Sri Aurobindo
Gedanken und Aphorismen
Gedanken und Aphorismen = Thoughts and Aphorisms // CWSA.- Vol 12.- pp.421-500.
Die Gedanken und Aphorismen (Thoughts and Aphorisms) stammen aus den Jahren 1914 bis 1915; sie wurden erstmals 1958 veröffentlicht. Nur ein kleiner Teil der Aphorismen war von Sri Aurobindo durchgesehen und zu seinen Lebzeiten unter dem Titel Thoughts and Glimpses (Gedanken und Einblicke) seit 1920 wiederholt gedruckt worden. Wir bringen sie hier als Einführung. Die übrigen 540 Aphorismen sind nicht verändert worden. Sieben weitere im Nachlass gefundene Aphorismen stehen im Anhang.
Inhaltsverzeichnis
Sri Aurobindo macht von der in der englischen Sprache gegebenen Möglichkeit, Worte groß zu schreiben, um ihre Bedeutung hervorzuheben, häufig Gebrauch. Mit dieser Großschreibung bezeichnet er meist Begriffe aus übergeordneten Daseinsbereichen, doch auch allgemeine Worte wie Licht, Friede, Kraft usw., wenn er ihnen einen vom üblichen Gebrauch verschiedenen Sinn zuordnet. Diese Worte und Begriffe wurden in diesem Buch kursiv hervorgehoben, um dem Leser zu einer leichteren Einfühlung in diese subtilen Unterscheidungen zu verhelfen.
Das englische Wort “mind” wird mit “Mental” übersetzt.
Das englische Wort “spirit” wird mit “Geist” oder auch “Spiritueller Geist” übersetzt.
Was Sri Aurobindo sagt, will die gewohnte Auffassung sprengen, um dich eine tiefere Wahrheit berühren zu lassen. – Die Mutter
Sind wir über Kenntnisse hinaus, dann haben wir Wissen. Vernunft war das Mittel; Vernunft ist die Schranke.
Sind wir über Bemühungen hinaus, dann haben wir Macht. Anstrengung war das Mittel, Anstrengung ist die Schranke.
Sind wir über Vergnügungen hinaus, dann haben wir Seligkeit. Begierde war das Mittel, Begierde ist die Schranke.
Sind wir über die Individualisierung hinaus, dann sind wir wahre Person. Ego war das Mittel, Ego ist die Schranke.
Sind wir über das Menschentum hinaus, dann sind wir der Mensch. Das Tier war das Mittel, das Tier ist die Schranke.
Wandle die Vernunft in geordnete Intuition; sei ganz und gar Licht. Das ist dein Ziel.
Wandle Anstrengung in gleichmäßiges, freies Strömen von Seelenstärke; sei ganz und gar bewusste Kraft. Das ist dein Ziel.
Wandle Vergnügen in gleichmäßige und gegenstandslose Ekstase; sei ganz und gar Seligkeit. Das ist dein Ziel.
Wandle das gesonderte Einzelwesen in die Welt-Person; sei ganz und gar das Göttliche. Das ist dein Ziel.
Wandle das Tier in den Hirten der Herden; sei ganz und gar Krishna. Das ist dein Ziel.
***
Was ich jetzt nicht vermag, zeigt an, was ich künftig vollbringen werde. Das Gefühl von etwas Unmöglichem ist der Anfang aller Möglichkeiten. Weil dies zeitliche Universum ein Paradox und eine Unmöglichkeit war, erschuf es der Ewige aus Seinem Wesen.
Das Unmögliche ist nur eine Summe größerer, noch unverwirklichter Möglichkeiten. Es verhüllt einen vorgerückten Abschnitt, eine noch unvollendete Reise.
Willst du, dass die Menschheit weiterkomme, so tritt alle vorgefassten Meinungen mit Füßen. Derart getroffen, erwacht das Denken und wird schöpferisch. Sonst bleibt es in mechanischer Wiederholung befangen und hält dies fälschlich für seine wahre Betätigung.
Sich um die eigene Achse zu drehen ist nicht die einzige Bewegung für die menschliche Seele. Es gibt noch ihr Kreisen um die Sonne einer unerschöpflichen Erleuchtung.
Sei dir erst deiner selbst im Innern bewusst, dann denke und handle. Alles lebendige Denken ist eine Welt in Vorbereitung; alles wirkliche Tun ist ein offenbarter Gedanke. Die stoffliche Welt besteht, weil eine Idee in göttlicher Selbstbewusstheit zu spielen begann.
Denken ist weder Haupt- noch Ursache des Daseins, sondern ein Werkzeug des Werdens: ich werde, was ich in mir sehe. Alles, was Denken mir eingibt, kann ich tun; alles, was Denken in mir enthüllt, kann ich werden. Das sollte des Menschen unerschütterlicher Glaube an sich selbst sein, denn Gott wohnt in ihm.
Immerfort zu wiederholen, was der Mensch schon getan hat, ist nicht unsere Aufgabe, sondern zu neuen Verwirklichungen und ungeahnten Meisterschaften vorzustoßen. Zeit, Seele und Welt sind uns als Feld gegeben, Schau, Hoffnung und schöpferische Vorstellung dienen uns als Eingeber, Wille, Gedanke und Arbeit sind unsere all-wirksamen Mittel.
Was gibt es Neues, das wir noch zu erlangen hätten? Liebe, denn bisher haben wir es nur zu Hass und Selbstgenuss gebracht; Wissen, denn bisher haben wir es nur zu Irrtum, Feststellung und Meinung gebracht; Seligkeit, denn bisher haben wir es nur zu Vergnügen, Schmerz und Gleichgültigkeit gebracht; Macht, denn bisher haben wir es nur zu Schwäche, Anstrengung und vereiteltem Sieg gebracht; Leben, denn bisher haben wir es nur zu Geburt, Wachstum und Sterben gebracht; Einheit, denn bisher haben wir es nur zu Krieg und Bündnis gebracht.
In einem Wort: Gottheit; uns neu zu schaffen nach dem göttlichen Bild.
Wäre Brahman nur eine unpersönliche Abstraktion in ewigem Widerspruch zur augenscheinlichen Tatsache unseres konkreten Daseins, so wäre Aufhören das rechte Ende der Angelegenheit; aber auch Liebe, Wonne und Selbstbewusstheit zählen.
Das Weltall ist nicht bloß eine mathematische Formel zur Erarbeitung des Verhältnisses gewisser mentaler Abstraktionen, sogenannter Zahlen und Prinzipien, um am Ende zu einer Null oder einer leeren Einheit zu kommen, noch ist es bloß ein physikalischer Vorgang, der eine bestimmte Kräftegleichung ausdrückt. Es ist die Wonne eines in sich selbst Verliebten, das Spiel eines Kindes, die endlose Selbstvervielfachung eines Dichters, der von Seiner eigenen endlosen Schöpferkraft berauscht ist.
Wir können vom Höchsten als von einem Mathematiker sprechen, der eine kosmische Summe in Zahlen ausdrückt, oder als von einem Denker, der durch Experiment ein Problem des Kräftegleichgewichts und der Verhältnisse von Prinzipien löst: aber wir sollten von Ihm auch sprechen als von einem Liebenden, einem Musiker universaler und einzelner Harmonien, einem Kind, einem Dichter. Die gedankliche Seite genügt nicht; auch jene der Wonne muss voll erfasst werden: Ideen, Kräfte, Existenzen und Prinzipien sind leere Formen, erfüllt sie nicht der Atem der Wonne Gottes:
Dies sind Bilder, aber alles ist ein Bild. Abstraktionen geben uns den reinen Begriff von Gottes Wahrheiten; Bilder geben uns jedoch ihre lebendige Wirklichkeit.
Wenn Idee, Kraft umarmend, die Welten zeugte, so zeugte die Wonne des Seins die Idee. Weil das Unendliche unzählbar Wonne in sich empfing, darum gelangten Welten und Universen in das Dasein.
Bewusstheit des Seins und Wonne des Seins sind die ersten Eltern. Sie sind auch die letzten Transzendenzen. Unbewusstheit ist nur eine dazwischen liegende Ohnmacht des Bewussten oder sein dunkler Schlaf; Schmerz und Selbstauslöschung sind nur Wonnen des Seins, die vor sich selber flieht, um sich anderswo oder anders wiederzufinden.
Die Wonne des Seins ist nicht auf die Zeit beschränkt; sie ist ohne Ende oder Anfang. Gott tritt aus einer Daseinsform heraus, nur um in eine andere einzugehen.
Und was ist schließlich Gott? Ein ewiges Kind, das ein ewiges Spiel in einem ewigen Garten spielt.
Gott kann nicht aufhören, sich zur Natur niederzuneigen, noch der Mensch, zur Gottheit emporzustreben. Das ist die ewige Beziehung zwischen dem Endlichen und dem Unendlichen. Scheinen sie sich voneinander abzukehren, so nur, um sich inniger zu begegnen.
Im Menschen wird sich die Welt-Natur ihrer selbst wieder bewusst, damit sie den größeren Sprung zu ihrem Genießer hin tun könne. Dieser Genießer ist es, den sie unwissentlich besitzt, den Leben und Empfindung besitzen und zugleich leugnen, den sie leugnen und zugleich suchen. Die Welt-Natur kennt Gott nur darum nicht, weil sie sich selbst nicht kennt; sobald sie das tut, wird sie die unvermischte Wonne des Seins kennen.
In der Einheit zu besitzen ist das Geheimnis, und nicht in ihr sich zu verlieren. Gott und Mensch, Welt und Jenseits werden eins, wenn sie einander kennen. Ihre Trennung ist die Ursache der Unwissenheit, wie Unwissenheit die Ursache des Leidens ist.
Zuerst sucht der Mensch blind und weiß nicht einmal, dass er sein göttliches Selbst sucht; denn er beginnt im Dunkel der stofflichen Natur, und noch wenn er anfängt zu sehen, ist er lange geblendet von dem Licht, das in ihm wächst. Auch Gott antwortet dunkel auf sein Forschen; Er sucht des Menschen Blindheit und freut sich daran wie an Kinderhänden, die nach der Mutter tappen.
Gott und Natur sind wie ein Knabe und ein Mädchen bei verliebtem Spiel. Sie verstecken sich und laufen, wenn erblickt, voreinander davon, um sich suchen, jagen und fangen zu lassen.
Der Mensch ist Gott, der sich vor der Natur verbirgt, dass er sie durch Kampf, Beharrlichkeit, Gewalt und Überraschung besitzen möge. Gott ist der universale und transzendente Mensch, der sich vor seiner eigenen Individualität im menschlichen Wesen verbirgt.
Das Tier ist der in ein Fell verkleidete Mensch auf vier Beinen; der Wurm ist der auf die Entwicklung seines Menschentums zukriechende Mensch. Sogar die groben Formen der Materie sind der Mensch in seinem unfertigen Körper. Alles ist Mensch, der Purusha.
Denn was verstehen wir unter Mensch? Eine unerschaffene und unzerstörbare Seele, die Wohnung nahm in einem Mental und Körper, die aus ihren eigenen Elementen gemacht sind.
Die Begegnung von Mensch und Gott bedeutet immer ein Eindringen und Eintreten des Göttlichen in das Menschliche und ein Sich-Versenken des Menschen in die Göttlichkeit.
Doch ist jenes Versenken nicht von der Art einer Selbstvernichtung. Auslöschung ist nicht die Erfüllung all dieser Suche und Leidenschaft, dieses Leidens und Entzückens. Das Spiel wäre nie begonnen worden, müsste es derart enden.
Wonne ist das Geheimnis. Lerne das reine Entzücken kennen, und du kennst Gott.
Was war denn der Anfang der ganzen Geschichte? Dasein, das sich aus schierem Entzücken am Sein vervielfachte und in zahllose Trillionen von Formen tauchte, um sich unzählig wiederzufinden.
Und was liegt in der Mitte? Trennung, die zu vielfältiger Einheit strebt, Unwissenheit, die zu einer Fülle mannigfaltigen Lichtes sich hin bemüht, Schmerz, der in den Wehen unvorstellbarer Ekstase liegt. Denn das alles sind dunkle Erscheinungsformen und entstellte Schwingungen.
Und was ist das Ende der ganzen Geschichte? Wie Honig, der sich selbst und all seine Tropfen zusammen kosten würde, und all seine Tropfen würden einander und jeder die ganze Wabe als sich selbst kosten, so dürfte es am Ende mit Gott und der Seele des Menschen und dem Weltall sein.
Liebe ist der Grundton, Freude die Melodie, Kraft der Zusammenklang, Wissen der Musiker, das unendliche Weltall der Komponist und die Zuhörerschaft. Wir kennen erst die vorbereitenden Misstöne, die ebenso schlimm sind, wie die Harmonie großartig sein wird; bestimmt aber kommen wir zur Fuge der göttlichen Glückseligkeiten.
Die ganze Welt sehnt sich nach Freiheit, und doch ist jedes Geschöpf in seine Ketten verliebt; das ist das erste Paradox und der unauflösbare Knoten unserer Natur.
Der Mensch ist in die Bande der Geburt verliebt; daher ist er auch in die entsprechende Bande des Todes geschlagen. In diesen Fesseln strebt er nach der Freiheit seines Wesens und der Herrschaft seiner Selbst-Erfüllung.
Der Mensch ist in die Macht verliebt; daher ist er der Schwäche unterworfen. Denn die Welt ist ein Meer von Kräftewogen, die ständig aufeinanderstürzen; wer auf dem Rücken einer Welle reiten will, muss unter dem Anprall Hunderter ermatten.
Der Mensch ist ins Vergnügen verliebt; daher muss er das Joch von Kummer und Schmerz auf sich nehmen. Denn unvermischte Verzückung gibt es nur für die freie und leidenschaftslose Seele; doch was im Menschen dem Vergnügen nachjagt, ist eine leidende und angestrengte Energie.
Der Mensch hungert nach Ruhe, aber ihn dürstet auch nach den Erfahrungen eines unsteten Mentals und friedlosen Herzens. Genuss ist für sein Mental etwas Fieberhaftes, Ruhe etwas Träges und Eintöniges.
Der Mensch ist verliebt in die Begrenzungen seines physischen Wesens, und doch verlangt es ihn auch nach der Freiheit seines unendlichen Geistes und seiner unsterblichen Seele.
Und etwas in ihm fühlt sich von diesen Gegensätzen seltsam angezogen; sie machen für sein mentales Wesen das Künstlerische des Lebens aus. Nicht nur der Nektar, sondern auch das Gift reizt seine Neugier und seinen Geschmack.
***
In alledem liegt ein Sinn, und aus all diesen Widersprüchen gibt es eine Befreiung. Die Natur hat Methode bei jedem Wahnsinn ihrer Verwicklungen, und für die unentwirrbarsten Knoten gibt es eine Lösung.
Tod ist die ständige Frage der Natur an das Leben und ihre Mahnung, dass es sich selbst noch nicht gefunden hat. Würde es nicht vom Tod bestürmt, so bliebe das Geschöpf auf alle Zeiten in einer unvollkommenen Lebensform gefangen. Vom Tod verfolgt, erwacht es zur Idee eines vollkommenen Lebens und macht dazu Mittel und Möglichkeit ausfindig.
Gleicherweise stellt Schwäche die Kräfte, Energien und Größen, auf die wir so stolz sind, auf die Probe und in Frage. Macht ist das Spiel des Lebens, zeigt seine Stufe an und findet den Wert seines Ausdrucks; Schwäche ist das Spiel des Todes, der das Leben in seiner Bewegung verfolgt und die Grenze seiner erworbenen Energie betont.
Schmerz und Leid sind die Mahnungen der Natur an die Seele, dass der Genuss ihres Vergnügens nur eine schwache Andeutung der wirklichen Wonne des Daseins ist. Jeder Schmerz und jede Qual unseres Wesens birgt das Geheimnis einer Flamme der Verzückung, mit der verglichen unsere größten Vergnügungen bloß trübes Geflacker sind. Dies Geheimnis ist es, was für die Seele die Anziehung großer Prüfungen, Leiden und grimmiger Lebenserfahrungen ausmacht, die das nervliche Mental in uns verabscheut und meidet.
Die Rastlosigkeit und rasche Erschöpfung unseres tätigen Wesens und seiner Werkzeuge sind das Zeichen der Natur, dass Ruhe unsere wahre Grundlage ist und Aufregung eine Krankheit der Seele; die Fruchtlosigkeit und Einförmigkeit der bloßen Ruhe ist ihr Hinweis darauf, dass sie auf jener festen Grundlage das Spiel der Tätigkeiten von uns erwartet. Gott spielt immerdar und regt sich nie auf.
Die Grenzen des Körpers sind eine Hohlform; Seele und Geist müssen einströmen, jene aufbrechen und beständig erweitern, bis die Formel der Übereinstimmung zwischen diesem Endlichen und ihrer eignen Unendlichkeit gefunden ist.
Freiheit ist das Gesetz des Wesens in seiner unbegrenzbaren Einheit, sie ist der geheime Meister aller Natur: Dienstbarkeit ist das Gesetz der Liebe im Wesen, das sich freiwillig hingibt, um in der Vielfalt dem Spiel seiner anderen Selbste zu dienen.
Wenn Freiheit in Ketten arbeitet und Dienstbarkeit nicht Gesetz der Liebe ist, sondern der Kraft, dann wird die wahre Natur der Dinge entstellt, und Falschheit bestimmt der Seele Umgang mit dem Dasein.
Die Natur fängt mit dieser Entstellung an und spielt mit allen Kombinationen, zu denen sie führen kann, ehe sie die Berichtigung erlaubt. Dann hebt sie die ganze Essenz dieser Kombinationen empor in eine neue und reiche Harmonie der Liebe und der Freiheit.
Freiheit kommt durch Einheit ohne Grenzen; denn dies ist unser wahres Wesen. Wir können die Essenz dieser Einheit in uns selbst gewinnen; wir können ihr Spiel verwirklichen im Einssein mit allen anderen. Diese doppelte Erfahrung ist die vollständige Absicht der Seele in der Natur.
Haben wir unendliche Einheit in uns verwirklicht, dann bedeutet, uns an die Welt hinzugeben, äußerste Freiheit und absolute Herrschaft.
Unendlich, sind wir frei von Tod; denn dann wird das Leben ein Spiel unseres unsterblichen Daseins. Wir sind frei von Schwäche; denn wir sind das ganze Meer, das den tausendfachen Anprall seiner Wogen genießt. Wir sind frei von Kummer und Schmerz; denn wir lernen unser Wesen mit allem, was es berührt, in Einklang zu bringen und in allen Dingen das Wirken und Gegenwirken der Wonne des Daseins zu finden. Wir sind frei von Begrenzung; denn der Körper wird ein Spielzeug des unendlichen Geistes und lernt, dem Willen der unsterblichen Seele zu gehorchen. Wir sind frei von der Fieberhaftigkeit des nervlichen Mentals und des Herzens und dennoch nicht auf die Unbewegtheit beschränkt.
Unsterblichkeit, Einheit und Freiheit ruhen in uns und harren unserer Entdeckung; aber um der Freude der Liebe willen bleibt Gott in uns dennoch der Vielfältige.
Manchen scheint es anmaßend, an eine besondere Vorsehung zu glauben oder sich für ein Werkzeug in den Händen Gottes zu halten; aber ich finde, dass jeder seine besondere Vorsehung hat, und ich sehe, dass Gott sich der Hacke des Arbeiters bedient und im Mund eines kleinen Kindes plappert.
Vorsehung ist nicht nur, was mich aus dem Schiffbruch rettet, in dem alle anderen untergingen. Vorsehung ist auch, was mir die letzte Planke der Sicherheit entreißt, während alle anderen gerettet werden, und mich im einsamen Ozean ertrinken lässt.
Die Siegesfreude ist manchmal geringer als der Reiz von Kampf und Leid; trotzdem sollte der Lorbeer das Ziel der erobernden menschlichen Seele sein und nicht das Kreuz.
Seelen, die nicht streben, sind Gottes Versager; aber die Natur ist zufrieden und vermehrt sie gern, denn sie sichern ihr die Beständigkeit und verlängern ihre Herrschaft.
Nicht die Armen, Unwissenden, Niedriggeborenen und Ungebildeten machen die gewöhnliche Herde aus, sondern all jene, die sich mit Kleinlichkeit und Durchschnittsmenschentum zufrieden geben.
Hilf den Menschen, aber beraube sie nicht der eigenen Energie; führe und lehre sie, aber sieh zu, dass ihre Initiative und Originalität nichts einbüße; nimm andere in dich auf, aber gib ihnen dafür die volle Göttlichkeit ihrer Natur. Wer das vermag, ist der Führende und der Guru.
Gott hat die Welt zum Schlachtfeld gemacht und sie mit dem Stampfen der Streiter und dem Geschrei eines großen Ringens und Kämpfens erfüllt. Willst du Seinen Frieden erschleichen, ohne den Preis zu zahlen, den Er dafür festgesetzt hat?
Misstraue einem scheinbar vollkommenen Erfolg; freue dich, wenn du nach einem solchen immer noch viel zu tun findest, und gehe weiter; denn die Arbeit bis zur wahren Vollkommenheit währt lange.
Es gibt keinen lähmenderen Irrtum, als eine Stufe für das Ziel zu halten oder zu lange an einem Ruheplatz zu verweilen.
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Wo immer du ein großes Ende siehst, darfst du eines großen Anfangs sicher sein. Entsetzt eine ungeheure, schmerzvolle Zerstörung dein Mental, so tröste es mit der Gewissheit einer großen und weiten Schöpfung. Gott ist nicht nur in der leisen, ruhigen Stimme, sondern auch im Feuer und im Wirbelsturm.
Je größer die Zerstörung, desto freier die Gelegenheiten zum Schaffen; doch schleppt die Zerstörung sich oft lange und bedrückend hin, und die Schöpfung säumt oder wird in ihrem Triumph unterbrochen. Immer wieder kehrt die Nacht zurück und der Tag stockt oder scheint sogar ein trügerischer Anbruch gewesen zu sein. Verzweifle deswegen nicht, sondern wache und wirke. Wer ungestüm hofft, verzagt schnell: Hoffe weder noch fürchte, sondern sei dir Gottes Absicht und deines Willens, zu vollbringen, gewiss.
Die Hand des göttlichen Künstlers arbeitet oft, als wäre sie ihres Könnens und ihres Materials nicht sicher. Sie scheint zu tasten, zu prüfen und abzulassen, aufzugreifen und wegzuwerfen, dann wieder aufzugreifen, sich anzustrengen und zu versagen, auszubessern und zusammenzuflicken. Überraschungen und Enttäuschungen gehören zu seiner Arbeit, bis alles bereit ist. Was ausgewählt war, wird in den Abgrund des Verworfenen geschleudert; was verschmäht war, wird Eckstein eines mächtigen Bauwerks. Hinter alldem aber ist das sichere Auge eines Wissens, das unsere Vernunft übersteigt, und das langmütige Lächeln einer unendlichen Meisterschaft.
