippen blau geworden waren. Da beschlossen wir, daß, was auch immer sie sagen würde, wir sie nicht mehr zum Gehen aus ihrem Bett nehmen dürften. Sie brauchte ungefähr zwanzig Minuten, um sich zu erholen. Und wieder sagte sie: "Hebt mich hoch, ich will gehen!" Wir weigerten uns. Sie fragte, warum wir uns weigerten. Wir sagten: "Mutter, du bist in einer so schwachen Verfassung, daß es dir schadet." Worauf sie sagte: "Nein, hebt mich hoch!" Wir taten es nicht. Sie begann zu bitten, manchmal zu schreien. All das ging so weiter bis Viertel nach eins. Da beschlossen wir, ihr ein Beruhigungsmittel zu geben, damit sie ruhen könne. Wir gaben ihr Psyquil, wie es der Arzt verschrieben hatte. Nach ungefähr 45 Minuten beruhigte sie sich und schlief von 2 bis 4 Uhr, aber als sie aufwachte, sagte sie erneut: "Pranab, heb mich hoch und laß mich gehen, sonst werden meine Beine gelähmt sein; wenn du mir hilfst zu gehen, werden sie in Ordnung kommen." Aber wir hörten nicht auf sie. Sie bat weiter bis 6 Uhr, bis sie einschlief.

Wie eine Löwin kämpfte sie bis zum Ende. Ist dies das Verhalten von jemandem, "der beschlossen hat, fortzugehen"?

Es war der 14. November, drei Tage vor dem "Ende".

Am 15., so berichtet Pranab, wollte sie nachts wieder, daß wir ihr beim Gehen behilflich seien, wir weigerten uns. Wir sagten: "Mutter, du darfst nicht gehen." Sie gehorchte uns sofort... Von diesem Tag an wurde sie vollkommen gehorsam.

Wie lange schon hatten sie ihr das Psyquil verabreicht? Und was ist Psyquil 3? – Ein befreundeter Arzt hatte uns deutlich gesagt: "Das ist eine gefährliche Droge." Aber wir konnten nicht an so etwas glauben, es war zu schrecklich.

Sieben Jahre später, im September 1980, als wir von Madras zurückkamen, wollten wir es endlich wissen. Wir gingen in eine Apotheke und verlangten Psyquil, entnahmen die Gebrauchsanweisung und lasen mit Verblüffung:

"Studien ergaben, daß Übersedierung nicht immer erforderlich ist bei psychotischen Symptomen wie Erregung, Halluzinationen oder Delirium. Psyquil vereinfacht sehr die Hausbehandlung von emotional gestörten Patienten, von denen früher viele sonst hospitalisiert werden mußten. Diese Patienten nehmen ein realistischeres Verhalten an, werden zu einer geringeren Belastung für die Familien, sie werden fügsamer und können leichter diszipliniert werden. Psyquil ist besonders angebracht für die Behandlung von schweren akuten und chronischen Geistesstörungen wie Schizophrenie, Manie, Depression, Delirium, Alterspsychosen und durch organische Gehirnkrankheiten verursachte Psychosen."

Dieser Körper also, dessen zellulares Bewußtsein durch Jahrzehnte des Yoga vorbereitet, verfeinert und ausgebildet worden war...?

Da versagen einem die Worte.

Sie hatten genug. Sie waren sich alle einig.

Wir erinnern uns an einen "Traum", zwölf Jahre früher, wo Mutter wie tot war, "weil sie ein Reiskorn gegessen hatte". Was ist dieses "Reiskorn"? Etwa diese mikroskopische Sache, die diesen Körper hätte brechen können?

Wenn wir die physische Ursache für ihren Weggang gefunden haben, liefert uns das immer noch nicht die Realität – denn das Göttliche bedient sich aller Mittel, selbst unserer menschlichen Irrtümer, um sie in seinen unvorhersehbaren Honig zu verwandeln.

Und wir erinnern uns an Sri Aurobindos Wort: "Die schreckliche Strategie des Ewigen." 4

Denn das "Ende" Mutters hat sich noch nicht voll ausgespielt.

"Wartet auf den letzten Akt!" hatte sie gesagt.

Aber trotzdem...

 

1 Wir erinnern uns, daß Mutter einmal sagte: "Wenn die Leute mit einem schlechten Gedanken eintreten, verspürt das ganze Nervensystem dies wie eine Folter."

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2 Siehe Addendum.

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3 Triflupromazin.

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4 Savitri, I.II.17

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