Gott hat alle Zeit vor sich und braucht sich nicht dauernd zu beeilen. Er ist sich seines Zieles und Erfolges sicher, und es macht ihm nichts aus, sein Werk hundertmal zu zerbrechen, um es der Vollkommenheit näher zu bringen. Geduld ist unsere erste große notwendige Lektion, jedoch nicht die stumpfe Zurückhaltung des Schüchternen, Zweifelnden, Überdrüssigen, Faulen, Ehrgeizlosen oder Schwachen, sondern eine Geduld voll Ruhe und gesammelter Kraft, die wacht und sich vorbereitet für die Stunde schneller und starker Schläge, zwar weniger, doch genug, um das Schicksal zu ändern.
Warum hämmert Gott so grimmig auf seiner Welt herum, tritt und knetet sie wie Teig, wirft sie so oft in das Blutbad und die rote Höllenhitze des Schmelzofens? Weil die Menschheit in ihrer Masse immer noch ein hartes, grobes oder gemeines Erz ist, das sich anders nicht schmelzen und formen lässt; wie das Material, so die Methode. Möge es mithelfen, sich in ein edleres und reineres Metall zu verwandeln, und Gott wird mit ihm sanfter und angenehmer verfahren, es viel reiner und schöner verwenden.
Warum er solches Material wählte oder schuf, wo er doch aus der ganzen unendlichen Möglichkeit wählen konnte? Weil seine göttliche Idee nicht nur Schönheit, Süße und Reinheit vor sich sah, sondern auch Kraft, Willen und Größe. Verachte die Kraft nicht, noch hasse sie wegen der Hässlichkeit einiger ihrer Gesichter, noch wähne, einzig Liebe sei Gott. Alle vollendete Vollkommenheit muss etwas vom Helden und sogar vom Titanen in sich haben. Die größte Kraft aber wird aus der größten Schwierigkeit geboren.
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Alles würde sich ändern, könnte der Mensch einmal einwilligen, sich spiritualisieren zu lassen; aber seine mentale, vitale und physische Natur lehnen sich gegen das höhere Gesetz auf. Er liebt seine Unvollkommenheiten.
Der Spirituelle Geist ist die Wahrheit unseres Wesens; Mental, Leben und Körper in ihrer Unvollkommenheit sind seine Masken: in ihrer Vollkommenheit aber sollten sie seine Gussformen sein. Nur spirituell zu sein ist nicht genug; das bereitet zwar eine Anzahl Seelen für den Himmel vor, lässt aber die Erde da, wo sie war. Auch ein Kompromiss ist nicht der Weg zum Heil.
Die Welt kennt drei Arten von Revolution. Die materielle zeitigt große Ergebnisse, die moralische und intellektuelle sind unendlich viel weiter in ihrem Ausmaß und reicher in ihrem Ertrag, aber die spirituellen sind die großen Aussaaten.
Könnte diese dreifache Wandlung in völliger Übereinstimmung zusammentreffen, so würde ein makelloses Werk vollbracht; doch Mental und Körper der Menschheit vermögen ein starkes spirituelles Einströmen nicht vollkommen zu fassen: das meiste wird verschüttet, viel vom Übrigen verdirbt. Viele intellektuellen und physischen Umbrüche benötigt unsere Erdscholle, damit ein kleiner Ertrag aus einer großen spirituellen Aussaat erwachse.
Jede Religion hat der Menschheit geholfen. Das Heidentum mehrte im Menschen das Licht der Schönheit, die Weite und Höhe seines Lebens, sein Streben nach vielseitiger Vollkommenheit; das Christentum gab ihm eine gewisse Schau der göttlichen Liebe und Güte; der Buddhismus wies ihm einen edlen Pfad, weiser, milder und reiner zu werden, Judentum und Islam lehrten ihn fromme Gläubigkeit im Tun und eifrige Hingabe an Gott; der Hinduismus eröffnete ihm die weitesten und tiefsten spirituellen Möglichkeiten. Es wäre etwas Großes, könnten all diese Gott-Visionen zusammenfinden und ineinander aufgehen; aber intellektuelles Dogma und Kult-Egoismus stehen im Wege.
Alle Religionen haben eine Anzahl Seelen gerettet, aber keine hat es bisher vermocht, die Menschheit zu spiritualisieren. Dazu braucht es weder Kult noch Kredo, sondern eine beständige und alles in sich fassende Bemühung spiritueller Selbstentfaltung.
Die Veränderungen, die wir heute in der Welt sehen, sind intellektuell, moralisch und physisch ihrer Idee und Absicht nach: die spirituelle Revolution harrt ihrer Stunde und wirft inzwischen hier und da ihre Wellen. Bis sie kommt, lässt sich der Sinn der anderen nicht verstehen, und bis dahin sind alle Deutungen des gegenwärtigen Geschehens und alle Voraussagen der Zukunft des Menschen eitel. Denn die Natur dieser Revolution, ihre Kraft und ihr Ablauf sind es, die den nächsten Zyklus unserer Menschheit bestimmen werden.
1. – Es gibt im Menschen zwei verbündete Mächte: Wissen und Weisheit. Wissen ist so viel von der in einem entstellten Medium erblickten Wahrheit, wie das Mental ertasten kann; Weisheit ist, was das Auge göttlicher Vision im spirituellen Geist sieht.
2. – Die Inspiration ist ein schmaler Strom leuchtender Klarheit, der einem weiten und ewigen Wissen entspringt; sie übertrifft den Verstand vollständiger als der Verstand die Erkenntnis der Sinne.
3. – Will ich sprechen, so meint der Verstand: “Dies werde ich sagen”; Gott aber nimmt mir das Wort aus dem Mund und die Lippen sagen etwas anderes, vor dem der Verstand erschrickt.
4. – Ich bin kein Jnani, denn ich habe kein Wissen außer dem, das Gott mir für Seine Arbeit gibt. Wie kann ich wissen, ob das, was ich sehe, vernünftig oder verrückt ist? Nein – keines von beiden; denn das Gesehene ist einfach wahr und weder verrückt noch vernünftig.
5. – Erhaschte die Menschheit auch nur einen Schimmer von den unendlichen Freuden, vollkommenen Kräften, leuchtenden Bereichen spontanen Wissens und ruhigen Weiten unseres Wesens, die auf uns warten in den Gegenden, die unsere tierhafte Entwicklung noch nicht erobert hat, so würde sie alles lassen und nicht eher ruhen, als bis sie diese Schätze gewonnen hat. Doch der Pfad ist eng, die Tore schwer zu öffnen, und Angst, Misstrauen und Skepsis sind da als Schildwachen der Natur, unseren Fuß daran zu hindern, sich von den gewohnten Weideländern abzukehren.
6. – Spät habe ich erfahren, dass als die Vernunft starb, Weisheit geboren wurde; vor dieser Befreiung hatte ich nur Wissen.
7. – Was Menschen Wissen nennen, ist das wohldurchdachte Annehmen falscher Anscheine. Weisheit blickt hinter den Schleier und sieht.
8. – Der Verstand trennt, stellt Einzelheiten fest und setzt sie einander gegenüber; Weisheit eint und verbindet die Gegensätze in einer einzigen Harmonie.
9. – Entweder nenne nicht nur deine eigenen Überzeugungen Wissen, die Überzeugungen anderer jedoch Irrtum, Unwissenheit und Scharlatanerie, oder aber lästere nicht über die Dogmen der Sekten und ihre Intoleranz.
10. – Was die Seele sieht und erfahren hat, das weiß sie; das Übrige ist Schein, Vorurteil und Meinung.
11. – Meine Seele weiß, dass sie unsterblich ist. Ihr aber zerstückelt einen Leichnam und ruft triumphierend aus: “Wo ist deine Seele und wo deine Unsterblichkeit?”
12. – Unsterblichkeit ist nicht das Überleben der mentalen Persönlichkeit nach dem Tod, obwohl auch das stimmt, sondern der wache Besitz des ungeborenen und todlosen Selbstes, von dem der Körper nur ein Werkzeug und ein Schatten ist.
13. – Sie bewiesen mir mit überzeugenden Gründen, dass es Gott nicht gebe, und ich glaubte ihnen. Nachher sah ich Gott, denn Er kam und umarmte mich. Wem soll ich nun glauben, den Beweisführungen anderer oder meiner eigenen Erfahrung?
14. – Sie sagten mir: “Diese Dinge sind Halluzinationen.” Ich erkundigte mich, was eine Halluzination ist und fand, dass es eine subjektive oder psychologische Erfahrung bedeutet, die keiner objektiven oder physischen Realität entspricht. Da saß ich dann und staunte über die Wunder des menschlichen Verstandes.
15. – Halluzination ist der Ausdruck der Wissenschaft für diese unverhofften Einblicke in Wahrheiten, von denen wir aufgrund unserer Beschäftigung mit der Materie im Allgemeinen ausgeschlossen sind; Koinzidenz ist eine Bezeichnung für die merkwürdigen Kunstfertigkeiten im Werk dieser höchsten und universalen Intelligenz, die in ihrem bewussten Wesen wie auf einer Leinwand die Welt entworfen hat.
16. – Was die Menschen Halluzination nennen, ist im Mental und in den Sinnen die Spiegelung von dem, was sich über unseren gewöhnlichen mentalen und sinnlichen Wahrnehmungen befindet. Aberglaube entsteht aus des Mentals Missverstehen dieser Spiegelungen. Eine andere Halluzination gibt es nicht.
17. – Ersticke nicht das Denken unter Fremdwörtern, wie es so viele Disputanten bei ihren Erörterungen tun, noch banne das Fragen in den Schlaf durch den Zauber von Redensarten und Floskeln. Forsche immer; erkunde die Ursache von Dingen, die dem flüchtigen Blick bloß als Zufall oder Täuschung erscheinen.
18. – Jemand schrieb vor, Gott müsse dieses oder jenes sein, sonst sei Er nicht Gott. Doch schien mir, ich könne nur wissen, was Gott ist, und sehe nicht, wie ich Ihm sagen könnte, was Er zu sein habe. Denn nach welchem Richtmaß kann ich Ihn beurteilen? Diese Urteile sind die Torheiten unserer Selbstherrlichkeit.
19. – Zufall gibt es nicht in diesem Universum; die Idee der Illusion ist selbst eine Illusion. Bislang hat es im menschlichen Mental noch nie eine Illusion gegeben, die nicht eine verbergende Form und Entstellung der Wahrheit war.
20. – Als ich den teilenden Verstand hatte, schrak ich vor vielem zurück; nachdem ich ihn in der Schau verloren hatte, durchsuchte ich die Welt nach dem Hässlichen und Abstoßenden, konnte sie aber nicht mehr finden.
21. – Gott hat mir die Augen geöffnet; denn ich sah das Edle im Vulgären, den Reiz im Abstoßenden, die Vollkommenheit im Entstellten und die Schönheit im Hässlichen.
22. – Christen und Vaishnavas preisen die Vergebung; doch ich frage mich: “Was hätte ich zu vergeben und wem?”
23. – Gott schlug mich mit menschlicher Hand; soll ich da sagen: “Ich verzeihe Dir deine Unverschämtheit, O Allmächtiger ”?
24. – Gott gab mir Gutes in einem Schlag. Soll ich da sagen: “Ich verzeihe dir, O Allmächtiger, das zugefügte Leid und die Grausamkeit, aber tue es nicht wieder”?
25. – Gräme ich mich über Missgeschick und nenne es schlecht, oder bin ich entmutigt und enttäuscht, dann weiß ich, der ewige Tor ist wieder in mir erwacht.
26. – Wenn ich andere leiden sehe, fühle ich mich unglücklich, aber die Weisheit, die nicht die meine ist, sieht das kommende Gute und gibt ihre Zustimmung.
27. – Sir Philip Sidney sagte von einem Verbrecher, der zum Galgen geführt wurde: «Dort, wäre die Gnade Gottes nicht, geht Sir Philip Sidney. Wäre er weiser gewesen, hätte er gesagt: “Dort, durch die Gnade Gottes, geht Sir Philip Sidney.”»
28. – Gott ist ein großer und grausamer Quäler, weil Er liebt. Du verstehst das nicht, weil du Krishna nicht gesehen und nicht mit Ihm gespielt hast.
29. – Man nannte Napoleon einen Tyrannen und imperialen Halsabschneider; ich aber sah Gott bewaffnet durch Europa schreiten.
30. – Ich habe vergessen, was Laster und was Tugend ist; ich sehe nur noch Gott, Sein Spiel in der Welt und Seinen Willen in der Menschheit.
31. – Ich sah ein Kind sich im Schmutze wälzen, dann dasselbe Kind von seiner Mutter gesäubert und strahlend; aber jedes Mal erschauerte ich vor seiner völligen Reinheit.
32. – Was ich wünschte oder für das Richtige hielt, trifft nicht ein; es ist also klar, dass es keinen All-Weisen gibt, der die Welt lenkt, sondern bloß blinder Zufall oder brutale Kausalität.
33. – Der Atheist ist Gott, der mit Sich selbst Versteck spielt; aber ist der Theist etwas anderes? Nun, vielleicht; denn er hat Gottes Schatten gesehen und danach gegriffen.
34. – O Du, der Du liebst, schlage zu! Schlägst Du mich jetzt nicht, so weiß ich, Du liebst mich nicht.
35. – O Unglück, gesegnet seist du; denn durch dich habe ich das Antlitz meines Geliebten erblickt.
36. – Die Menschen sind immer noch in das Trauern verliebt; wenn sie jemanden sehen, der für Trauer oder Freude zu hoch ist, so verdammen sie ihn und rufen: “O du Gefühlloser!” Deshalb hängt Christus immer noch am Kreuz in Jerusalem.
37. – Die Menschen sind in die Sünde verliebt; wenn sie jemanden sehen, der für Sünde oder Tugend zu hoch ist, verdammen sie ihn und rufen: “O du Verächter von Banden, du Verruchter und Unmoralischer!” Darum lebt Sri Krishna immer noch nicht in Brindavun.
38. – Manche sagen, Krishna habe nie gelebt, er sei ein Mythos. Sie meinen auf der Erde; denn gäbe es Brindavun nirgendwo, so hätte das Bhagwat nie geschrieben werden können.
39. – Seltsam! Die deutschen haben die Existenz von Christus widerlegt, und dennoch bleibt seine Kreuzigung eine bedeutendere historische Tatsache als der Tod Cäsars.
40. – Manchmal kommt einem der Gedanke, dass einzig jene Dinge zählen, die nie geschehen sind; denn daneben erscheinen die meisten geschichtlichen Leistungen fast blass und unbedeutend.
41. – Es gibt vier sehr große Ereignisse in der Geschichte: die Belagerung von Troja, das Leben und die Kreuzigung von Christus, die Verbannung Krishnas in Brindavun und das Gespräch mit Arjuna auf dem Schlachtfeld von Kurukshetra. Die Belagerung von Troja schuf Hellas, die Verbannung in Brindavun schuf die hingebungsvolle Religion (denn vorher gab es nur Meditation und Verehrung), Christus humanisierte von seinem Kreuz aus Europa, das Gespräch auf Kurukshetra wird die Menschheit noch befreien. Und dennoch wird behauptet, keines dieser vier Ereignisse habe je stattgefunden.
42. – Sie sagen, die Evangelien seien Fälschungen und Krishna eine Erfindung von Dichtern. Man danke also Gott für die Fälschungen und verneige sich vor den Erfindern.
43. – Weist Gott mir meinen Platz in der Hölle zu, so weiß ich nicht, warum ich nach dem Himmel trachten sollte. Er weiß am besten, was gut für mich ist.
44. – Zieht Gott mich dem Himmel zu, dann muss ich, auch wenn Seine andere Hand mich in der Hölle festhalten will, mich dennoch nach oben kämpfen.
45. – Nur jene Gedanken sind wahr, deren Gegenteil zu seiner Zeit und an seinem Platz ebenfalls wahr ist; unbestreitbare Dogmen sind die gefährlichste Art von Lüge.
46. – Logik ist der Wahrheit schlimmster Feind, so wie Selbstgerechtigkeit der schlimmste Feind der Tugend ist, – denn die eine kann ihre eigenen Irrtümer nicht sehen, die andere nicht ihre eigenen Unvollkommenheiten.
47. – Als ich noch in der Unwissenheit schlief, kam ich an einen Ort der Mediation voll heiliger Männer, und ich fand ihre Gesellschaft langweilig und den Ort ein Gefängnis; als ich erwachte, nahm mich Gott in ein Gefängnis und machte es zu einem Ort der Meditation und zu Seiner Zusammenkunft.
48. – Als ich ein langweiliges Buch zu Ende las, und zwar mit Vergnügen, wobei ich seine vollkommene Langweiligkeit dennoch wahrnahm, da wusste ich, dass mein Mental bezwungen war.
49. – Ich wusste, dass mein Mental gemeistert war, als es die Schönheit des Abscheulichen bewunderte und dennoch vollkommen verstand, warum andere vor ihm zurückschraken oder es hassten.
50. – Den Gott der Schönheit und des Guten im Hässlichen und Bösen zu fühlen und zu lieben und es dennoch mit äußerster Liebe von seiner Hässlichkeit und Boshaftigkeit heilen zu wollen, das ist wahre Tugend und Moral.
51. – Den Sünder zu hassen ist die schlimmste Sünde, denn es bedeutet Gott zu hassen; doch wer sie begeht, brüstet sich dazu noch mit seiner höheren Tugend.
52. – Wenn ich von gerechtem Zorn reden höre, staune ich über des Menschen Vermögen, sich selbst zu täuschen.
53. – Es ist ein Wunder, dass die Menschen Gott lieben können und es ihnen doch nicht gelingt, die Menschheit zu lieben. In wen sind denn verliebt?
54. – Die Streitigkeiten religiöser Sekten sind wie das Zanken von Krügen wer von ihnen allein den Nektar der Unsterblichkeit fassen dürfe. Lass sie sich zanken, uns kommt es darauf an, den Nektar zu erhalten, in welchem Krug auch immer, und die Unsterblichkeit zu erlangen.
55. – Du sagst, der Beigeschmack des Kruges verändere das Getränk. Das ist Geschmackssache; doch was kann ihm sein unsterblich machendes Vermögen nehmen?
56. – Sei weit in mir, O Varuna; sei machtvoll in mir, O Indra; O Sonne, sei überaus hell und strahlend; O Mond, sei voller Liebreiz und Süße. Sei wild und schrecklich, O Rudra; seid ungestüm und schnell, O Maruts; sei stark und kühn, O Aryama; sei sinnlich und vergnüglich, O Bhaga; sei zärtlich und gütig, liebend und leidenschaftlich, O Mitra. Sei hell und enthüllend, O Morgendämmerung; O Nacht, sei ehrwürdig und trächtig. O Leben, sei voll, bereit und heiter beschwingt; O Tod, führe meine Schritte von Wohnstatt zu Wohnstatt. Bring all diese in Einklang, O Brahmanaspati. Lass mich diesen Göttern nicht untertan sein, O Kali.
57. – Hast du, O eifriger Disputant, in einem Wortgefecht obsiegt, so bist du sehr zu beklagen; denn du hast eine Gelegenheit verpasst, dein Wissen zu mehren.
58. – Weil der Tiger seiner Natur gemäß handelt und nichts anderes kennt, darum ist er göttlich und wohnt nichts Böses in ihm. Würde er sich selbst hinterfragen, so wäre er ein Verbrecher.
59. – Das Tier, bevor es verdorben ist, hat noch nicht vom Baum der Erkenntnis von Gut und Böse gegessen; der Gott hat diesen aufgegeben zugunsten des Baumes des ewigen Lebens; der Mensch steht zwischen dem höheren Himmel und der niederen Natur.
60. – Eine der größten Tröstungen der Religion ist es, dass du Gott manchmal ergreifen und ihm eine befriedigende Tracht Prügel verabreichen kannst. Die Leute spotten über die Narrheit von Wilden, die ihre Götter schlagen, wenn die Gebete nicht erhört werden; aber die Spötter sind die Toren und die Wilden.
61. – Es gibt keine Sterblichkeit. Sterben kann nur der Unsterbliche; das Sterbliche könnte weder geboren noch zugrunde gehen. Es gibt nichts Endliches. Nur der Unendliche kann für Sich Grenzen schaffen; das Endliche kann weder Anfang noch Ende haben, denn allein die Tatsache der Vorstellung seines Anfangs und Endes erweist seine Unendlichkeit.
62. – Ich hörte einen Narren völligen Unsinn von sich geben und wunderte mich, was Gott damit meinte; dann merkte ich auf und sah eine verzerrte Maske der Wahrheit und Weisheit.
63. – Gott ist groß, sagt der Mohammedaner. Ja, Er ist so groß, dass Er es sich leisten kann, schwach zu sein, wann immer das auch notwendig ist.
64. – Gott scheitert oft bei Seinen Werken; dies ist das Zeichen Seiner grenzenlosen Göttlichkeit.
65. – Weil Gott unüberwindlich groß ist, kann Er es sich leisten, schwach zu sein; weil Er unwandelbar rein ist, kann Er ungestraft in Sünde schwelgen; Er kennt auf ewig alles Entzücken, darum kostet Er auch das Entzücken des Schmerzes; Er ist unabdingbar weise, darum hat Er Sich nicht von der Torheit ausgeschlossen.
66. – Sünde ist, was einst an seinem Platz gewesen war, jetzt aber nicht mehr am Platz ist und dennoch weiterbesteht; es gibt keine andere Sündhaftigkeit.
67. – Es gibt keine Sünde im Menschen, aber sehr viel Krankheit, Unwissenheit und Missbrauch.
68. – Das Gefühl für Sünde war nötig, damit der Mensch an seinen eigenen Unvollkommenheiten Anstoß nehme. Es war Gottes Korrektiv gegen Egoismus. Aber die Ichsucht des Menschen begegnet Gottes Verfahren, indem sie der eigenen Sünden nur sehr dumpf, der Sünden anderer jedoch sehr lebhaft gewahr wird.
69. – Tugend und Sünde sind ein Spiel des Widerstands, das wir mit Gott spielen bei Seinen Bemühungen, uns der Vollkommenheit entgegenzuführen. Das Gefühl der Tugend hilft uns, unsere Sünden im geheimen zu hegen.
70. – Prüfe dich mitleidlos, dann wirst du anderen gegenüber nachsichtiger und mitfühlender sein.
71. – Ein Gedanke ist ein auf die Wahrheit abgeschossener Pfeil; er kann an einem Punkt treffen, nicht aber die ganze Zielscheibe bedecken. Doch der Bogenschütze ist mit seinem Erfolg zu sehr zufrieden, um mehr zu erstreben.
72. – Das Zeichen aufdämmernden Wissens ist das Gefühl, dass ich noch sehr wenig oder gar nichts weiß; und dennoch, könnte ich nur mein Wissen erfassen – alles ist ja bereits mein eigen.
73. – Wenn Weisheit kommt, ist ihre erste Lektion: “So etwas wie Wissen gibt es nicht; es gibt nur flüchtige Einblicke in die Unendliche Gottheit.”
74. – Praktisches Wissen ist etwas anderes; das ist wirklich und brauchbar, aber nie vollständig. Es zu systematisieren und zu kodifizieren ist notwendig, aber fatal.
75. – Systematisieren müssen wir zwar, aber sogar beim Erschaffen und Festhalten des Systems sollten wir nie die Wahrheit aus den Augen verlieren, dass alle Systeme ihrer Natur nach vergänglich und unvollständig sind.
76. – Europa brüstet sich mit seiner praktischen und wissenschaftlichen Organisation und Produktivität. Ich warte, bis seine Organisation perfekt ist; dann wird ein Kind es zerstören.
77. – Das Genie entdeckt ein System; das Durchschnittstalent macht es zur Schablone, bis ein neues Genie sie zertrümmert. Für eine Armee ist es gefährlich, von Veteranen geführt zu werden; denn auf der anderen Seite mag Gott Napoleon stellen.
78. – Solange das Wissen frisch in uns ist, ist es unüberwindlich; alt geworden, verliert es seinen Wert. Das kommt, weil Gott stets vorwärtsschreitet.
79. – Gott ist unendliche Möglichkeit. Darum steht die Wahrheit niemals still; darum auch können dem Irrtum seine Kinder nicht zur Last gelegt werden.
80. – Wenn man gewisse fromme Leute hört, so könnte man meinen, Gott lache nie; Heine lag da näher an der Wahrheit, als er in Ihm den göttlichen Aristophanes fand.
81. – Gottes Lachen ist manchmal recht grob und unziemlich für artige Ohren; es genügt Ihm nicht, Molière zu sein, Er muss durchaus auch Aristophanes und Rabelais sein.
82. – Würden die Menschen das Leben weniger ernst nehmen, so könnten sie es sehr bald vollkommener machen. Gott nimmt seine Werke niemals ernst; darum blicken wir auf dies wundervolle Weltall.
83. – Scham hat vortreffliche Wirkungen, und sowohl im Ästhetischen als auch im Moralischen könnten wir sie schwerlich entbehren; trotzdem ist sie ein Zeichen von Schwäche und der Beweis von Unwissenheit.
84. – Das Übernatürliche ist das, dessen Natur wir noch nicht erreicht haben oder noch nicht kennen, oder dessen Wirkensweisen wir noch nicht gemeistert haben. Das allgemeine Verlangen nach Wundern zeigt, dass des Menschen Anstieg noch nicht zu Ende ist.
85. – Es ist vernünftig und klug, dem Übernatürlichen zu misstrauen; aber daran zu glauben ist auch eine Art von Weisheit.
86. – Große Heilige haben Wunder getan; größere Heilige haben sie verschmäht; die größten haben sie sowohl verschmäht wie getan.
87. – Öffne deine Augen und sieh, was die Welt wirklich ist und was Gott; lass ab von eitlen und angenehmen Vorstellungen.
88. – Diese Welt wurde vom Tod erbaut, damit er leben könne. Willst du den Tod abschaffen? Dann geht auch das Leben zugrunde. Du kannst den Tod nicht abschaffen, aber ihn in eine größere Lebensweise verwandeln.
89. – Diese Welt wurde von Grausamkeit erbaut, damit sie lieben könne. Willst du die Grausamkeit abschaffen? Dann geht auch die Liebe zugrunde. Du kannst Grausamkeit nicht abschaffen, aber sie in ihr Gegenteil verklären, in glühende Liebe und Herrlichkeit.
90. – Diese Welt wurde von Unwissenheit und Irrtum erbaut, damit sie wissen können. Willst du Unwissenheit und Irrtum abschaffen? Dann geht auch das Wissen zugrunde. Du kannst Unwissenheit und Irrtum nicht abschaffen, aber sie in das verändern, was den Verstand völlig und strahlend übersteigt.
91. – Wäre nur Leben und kein Tod, so könnte es keine Unsterblichkeit geben; wäre nur Liebe und keine Grausamkeit, so könnte Freude nur ein laues und flüchtiges Entzücken sein; wäre nur Verstand und keine Unwissenheit, so würde unsere höchste Errungenschaft eine beschränkte Rationalität und Weltklugheit nicht übersteigen.
92. – Verwandelter Tod wird Leben, das Unsterblichkeit ist; verklärte Grausamkeit wird Liebe, die unbändige Ekstase ist; veränderte Unwissenheit wird Licht, das über Klugheit und Wissen hinausschießt.
93. – Schmerz ist die Berührung unserer Mutter, die uns die Verzückung aushalten lehrt und uns beibringt, an dieser zuzunehmen. Drei Stufen hat sie bei ihrem Unterricht: Ertragen als erstes, dann Gleichmut der Seele, als letzte Ekstase.
94. – Alle Entsagung geschieht für eine größere, noch unerlangte Freude. Manche entsagen für die Freude der Pflichterfüllung, manche für die Freude des Friedens, manche für die Gottesfreude und manche für die Freude der Selbstquälerei, doch entsage lieber als Durchgang in die Freiheit und die ungestörte Verzückung darüber.
95. – Nur durch vollkommenen Verzicht auf Begierde oder durch deren vollkommene Befriedigung lässt sich die Umarmung Gottes völlig erfahren; denn in beiden Fällen wird die erforderliche Vorbedingung erfüllt, – das Begehren stirbt.
96. – Erfahre in deiner Seele die Wahrheit der Schrift; danach, wenn du willst, durchdenke deine Erfahrung und lege sie vernünftig dar, doch auch dann misstraue deiner Darlegung; nie aber misstraue deiner Erfahrung.
97. – Wenn du auf deine Seelenerfahrung pochst und die andersartige Seelenerfahrung eines anderen bestreitest, so wisse, dass Gott dich zum Narren hält. Hörst du nicht Sein selbstvergnügtes Lachen hinter den Vorhängen deiner Seele?
98. – Enthüllung ist die unmittelbare Schau, das unmittelbare Hören oder das inspirierte Erinnern der Wahrheit, drishti, sruti, smriti; es ist die höchste Erfahrung und erneuter Erfahrung stets zugänglich. Nicht weil Gott es gesprochen, sondern weil die Seele es gesehen hat, ist das Wort der Schriften unsere höchste Autorität.
99. – Das Wort der Schrift ist unfehlbar; erst mit der Deutung, die Herz und Verstand der Schrift geben, schleicht sich der Irrtum ein.
100. – Meide alle Niedrigkeit, Enge und Seichtheit im religiösen Denken und Erfahren. Sei weiter als die weitesten Horizonte, höher als der höchste Kanchenjunga, tiefer als die tiefsten Ozeane.
101. – In Gottes Sicht gibt es kein Nah und Fern, keine Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft. Diese bilden nur eine passende Perspektive für Sein Weltgemälde.
102. – Für die Sinne stimmt es immer, dass die Sonne um die Erde kreist; für den Verstand ist dies irrig. Für den Verstand ist es durchaus richtig, dass die Erde um die Sonne kreist; für die höchste Schau ist dies falsch. Weder die Erde noch die Sonne bewegt sich; es gibt nur eine Veränderung in der Beziehung zwischen Sonnen-Bewusstsein und Erd-Bewusstsein.
103. – Sannyasa preisend, sagte Vivekananda, es habe in der ganzen indischen Geschichte nur einen Janaka gegeben. Keineswegs, denn Janaka ist nicht der Name eines einzigen Individuums, sondern einer Dynastie sich selbst regierender Könige und der Siegesruf eines Ideals.
104. – Wie viele unter all den tausend und abertausend ockergewandten Sannyasins sind vollkommen? Die wenigen Errungenschaften und die vielen Annäherungen sind es, die ein Ideal rechtfertigen.
105. – Es hat hunderte vollkommener Sannyasins gegeben, weil Sannyasa weitherum gepredigt und vielfach geübt worden ist; lasst es uns mit der idealen Freiheit ebenso halten, und wir werden hunderte von Janakas haben.
106. – Sannyasa hat eine öffentliche Tracht und äußere Merkmale; darum glauben die Leute, sie leicht erkennen zu können; die Freiheit eines Janakas aber stellt sich nicht zur Schau, sondern trägt das Kleid der Welt; sogar Narada war blind dafür.
107. – Schwer ist es, in der Welt zu sein, frei und dennoch das Leben der gewöhnlichen Menschen führend; aber gerade weil es schwer ist, muss es versucht und vollbracht werden.
108. – Als er Janaka bei seinem Tun betrachtete, hielt ihn selbst Narada, der göttliche Weise, für einen ausschweifenden Weltmann und Genießer. Wenn du die Seele nicht siehst, wie kannst du sagen, ein Mensch sei frei oder gebunden?
109. – Alle Dinge, die des Menschen erreichte Stufe übersteigen, erscheinen ihm schwer, und sie sind auch schwer für seine alleinige Bemühung; leicht und einfach werden sie, sobald Gott im Menschen die Arbeit übernimmt.
110. – Die Beschaffenheit der Sonne oder die Linien des Mars zu sehen, ist zweifellos eine große Errungenschaft; aber wenn du das Instrument hast, das dir eines Menschen Seele wie ein Bild zeigen kann, dann wirst du über die Wunder der physischen Wissenschaft wie über Kinderspielzeuge lächeln.
111. – Wissen ist wie ein Kind mit seinen Errungenschaften; denn hat es etwas herausgefunden, so läuft es frohlockend und lärmend in den Straßen herum; Weisheit verbirgt die ihren für eine lange Zeit in bedächtigem und machtvollem Schweigen.
112. – Wissenschaft redet und gebärdet sich, als hätte sie alles Wissen errungen: Weisheit wandert dahin und hört den Widerhall ihrer einsamen Schritte am Rande unermesslicher Meere.
113. – Hass ist das Zeichen einer geheimen Anziehung, begierig, vor sich selbst zu entfliehen und wütend darauf aus, ihr Vorhandensein zu leugnen. Auch das ist Gottes Spiel in Seinem Geschöpf.
114. – Ichsucht ist die einzige Sünde, Gemeinheit das einzige Laster, Hass das einzige Verbrechen. Alles Übrige lässt sich leicht in Gutes kehren, diese aber sind hartnäckige Widersacher der Göttlichkeit.
115. – Die Welt ist ein langer periodisch wiederkehrender Dezimalbruch mit Brahman als seiner ganzen Zahl. Die Periode scheint anzufangen und zu enden, aber der Bruch ist ewig; er wird nie ein Ende haben und hatte nie wirklich einen Anfang.
116. – Anfang und Ende der Dinge ist ein herkömmlicher Ausdruck unserer Erfahrung; für das eigentliche Sein der Dinge haben diese Begriffe keine Wirklichkeit, es gibt weder Ende noch Anfang.
117. – “Weder ist es so, dass ich jemals nicht gewesen bin, noch du, noch diese Könige, noch dass wir alle jemals nicht sein werden.” Nicht allein Brahman, sondern auch die Wesen und Dinge in Brahman sind ewig; ihre Erschaffung und Vernichtung ist ein Versteckspiel mit unserem äußeren Bewusstsein.
118. – Die Liebe zur Einsamkeit zeigt eine Anlage zur Erkenntnis; Wissen ist aber erst dann erlangt, wenn wir in unserer Wahrnehmung der Einsamkeit so gefestigt sind, dass wir sie auch in der Menge, im Kampf und auf dem Markte nicht verlieren.
119. – Wenn du beim Vollbringen großer Taten und Bewirken großer Ergebnisse inne wirst, dass du nichts tust, dann wisse, Gott hat von deinen Lidern Sein Siegel gelöst.
120. – Wenn du allein, unbewegt und still auf dem Berggipfel sitzest und dabei die Umwälzungen betrachten kannst, die du leitest, dann hast du die göttliche Schau und bist von den Erscheinungen befreit.
121. – Untätigkeit zu lieben ist Torheit, und Untätigkeit zu verachten ist Torheit; es gibt keine Untätigkeit. Der träge auf dem Sand liegende Stein, in einem müßigen Augenblick von einem Fuß weggetreten, hat seine Wirkung auf die Hemisphären ausgeübt.
122. – Willst du dich nicht von Meinungen narren lassen, so erkenne erst, inwiefern dein Gedanke stimmt, sodann erforsche, worin sein Gegenteil und Widerspruch wahr ist; schließlich entdecke die Ursache dieser Unterschiede und den Schlüssel zu Gottes Harmonie.
123. – Eine Meinung ist weder wahr noch falsch, sondern lediglich brauchbar für das Leben oder unbrauchbar; denn sie ist eine Schöpfung der Zeit und mit der Zeit verliert sie Wirkung und Wert. Erhebe dich also über die Meinung und suche immerwährende Weisheit.
124. – Benutze Meinungen zum Leben, doch lass sie nicht deine Seele in Ketten schlagen.
125. – Jedes Gesetz, wie umfassend oder tyrannisch es auch sei, trifft irgendwo auf ein entgegengesetztes Gesetz, durch das sein Wirken gehemmt, abgeändert, aufgehoben oder umgangen werden kann.
126. – Auch das bindendste Gesetz der Natur ist nur ein festes Verfahren, dass der Herr der Natur gestaltet hat und ständig benutzt; der Spirituelle Geist schuf es und der Spirituelle Geist kann es übersteigen, aber erst müssen wir unsere Kerkertore öffnen und lernen, weniger in der Natur als im Spirituellen Geist zu leben.
127. – Gesetz ist ein Verfahren oder eine Formel; aber die Seele bedient sich der Verfahren und übersteigt die Formeln.
128. – Lebe gemäß der Natur, lautet der Grundsatz des Westens; aber welcher Natur gemäß, der Natur des Körpers oder jener Natur, die den Körper übersteigt? Dies müssten wir zuerst entscheiden.
129. – O Sohn der Unsterblichkeit, lebe nicht der Natur gemäß, sondern Gott gemäß; und bringe auch sie dazu, gemäß der Gottheit in dir zu leben.
130.– Schicksal ist außerhalb von Raum und Zeit Gottes Vorherwissen all dessen, was in Raum und Zeit noch geschehen soll; was Er vorhergesehen hat, arbeiten Macht und Notwendigkeit durch den Widerstreit der Kräfte aus.
131. – Dass Gott alles gewollt und vorgesehen hat, ist kein Grund für dich, untätig dazusitzen und Seine Vorsehung abzuwarten, denn dein Tätigsein ist eine Seiner wichtigsten Vollzugskräfte. Auf denn und handle, nicht eigensüchtig, sondern als der Zeitumstand, das Werkzeug und der scheinbare Verursacher des Geschehens, das Er vorherbestimmt hat.
132. – Als ich nichts wusste, verabscheute ich den Verbrecher, den Sünder und den Unreinen, da ich selbst voll Verbrechen, Sünde und Unreinheit war; als ich aber geläutert und mein Auge entsiegelt war, verneigte ich mich im Geiste vor dem Dieb und dem Mörder und verehrte die Füße der Hure; denn ich sah, dass diese Seelen die schreckliche Last des Bösen auf sich genommen und den Weltozean für uns alle vom Großteil des aufgewühlten Giftes geleert hatten.
133. – Die Titanen sind stärker als die Götter, weil sie mit Gott übereingekommen sind, sich der Last Seines Zorns und Seiner Feindschaft auszusetzen und sie zu tragen; die Götter vermochten nur die angenehme Bürde Seiner Liebe und holden Verzückung anzunehmen.
134. – Wenn du zu sehen vermagst, wie nötig Leid für die letzte Wonne, Scheitern für die äußerste Wirksamkeit und Verzögerung für die höchste Schnelligkeit ist, dann beginnst du vielleicht, wie schwach und trübe auch immer, etwas von Gottes Walten zu begreifen.
135. – Alle Krankheit ist ein Mittel zu einer neuen gesundheitlichen Freude, alles Schlechte und Schmerzhafte ein Gestimmtwerden der Natur auf ein intensiveres Seligkeitsein und Gutes, aller Tod eine Öffnung auf weiteste Unsterblichkeit. Warum und wie, ist Gottes Geheimnis, das nur die von Egoismus geläuterte Seele ergründen kann.
136. – Warum leiden dein Mental oder dein Körper? Weil die Seele hinter dem Schleier das Leid wünscht oder sich daran erfreut; wenn du aber willst – und in deinem Wollen beharrst –, kannst du den niederen Wesensteilen des Geistes Gesetz ungetrübter Wonne auferlegen.
137. – Es gibt kein ehernes oder unausweichliches Gesetz, nach dem ein bestimmter Kontakt Schmerz oder Vergnügen hervorrufen muss; die Art, wie die Seele dem Ansturm oder Druck des Brahman auf die Glieder von außen begegnet, entscheidet die eine oder andere Reaktion.
138. – Wenn die Kraft der Seele in dir auf die gleiche Kraft von außen trifft, kann sie die Maße der Begegnung nicht mit den Werten der Mental-Erfahrung und Körper-Erfahrung in Einklang bringen; deshalb empfindest du Schmerz, Kummer oder Unbehagen. Lernst du es, die Antworten der Kraft in dir den Fragen der Weltkraft anzupassen, dann gewahrst du, dass Schmerz angenehm wird oder sich in reine Wonne wandelt. Rechte Beziehung ist die Voraussetzung für Glückseligkeit, ritam der Schlüssel zu Ananda.
139. – Wer ist der Übermensch? Jener, der sich über diese stoff-verhaftete zersplitterte mentale menschliche Einheit zu erheben und sich, universalisiert und vergöttlicht, in göttlicher Kraft, göttlicher Liebe und Freude sowie göttlichem Wissen selbst zu besitzen vermag.
140. – Behältst du dein beschränktes menschliches Ich und wähnst, du seist der Übermensch, so bist du nur der Narr deines eigenen Hochmuts, der Spielball deiner eigenen Kraft und das Werkzeug deiner eigenen Täuschungen.
141. – Nietzsche sah den Übermenschen als Löwen-Seele, die aus dem Kamel heraustritt; doch das wahre Wappen und Zeichen des Übermenschen ist der Löwe, auf dem Kamel sitzend, das auf der Kuh des Überflusses steht. Kannst du nicht Knecht der ganzen Menschheit sein, so bist du nicht fähig, ihr Herr zu sein; und kannst du nicht deine Natur gleichsam zu Vasistha‘s Kuh des Überflusses machen, aus deren Euter die ganze Menschheit ziehen kann, was sie braucht, was nützt dann dein löwenhaftes Übermenschentum?
142. – Sei der Welt gegenüber an Furchtlosigkeit und Herrschaft wie der Löwe, an Geduld und Dienstwilligkeit wie das Kamel, an Ruhe, Langmut und mütterlicher Wohltätigkeit wie die Kuh. Mache dich über alle Freuden Gottes her wie ein Löwe über seine Beute, aber bringe auch die ganze Menschheit in jenes unendliche Gefilde üppiger Ekstase, darauf zu weiden und sich zu tummeln.
143. – Dient Kunst nur dazu, die Natur nachzuahmen, so lasst uns alle Gemäldegalerien verbrennen und statt dessen Fotostudios haben. Doch gerade weil die Kunst enthüllt, was die Natur verbirgt, ist ein kleines Bild mehr wert als alle Juwelen der Millionäre und alle Schätze der Prinzen.
144. – Ahmst du nur die sichtbare Natur nach, dann bringst du einen Leichnam, ein totes Abbild oder eine Missgeburt zustande. Die Wahrheit lebt in dem, was hinter und über das Sichtbare und Greifbare hinausgeht.
145. – O Dichter, O Künstler, meinst du, die Natur freue sich an deinem Werk, wenn du ihr bloß den Spiegel vorhältst? Viel eher wendet sie ihr Antlitz ab. Denn was hältst du ihr da vor? Sie selbst? Nein, sondern leblosen Umriss und Abglanz, wesenlose Nachäfferei. Was du fassen musst, ist die geheime Seele der Natur; ewig musst du nach der Wahrheit im äußeren Symbol jagen, und diese fängt kein Spiegel für dich ein, auch nicht für sie, die du suchst.
146. – Ich finde in Shakespeare einen weit größeren und folgerichtigeren Universalisten als in irgendeinem der Griechen. All seine Geschöpfe sind allgemeine Typen, von Lancelot Gobbo und seinem Hund bis hin zu Lear und Hamlet.
147. – Die Griechen suchten Allgemeingültigkeit durch weglassen aller feineren individuellen Züge; Shakespeare suchte sie erfolgreicher, indem er den außergewöhnlichsten individuellen Wesenszügen einen allgemeinen Charakter verlieh. Was die Natur verwendet, um vor uns das Unendliche zu verbergen, das benutzte Shakespeare, um den Ananta-guna im Menschen dem Auge der Menschheit zu enthüllen.
148. – Shakespeare, der das Bild von dem der Natur vorgehaltenen Spiegel schuf, war gerade der Dichter, der sich nie zu einer Kopie, Fotografie oder Nachahmung herabgelassen hat. Der Leser, der in Falstaff, Macbeth, Lear oder Hamlet Nachahmungen der Natur sieht, hat entweder kein inneres Seelenauge oder ist von einer Formel hypnotisiert.
149. – Wo in der stofflichen Natur findest du Falstaff, Macbeth oder Lear? Schatten oder Andeutungen von ihnen besitzt sie, jene selbst aber ragen über sie hinaus.
150. – Zwei gibt es, für die Hoffnung besteht: der Mensch, der Gottes Berührung gefühlt hat und zu ihr hingezogen worden ist, und der skeptische Sucher und selbstüberzeugte Atheist; die Formelkrämer aller Religionen und die Papageien des freien Denkens aber sind tote Seelen, die sich an einen Tod halten, den sie Leben nennen.
151. – Ein Mann kam zu einem Wissenschaftler und wünschte unterrichtet zu werden; der Gelehrte zeigte ihm die Enthüllungen des Mikroskops und des Teleskops, aber der Mann lachte und sagte: “Das sind offensichtliche Halluzinationen, die dem Auge durch das Glas, das Sie als Medium benutzen, vorgegaukelt werden; ich kann nicht glauben, bis ich diese Wunder mit bloßem Auge sehe.” Da bewies ihm der Gelehrte die Zuverlässigkeit seines Wissens durch viele entsprechende Fakten und Experimente, aber der Mann lachte wieder und sagte: “Was Sie Beweis nennen, das nenne ich Zufall, und eine Anzahl von Zufällen machen keinen Beweis; Ihre Experimente nun werden offensichtlich unter anormalen Bedingungen durchgeführt und bilden eine Art Verirrung der Natur.” Vor die Ergebnisse der Mathematik gestellt, wurde er wütend und schrie: “Das ist offensichtlich Schwindel, Kauderwelsch und Aberglaube; wollen Sie mir weismachen, diese absurden kabbalistischen Zeichen hätten irgendwelche reale Kraft und Bedeutung?” Da jagte ihn der Gelehrte als hoffnungslosen Dummkopf hinaus, denn er erkannte sein eigenes System von Verneinungen und seine eigene Methode negativer Beweisführung nicht wieder. Wenn wir eine unparteiische und unvoreingenommene Untersuchung ablehnen wollen, lassen sich stets die achtbarsten vielsilbigen Fremdwörter finden, um unsere Ablehnung zu verdecken oder Prüfungen und Bedingungen vorzuschreiben, welche die Untersuchung widerlegen.
152. – Wenn unser Mental in die Materie versunken ist, hält es diese für die einzige Wirklichkeit; ziehen wir uns in das unstoffliche Bewusstsein zurück, dann sehen wir Materie als eine Maske und haben das Gefühl, allein das Leben im Bewusstsein trage den Stempel des Wirklichen. Welches von beiden ist nun die Wahrheit? Gott mag das entscheiden; doch wer beide Erfahrungen hat, kann leicht sagen, welcher Zustand reicher an Wissen, machtvoller und seliger ist.
153. – Ich glaube, unstoffliches Bewusstsein ist wahrer als stoffliches Bewusstsein; denn im ersteren weiß ich, was im letzteren vor mir verborgen ist, und außerdem steht mir zu Gebot, was das Mental in der Materie weiß.
154. – Hölle und Himmel existieren nur im Bewusstsein der Seele. Gewiss, aber ebenso die Erde und ihre Länder, Meere, Felder, Wüsten, Gebirge und Flüsse. Die ganze Welt ist nichts anderes als eine Anordnung der Schau der Seele.
155. – Es gibt nur eine einzige Seele und ein einziges Dasein; daher sehen wir alle nur eine einzige Gegenständlichkeit; doch gibt es viele Knoten von Mental und Ego in dem einen Seelen-Dasein, und darum sehen wir alle den einen Gegenstand in verschiedenen Lichtern und Schatten.
156. – Der Idealist irrt; nicht das Mental hat die Welten erschaffen, sondern das, was auch das Mental erschaffen hat. Das Mental versieht sich, weil es die Schöpfung nur teilweise und in Einzelheiten sieht.
157. – So sprach Ramakrishna, so sprach Vivekananda. Ja, aber lasst mich auch die Wahrheiten wissen, die der Avatar nicht ausgesprochen und der Prophet in seinen Lehren ausgelassen hat. Da ist immer mehr in Gott als das Denken des Menschen je erfasst und die Zunge des Menschen je geäußert hat.
158. – Was war Ramakrishna? Gott, in einem Menschen offenbart; aber dahinter steht Gott in Seiner unendlichen Unpersönlichkeit und Seiner universalen Persönlichkeit. Und was war Vivekananda? Ein leuchtender Strahl aus dem Auge Shivas; aber hinter ihm steht der göttliche Blick, aus dem er kam, und Shiva selbst und Brahma und Vishnu und das all-übersteigende OM.
159. – Wer Krishna, den Gott im Menschen, nicht erkennt, kennt Gott nicht völlig; wer nur Krishna kennt, kennt nicht einmal Krishna. Doch stimmt auch die umgekehrte Wahrheit völlig, dass nämlich, wenn du Gott vollständig in einer kleinen blassen, unansehnlichen und geruchlosen Blume sehen kannst, du dann Seine höchste Wirklichkeit zu fassen bekommen hast.
160. – Meide die fruchtlosen Fallen einer leeren Metaphysik und den trockenen Staub einer öden Intellektualität. Nur jenes Wissen lohnt es sich zu haben, das für lebendige Wonne genutzt werden kann und sich umsetzen lässt in Temperament, Tätigkeit, Schöpferkraft und Sein.
161. – Werde und lebe das Wissen, das du hast; dann ist dein Wissen der lebendige Gott in dir.
162. – Die Evolution ist nicht abgeschlossen; Vernunft ist nicht das letzte Wort und das vernünftelnde Tier nicht die höchste Formulierung der Natur. Wie der Mensch aus dem Tier hervorgegangen ist, so geht der Übermensch aus dem Menschen hervor.
163. – Das Vermögen, das Gesetz gewissenhaft zu befolgen, ist die Grundlage der Freiheit; in den meisten Disziplinen muss darum die Seele das Gesetz in den niederen Teilen auf sich nehmen und erfüllen, bevor sie sich in die vollendete Freiheit ihres göttlichen Seins erheben kann. Disziplinen, die mit Freiheit beginnen, sind nur für die Machtvollen, die von Natur aus frei sind oder in früheren Leben ihre Freiheit begründet haben.
164. – Die nicht imstande sind, ein selbst auferlegtes Gesetz frei, ganz und vernünftig zu befolgen, müssen dem Willen anderer unterstellt werden. Dies ist einer der Hauptgründe für die Unterwerfung von Nationen. Ist ihre verwirrende Eigensucht von einem Herrn und Meister mit Füßen getreten worden, dann erhalten sie, oder wenn Kraft in ihnen ist, erringen sie eine neue Gelegenheit, Freiheit durch Freiheit zu verdienen.
165. – Das Gesetz zu befolgen, das wir uns selbst auferlegt haben, und nicht das Gesetz anderer, das ist es, was bei unserem unverbesserten Zustand Freiheit bedeutet. Nur in Gott und durch des Geistes Herrschaft können wir vollkommene Freiheit genießen.
166. – Das Doppelgesetz von Sünde und Tugend wird uns auferlegt, weil wir nicht jenes vorbildliche Leben und Wissen im Innern haben, das die Seele spontan und unfehlbar zu ihrer Selbsterfüllung führt. Das Gesetz von Sünde und Tugend hört für uns auf, wenn Gottes Sonne in Wahrheit und Liebe unverhüllt strahlend auf die Seele scheint. Moses wird von Christus abgelöst, das Shastra durch den Veda.
167. – Gott im Innern führt uns immer richtig, sogar wenn wir die Ketten der Unwissenheit tragen; doch dann wird das Ziel, obwohl es feststeht, in Kreisläufen und auf Umwegen erreicht.
168. – Das Kreuz versinnbildlicht im Yoga Seele und Natur in starker und vollkommener Einheit; aber aufgrund unseres Falls in die Unreinheiten der Unwissenheit ist es zum Symbol des Leidens und der Läuterung geworden.
169. – Christus kam auf die Erde, um zu läutern, nicht um zu erfüllen. Er selbst wusste vorher, dass seine Mission scheitern würde und er mit Gottes Schwert in eine Welt zurückkehren müsste, die ihn verschmäht hatte.
170. – Mohammeds Mission war nötig; sonst hätten wir bei den übertriebenen Bemühungen, uns zu läutern, schließlich meinen können, die Erde sei nur für den Mönch bestimmt und die Stadt als Vorhof zur Wüste erbaut.
171. – Letzten Endes können Liebe und Kraft zusammen die Welt erretten, nicht aber Liebe allein oder Kraft allein. Darum musste Christus einem zweiten Kommen entgegensehen, und darum erwartet Mohammeds Religion, wo sie nicht erstarrt ist, durch die Imane einen Mahdi.
172. – Gesetz kann die Welt nicht retten, darum sind die Verordnungen Moses tot für die Menschheit, und das Shastra des Brahmanen ist verdorben und am Sterben. Das in die Freiheit entlassene Gesetz ist der Erlöser. Nicht der Pandit, sondern der Yogi; nicht Mönchstum, sondern innerer Verzicht auf Begehren, Unwissenheit und Egoismus.
173. – Selbst Vivekananda hat sich einst in einer Gefühlsaufwallung zu dem Trugschluss verleiten lassen, dass ein persönlicher Gott zu unmoralisch wäre, um geduldet werden zu können und es die Pflicht aller guten Menschen sein würde, Ihm zu widerstehen. Obwaltet jedoch der Welt ein allmächtiger übermoralischer Wille und eine Intelligenz, dann ist es gewiss unmöglich, Ihm zu widerstehen; unser Widerstand würde lediglich Seinen Zwecken dienen und in Wirklichkeit von Ihm eingegeben sein. Ist es also nicht besser, statt zu verurteilen oder zu leugnen, Ihn zu erforschen und zu begreifen?
174. – Wollen wir Gott begreifen, so müssen wir auf unsere egoistischen und unwissenden menschlichen Maßstäbe verzichten oder aber sie erhöhen und ausweiten.
175. – Weil ein guter Mensch stirbt oder scheitert und die Schlechten leben und triumphieren, soll Gott also schlecht sein? Ich sehe die Logik der Folgerung nicht ein. Erst einmal müsste ich überzeugt sein, dass Tod und Scheitern schlecht sind; manchmal denke ich, wenn sie kommen, sie seien unser höchstes augenblickliches Gute. Wir aber sind die Narren unserer Herzen und Nerven und behaupten, was diese nicht mögen oder wünschen, müsse natürlich schlecht sein!
176. – Wenn ich auf mein vergangenes Leben zurückblicke, sehe ich, ohne Scheitern und Leiden hätte ich die höchsten Segnungen meines Lebens verpasst; doch zum Zeitpunkt des Leidens und Scheiterns quälte mich das Gefühl von Unheil. Weil wir bloß die eine Tatsache vor unserer Nase sehen können, erlauben wir uns dies ganze Schnaufen und Klagen. Seid still, ihr närrischen Herzen! Erschlagt das Ego, lernt weit und universal zu sehen und zu fühlen.
177. – Die vollkommene kosmische Schau und kosmische Empfindung ist die Heilung von allem Irrtum und Leid; doch den meisten Menschen gelingt es nur, die Reichweite ihres Egos zu vergrößern.
178. – Die Menschen sagen und denken: “Für mein Vaterland!” “Für die Menschheit!”, “Für die Welt!”; in Wirklichkeit aber meinen sie: “Für mich selbst in meinem Vaterland!”, “Für mich selbst in der Menschheit!”, “Für mich selbst, in der Fantasie als Welt vorgestellt!” Dies mag eine Ausweitung sein, ist aber nicht die Befreiung. In einem weiten Gefängnis zu sitzen ist nicht dieselbe Gegebenheit der Freiheit wie frei herumzulaufen.
179. – Lebe für Gott in deinem Nächsten, Gott in dir selbst, Gott in deinem Vaterland und im Vaterland deines Feindes, Gott in der Menschheit, Gott in Baum und Stein und Tier, Gott in der Welt und außerhalb der Welt; dann bist du auf dem direkten Weg zur Befreiung.
180. – Es gibt geringere und mächtigere Ewigkeiten, denn Ewigkeit ist ein Begriff der Seele und kann sowohl in der Zeit bestehen als auch sie übersteigen. Wenn die Schriften “saswatih samah” sagen, so meinen sie einen langen Zeitraum, eine lange Zeitdauer oder ein kaum messbares Zeitalter; nur ein Absoluter Gott hat die absolute Ewigkeit. Und doch sieht man, wenn man nach innen geht, dass alle Dinge insgeheim ewig sind; es gibt kein Ende, noch gab es je einen Anfang.
181. – Heißt du jemanden einen Narren, wie du es manchmal wohl musst, so vergiss dabei nicht, dass du selbst der größte Narr der Menschheit gewesen bist.
182. – Gott liebt es, zur rechten Zeit den Narren zu spielen; der Mensch tut es zur Zeit und zur Unzeit. Das ist der einzige Unterschied.
183. – Nach buddhistischer Ansicht ist es ein größeres Werk, eine Ameise vor dem Ertrinken zu erretten, als ein Reich zu gründen. In dieser Vorstellung steckt eine Wahrheit, aber eine, die leicht übertrieben werden kann.
184. – Eine Tugend ungebührlich über alle anderen zu erheben – und sei es auch das Erbarmen –, heißt die Augen der Weisheit mit der Hand zu verdecken. Gott schreitet immer einer Harmonie entgegen.
185. – Mitleid mag, solange deine Seele noch Unterscheidungen trifft, für die leidenden Tiere vorbehalten werden; die Menschheit hingegen verdient von dir etwas Edleres; sie verlangt Liebe, Verständnis, Kameradschaft, die Hilfe von seinesgleichen und dem Bruder.
186. – Die Beiträge des Bösen zum Guten der Welt und das manchmal vom Tugendhaften bewirkte Übel plagen die in das Gute verliebte Seele. Sei dennoch nicht niedergeschlagen und verwirrt, sondern erforsche lieber und begreife in aller Ruhe Gottes Wege mit der Menschheit.
187. – In Gottes Vorsehung ist kein Böses, sondern nur Gutes oder dessen Vorbereitung.
188. – Tugend und Sünde wurden für deiner Seele Kampf und Fortschritt geschaffen; die Ergebnisse dagegen gehören Gott, der sich jenseits von Sünde und Tugend erfüllt.
189. – Lebe im Innern; lass dich nicht von äußeren Geschehnissen erschüttern.
190. – Wirf nicht überall mit Almosen um dich, in einer Zurschaustellung von Mildtätigkeit; verstehe und liebe, wo du hilfst. Lass deine Seele in dir wachsen.
191. – Hilf den Armen, solange welche um dich sind; aber sinne auch darauf und wirke dahin, dass es keine Armen mehr zu unterstützen gebe.
192. – Das altindische Gesellschaftsideal verlangte vom Priester freiwillige Schlichtheit des Lebens, Reinheit, Gelehrsamkeit und unentgeltliche Unterweisung der Gemeinschaft; vom Fürsten Krieg, Regierung, Schutz der Schwachen und Aufopferung des Lebens auf dem Schlachtfeld; vom Kaufmann Handel, Gewinn und Zurückerstattung seiner Erträge an die Gemeinschaft durch freies Geben; vom Knecht Arbeit für die Übrigen und materiellen Besitz. Als Entschädigung für seine Knechtschaft blieb ihm sowohl die Bürde der Selbstverleugnung als auch der Blutzoll und die Besteuerung seines Eigentums erspart.
193. – Das Vorhandensein von Armut ist der Beweis einer ungerechten und schlecht organisierten Gesellschaft, und unsere öffentlichen Wohlfahrtsorganisationen sind nur das erste langsame Erwachen des Gewissens eines Räubers.
194. – Valmekie, unser alter epischer Dichter, zählt zu den Zeichen eines gerechten und aufgeklärten Zustands der Gesellschaft nicht nur allgemeine Erziehung, Sittlichkeit und Spiritualität, sondern auch, dass es “keinen gibt, der minderwertige Nahrung zu essen gezwungen ist, keinen, der ungekrönt und ungesalbt bleibt, und keinen, der als gemeiner und niedriger Sklave des Luxus lebt”.
195. – Armut auf sich zu nehmen ist edel und förderlich für eine Gruppe oder einen Einzelnen; verderblich aber wird es und nimmt unserem Leben die Fülle und Ausweitung, wenn es perverserweise zu einem allgemeinen oder nationalen Ideal erhoben wird. Athen, nicht Sparta, ist das fortschrittliche Vorbild für die Menschheit. Das alte Indien mit seinem Ideal gewaltigen Reichtums und gewaltigen Aufwands war das größte der Völker; das moderne Indien mit seiner Neigung zu nationaler Askese ist völlig lebensarm geworden und in Schwäche und Entwürdigung gesunken.
196. – Armut ist ebensowenig eine Notwendigkeit für das gesellschaftliche Leben wie Krankheit für den natürlichen Körper; falsche Lebensgewohnheiten und Unkenntnis unserer wahren Organisation sind in beiden Fällen an einer vermeidbaren Unordnung schuld.
197. – Wähne nicht, dass die Menschen durch Befreiung von materieller Armut schon restlos glücklich und zufrieden sein würden oder die Gesellschaft ihre Übel, Wirren und Probleme los wäre. Dies ist nur die erste und unterste Notwendigkeit. Solange die Seele im Innern mangelhaft organisiert ist, wird es immer äußere Unruhe, Unordnung und Umwälzung geben.
198. – Krankheit wird den Körper immer wieder befallen, wenn die Seele schadhaft ist; denn die Sünden des Mentals sind die geheime Ursache für die Sünden des Körpers. Ebenso werden Armut und Probleme den Menschen in der Gesellschaft immer wieder befallen, solange das Mental der Rasse dem Egoismus unterworfen ist.
199. – Religion und Philosophie versuchen, den Menschen von seiner Ichsucht zu befreien; dann wird sich das innere Himmelreich von sich aus außen in einer göttlichen Stadt widerspiegeln.
200. – Das mittelalterliche Christentum sagte zur Rasse: “Mensch, schlecht bist du in deinem irdischen Leben und ein Wurm vor Gott; entsage deiner Ichsucht, lebe für einen künftigen Zustand und unterwirf dich Gott und Seinem Priester.” Die Ergebnisse waren nicht übermäßig gut für die Menschheit. Die moderne Erkenntnis sagt zur Rasse: “Mensch, ein kurzlebiges Tier bist du und für die Natur nicht mehr als die Ameise und der Regenwurm, – bloß ein kleiner vorübergehender Fleck im Universum. Lebe also für den Staat und unterwirf dich ameisenhaft dem geschulten Administrator und dem wissenschaftlichen Experten.” Wird dies Evangelium besseren Erfolg haben als das andere?
201. – Der Vedanta sagt eher: “Mensch, du bist eine einzige Natur und Substanz mit Gott, eine einzige Seele mit deinen Mitmenschen. Erwache also und schreite voran zu deiner völligen Göttlichkeit, lebe für Gott in dir und in den anderen.” Dies Evangelium, das nur den Wenigen gegeben wurde, muss jetzt der ganzen Menschheit zu ihrer Befreiung geboten werden.
202. – Die menschliche Art macht immer dann die größten Fortschritte, wenn sie sich der Natur gegenüber in ihrem Wert, ihrer Freiheit und Universalität am stärksten behauptet.
203. – Der animalische Mensch ist der dunkle Ausgangspunkt, der gegenwärtige natürliche Mensch das mannigfaltige und verwickelte Zwischenergebnis, der übernatürliche Mensch aber das leuchtende und transzendente Ziel unserer menschlichen Reise.
204. – Leben und Handeln erreichen den Gipfel und werden dir ewig gekrönt, wenn du die Macht erlangt hast, in jedem Gedanken und jeder Tat, beim Erwerben, Bewahren und Ausgeben von Reichtum, in Heim, Regierung und Gesellschaft, in Kunst, Dichtung und Leben stets den Einen Unsterblichen in diesem niederen sterblichen Wesen zu versinnbildlichen und zu offenbaren.
205. – Gott führt den Menschen, während der Mensch sich selbst nur irreführt, die höhere Natur überwacht das Straucheln seiner niederen Sterblichkeit; dies ist die Verwicklung und Widersprüchlichkeit, aus welcher wir in die Selbst-Einheit entkommen müssen, der allein ein klares Wissen und fehlerloses Wirken möglich ist.
206. – Dass du mit Geschöpfen Mitleid hast, ist gut, sofern du nicht Sklave deines Mitleids bist. Sei niemandes Sklave, außer Gottes – nicht einmal Seiner strahlendsten Engel.
207. – Glückseligkeit ist Gottes Ziel für die Menschheit; gewinne dies höchste Gut erst für dich selbst, damit du es ganz und gar an deine Mitgeschöpfe austeilen kannst.
208. – Wer nur für sich selbst erwirbt, erwirbt schlecht, möge er es auch Himmel oder Tugend nennen.
209. – In meiner Unwissenheit dachte ich, Zorn könne edel sein und Rache großartig; doch wenn ich jetzt Achilles in seiner epischen Raserei betrachte, so sehe ich ein ganz stattliches Baby in einer ganz stattlichen Wut, und es freut und belustigt mich.
210. – Macht ist edel, wenn sie den Zorn überragt; Zerstörung ist großartig, entwürdigt sich aber, wenn sie der Rache entspringt. Lass ab von diesen Dingen, denn sie gehören zu einer niederen Menschheit.
211. – Dichter machen viel Aufhebens vom Tod und von äußerem Trübsal; aber die einzigen Tragödien sind der Seele Versäumnisse, und das einzige Epos ist des Menschen glorreicher Aufstieg zur Gottheit.
212. – Die Tragödien des Herzens und des Körpers sind das Weinen von Kindern über ihre kleinen Sorgen und zerbrochenen Spielzeuge. Lächle bei dir selber, aber tröste die Kinder; nimm auch, wenn du kannst, an ihrem Spiel teil.
213. – “Da ist immer etwas Abnormes und Exzentrisches an genialen Menschen.” Und warum nicht? Ist doch Genie selbst eine abnorme Geburt und außerhalb der normalen menschlichen Mittellage.
214. – Genie ist der erste Versuch der Natur, den gefangenen Gott aus ihrer menschlichen Gussform zu befreien; die Gussform hat bei diesem Vorgang zu leiden. Es ist erstaunlich, dass die Risse so wenig und unbedeutend sind.
215. – Die Natur gerät manchmal in Wut über ihren eigenen Widerstand, und dann beschädigt sie das Gehirn, um die Inspiration zu befreien; denn bei diesem Bemühen ist das Gleichgewicht des durchschnittlichen materiellen Gehirns ihr Hauptgegner. Setze dich über die Verrücktheit von solchen hinweg und ziehe Nutzen aus ihrer Inspiration.
216. – Wer kann Kali ertragen, wenn sie mit ihrer wilden Kraft und brennenden Gottheit in das Gefüge braust? Nur der Mensch, den Krishna schon besitzt.
217. – Hasse den Unterdrücker nicht; denn ist er stark, so mehrt dein Hass die Gewalt seines Widerstandes; ist er schwach, so war dein Hass überflüssig.
218. – Hass ist ein Schwert der Macht, aber stets ein zweischneidiges. Es ist wie die Kritya der alten Magier, die, entging ihr die Beute, sich wütend auf den Entsender zurückstürzte, um ihn zu verschlingen.
219. – Liebe Gott in deinem Gegner, auch wenn du ihn schlägst; so wird keinem die Hölle zuteil.
220. – Die Menschen reden von Feinden, wo aber sind sie? Ich sehe nur die Kämpfer auf der einen oder anderen Seite in der großen Arena des Weltalls.
221. – Der Heilige und der Engel sind nicht die einzigen Gottheiten; bewundere auch den Titanen und den Giganten.
222. – Die alten Schriften nennen die Titanen die älteren Götter. Das sind sie noch, und zudem ist kein Gott völlig göttlich, wenn er in sich nicht auch einen Titanen birgt.
223. – Wenn ich nicht Rama sein kann, so möchte ich Ravana sein; denn er ist die dunkle Seite von Vishnu.
224. – Opfere, opfere, opfere immer, aber um Gottes und der Menschheit willen, nicht um des Opfers willen.
225. – Eigennutz tötet die Seele, zerstöre ihn. Aber gib acht, dass dein Altruismus nicht die Seele anderer tötet.
226. – Im Allgemeinen ist Altruismus nur die sublimste Form von Eigennutz.
227. – Wer nicht töten will, wenn Gott es ihm gebietet, richtet in der Welt unabsehbare Verheerung an.
228. – Nimm Rücksicht auf menschliches Leben, solange du kannst; mehr Rücksicht aber nimm auf das Leben der Menschheit.
229. – Die Menschen töten aus unbezähmbarer Wut, aus Hass oder Rache; sie haben jetzt oder danach den Rückprall zu erleiden; oder sie töten kaltblütig aus Eigennutz; Gott wird ihnen nicht verzeihen. Wenn du tötest, so lass deine Seele erst den Tod als Wirklichkeit erkannt und Gott im Erschlagenen, im Schlag und im Schlagenden gesehen haben.
230. – Mut und Liebe sind die einzigen unentbehrlichen Tugenden; auch wenn alle anderen verdunkelt oder am Einschlafen sind, werden diese beiden die Seele am Leben erhalten.
231. – Gemeinheit und Eigennutz sind die einzigen Sünden, die ich schwer zu verzeihen finde; doch allein sie sind fast allgemein üblich. Darum dürfen wir auch diese in anderen nicht hassen, sondern müssen sie in uns selbst zunichte machen.
232. – Eine edle Gesinnung und Großzügigkeit sind der Seele ätherisches Firmament; ohne sie erblickt man ein Insekt in einem Kerker.
233. – Lass deine Tugenden nicht solche sein, die die Menschen loben und belohnen, sondern solche, die zu deiner Vervollkommnung beitragen und die Gott in deiner Natur von dir verlangt.
234. – Altruismus, Pflicht, Familie, Heimatland, Menschheit sind die Gefängnisse der Seele, wenn sie nicht ihre Werkzeuge sind.
235. – Unser Land ist Gott, die Mutter; sage nichts Schlechtes über sie, es sei denn, du kannst es mit Liebe und Zärtlichkeit tun.
236. – Menschen sind um ihres eigenen Vorteils willen treulos gegen ihr Heimatland, und dennoch wähnen sie weiterhin ein Recht zu haben, sich voll Abscheu vom Muttermord abzuwenden.
237. – Zerbrich die Formen der Vergangenheit, aber bewahre ihre Gewinne und ihren Geist; sonst hast du keine Zukunft.
238. – Revolutionen schlagen die Vergangenheit in Stücke und werfen sie in einen Tiegel; doch was dabei herauskommt, ist der alte Äson mit einem neuen Gesicht.
239. – Die Welt hat nur ein halbes Dutzend erfolgreiche Revolutionen gehabt, und selbst von diesen sahen die meisten sehr nach Fehlschlägen aus; doch durch große und edle Fehlschläge schreitet die Menschheit voran.
240. – Atheismus ist ein notwendiger Protest gegen die Verruchtheit der Kirchen und die Enge ihrer Glaubensbekenntnisse. Gott benutzt ihn als Stein, um diese besudelten Kartenhäuser umzuwerfen.
241. – Wie viel Hass und Stumpfsinn wissen die Menschen hübsch zu verpacken und mit der Aufschrift “Religion” zu versehen!
242. – Gott führt am besten, wenn Er am schlimmsten in Versuchung führt, liebt ganz und gar, wenn Er grausam straft, hilft vollendet, wenn Er gewaltsam entgegentritt.
243. – Nähme Gott nicht die Last auf sich, die Menschen zu versuchen, so ginge die Welt recht bald ins Verderben.
244. – Lass dich innen ruhig in Versuchung führen, damit du in dem Kampf erschöpfest, was in dir nach unten zieht.
245. – Überlässt du es Gott dich zu läutern, so wird Er das Schlechte in dir subjektiv erschöpfen; bestehst du aber darauf, dich selbst zu führen, dann wirst du in viel äußere Sünde und Leid verfallen.
246. – Nenne nicht alles schlecht, was die Menschen schlecht nennen, sondern verwirf nur, was Gott verworfen hat; nenne nicht alles gut, was die Menschen gut nennen, sondern nimm nur an, was Gott angenommen hat.
247. – Die Menschen in der Welt haben zwei Lichter: Pflicht und Prinzipien; wer aber zu Gott übergegangen ist, ist über beide hinaus und hat sie durch Gottes Willen ersetzt. Schmähen dich die Menschen deswegen, so kümmere dich nicht darum, O göttliches Werkzeug, sondern gehe deinen Weg wie der Wind oder die Sonne, fördernd und zerstörend.
248. – Nicht Lob von den Menschen zu sammeln, hat Gott dich Sein eigen gemacht, sondern furchtlos nach Seinem Geheiß zu tun.
249. – Nimm die Welt als Gottes Theater; sei die Maske des Schauspielers und lass Ihn durch dich wirken. Zollen die Menschen dir Beifall oder pfeifen sie dich aus, so wisse, auch sie sind Masken und lass einzig Gott im Innern dein Kritiker und Publikum sein.
250. – Ist Krishna allein auf der einen Seite und die bewaffnete und organisierte Welt mit ihren Heerscharen, Granaten und Leitsprüchen auf der anderen, so ziehe dennoch deine göttliche Abgeschiedenheit vor. Mache dir nichts daraus, ob die Welt über deinen Körper hinwegschreitet, ihre Granaten dich in Stücke reißen und ihre Kavallerie deine Glieder am Wegrand zu formlosem Brei zertrampelt; denn das Mental war immer ein Scheinbild und der Körper ein Kadaver. Der aus seinen Gehäusen befreite Geist stürmt voran und triumphiert.
251. – Denkst du, Niederlage wäre dein Ende, so gehe nicht in den Kampf, auch wenn du der Stärkere bist. Denn das Schicksal lässt sich von keinem kaufen, und die Macht ist nicht an ihre Besitzer gebunden. Doch ist Niederlage nicht das Ende, sondern nur eine Pforte oder ein Anfang.
252. – Ich bin gescheitert, sagst du. Sage liebe, Gott kreist auf Sein Ziel zu.
253. – An der Welt gescheitert, machst du kehrt, um dich Gottes zu bemächtigen. Wenn die Welt stärker ist als du, hältst du dann Gott für schwächer? Wende dich lieber an Ihn, um Sein Geheiß zu empfangen und die Kraft, es zu erfüllen.
254. – Solange eine Sache auf ihrer Seite auch nur eine einzige Seele mit unerschütterlichem Glauben hat, kann sie nicht zugrunde gehen.
255. – Die Vernunft gibt mir keinen Grund zu diesem Glauben, wendest du ein. Narr! Täte sie es, so wäre von dir kein Glaube nötig oder gefordert.
256. – Glaube im Herzen ist die dunkle und oft verzerrte Spiegelung verborgenen Wissens. Der Gläubige wird oft mehr von Zweifeln geplagt als der eingefleischteste Skeptiker. Er beharrt, weil etwas Unterbewusstes in ihm weiß. Dies duldet sowohl seinen blinden Glauben wie seine dämmrigen Zweifel und drängt der Enthüllung dessen zu, was es kennt.
257. – Die Welt denkt, sie bewege sich im Lichte der Vernunft, tatsächlich aber wird sie von ihren Glauben und Instinkten getrieben.
258. – Die Vernunft passt sich dem Glauben an oder findet eine Rechtfertigung für die Instinkte, doch empfängt sie den Antrieb unterbewusst; und so meinen die Menschen, sie handeln vernünftig.
259. – Die einzige Aufgabe der Vernunft ist es, Wahrnehmungen zu ordnen und zu kritisieren. In sich selbst hat sie keinerlei Mittel zu positiver Schlussfolgerung noch irgendwelche Befehlsgewalt zum Handeln. Behauptet sie hervorzubringen oder zu veranlassen, so maskiert sie andere Wirkensgewalten.
260. – Bis Weisheit zu dir kommt, benutze Vernunft für ihre von Gott gegebenen Zwecke, und Glauben und Instinkte für die ihren. Warum solltest du deine Wesensteile sich bekriegen lassen?
261. – Erkenne und handle immer im Lichte deiner wachsenden Wahrnehmungen, aber nicht nur jener des erörternden Gehirns. Gott spricht zum Herzen, wenn das Gehirn Ihn nicht verstehen kann.
262. – Sagt dir dein Herz “Auf diese Weise und mit solchen Mitteln und zu der und der Zeit wird es geschehen”, so schenke ihm kein Glauben. Gibt es dir aber die Reinheit und Weite von Gottes Geheiß, so höre auf es.
263. – Hast du das Geheiß empfangen, so kümmere dich nur darum, es zu erfüllen. Das Übrige ist Gottes Wille und Anordnung, von den Menschen Zufall, Glück und Schicksal genannt.
264. – Hast du ein großes Ziel, doch kleine Mittel, so handle trotzdem; denn nur durch Handeln können sie dir wachsen.
265. – Kümmere dich nicht um Zeit und Erfolg. Tue das deinige, sei‘s zum Scheitern, sei‘s zum Gelingen.
266. – In dreierlei Form mag das Geheiß kommen: als Wille und Glaube in deiner Natur, als das Ideal, auf das Herz und Gehirn sich einigen, und als die Stimme von Ihm selbst oder Seinen Engeln.
267. – Es gibt Zeiten, wo Handeln unklug oder unmöglich ist; dann übe Tapasya in physischer Einsamkeit oder an Zufluchtsstätten deiner Seele und warte ein göttliches Wort oder irgendeine göttliche Kundgebung ab.
268. – Gehe nicht zu eifrig auf alle Stimmen ein, denn es lauern Geister darauf, dich zu täuschen; erst lass dein Herz rein sein, und nachher höre.
269. – Zuzeiten scheint Gott unnachgiebig auf Seiten der Vergangenheit zu stehen; dann sitzt, was war und ist, fest wie auf einem Thron und hüllt sich in ein unumstößliches “Ich werde sein”. Dann beharre, obwohl du den Meister von allem zu bekämpfen scheinst; denn dies ist Seine härteste Prüfung.
270. – Alles ist nicht erledigt, wenn eine Sache nach menschlichem Ermessen hoffnungslos verloren ist; erst dann ist alles aus, wenn die Seele ihre Bemühung aufgibt.
271. – Wer hohe spirituelle Grade erlangen will, muss endlose Proben und Prüfungen bestehen. Die meisten aber sind nur darauf bedacht, den Prüfer zu bestechen.
272. – Kämpfe, solange deine Hände frei sind, mit Händen und Stimme und Gehirn und aller Art Waffen. Bist du in des Feindes Kerker gekettet und zum Schweigen geknebelt? So kämpfe mit deiner schweigenden allbestürmenden Seele und deiner weitreichenden Willenskraft, und wenn du tot bist, dann kämpfe weiter mit der weltumgreifenden Kraft, die von Gott in dir ausging.
273. – Du hältst den Asketen in seiner Höhle oder auf seinem Berggipfel für einen Stein und Nichtstuer? Was weißt du denn? Vielleicht erfüllt er die Welt mit den mächtigen Strömen seines Willens und verändert sie durch den Druck seines Seelenzustandes.
274. – Was der Befreite auf seiner Seele Berggipfeln sieht, das zu verkünden und zu vollbringen tauchen in der stofflichen Welt Propheten und Helden auf.
275. – Die Theosophen haben mit ihren Sachverhalten zwar unrecht, recht aber im Kern. Hat die Französische Revolution stattgefunden, so darum, weil eine Seele auf dem indischen Schnee von Gott als Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit träumte.
276. – Alle Rede und Tat kommt vorbereitet aus dem ewigen Schweigen.
277. – In den Tiefen des Ozeans rührt sich nichts, doch oben ereignet sich das freudige Tosen und Toben seiner Jagd auf die Ufer zu; so verhält es sich mit der befreiten Seele inmitten gewaltigsten Wirkens. Die Seele handelt nicht; sie atmet einfach überwältigendes Wirken aus sich heraus.
278. – O Krieger und Held Gottes, wo gäbe es Kummer, Scham oder Leid für dich? Ist doch dein Leben eine Glorie, dein Werk eine Weihung, Sieg deine Verklärung, Niederlage dein Triumph.
279. – Erleiden deine niederen Wesensteile immer noch die Erschütterung von Sünde und Kummer? Oben jedoch, von dir gesehen oder ungesehen, sitzt deine Seele königlich, ruhig, sieghaft und frei. Glaube, über kurz oder lang hat die Mutter ihr Werk vollbracht und deines Wesens eigenste Erde in Freude und Reinheit gewandelt!
280. – Ist in dir das Herz verstört, machst du lange Zeit keinen Fortschritt, verzagt und klagt deine Stärke, so sei stets des ewigen Wortes unseres Geliebten und Meisters eingedenk: “Ich werde dich von aller Sünde und allem Übel befreien; sei nicht betrübt.”
281. – Reinheit ist in deiner Seele; Taten aber – wo ist ihre Reinheit oder Unreinheit?
282. – O Tod, unser maskierter Freund und Eröffner von Gelegenheiten, wenn du die Pforte auftun willst, so zögere nicht, es uns vorher zu sagen, denn wir gehören nicht zu denen, die sich vom eisernen Knarren erschüttern lassen.
283. – Der Tod ist manchmal ein unverschämter Diener; tauscht er einem jedoch dies Erdenkleid gegen jenes hellere Gewand, dann kann man ihm seinen Unfug und seine Frechheiten verzeihen.
284. – Wer soll dich töten, O unsterbliche Seele? Wer soll dich quälen, O immerfreudiger Gott?
285. – Möchten Wesensteile von dir sich in Niedergeschlagenheit und Schwäche verlieben, dann denke: “Ich bin Bacchus und Ares und Apollo; ich bin der reine und unbesiegbare Agni; ich bin der immer mächtig brennende Surya.”
286. – Scheue nicht vor dem dionysischen Jubel und Verzücken in dir zurück, aber gib acht, dass du kein Strohhalm auf diesen Wogen bist.
287. – Du musst lernen, alle Götter in dir zu ertragen und nie vor ihrem Ansturm zu taumeln oder unter ihrer Last zusammenbrechen.
288. – Die Menschheit ist der Kraft und Freude müde geworden und hat Leid und Schwäche Tugend genannt, ist des Wissens überdrüssig geworden und hat Unwissen Heiligkeit genannt, ist der Liebe satt geworden und hat Herzlosigkeit Aufgeklärtheit und Weisheit genannt.
289. – Es gibt viele Arten von Nachsichtigkeit. Ich sah einen Feigling dem, der ihn schlug, die Wange hinhalten; ich sah einen körperlichen Schwächling, der von einem starken und aufgeblähten Raufbold geprügelt wurde, den Angreifer ruhig und fest anblicken; ich sah Gott in einer Verkörperung voll Liebe jenen zulächeln, die ihn steinigten. Das erste war lächerlich, das zweite schrecklich, das dritte göttlich und heilig.
290. – Es ist edel, denen zu verzeihen, die dir übel mitspielen, dagegen nicht so edel, anderen angetanes Unrecht zu vergeben. Dennoch verzeihe auch dies – notfalls aber räche in aller Ruhe.
291. – Wenn Asiaten metzeln, ist es eine Gräueltat; wenn es Europäer tun, ein militärisches Erfordernis. Wisse den Unterschied zu würdigen und sinne über die Tugenden dieser Welt nach.
292. – Beobachte die allzu entrüsteten Gerechten. Bald findest du heraus, dass sie genau den Verstoß sich zuschulden kommen lassen oder rechtfertigen, den sie so heftig gerügt haben.
293. – “Es gibt bei den Menschen sehr wenig wirkliche Heuchelei.” Das stimmt zwar, doch gibt es eine ganze Menge Diplomatie und noch mehr Selbstbetrug. Von letzterem gibt es drei Sorten: den bewussten, den unterbewussten und den halbbewussten; der dritte aber ist der gefährlichste.
294. – Lass dich weder von Tugendbekundungen der Menschen täuschen noch von ihren offenen oder geheimen Lastern anekeln. Dies sind die notwendigen Vermischungen während einer langen Übergangsperiode der Menschheit.
295. – Lass dich von den Unehrlichkeiten der Welt nicht abstoßen; die Welt ist eine verwundete und giftige Schlange, die sich einer ihr bestimmten Häutung und Vollendung entgegenwindet. Warte ab, denn es ist eine göttliche Wette; aus dieser Niederträchtigkeit wird strahlend und triumphierend Gott hervorgehen.
296. – Warum schauderst du vor einer Maske zurück? Hinter ihrem widerlichen, grotesken oder schrecklichen Anschein lacht Krishna über deinen törichten Ärger, deine noch törichtere Verachtung oder Empörung und deinen aller-törichtesten Schrecken.
297. – Ertappst du dich dabei, einen anderen zu verachten, dann blicke auf dein eigenes Herz und lache über deine Torheit.
298. – Vermeide eitles Diskutieren; doch tausche zwanglos Ansichten aus. Musst du aber diskutieren, so lerne von deinem Gegner; denn hörst du nicht mit dem Ohr und dem urteilenden Verstand zu, sondern mit dem Licht der Seele, dann kannst du sogar von einem Narren viel Weisheit sammeln.
299. – Wandle alles in Honig; dies ist das Gesetz göttlichen Lebens.
300. – Persönlicher Streit sollte stets vermieden werden; vor der öffentlichen Auseinandersetzung aber scheue dich nicht; doch anerkenne auch da die Stärke deines Gegners und mache sie dir zu eigen.
301. – Hörst du eine Meinung, die dir missfällt, so untersuche sie und finde heraus, was Wahres an ihr ist.
302. – Die mittelalterlichen Asketen hassten die Frauen und dachten, Gott habe sie zur Verlockung der Mönche geschaffen. Es mag erlaubt sein, sowohl von Gott als auch von den Frauen eine bessere Meinung zu haben.
303. – Hat eine Frau dich verführt, ist es dann ihr Fehler oder deiner? Sei kein Narr und Selbstbetrüger.
304. – Es gibt zwei Arten, der Falle einer Frau zu entgehen; die erste ist, alle Frauen zu meiden, die andere, alle Wesen zu lieben.
305. – Askese ist zweifellos recht heilsam, eine Höhle sehr friedlich und die Berggipfel höchst angenehm; trotzdem handle in der Welt, wie Gott es für dich gewollt hat.
306. – Dreimal hat Gott über Shankara gelacht; zuerst, als er zurückkehrte, den Leichnam seiner Mutter zu verbrennen, dann, als er die Isha-Upanishad kommentierte, und schließlich, als er in Indien herumstürmte, Untätigkeit zu predigen.
307. – Die Menschen strengen sich nur an, um Erfolg zu haben, und begünstigt sie das Glück mit Misslingen, so daher, weil Weisheit und Kraft der Natur deren intellektuelle Klugheit überwältigen. Gott allein weiß, wie und wann weise zu straucheln und wirksam zu scheitern.
308. – Misstraue dem Mann, der nie gescheitert ist und nie gelitten hat; schließe dich ihm nicht an, kämpfe nicht unter seiner Fahne.
309. – Zwei sind untauglich für Größe und Freiheit; der Mensch, der nie eines anderen Knecht gewesen ist, und das Volk, das nie das Joch von Fremden getragen hat.
310. – Bestimme nicht, wann und wie das Ideal sich erfüllen soll. Arbeite, und überlasse das Wann und Wie dem allwissenden Gott.
311. – Arbeite, als müsste das Ideal schnell und zu deiner Lebenszeit erfüllt werden; beharre, als wüsstest du, dass es erst durch weitere tausend Jahre des Mühens erkauft werde. Was du nicht vor dem fünften Jahrtausend zu erwarten wagst, mag mit dem morgigen Tagesanbruch erblühen, und was du jetzt erhoffst und begehrst, mag dir für deine hundertste Wiederkunft bestimmt sein.
312. – Jeder von uns hat noch eine Millionen Leben auf Erden zu erfüllen. Warum also diese Eile, dieser Lärm und diese Ungeduld?
313. – Schreite tüchtig aus, denn dein Ziel ist fern; raste nicht unnötig, denn am Ende deiner Reise erwartet dich dein Meister.
314. – Ich bin der kindischen Ungeduld müde, die schreit und lästert und das Ideal leugnet, weil die Goldenen Berge nicht in unserem kurzen Tag oder ein paar augenblicklichen Jahrhunderten zu erreichen sind.
315. – Richte deine Seele ohne Begierde auf das Ziel und beharre dabei mit der göttlichen Kraft in dir; dann wird sich das Ziel selbst die Mittel schaffen, ja zu seinem eigenen Mittel werden. Denn das Ziel ist Brahman und bereits vollendet; sieh es immer als Brahman, sieh es immer in deiner Seele als bereits vollendet.
316. – Plane nicht mit dem Verstand, sondern lass deine göttliche Schau die Pläne für dich anordnen. Bietet sich dir ein Mittel als Sache an, die es zu tun gilt, so mache es zum vorläufigen Zweck; was aber das Ziel betrifft, so verwirklicht es sich in der Welt selbst und ist in deiner Seele bereits verwirklicht.
317. – Die Menschen sehen Ereignisse als etwas Unerfülltes, das es zu erstreben und zu bewirken gilt. Dies ist falsches Sehen; Ereignisse werden nicht bewirkt, sie entwickeln sich. Das Ergebnis ist Brahman, seit alters vollendet, sich jetzt offenbarend.
318. – Wie das Licht eines Sterns die Erde Hunderte von Jahren nach dessen Verschwinden erreicht, so offenbart sich das in Brahman schon zu Beginn vollendete Ereignis jetzt in unserer stofflichen Erfahrung.
319. – Regierungen, Gesellschaften, Könige, Polizisten, Richter, Institutionen, Kirchen, Gesetze, Zollbehörden und Armeen sind zeitweilige Notwendigkeiten, uns für ein paar Gruppen von Jahrhunderten auferlegt, weil Gott Sein Antlitz vor uns verborgen hat. Erscheint es uns wieder in seiner Wahrheit und Schönheit, dann werden sie in diesem Licht verschwinden.
320. – Anarchie ist der wahre göttliche Zustand des Menschen, am Ende wie am Anfang; zwischendrin aber würde sie uns stracks zum Teufel und seinem Reich führen.
321. – Das kommunistische Gesellschaftsprinzip steht grundsätzlich ebenso hoch über dem individualistischen wie Brüderlichkeit über Neid und gegenseitigem Gemetzel; aber alle in Europa ersonnenen praktischen Systeme von Sozialismus sind ein Joch, eine Tyrannei und ein Kerker.
322. – Setzt sich Kommunismus je wieder erfolgreich auf Erden durch, so muss es auf einer Grundlage seelischer Brüderlichkeit und des Todes der Ichsucht sein. Erzwungene Vereinigung und mechanisches Genossentum würde in einem weltweiten Fiasko enden.
323. – Verwirklichter Vedanta ist die einzige brauchbare Grundlage für eine kommunistische Gesellschaft. Dies ist das vom Christentum, Islam und Puranischen Hinduismus erträumte Reich der Heiligen.
324. – “Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit!” riefen die französischen Revolutionäre aus; tatsächlich aber ist nur Freiheit mit einem Zuschuss von Gleichheit ausgeübt worden. Was die Brüderlichkeit betrifft, so ist nur eine Brüderlichkeit von Kain begründet worden – und von Barabbas. Manchmal nennt sie sich Trust oder Kartell und gelegentlich Europäisches Konzert.
325. – “Da Freiheit gescheitert ist”, ruft das fortgeschrittene Denken Europas aus, “lasst uns Freiheit plus Gleichheit versuchen oder, da die beiden recht schwer zu paaren sind, Gleichheit statt Freiheit. Brüderlichkeit ist sowieso unmöglich, darum ersetzen wir sie durch industriellen Zusammenschluss.” Auch diesmal, denke ich, wird Gott sich nicht täuschen lassen.
326. – Indien hatte drei Festungen gemeinschaftlichen Lebens: die Dorfgemeinde, die Großfamilie und die Orden der Sannyasins; mit dem Vormarsch eigensüchtiger Vorstellungen von Gemeinschaftsleben sind sie alle zerbrochen oder am Zerbrechen; ist es aber nicht schließlich nur das Zerbrechen von unvollkommenen Formen auf dem Weg zu einem größeren und göttlicheren Kommunismus?
327. – Der Einzelne kann nicht vollkommen sein, bis er alles, was er jetzt sein Ich nennt, dem göttlichen Wesen überantwortet hat. Ebenso wird es nie eine vollkommene Gemeinschaft geben, bis die Menschheit alles, was sie hat, Gott schenkt.
328. – Nichts ist gering in Gottes Augen; lass auch in deinen nichts gering sein. Er wendet ebenso viel Arbeit göttlicher Energie an die Bildung einer Muschel wie an den Aufbau eines Reiches. Für dich selbst ist es größer, ein guter Schuster zu sein als ein prunkvoller und unfähiger König.
239. – Unvollkommenes Vermögen und Ergebnis in dem dir bestimmten Werk ist besser als künstliche Tüchtigkeit und geborgte Vollendung.
330. – Nicht das Ergebnis ist der Zweck des Handelns, sondern Gottes ewige Wonne im Werden, Sehen und Tun.
331. – Gottes Welt rückt Schritt um Schritt voran, indem sie das Kleinere bewältigt, bevor sie das Größere ernsthaft in Angriff nimmt. Gewährleiste erst die freie Nation, willst du je die Welt dazu bringen, eine einzige Nation zu sein.
332. – Eine Nation entsteht nicht durch gemeinsames Blut, gemeinsame Sprache oder gemeinsame Religion; dies sind nur wichtige Hilfen und mächtige Vorteile. Wo immer aber menschliche Gemeinschaften, durch keine Familienbande verpflichtet, geeint sind im gleichen Gefühl und Streben, ein gemeinsames Erbe ihrer Vorfahren zu verteidigen oder eine gemeinsame Zukunft für ihre Nachkommen zu gewährleisten, da ist eine Nation bereits vorhanden.
333. – Die Nation ist ein über die Stufe der Familie hinausführender Schritt des vorwärtsstrebenden Gottes; darum muss das Hängen an Sippe und Stamm nachlassen oder verschwinden, bevor eine Nation entstehen kann.
334. – Familie, Nation, Menschheit sind die drei Schritte Vishnus von vereinzelter zu gemeinschaftlicher Einheit. Der erste ist getan; um die Vollendung des zweiten mühen wir uns noch; nach dem dritten greifen wir aus, und Pionierarbeit daran ist bereits im Gange.
335. – Bei der gegenwärtigen Sittlichkeit des Menschengeschlechts ist eine zuverlässige und dauerhafte menschliche Einheit noch nicht möglich; aber es gibt keinen Grund, warum nicht eine vorläufige Annäherung der Lohn für unentwegte Sehnsucht und unermüdliche Anstrengung sein sollte. Durch ständige Annäherungen, unvollständige Umsetzungen und vorläufige Erfolge schreitet die Natur voran.
336. – Nachahmung ist manchmal ein gutes Übungsschiff, aber es wird nie die Admiralsflagge führen.
337. – Hänge dich lieber auf, als zu der Horde erfolgreicher Nachahmer zu gehören.
338. – Verwickelt ist der Weg der Werke in der Welt. Als Rama, der Avatar, den Affenkönig Vali umbrachte, oder Krishna, der Gott selbst war, seinen tyrannischen Onkel Kansa tötete, wer soll da sagen, ob sie gut oder schlecht handelten? Dies aber fühlen wir: sie handelten göttlich.
339. – Reaktionäre Gewalten vervollkommnen und beschleunigen den Fortschritt, indem sie die Kraft in ihm steigern und läutern. Dies kann die Menge der Schwachen nicht erkennen, die am Erreichen ihres Hafens verzweifelt, wenn das Schiff hilflos vor dem Sturmwind flieht – aber es flieht auf den hinter Regen und Wogen verborgenen Hafen zu, den Gott für es vorgesehen hat.
340. – Demokratie war der Protest der menschlichen Seele gegen die verbündete Gewaltherrschaft von Autokrat, Priester und Adligem; Sozialismus ist der Protest der menschlichen Seele gegen die Gewaltherrschaft einer plutokratischen Demokratie; Anarchismus wird wohl der Protest der menschlichen Seele gegen die Tyrannei eines bürokratischen Sozialismus sein. Ein stürmischer und eifriger Marsch von Illusion zu Illusion und von Scheitern zu Scheitern ist das Bild des europäischen Fortschritts.
341. – In Europa ist Demokratie die Herrschaft des Kabinettministers, des korrupten Abgeordneten oder des selbstsüchtigen Kapitalisten, kaschiert von der gelegentlichen Hoheitsbezeugung eines schwankenden Volkswillens; Sozialismus in Europa wird wohl die Herrschaft des Beamten und des Polizisten sein, kaschiert von der theoretischen Hoheit eines abstrakten Staates. Es ist verstiegen, herausfinden zu wollen, welches System das bessere sei; es wäre schwer zu entscheiden, welches das schlechtere ist.
342. – Der Vorteil der Demokratie ist die Sicherheit des Lebens, der Freiheit und der Güter des Individuums vor den Launen des tyrannischen Einen oder der selbstsüchtigen Wenigen; das Schlechte an ihr ist der Niedergang von Größe in der Menschheit.
343. – Dies irrende Geschlecht von menschlichen Wesen träumt immer davon, die Lebensumstände durch die Maschinerie von Regierung und Gesellschaft zu perfektionieren; aber nur durch die Vervollkommnung der Seele im Innern können die äußeren Lebensumstände vervollkommnet werden. Was du im Innern bist, das wirst du außen genießen; keine Maschinerie kann dich vom Gesetz deines Wesens befreien.
344. – Sei stets auf der Hut vor deiner menschlichen Neigung, die Wirklichkeit anzufeinden oder zu übersehen, während du gerade ihren äußeren Anschein oder ihr Wahrzeichen anbetest. Nicht menschliche Arglist, sondern menschliche Fehlbarkeit ist des Bösen Gelegenheit.
345. – Ehre die Tracht des Asketen, aber schaue auch auf den Träger, dass nicht Heuchelei die heiligen Orte besetze und innere Heiligkeit zur Legende werde.
346. – Die Vielen erstreben Kompetenz oder Reichtum, die Wenigen umfangen die Armut als Braut; du aber, erstrebe und umfange einzig Gott. Lass Ihn für dich einen Königspalast oder eine Bettelschale wählen.
347. – Was ist Laster, wenn nicht eine knechtende Gewohnheit, und Tugend, wenn nicht eine menschliche Meinung? Sieh Gott und tue Seinen Willen; beschreite, welchen Pfad auch immer Er für deine Fahrten bahnt.
348. – In den Kämpfen der Welt ergreife nicht die Partei der Reichen wegen ihres Reichtums noch die der Armen wegen ihrer Armut, noch die des Königs wegen seiner Macht und Hoheit, noch die des Volkes wegen seiner Hoffnung und Inbrunst, sondern stehe immer auf Gottes Seite. Es sei denn, Er hätte dir befohlen, gegen Ihn zu streiten! Dann tue dies mit ganzem Herzen und all deiner Kraft und Begeisterung.
349. – Wie kann ich wissen, was Gott von mir will? Ich muss alle Ichsucht aus mir austreiben, sie aus jedem Schlupfwinkel und Bau verjagen und meine geläuterte und nackte Seele in Seinen unendlichen Werken baden; dann wird Er selbst mir Seinen Willen enthüllen.
350. – Allein die Seele, die nackt und ohne Scham ist, kann rein und unschuldig sein, so wie Adam im Urgarten der Menschheit.
351. – Prahle nicht mit deinem Reichtum noch suche der Menschen Lob für deine Armut und Selbstverleugnung; beides ist grobe oder feine Nahrung für die Ichsucht.
352. – Altruismus ist gut für den Menschen, doch weniger gut, wenn sie eine Form höchsten Selbstgenusses annimmt und davon lebt, dass sie die Eigensucht anderer hätschelt.
353. – Durch Altruismus kannst du deine Seele retten, aber gib acht, dass du dabei nicht die Seele deines Nächsten zugrunde richtest.
354. – Selbstverleugnung ist ein mächtiges Mittel zur Läuterung; es ist weder Selbstzweck noch ein endgültiges Lebensgesetz. Nicht dich zu kasteien, sondern Gott in der Welt zu beglücken sei dein Ziel.
355. – Das von Sünde und Laster begangene Böse ist leicht zu erkennen, aber das geübte Auge sieht auch das Böse, das selbstgerechte und mit sich selbst beschäftigte Tugend bewirkt hat.
356. – Der Brahmane herrschte einst mit Buch und Ritual, danach der Kshatriya mit Schwert und Schild; jetzt regiert uns der Vaishya mit Maschine und Dollar, und der Sudra, der befreite Knecht, dringt vor mit seiner Lehre von dem Reich der verbündeten Arbeiterschaft. Aber weder der Priester noch der König, noch der Händler, noch der Arbeiter ist der wahre Herrscher der Menschheit; die Tyrannei von Handwerkszeug und Ackergerät wird ebenso scheitern wie all die vorausgegangenen Tyranneien. Erst wenn der Egoismus stirbt und Gott im Menschen über seine eigene menschliche Allgemeinheit herrscht, kann diese Erde eine glückliche und zufriedene Rasse von Wesen tragen.
357. – Die Menschen laufen hinter dem Vergnügen her und ziehen jene heiße Braut fieberhaft an ihre gequälte Brust; derweil steht eine göttliche und makellose Seligkeit hinter ihnen und wartet darauf, erblickt, gefordert und genommen zu werden.
358. – Die Menschen jagen hinter kleinlichen Erfolgen und armseligen Meisterschaften her, von denen sie in Erschöpfung und Schwäche zurückfallen; derweil wartet die ganze unendliche Kraft Gottes im Weltall vergebens darauf, sich ihnen zur Verfügung zu stellen.
359. – Die Menschen buddeln nach kleinen Erkenntnisstücken und gruppieren sie in beschränkte und kurzlebige Gedankensysteme; derweil lacht über ihren Köpfen all die unendliche Weisheit und schüttelt weit die Glorie ihrer schillernden Schwingen aus.
360. – Die Menschen suchen mühselig das begrenzte, aus mentalen Eindrücken bestehende kleine Wesen zu befriedigen und zu vervollständigen, das sie um ein erbärmliches und kriechendes Ego herum angelegt haben; derweil bleibt der raumlosen und zeitlosen Seele ihre freudige und strahlende Offenbarung versagt.
361. – O Seele Indiens, verberge dich nicht länger bei den verdunkelten Pandits des Kaliyuga in Küche und Kapelle, verhülle dich nicht mehr mit dem seelenlosen Ritus, dem veralteten Gesetz und dem ungesegneten Opfergeld, sondern suche in deinem Wesen, verlange von Gott und gewinne mit dem ewigen Veda dein wahres Brahmanen- und Kshatriyatum wieder; erneuere die verborgene Wahrheit des vedischen Opfers und kehre zur Erfüllung eines älteren und machtvolleren Vedanta zurück.
362. – Beschränke dein Opfer nicht darauf, irdische Güter aufzugeben oder dir irgendwelche Wünsche und Sehnsüchte zu versagen, sondern lass jeden Gedanken, jedes Werk und jeden Genuss eine Darbringung an Gott in dir sein. Lass deine Schritte in deinem Herrn wandeln, deinen Schlaf und dein Wachen ein Opfer an Krishna sein.
363. – Dies ist nicht nach meinem Shastra oder meiner Wissenschaft, sagen die Männer von Recht und Regel, die Formalisten. Narr! Ist Gott denn nur ein Buch, dass es nichts Wahres und Gutes geben soll, außer was geschrieben steht?
364. – Woran soll ich mich halten, an das Wort, das Gott zu mir spricht: “Dies ist Mein Wille, O mein Knecht”, oder an die Regeln, welche Menschen geschrieben haben, die tot sind? Nein, wenn ich jemand fürchten und gehorchen soll, so will ich lieber Gott fürchten und gehorchen als Bücherseiten oder dem Stirngerunzel eines Pandits.
365. – “Du könntest dich irren”, wirst du sagen, “vielleicht ist es gar nicht Gottes Stimme, die dich führt?” Dennoch weiß ich, dass Er nicht einmal jene preisgibt, die Ihm nur unwissend vertraut haben; dennoch habe ich gefunden, dass Er weise und liebend lenkt, auch wenn Er völlig irrezuführen scheint; dennoch würde ich lieber in die Schlinge des lebendigen Gottes fallen als vom Glauben an toten Formelkram gerettet werden.
366. – Handle lieber nach dem Shastra als aus Eigenwillen und Begehren, so wirst du stärker im Kontrollieren des Räubers in dir; doch handle lieber nach Gott als nach dem Shastra, so wirst du Sein Höchstes erlangen, das weit über Regel und Beschränkung steht.
367. – Das Gesetz ist für die Gebundenen und die, deren Augen versiegelt sind – richten sie sich nicht danach, so straucheln sie; du aber, der du frei bist in Krishna oder sein lebendiges Licht gesehen hast, wandle an der Hand deines Freundes und im Leuchten des ewigen Veda.
368. – Der Vedanta ist Gottes Lampe, dich aus dieser Nacht der Gefangenschaft und Ichsucht hinauszuführen; wenn aber das Licht des Veda in deiner Seele gedämmert hat, brauchst du nicht einmal jene göttliche Lampe, denn du kannst frei und sicher in einem hohen und ewigen Sonnenschein gehen.
369. – Was nützt es, nur zu wissen? Ich sage dir: “Handle und sei”, denn dazu sandte dich Gott in diesen menschlichen Körper.
370. – Was nützt es, nur zu sein? Ich sage dir: “Werde,” denn dazu wurdest du als Mensch in diese Welt der Materie hineingesetzt.
371. – Der Weg der Werke ist in gewissem Sinne die schwierigste Seite von Gottes dreifältiger Straße; ist er aber nicht auch, wenigstens in dieser stofflichen Welt, der leichteste, weiteste und entzückendste? Denn in jedem Augenblick stoßen wir mit Gott, dem Arbeiter, zusammen und wachsen in Sein Wesen durch tausend göttliche Berührungen.
372. – Dies ist das Wunderbare am Weg der Werke, dass sogar Feindschaft gegen Gott zu einem Mittel der Erlösung gemacht werden kann. Manchmal zieht und bindet uns Gott am schnellsten an Sich, indem er mit uns ringt als unser grimmiger, unüberwindbarer und unversöhnlicher Widersacher.
373. – Soll ich den Tod annehmen, oder soll ich mit ihm ringen und siegen? Das sei, wie Gott in mir entscheidet. Denn ob ich lebe oder sterbe, ich bin immer.
374. – Was ist das denn, was du Tod nennst? Kann Gott sterben? O du, der den Tod fürchtet, zu dir ist das Leben gekommen, mit einem Totenkopf spielend und eine Schreckensmaske tragend.
375. – Es gibt ein Mittel, körperliche Unsterblichkeit zu erlangen, so dass Tod in unserer Wahl und nicht mehr unter dem Zwang der Natur steht. Wem aber läge daran, einen Mantel hundert Jahre lang zu tragen oder in einer engen und unveränderlichen Wohnung eine lange Ewigkeit zu hausen?
376. – Furcht und Angst sind entstellte Formen des Willens. Was du fürchtest und bebrütest, indem du diesen Ton im Mental immer wieder anschlägst, dem hilfst du zu geschehen; denn stößt auch dein Wille, soweit er sich über die Oberfläche des Wachseins erhebt, es zurück, so ist es doch gerade das, was dein Mental darunter beständig will, und das unterbewusste Mental ist mächtiger, weiter und besser ausgerüstet, etwas zustande zu bringen, als deine wache Kraft und dein Verstand. Der spirituellen Geist aber ist stärker als beide zusammen; vor der Furcht und der Hoffnung nimm deine Zuflucht in der großartigen Ruhe und sorglosen Meisterschaft des spirituellen Geistes.
377. – Gott schuf die unendliche Welt durch Selbsterkenntnis, die in ihren Werken selbstvollziehende Willenskraft ist. Er benutzte Unwissenheit, um Seine Unendlichkeit zu beschränken; aber Furcht, Überdruss, Niedergeschlagenheit, Selbstzweifel und Einverständnis mit Schwäche sind die Werkzeuge, mit denen Er das Geschaffene zerstört. Werden diese gegen das gerichtet, was in dir böse oder schlimm und schädlich ist, so ist es recht; greifen sie aber die Quellen deines Lebens und deiner Stärke an, so packe und vertreibe sie, oder du stirbst.
378. – Die Menschheit hat zwei machtvolle Waffen benutzt, um ihre eigenen Kräfte und Freuden zu zerstören: falsches Schwelgen und falsche Enthaltsamkeit.
379. – Es ist unser Fehler gewesen und ist es immer, als Heilmittel uns von den Übeln des Heidentums zur Askese zu flüchten, und von den Übeln der Askese zum Heidentum zurück. Wir pendeln immerfort zwischen zwei falschen Gegensätzen.
380. – Es ist gut, beim Spielen nicht zu ausgelassen heiter und im Leben und bei der Arbeit nicht zu grimmig ernst zu sein. Wir suchen in beidem sowohl heitere Freiheit als auch ernste Ordnung.
381. – Fast vierzig Jahre lang glaubte ich ihnen, als sie sagten, ich sei von schwacher Konstitution; ich litt beständig an leichteren oder schwereren Krankheiten und missverstand diesen Fluch als eine mir von der Natur auferlegte Bürde. Als ich auf die Hilfe von Arzneimitteln verzichtete, begannen jene wie enttäuschte Schmarotzer von mir abzulassen. Dann erst begriff ich, was für eine mächtige Kraft die natürliche Gesundheit in mir ist, und wie viel mächtiger noch der das Mental übersteigende Wille und Glaube, den Gott als die göttliche Stütze für unser Leben in diesem Körper gemeint hat.
382. – Maschinerie ist für die moderne Menschheit nötig wegen unserer unheilbaren Barbarei. Wenn wir uns in eine verwirrende Vielfalt von Bequemlichkeiten und Vorrichtungen einschließen müssen, so haben wir wohl oder übel ohne die Kunst und ihre Verfahren auszukommen; denn Einfachheit und Freiheit aufgeben heißt Schönheit aufgeben. Die Üppigkeit unserer Vorfahren war reich und sogar prachtvoll, aber nie überladen.
383. – Ich kann den barbarischen Komfort und das überladene Gepränge des europäischen Lebens nicht Zivilisation nennen. Menschen, die in ihrer Seele nicht frei sind und in ihrer Ausstattung nicht edel ausgewogen, sind nicht zivilisiert.
384. – In modernen Zeiten und unter europäischem Einfluss ist Kunst ein Auswuchs des Lebens oder ein überflüssiger Lakai geworden; sie hätte sein Hauptverwalter und unerlässlicher Ordner sein sollen.
385. – Krankheit wird unnötig verlängert und endet öfter als unvermeidlich mit dem Tod, weil das Mental des Patienten bei der Beschwerde seines Körpers verweilt und sie damit unterstützt.
386. – Die medizinische Wissenschaft ist eher ein Fluch als ein Segen für die Menschheit gewesen. Sie hat zwar die Macht von Epidemien gebrochen und eine wunderbare Chirurgie entwickelt, aber auch die natürliche Gesundheit des Menschen geschwächt und individuelle Krankheiten vermehrt; sie hat in Mental und Körper Furcht und Abhängigkeit eingepflanzt und unserer Gesundheit beigebracht, nicht auf natürlichem Wohlsein zu beruhen, sondern sich auf eine wackelige und widerwärtige Krücke zu stützen, die aus dem Tier- und Pflanzenreich zusammengesetzt ist.
387. – Der Arzt zielt mit der Medizin auf eine Krankheit; manchmal trifft sie, manchmal nicht. Die Fehlschüsse lässt man außer Betracht, die Treffer werden gesammelt, berechnet und in ein wissenschaftliches System gebracht.
388. – Wir lachen über den Wilden wegen seines Glaubens an den Medizinmann; warum aber wären die Zivilisierten weniger abergläubisch, die an die Ärzte glauben? Der Wilde findet, dass er oft von einer bestimmten Krankheit genest, wenn eine gewisse Beschwörung wiederholt wird: er glaubt. Der zivilisierte Patient findet, dass er oft von einer bestimmten Krankheit genest, wenn er nach einem gewissen Rezept etwas einnimmt: er glaubt. Wo ist da der Unterschied?
389. – Der vom Fieber befallene nordindische Hirte setzt sich für eine Stunde oder mehr in die kalte Strömung eines Flusses und erhebt sich gesund und frei. Täte der zivilisierte Mensch dasselbe, so ginge er zugrunde, nicht weil dieselbe Medizin naturgemäß den einen töten und den anderen heilen würde, sondern weil unser Mental dem Körper verderblich falsche Gewohnheiten beigebracht hat.
390. – Was heilt, ist nicht so sehr die Medizin als der Glaube des Patienten an Arzt und Medizin. Beide sind ein plumper Ersatz für den natürlichen Glauben an das eigene Vermögen, den sie zerstört haben.
391. – Die gesündesten Zeitalter der Menschheit waren jene, in denen es am wenigsten stoffliche Heilmittel gab.
392. – Die robusteste und gesündeste auf der Erde noch übrig gebliebene Rasse sind die afrikanischen Eingeborenen; wie lange aber können sie noch so bleiben, nachdem ihr physisches Bewusstsein von den mentalen Abirrungen der Zivilisierten angesteckt worden ist?
393. – Wir sollten die göttliche Gesundheit in uns benutzen, um Krankheiten zu heilen und zu verhüten; aber Galen und Hippokrates und ihre Zunft haben uns stattdessen ein Arsenal von Medizinen und ein barbarisches Latain-Hokuspokus als körperliches Evangelium gegeben.
394. – Die medizinische Wissenschaft meint es gut und ihre Praktiker sind oft wohlwollende und nicht selten aufopfernde Leute; wann aber hatte das gute Meinen je Unwissende am Schaden anrichten gehindert?
395. – Wären alle Medizinen tatsächlich und aus sich selbst wirksam und alle medizinischen Theorien einwandfrei, könnte das uns über den Verlust der natürlichen Gesundheit und Vitalität hinwegtrösten? Der Upasbaum ist einwandfrei in allen Teilen, aber er ist doch ein Upasbaum.
396. – Der spirituelle Geist in uns ist der einzige allwirksame Arzt, und sich ihm zu unterwerfen ist für den Körper das einzig wahre Allheilmittel.
397. – Gott im Innern ist unendlicher und selbstvollbringender Wille. Kannst du Ihm deine Leiden überlassen, unberührt von Todesfurcht, und zwar nicht als Experiment, sondern völlig ruhig und voller Glauben? Du wirst finden, dass Er schließlich das Können von Millionen Ärzten übertrifft.
398. – Gesundheit, von zwanzigtausend Maßregeln beschützt, ist des Arztes Evangelium; aber es ist nicht Gottes Evangelium für den Körper, und auch nicht das der Natur.
399. – Der Mensch war einst von Natur aus gesund und könnte in jenen Urzustand zurückkehren, wenn man ihn ließe; aber die Medizinische Wissenschaft verfolgt unseren Körper mit einem unzählbaren Rudel von Medizinen und bestürmt unsere Vorstellungsgabe mit räuberischen Mikrobenhorden.
400. – Ich würde lieber sterben und damit fertig sein als mich mein Leben lang gegen eine geisterhafte Mikrobenbelagerung verteidigen. Ist das barbarisch und unaufgeklärt, so nehme ich gerne meine kimmerische Finsternis an.
401. – Chirurgen retten und heilen durch Schneiden und Verstümmeln. Warum nicht lieber versuchen, die unmittelbaren allmächtigen Heilmittel der Natur zu entdecken?
402. – Selbstheilung wird lange brauchen, um die Medizin abzulösen, weil Furcht, Mangel an Selbstvertrauen und unnatürliche Abhängigkeit von Mitteln, welche die Medizinische Wissenschaft unserem Mental und Körper beigebracht hat, uns zur zweiten Natur geworden sind.
403. – Medizin ist für unseren kränklichen Körper nur deshalb nötig, weil er die Kunst gelernt hat, nicht ohne Medizin auszukommen. Aber auch so sieht man oft, dass der Augenblick, den die Natur für die Genesung wählt, gerade jener ist, wo das Leben von den Ärzten als hoffnungslos aufgegeben wird.
404. – Verlust des Vertrauens an die Heilkraft im Innern war unser körperlicher Fall aus dem Paradies. Medizinische Wissenschaft und schlechtes Erbe sind die beiden Engel Gottes, die am Tor stehen, um uns Rückkehr und Eintritt zu verwehren.
405. – Medizinische Wissenschaft ist für den menschlichen Körper wie eine Großmacht, die ein kleineres Land durch ihren Schutz entkräftet, oder wie ein wohlmeinender Räuber, der sein Opfer niederschlägt und ihm Wunden beibringt, um dann sein Leben der Heilung und dem Dienst am zerschmetterten Körper zu weihen.
406. – Medizinen heilen den Körper oft, wenn sie ihn nicht bloß plagen oder vergiften, sofern ihr physischer Angriff auf die Krankheit von der Kraft des spirituellen Geistes unterstützt wird; gelingt es, diese Kraft frei wirken zu lassen, so sind Medizinen alsbald überflüssig.
407. – Ich bin kein Bhakta, denn ich habe nicht um Gottes willen der Welt entsagt. Wie könnte ich dem entsagen, was Er mir mit Gewalt entriss und gegen meinen Willen wiedergab? Solches wäre zu schwer für mich.
408. – Ich bin kein Bhakta, ich bin kein Jnani, ich bin kein Arbeiter für den Herrn. Was bin ich denn? Ein Werkzeug in den Händen meines Meisters, eine Flöte, die der göttliche Hirtenknabe bläst, ein Blatt, gewirbelt vom Atemhauch des Herrn.
409. – Liebende Hingabe ist nicht ganz erfüllt, bis sie zu Wirken und Wissen wird. Verfolgst du Gott und kannst Ihn einholen, so lass Ihn nicht los, ehe du Seine Wirklichkeit hast. Hast du Seine Wirklichkeit ergriffen, so bestehe darauf, auch Seine Gesamtheit zu haben. Das eine wird dir göttliches Wissen geben, das andere göttliches Wirken und eine freie und vollkommene Freude am Weltall.
410. – Andere sind Stolz auf ihre Liebe zu Gott. Ich rühme mich damit, dass ich Gott nicht liebte; es war Er, der mich liebte und mich heimsuchte und mich zwang, Ihm zu gehören.
411. – Als ich wusste, dass Gott eine Frau ist, lernte ich von ferne etwas von der Liebe kennen; aber erst als ich eine Frau wurde und meinem Meister und Geliebten diente, kannte ich die Liebe ganz.
412. – Ehebruch mit Gott zu treiben ist die vollkommene Erfahrung, für welche die Welt erschaffen wurde.
413. – Gott wirklich zu fürchten bedeutet, weit von Ihm abzurücken, aber Ihn im Spiel zu fürchten erhöht ein äußerstes Ergötzen.
414. – Israel erfand den Gottesfürchtigen; Indien den Gottwissenden und Gottliebenden.
415. – Der Knecht Gottes wurde in Judäa geboren, zur Reife aber kam er bei den Arabern. Indiens Freude bezeugt sich im Dienend-Liebenden.
416. – Vollkommene Liebe vertreibt die Angst; dennoch bewahre einen zarten Schatten der Erinnerung an die Verbannung, er macht die Vollkommenheit noch vollkommener.
417. – Deine Seele hat nicht Gottes gesamte Wonne gekostet, wenn sie nie die Freude gekannt hat, als Feind Seinen Plänen entgegenzutreten und sich mit Ihm auf einen tödlichen Zweikampf einzulassen.
418. – Kannst du Gott nicht dazu bringen dich zu lieben, so lass Ihn gegen dich kämpfen. Schenkt Er dir nicht die Umarmung des Liebenden, so zwinge Ihn, dir die Umarmung des Ringenden zu geben.
419. – Meine Seele ist Gottes Gefangene, von Ihm im Kampf genommen; noch immer erinnert sie sich des Krieges, nun doch so fern von ihr, voll Wonne, Bangen und Staunen.
420. – Am meisten von allen Dingen auf der Erde hasste ich den Schmerz, bis Gott mir weh tat und mich quälte; da wurde mir enthüllt, dass Schmerz nur eine verdrehte und widerspenstige Form übermäßiger Wonne ist.
421. – Es gibt vier Stufen des Schmerzes, den Gott uns zufügt: bloßer Schmerz; Schmerz, der Vergnügen verursacht; Schmerz der Vergnügen ist; und Schmerz, der nichts anderes als eine heftigere Art von Wonne ist.
422. – Auch wenn man jene Ebenen der Seligkeit erklommen hat, wo der Schmerz verschwindet, überlebt er dennoch verkleidet als unerträgliche Ekstase.
423. – Als ich immer höhere Gipfel Seiner Freude erstieg, fragte ich mich, ob es denn keine Grenze der Steigerung von Seligkeit gebe und bangte fast vor Gottes Umarmungen.
424. – Nächst der Liebe zu Gott ist das größte Entzücken die Liebe zu Gott in den Menschen; dort hat man auch die Freude an der Vielfältigkeit.
425. – Für den Körper mag Monogamie das beste sein; die Seele aber, die Gott im Menschen liebt, weilt hier immer als grenzenloser und ekstatischer Polygamist; und dennoch – dies ist das Geheimnis – ist sie die ganze Zeit nur in ein einziges Wesen verliebt.
426. – Die ganze Welt ist mein Harem, und jedes lebendige Wesen und leblose Ding darin ist Gegenstand meines Entzückens.
427. – Ich wusste eine Zeitlang nicht, ob ich Krishna mehr liebte oder Kali; liebte ich Kali, so liebte ich mich selbst, aber wenn ich Krishna liebte, liebte ich einen anderen, und dennoch war es mein Selbst, in das ich verliebt war. Darum bin ich dahin gekommen, Krishna sogar noch mehr zu lieben als Kali.
428. – Wozu die Natur bewundern oder sie als eine Macht, eine Gegenwart und Göttin verehren? Oder wozu sie ästhetisch und künstlerisch schätzen? Das Geheimnis ist, sich an ihr mit der Seele so zu erfreuen, wie man sich an einer Frau mit dem Körper erfreut.
429. – Wer die Schau im Herzen hat, für den wird alles – Natur und Denken und Wirken, Ideen und Beschäftigungen und Geschmacksempfindungen und Gegenstände –, zur Geliebten und ist Quell der Ekstase.
430. – Die Philosophen, die die Welt als Maya verwerfen, sind sehr weise und streng und heilig; aber manchmal kann ich nicht umhin zu denken, dass sie auch ein klein wenig töricht sind und sich von Gott allzu leicht hinters Licht führen lassen.
431. – Ich für mein Teil glaube darauf bestehen zu dürfen, dass Gott sich mir in der Welt so gut schenkt wie außerhalb. Warum hätte Er sie denn überhaupt erschaffen, wenn Er sich vor dieser Pflicht drücken wollte?
432. – Der Mayavadin spricht von meinem Persönlichen Gott als einem Traum und träumt lieber vom Unpersönlichen Sein; der Buddhist schiebt auch das beiseite als eine Fiktion und träumt lieber vom Nirvana und der Seligkeit des Nichtseins. So verunglimpfen sich all die Träumer gegenseitig eifrig ihre Träume und preisen die eigenen als Patentrezept an. Woran die Seele sich ganz und gar ergötzt, das ist für das Denken die letzte Wirklichkeit.
433. – Jenseits der Persönlichkeit sieht der Mayavadin unbestimmbare Existenz; ich folgte ihm dorthin und fand meinen Krishna jenseits in unbestimmbarer Persönlichkeit.
434. – Als ich Krishna zuerst begegnete, liebte ich Ihn als Freund und Spielgefährten, bis Er mich betrog; da war ich entrüstet und konnte Ihm nicht vergeben. Später liebte ich Ihn als Geliebten, und Er betrog mich noch immer; ich entrüstete mich wieder und noch viel mehr, aber diesmal musste ich vergeben.
435. – Nachdem Er sich vergangen hatte, zwang Er mich nicht durch Abbitte zum Verzeihen, sondern durch neue Vergehen.
436. – Solange Gott versuchte, Seine Vergehen gegen mich wiedergutzumachen, fuhren wir fort uns regelmäßig zu streiten; als Er aber Seinen Fehler einsah, hörte der Streit auf, denn ich musste mich Ihm völlig unterwerfen.
437. – Als ich andere außer Krishna und mir auf der Welt sah, hielt ich Gottes Treiben mit mir geheim; doch seit ich Ihn und mich überall zu sehen begann, bin ich schamlos und geschwätzig geworden.
438. – Alles, was mein Geliebter hat, gehört mir. Warum beschimpfst du mich, dass ich den Schmuck zur Schau trage, den Er mir schenkte?
439. – Mein Geliebter nahm Krone und Königskette von Seinem Haupt und Nacken und kleidete mich damit; doch die Jünger der Heiligen und Propheten schmähten mich und sagten: “Er ist hinter Siddhis her.”
440. – Ich tat in der Welt nach meines Geliebten Geheiß und meines Gebieters Willen; sie aber riefen: “Wer ist dieser Verführer der Jugend, dieser Verderber der Sitten?”
441. – Kümmerte ich mich nämlich um euren Beifall, O ihr Heiligen, und achtete ich auf mein Ansehen, O ihr Propheten, so hätte mich mein Geliebter nie in Sein Herz geschlossen und mir Zutritt zu Seinen geheimen Kammern gewährt.
442. – Ich war berauscht von der Verzückung meines Geliebten und warf sogar auf den Hauptstraßen der Welt das Weltkleid ab. Was kümmerte es mich, dass die Weltlinge spotteten und die Pharisäer ihr Gesicht abwandten?
443. – Dem Dich Liebenden, O Herr, ist das Gespött der Welt wilder Honig, und das Prasseln der Steine des Pöbels ist Sommerregen auf den Körper. Denn bist nicht Du es, der mich verspottet und bewirft, und bist nicht Du es in den Steinen, der mich trifft und verletzt?
444. – Zwei Dinge gibt es in Gott, die die Menschen schlecht nennen: das, was sie überhaupt nicht verstehen können, und das, was sie missverstehen und, wenn sie es besitzen, missbrauchen; nur wonach sie halb vergeblich tappen und was sie dunkel begreifen, das nennen sie gut und heilig. Für mich aber sind alle Dinge in Ihm liebenswert.
445. – Man sagt, O mein Gott, ich sei verrückt, weil ich an Dir nichts auszusetzen finde; bin ich aber tatsächlich verrückt vor Liebe zu Dir, so will ich nie mehr normal werden.
446. – “Irrtümer, Lügen, Fehltritte!” schreien sie. Wie hell und schön sind Deine Irrtümer, O Herr! Deine Lügen halten die Wahrheit am Leben; durch Deine Fehltritte wird die Welt vollendet.
447. – Leben, Leben, Leben, höre ich die Leidenschaften rufen; Gott, Gott, Gott, ist die Antwort der Seele. Bis du das Leben einzig als Gott siehst und liebst, bleibt auch das Leben für dich eine versiegelte Freude.
448. – “Er liebt sie”, sagen die Sinne; die Seele aber sagt: “Gott, Gott, Gott”. Dies ist des Daseins allumfassende Formel.
449. – Kannst du den wertlosesten Wurm und den gemeinsten Verbrecher nicht lieben, wie kannst du dann meinen, du habest Gott angenommen in deinem Geist?
450. – Gott lieben und die Welt ausschließen heißt, Ihm eine starke, aber unvollkommene Anbetung zollen.
451. – Ist Liebe bloß eine Tochter oder Magd der Eifersucht? Wenn Krishna Chandrabali liebt, warum sollte ich sie nicht auch lieben?
452. – Da du einzig Gott liebst, stellst du leicht den Anspruch, mehr von Ihm geliebt zu werden als andere; dies ist aber ein falscher Anspruch, ist wider Recht und Natur der Dinge. Denn Er ist der Eine, du aber gehörst zu den Vielen. Werde lieber in Herz und Seele eins mit allen Wesen, dann gibt es für Seine Liebe auf der ganzen Welt niemand als dich allein.
453. – Jenen, die so töricht sind, meinen Geliebten nicht zu lieben, gilt mein Streit, und nicht jenen, die Seine Liebe mit mir teilen.
454. – An denen, die Gott liebt, habe deine Freude; mit denen, die Er vorgibt nicht zu lieben, habe Mitleid.
455. – Hassest du den Atheisten, weil er Gott nicht liebt? Dann dürfte man auch dich nicht leiden mögen, weil du nämlich Gott nicht vollkommen liebst.
456. – Bei einer Sache vor allem unterwerfen sich Bekenntnisse und Kirchen dem Teufel, nämlich bei ihren Anathemen. Wenn der Priester Anathema Maranatha singt, sehe ich einen Teufelsanbeter beten.
457. – Kein Zweifel, wenn der Priester verflucht, ruft er Gott an; aber der Gott des Zorns und der Finsternis ist es, dem er sich samt seinem Feind übergibt; denn wie er sich Gott naht, so empfängt ihn Gott.
458. – Ich wurde von Satan sehr geplagt, bis ich herausfand, dass Gott es war, der mich versuchte; da verließ die Angst vor ihm meine Seele für immer.
459. – Ich hasste den Teufel und ärgerte mich über seine Versuchungen und Quälereien; und ich konnte nicht sagen, warum seine Stimme bei den Abschiedsworten so süß war, dass ich ihn nur ungern zurückwies, wenn er jeweils wiederkehrte und sich mir anbot. Dann entdeckte ich, dass es Krishna bei Seinen Streichen war, und mein Hass wandelte sich in Lachen.
460. – Sie erklärten das Böse auf der Welt damit, dass Satan gegen Gott die Oberhand gewonnen habe; ich aber denke stolzer von meinem Geliebten. Ich glaube, im Himmel oder in der Hölle, auf Erden oder über den Wassern geschieht nichts ohne Seinen Willen.
461. – In unserer Unwissenheit sind wir wie Kinder, stolz auf unseren Erfolg, ohne Hilfe aufrecht gehen zu können, und zu eifrig, um die stützende Berührung der Mutter an der Schulter zu bemerken. Wenn wir erwachen, blicken wir zurück und sehen, dass Gott uns immer lenkte und aufrechterhielt.
462. – Zuerst, wann immer ich in die Sünde zurückfiel, pflegte ich zu weinen und mir selbst und Gott zu zürnen, es zugelassen zu haben. Später wagte ich höchstens noch zu fragen: “Warum hast du mich wieder im Schmutz gewälzt, O mein Spielkamerad?” Dann kam mir sogar das zu kühn und vermessen vor; ich konnte mich nur noch schweigend erheben, ihm einen Seitenblick zuwerfen – und mich säubern.
463. – Gott hat das Leben so eingerichtet, dass die Welt der Gatte der Seele ist; Krishna ist der göttliche Liebhaber. Wir schulden der Welt einen Dienst und sind durch Gesetz, zwingende Meinung und gemeinsame Erfahrung von Schmerz und Vergnügen an sie gebunden, aber unseres Herzens Verehrung und unsere geheime Freude sind für unseren Geliebten.
464. – Die Freude an Gott ist geheim und wundervoll; sie ist ein Mysterium und ein Glück, worüber der Menschenverstand spöttische Gesichter zieht; aber die Seele, die sie einmal gekostet hat, kann sie niemals lassen, was für weltliche Schande, Pein und Not sie auch bringen mag.
465. – Gott, der Weltguru, ist weiser als dein Mental; vertraue Ihm und nicht jenem ewigen Egoisten und anmaßenden Skeptiker.
466. – Das skeptische Mental zweifelt immer, weil es nicht verstehen kann, aber der Glaube des Gottliebenden fährt fort zu wissen, obwohl er nicht versteht. Beide sind für unsere Dunkelheit nötig, doch darüber, welcher mächtiger ist, kann es keinen Zweifel geben. Was ich jetzt nicht verstehen kann, werde ich eines Tages meistern; wenn ich aber Glauben und Liebe verliere, falle ich vollends von dem Ziel ab, das Gott mir gesetzt hat.
467. – Ich darf Gott, meinem Führer und Lehrer, die Frage stellen: “Habe ich recht, oder hast Du in deiner Liebe und Weisheit zugelassen, dass mein Mental mich täuscht?” Zweifle an deinem Mental, wenn du willst, aber nicht daran, dass Gott dich führt.
468. – Weil dir zuerst unvollkommene Vorstellungen von Gott gegeben wurden, zürnst du jetzt und leugnest Ihn. Mensch, zweifelst du an deinem Lehrer, weil er dir nicht gleich das gesamte Wissen gab? Untersuche lieber jene unvollkommene Wahrheit und stelle sie an ihren Platz, so dass du gefahrlos zum weiteren Wissen fortschreiten kannst, das sich jetzt vor dir eröffnet.
469. – In dieser Weise lehrt Gott in Seiner Liebe die Kindseele und den Schwächling, Er führt sie Schritt um Schritt und enthält ihnen die Schau Seiner letzten und noch unerreichbaren Berggipfel vor. Und haben wir nicht alle irgendeine Schwäche? Sind wir vor Ihm nicht alle wie kleine Kinder?
470. – Dies habe ich bemerkt, was immer Gott mir vorenthielt, Er tat es aus Liebe und Weisheit. Hätte ich es damals begriffen, so würde ich ein großes Gutes in ein großes Gift verkehrt haben. Manchmal hingegen, wenn wir darauf bestehen, gibt Er uns Gift zu trinken, damit wir uns davon abwenden und Sein Ambrosia und Seinen Nektar im Wissen zu kosten lernen.
471. – Sogar der Atheist müsste nun sehen können, dass die Schöpfung irgendeinem unendlichen und mächtigen Ziel entgegen marschiert, das der Evolution ihrer eigentlichen Natur nach gesetzt ist. Aber unendliches Ziel und Erreichen setzt unendliche Weisheit voraus, die vorbereitet, führt, formt, schützt und rechtfertigt. Verehre also jene Weisheit und huldige ihr mit Gedanken in deiner Seele, wenn nicht mit Weihrauch in einem Tempel, und leugnest du auch das Herz unendlicher Liebe und das Mental unendlichen Selbst-Glanzes. Dann verehrst und huldigst du nämlich, ohne es zu wissen, dennoch Krishna.
472. – Der Herr der Liebe hat gesagt: “Die dem Unwissbaren und Unbestimmbaren nachfolgen, folgen Mir nach, und Ich nehme sie an.” Er hat mit Seinem Wort den Illusionisten und den Agnostiker gerechtfertigt. Warum schmähst du also, O Frommer, wen dein Meister angenommen hat?
473. – Calvin, der eine ewige Hölle rechtfertigte, kannte Gott nicht, sondern machte eine furchtbare Maske von Ihm zu Seiner ewigen Wirklichkeit. Gäbe es eine endlose Hölle, so könnte sie nur ein Ort endloser Verzückung sein; denn Gott ist Ananda, und eine andere Ewigkeit als die Seiner Seligkeit gibt es nicht.
474. – Als Dante schrieb, Gottes vollkommene Liebe habe die ewige Hölle erschaffen, sprach er vielleicht weiser, als er wusste; denn nach vereinzelten Einblicken kam ich manchmal auf den Gedanken, es gebe eine Hölle, wo unsere Seelen Äonen unerträglicher Ekstase erdulden und gleichsam für immer in der äußersten Umarmung von Rudra, dem Süßen und Schrecklichen, schwelgen.
475. – Anhängerschaft zu Gott, dem Lehrer, Sohnschaft zu Gott, dem Vater, Zärtlichkeit zu Gott, der Mutter, Händedruck des göttlichen Freundes, Lachen und Scherzen mit unserem Gefährten und Spielkameraden, seliger Dienst für Gott, den Meister, verzückte Liebe für unseren göttlichen Geliebten, dies sind die sieben Seligpreisungen des Lebens im menschlichen Körper. Kannst du sie alle in einer einzigen höchsten und regenbogenfarbenen Beziehung miteinander verbinden? Dann brauchst du keinen Himmel irgendwelcher Art und übertriffst die Befreiung des Adwaitin.
476. – Wann wird sich die Welt in ein Ebenbild des Himmels verwandeln? Wenn die ganze Menschheit zu Knaben und Mädchen wird und gemeinsam mit Gott, enthüllt als Krishna und Kali, glücklichster Knabe und stärkstes Mädchen der Schar, in den Paradiesgärten spielt. Das semitische Eden war recht und gut, aber Adam und Eva waren zu erwachsen und deren Gott selbst zu alt und streng und ernst, als dass man das Angebot der Schlange hätte ausschlagen können.
477. – Die Semiten haben die Menschheit mit der Vorstellung von einem Gott bedrückt, der ein strenger und würdevoller König und ernster Richter ist und keine Fröhlichkeit kennt. Die wir aber Krishna gesehen haben, kennen Ihn als einen spielfreudigen Knaben und ein Kind voll Schalk und glücklichem Gelächter.
478. – Ein Gott, der nicht lächeln kann, könnte dies humorvolle Weltall nicht erschaffen haben.
479. – Gott nahm ein Kind, um es an Seiner Brust der Wonne zu liebkosen; jedoch die Mutter weinte und war untröstlich, weil ihr Kind nicht mehr da war.
480. – Leide ich an Schmerz oder Kummer oder an einem Unglück, so sage ich: “Na, mein alter Spielkamerad, du willst mich also wieder einmal ärgern”, und setze mich hin, das Vergnügen des Schmerzes, die Freude des Kummers und das Glück des Unglücks zu genießen; dann sieht Er sich entdeckt und entfernt Seine Geister und Schreckgespenster von mir.
481. – Der Sucher göttlichen Wissens findet in der Schilderung, wie Krishna die Kleider der Gopis stiehlt, eines der tiefsten Gleichnisse von Gottes Umgang mit der Seele – der Gläubige eine vollkommene Übertragung der mystischen Erfahrungen seines Herzens in göttliches Wirken, der Lüsterne und der Puritaner (zwei Gesichter ein und desselben Temperaments) nur eine wollüstige Geschichte. Die Menschen sehen in den Schriften gespiegelt, was in ihnen ist.
482. – Mein Geliebter zog an meinem Kleid der Sünde, und ich ließ es gerne fallen; dann zupfte er am Kleid der Tugend, doch ich schämte mich und hinderte ihn bestürzt. Erst als er es mir gewaltsam entriss, sah ich, wie meine Seele vor mir verborgen gewesen war.
483. – Sünde ist eine List und Verkleidung von Krishna, um sich vor dem Blick der Tugendhaften zu verstecken. Sieh, O Pharisäer, Gott im Sünder, lass Sünde in dir selbst dein Herz läutern; umarme deinen Bruder.
484. – Die Liebe zu Gott, Güte zu den Menschen ist der erste Schritt zu vollkommener Weisheit.
485. – Wer Scheitern und Unvollkommenheit verdammt, verdammt Gott; er beschränkt seine eigene Seele und betrügt seine eigene Schau. Verdamme nicht, sondern beobachte die Natur, hilf deinen Brüdern, heile sie und stärke durch Mitgefühl ihre Fähigkeiten und ihren Mut.
486. – Liebe zum Mann, Liebe zur Frau, Liebe zu den Dingen, Liebe zum Nächsten, Liebe zum Vaterland, Liebe zu den Tieren, Liebe zur Menschheit sind alle die in diesen lebendigen Bildern gespiegelte Liebe Gottes. Liebe also und werde stark, um alles zu genießen, allem zu helfen und immerdar zu lieben.
487. – Sind da Dinge, die sich ganz und gar nicht in Gottes vollkommeneres Bild wandeln oder bessern lassen wollen, so mögen sie mit Zartheit im Herzen, doch schonungslos im Zuschlagen zerstört werden. Aber vergewissere dich erst, dass Gott dir dein Schwert und deine Mission gegeben hat.
488. – Ich sollte meinen Nächsten nicht darum lieben, weil er nahe ist, – denn was ist Nähe und Ferne? Auch nicht darum, weil die Religionen mir sagen, er sei mein Bruder, – denn worauf beruht jene Brüderlichkeit? Sondern darum, weil er ich selber ist. Nähe und Ferne betreffen den Körper, das Herz geht darüber hinaus. Brüderlichkeit ist eine des Blutes, der Heimat, der Religion oder der Menschheit, aber wenn sich der Eigennutz meldet, was wird dann aus dieser Brüderlichkeit? Erst wenn man in Gott lebt und Mental und Herz und Körper in das Bild dieser allumfassenden Einheit prägt, wird diese tiefe, selbstlose und unbeirrbare Liebe möglich.
489. – Lebe ich in Krishna, so verschwinden Ego und Eigennutz, und nur Gott selbst kann meine bodenlose und unbegrenzte Liebe beurteilen.
490. – Wenn man in Krishna lebt, wird sogar Feindschaft ein Spiel der Liebe und ein Ringkampf unter Brüdern.
491. – Für die Seele, die der höchsten Glückseligkeit teilhaftig ist, kann das Leben nicht eine schlimme oder leidvolle Täuschung sein, sondern alles Leben wird zum Plätschern der Liebe und des Lachens eines göttlichen Liebhabers und Spielgefährten.
492. – Vermagst du Gott als das körperlose Unendliche zu sehen und Ihn dennoch so zu lieben wie ein Mann seine Geliebte? Dann ist dir die höchste Wahrheit des Unendlichen enthüllt worden. Vermagst du den Unendlichen auch in einen Körper zu kleiden, den man umarmen kann, und Ihn in jedem einzelnen dieser sicht- und greifbaren Körper zu sehen? Dann ist auch seine weiteste und tiefste Wahrheit in deinen Besitz gelangt.
493. – Die Göttliche Liebe hat zugleich ein doppeltes Spiel: eine universale Bewegung, tief, ruhig und bodenlos wie der untere Ozean, der auf der ganzen Welt und jedem Ding darin mit gleichem Druck wie auf ebenem Bette lastet, und eine persönliche Bewegung, ungestüm, intensiv und ekstatisch wie die tanzende Oberfläche desselben Ozeans, die Höhe und Gewalt ihrer Wogen wechselt und sich die Gegenstände auswählt, auf die sie fallen will mit dem Kuss ihres Schaums und ihrer Gischt und der Umarmung ihrer überflutenden Wasser.
494. – Ich pflegte Schmerz zu hassen und zu meiden und mich über seine Zufügung zu ärgern; jetzt aber erkenne ich, hätte ich nicht so gelitten, so besäße ich nun nicht, geübt und vollendet, dies unendlich und vielfältig sensitive Vermögen zur Verzückung in Mental, Herz und Körper. Gott rechtfertigt sich am Ende sogar dann, wenn Er sich als Schinder und als Tyrann verkleidet hat.
495. – Ich schwor mir, am Schmerz und an der Dummheit, an der Grausamkeit und Ungerechtigkeit der Welt nicht zu leiden, und machte mein Herz so hart im Ertragen wie der untere Mühlstein und mein Mental wie geschliffenen Stahl. Ich litt nicht mehr, aber die Freude war von mir gewichen. Da brach Gott mir das Herz auf und rodete mir das Mental. Ich stieg durch furchtbare, unaufhörliche Qual zu seliger Schmerzlosigkeit empor, und durch Kummer, Entrüstung und Auflehnung zu unendlichem Wissen und festem Frieden.
496. – Als ich herausfand, dass Schmerz die Rückseite und die Schulung der Verzückung ist, suchte ich Schläge auf mich zu häufen und Leiden in all meinen Wesensteilen zu mehren; denn selbst Gottes Martern schienen mir langsam, leicht und unwirksam. Da musste mein Geliebter mir Einhalt gebieten: “Hör auf, denn meine Hiebe sind genug für dich.”
497. – Die Selbstkasteiung der alten Mönche und Büßer war zwar verkehrt und dumm, doch war eine geheime Seele des Wissens hinter ihren Verkehrtheiten.
498. – Gott ist unser weiser und vollkommener Freund; denn er weiß, wann zu schlagen und ebenso gut, wie wann zärtlich zu sein, wann uns zu töten nicht weniger als wann zu retten und beizustehen.
499. – Der göttliche Freund aller Geschöpfe verbirgt Seine Freundschaft hinter der Maske eines Feindes, bis Er uns für die höchsten Himmel vorbereitet hat; dann wird, wie in Kurukshetra, die schreckliche Form des Herrn des Kampfes, des Leidens und der Zerstörung zurückgenommen, und das süße Antlitz, die Innigkeit und der oft umarmte Körper Krishnas erstrahlen der erschütterten Seele und den geläuterten Augen seines ewigen Gefährten und Spielkameraden.
500. – Leiden macht uns für die volle Kraft des Herrn der Wonne tauglich; es befähigt uns auch, das andere Spiel, das des Herrn der Macht, zu ertragen. Schmerz ist der Schlüssel, der die Tore der Stärke öffnet; er ist die Heerstraße, die zur Stadt der Glückseligkeit führt.
501. – Dennoch aber, O Seele des Menschen, trachte nicht nach Schmerz, denn das ist nicht Sein Wille, sondern trachte einzig nach Seiner Freude; was das Leiden betrifft, so kommt es in Seiner Vorsehung schon so oft und so viel zu dir, wie für dich nötig ist. Dann ertrage es, damit du schließlich seinen Kern der Verzückung findest.
502. – Auch deinem Nächsten, O Mensch, füge keinen Schmerz zu; Gott allein hat das Recht, Schmerz zuzufügen; oder jene haben es, die Er dazu beauftragt hat. Aber wähne nicht fanatisch, wie es Torquemada tat, du seist einer von ihnen.
503. – In früheren Zeiten gab es eine edle Form der Beteuerung für Seelen, die nur von Kraft und Handeln erfüllt sind: “So wahr Gott lebt!” Aber für unsere modernen Bedürfnisse würde eine andere Beteuerung besser passen: “So wahr Gott liebt!”
504. – Wissenschaft ist für den Gottliebenden und den Gottwissenden darum besonders nützlich, weil sie ihm ermöglicht, die seltsamen Wunder Seiner stofflichen Kunstfertigkeit im einzelnen zu begreifen und zu bewundern. Der eine lernt und ruft aus: “Sieh, wie der Spirituelle Geist sich im Stoff offenbart hat!”; der andere: “Sieh die Berührung meines Geliebten und Meisters, des vollendeten Künstlers, der allmächtigen Hand!”
505. – O Aristophanes des Weltalls, der du deine Welt betrachtest und herzlich bei dir selber lachst, willst du nicht auch mich mit göttlichen Augen sehen lassen, damit ich in dein weltweites Lachen mit einstimmen kann?
506. – Kalidasa sagt in einem gewagten Bild, die verschneiten Felsen des Kailasa seien das laute Welt-Gelächter Shivas, das sich in völliger Weiße und Reinheit auf den Gipfeln türmt. Das ist wahr, und wenn ihr Bild auf das Herz fällt, schmelzen die Sorgen der Welt wie die Wolken darunter in ihre tatsächliche Nichtigkeit dahin.
507. – Die seltsamste Erfahrung der Seele ist die: Hört sie auf, sich um das Bild und die Drohung von Schwierigkeiten zu kümmern, so sind diese weit und breit nicht mehr zu finden. Und von hinter jenen unwirklichen Wolken hören wir dann Gott uns auslachen.
508. – Hast du bei deinem Bemühen Erfolg gehabt, O Titan? Thronst du wie Ravana und Hiranyakashipou, von den Göttern bedient und als Herr der Welt? Wonach deine Seele aber wirklich jagte, das ist dir entgangen.
509. – Ravanas Kopf dachte, er lechze nach Weltherrschaft und den Sieg über Rama; aber das Ziel, das seine Seele sich beständig vor Augen hielt, war, so bald wie möglich in ihren Himmel zurückzukehren und wieder Gottes Knecht zu sein. Darum, als der kürzeste Weg, warf sie sich in rasender Umklammerung des Feindes gegen Gott.
510. – Die größte aller Freuden ist es, wie Naraka Sklave Gottes zu sein; die schlimmste aller Höllen dagegen, von Gott verlassen Herr der Welt zu sein. Was der unwissenden Vorstellung von Gott das Nächste scheint, ist von Gott am fernsten.
511. – Gottes Diener ist etwas; größer ist Gottes Sklave.
512. – Herr der Welt zu sein wäre allerdings höchste Glückseligkeit, sofern man allgemein geliebt würde; dazu aber müsste man zugleich Sklave der ganzen Menschheit sein.
513. – Rechnest du schließlich deinen langen Dienst an Gott zusammen, so geht dir auf, dass dein größtes Werk das mangelhafte und wenige Gute war, das du aus Liebe zur Menschheit getan hast.
514. – Zwei Werke gibt es, die Gott bei seinem Knecht vollkommen gefallen: in stiller Anbetung Seine Tempelböden zu fegen, und auf dem Kampfplatz der Welt für Seine göttliche Vollendung in der Menschheit zu streiten.
515. – Wer für Menschen auch nur ein wenig Gutes getan hat, und wäre er auch der ärgste Sünder, wird von Gott in die Reihen Seiner Liebenden und Diener aufgenommen. Er wird des Angesicht des Ewigen schauen.
516. – O Narr deiner Schwäche, verdecke dir nicht Gottes Antlitz mit einem Schleier der Ehrfurcht, nahe Ihm nicht in bittstellerischer Untertänigkeit. Schau! Nicht den feierlichen Ernst eines Königs und Richters wirst du auf Seinem Angesicht sehen, sondern das Lächeln des Geliebten.
517. – Bis du es lernst, mit Gott dich auseinanderzusetzen wie ein Ringer mit seinem Kampfgenossen, wird dir die Stärke deiner Seele immer verborgen bleiben.
518. – Sumbha liebte Kali erst mit Herz und Körper, dann zürnte er ihr und bekämpfte sie, schließlich gewann er die Oberhand, ergriff sie bei den Haaren und wirbelte sie in den Himmeln dreimal um sich herum; im nächsten Augenblick war er von ihr erschlagen. Dies sind die vier Schritte des Titanen zur Unsterblichkeit, von denen der letzte der längste und mächtigste ist.
519. – Kali ist Krishna, enthüllt als schreckliche Macht und stürmische Liebe. Sie erschlägt mit ihren grimmigen Streichen das Ich im Körper, Leben und Mental, um es als ewigen Geist zu befreien.
520. – Unsere Eltern fielen, nach dem tiefen semitischen Gleichnis, weil sie von der Frucht des Baumes von Gut und Böse kosteten. Hätten sie zugleich vom Baum des ewigen Lebens genommen, so wären sie der unmittelbaren Folge entgangen; aber Gottes Absicht in der Menschheit wäre vereitelt gewesen. Sein Zorn ist unser ewiger Vorteil.
521. – Wäre Hölle möglich, dann führte sie auf dem kürzesten Weg zum Himmel. Denn wahrlich, Gott liebt.
522. – Gott treibt uns aus jedem Eden, damit wir gezwungen seien, durch die Wüste zu reisen zu einem göttlicheren Paradies. Wunderst du dich, ob jener öde und grimmige Durchgang wirklich nötig sei, so lässt du dich vom Mental zum Narren halten und hast die Seele dahinter mit ihren undeutlichen Wünschen und geheimen Verzückungen nicht erforscht.
523. – Ein gesundes Mental hasst den Schmerz; denn das Verlangen nach Schmerz, das Menschen manchmal in ihrem Mental entwickeln, ist krankhaft und naturwidrig. Aber die Seele kümmert sich um das Mental und seine Leiden nicht mehr als der Eisenhüttenmeister um den Schmerz des Erzes im Hochofen; sie folgt ihrem eignen Bedürfnis und ihrem eigenen Drang.
524. – Mitleid ist manchmal ein guter Ersatz für Liebe; aber es ist eben nie mehr als ein Ersatz.
525. – Selbstmitleid beruht stets auf Eigenliebe; Mitleid mit anderen aber beruht nicht immer auf Liebe für sie. Manchmal ist es ein ichbezogenes Zurückschrecken vor dem Anblick des Schmerzes, manchmal des reichen Mannes verächtliches Almosen an die Armen. Entwickle lieber Gottes göttliches Erbarmen als menschliches Mitleid.
526. – Nicht Mitleid, das am Herzen zehrt und das Innere schwächt, sondern göttlich gemeistertes und unbeschwertes Erbarmen und Hilfsbereitschaft ist die Tugend, die wir ermutigen sollten.
527. – Herauszufinden, dass eines Menschen Körper oder Mental von Schmerz zu befreien nicht immer zum Guten weder der Seele noch des Mentals, noch des Körpers führt, ist eine der bittersten Erfahrungen für den menschlich Mitfühlenden.
528. – Menschliches Mitleid beruht auf Unwissenheit und Schwäche; es ist der Sklave von Gefühlseindrücken. Göttliches Erbarmen versteht, unterscheidet und erlöst.
529. – Unterschiedsloses Erbarmen ist die edelste Gabe des Temperaments; kein Lebewesen auch nur im geringsten zu verletzen, ist die höchste aller menschlichen Tugenden; Gott hingegen übt keines von beiden aus. Ist der Mensch darum edler und besser als der All-Liebende?
530. – Liebe die Menschen und diene ihnen, aber hüte dich davor, ihren Beifall zu suchen. Besser gehorche Gott in dir.
531. – Nicht die Stimme Gottes und Seiner Engel gehört zu haben, ist die Auffassung der Welt von einem gesunden Verstand.
532. – Sieh Gott überall und lass dich von Masken nicht erschrecken. Glaube, dass alle Falschheit Wahrheit im Entstehen oder Wahrheit im Vergehen ist, alles Scheitern verhüllte Wirksamkeit, alle Schwäche Stärke, die sich vor ihrer eigenen Sicht verbirgt, aller Schmerz geheime und heftige Ekstase. Wenn du fest und unentwegt glaubst, wirst du schließlich den All-Wahren, All-Mächtigen und All-Seligen sehen und erfahren.
533. – Menschliche Liebe erliegt der eignen Ekstase, menschliche Stärke erschöpft sich in der eigenen Anstrengung, menschliches Wissen wirft einen Schatten, der die halbe Kugel der Wahrheit vor dem eigenen Sonnenlicht verbirgt; göttliches Wissen aber umfasst gegensätzliche Wahrheiten und versöhnt sie, göttliche Stärke nimmt mit der Fülle ihrer Verausgabung zu, göttliche Liebe kann sich ganz und gar verschwenden, ohne je schwächer oder weniger zu werden.
534. – Dass es auf seiner Suche nach Wahrheit Falsches verwirft, ist einer der Hauptgründe, warum das Mental die feste, runde und vollkommene Wahrheit nicht erlangen kann; nicht Falschem zu entgehen strebt das göttliche Mental, sondern die Wahrheit zu ergreifen, die maskiert auch hinter dem groteskesten oder abwegigsten Irrtum liegt.
535. – Die ganze Wahrheit über jeden beliebigen Gegenstand ist eine gerundete und allumfassende Kugel, die immerdar das eine und einzige Subjekt und Objekt des Wissens umkreist, ohne es je zu berühren, nämlich Gott.
536. – Es gibt viele tiefsinnige Wahrheiten, die als Waffen dem Ungeübten gefährlich werden. Richtig gehandhabt, sind sie die wertvollsten und mächtigsten in Gottes Arsenal.
537. – Die eigensinnige Hartnäckigkeit, mit der wir uns an das dürftige, bruchstückhafte, von Nacht umringte individuelle Dasein auch dann noch klammern, wenn die ungebrochene Seligkeit unseres universalen Lebens uns ruft, ist eines der erstaunlichsten von Gottes Mysterien. Dem kommt nur die unendliche Blindheit gleich, mit der wir einen Schatten von unserem Ego über die ganze Welt werfen und ihn das universale Wesen nennen. Diese beiden Dunkelheiten sind die eigentliche Essenz und Gewalt der Maya.
538. – Atheismus ist der Schatten oder die dunkle Seite der höchsten Wahrnehmung von Gott. Jede Formel, in die wir Gott fassen, obgleich stets wahr als ein Symbol, wird falsch, sobald wir sie als ausreichende Formel annehmen. Der Atheist und der Agnostiker kommen, uns an diesen Irrtum zu erinnern.
539. – Gottes Verneinungen sind ebenso nützlich wie Seine Bejahungen. Er ist es, der zur weiteren Vollendung menschlichen Wissens als Atheist Seine eigene Existenz leugnet. Es genügt nicht, Gott in Christus und Ramakrishna zu sehen und Seine Worte zu hören; wir müssen Ihn auch in Huxley und Haeckel sehen und hören.
540. – Kannst du Gott in deinem Folterknecht und Henker sehen, sogar im Augenblick deines Todes oder in den Stunden deiner Qual? Kannst du Ihn in dem sehen, was du tötest, sogar während du tötest, Ihn sehen und lieben? Du hast deine Hand auf dem höchsten Wissen. Wie soll der zu Krishna gelangen, der nie Kali angebetet hat?
541. – Ich weiß, dass das Gegenteil dessen, was ich sage, wahr ist; aber im Augenblick ist das, was ich sage, noch wahrer.
542. – Ich glaube mit euch, meine Freunde, dass Gott, wenn es Ihn gibt, ein Unhold und ein Scheusal ist. Was aber wollt ihr schließlich dagegen tun?
*
543. – Gott ist der höchste Jesuitenvater. Stets tut Er Böses, damit Gutes daraus entstehe; führt stets irre, um eine größere Führung zu begünstigen; unterdrückt stets unseren Willen, dass dieser zuletzt unendliche Freiheit erlange.
544. – Unser Böses ist für Gott nicht böse, sondern Unwissenheit und Unvollkommenheit, unser Gutes eine kleinere Unvollkommenheit.
545. – Der Glaubensgenosse sagt etwas Wahres, allerdings überspitzt, wenn er uns erklärt, dass auch unsere größte und reinste Tugend vor der göttlichen Natur Gottes so gut wie Verruchtheit sei.
546. – Jenseits von Gut und Böse zu stehen bedeutet nicht, sich gleichgültig der Sünde oder der Tugend zu bedienen, sondern ein hohes und allgemeingültiges Gutes zu erreichen.
547. – Jenes Gute ist nicht unsere ethische Tugend, die ein relatives und irrendes Licht auf Erden ist; es ist über-ethisch und göttlich.
Achilles – Achilleus ist in der griechischen Mythologie ein beinahe unverwundbarer Held der Griechen vor Troja und der Hauptheld der Ilias des Homer.
Adwaitin – (Advaitin) ein Nachfolger der advaita-Lehre. Nach ihm ist die nur scheinbar individuelle Seele nichts anderes als das Erhabenste Selbst oder Brahman, ihre Individualität ist eine Illusion; das individuelle Dasein abzulegen, bringt die einzig wahre Befreiung.
Agni – “Feuer”, “Gott des Feuers”; der Göttliche Wille, vollkommen inspiriert von göttlicher Weisheit; ist einer der wichtigsten Götter des vedischen Zeitalters. Er gilt als Mittler zwischen Menschen und Göttern.
Agnostizismus – ist die philosophische Ansicht, dass Annahmen – insbesondere theologische, welche die Existenz oder Nichtexistenz einer höheren Instanz, beispielsweise eines Gottes, betreffen – entweder ungeklärt oder grundsätzlich nicht klärbar sind.
Äson – Aison (latein Aeson) ist in der griechischen Mythologie der Sohn der Tyro und des Kretheus, sowie der Vater des Jason und des Promachos. Er hat einen Bruder Pheres und zwei Halbbrüder Pelias und Neleus. Von Pelias wurde er aus seinem Königreich vertrieben. Eine Legende besagt, dass er sich das Leben nahm, währen Jason auf der Suche nach dem Goldenen Vlies war. In einer alternativen Version überlebte Aison, bis Jason und seine neue Frau Medea zurückkehrten. Medea durchtrennte Aisons Hals, zerteilte seinen Leichnam und kochte ihn. Aison wurde wieder lebendig und war verjüngt.
Ananta-guna – das Göttliche mit unendlichen Eigenschaften;
Anathema – (gr.-lat.); Verfluchung, Kirchenbann usw. gegen Personen und “Irrlehren”;
Anathema Maranatha – “So jemand den Herrn Jesus Christus nicht liebhat, der sei anathema. Maranatha! (das heißt: der sei verflucht. Unser Herr kommt!)” Brief des Paulus
Apollo – ist in der griechischen und römischen Mythologie der Gott des Lichts, der Heilung, des Frühlings, der sittlichen Reinheit und Mäßigung sowie der Weissagung und der Künste, insbesondere der Musik, der Dichtkunst und des Gesangs; außerdem war er der Gott der Bogenschützen. Als Sohn des Zeus und der Göttin Leto gehörte er wie seine Zwillingsschwester Artemis zu den Olympischen Göttern, den zwölf Hauptgöttern des griechischen Pantheons.
Ares – ist in der griechischen Mythologie der Gott des schrecklichen Krieges, des Blutbades und Massakers. Er gehört zu den zwölf olympischen Gottheiten, den Olympioi.
Aristophanes – (* 488 v. Chr., † nach 388 v. Chr.) athenischer Komödiendichter; der größte unter den Komödiendichter der Antike. Elf seiner etwa vierzig Theaterstücke blieben beinahe unversehrt.
Bacchus – ist ursprünglich die lateinische Form von Bakchos, einem Beinamen des Dionysos, des Gottes des Weines und des Rausches in der griechischen Mythologie.
Barabbas – war nach allen evangelischen Berichten des Prozesses gegen Jesus ein Mann, der sich in der Zeit der Passion in römischer Haft befand. Diesen Berichten zufolge soll Pontius Pilatus dem versammelten Volk die Alternative angeboten haben, entweder ihn oder Jesus freizulassen.
Bhagwat – das Bhagawata Purana, in dem Krishnas Geschichte erzählt wird;
Bhakta – der den Weg der Bhakti, der liebenden Hingabe, geht;
Brahman – das Absolute; die allgegenwärtige Wirklichkeit; der ewige; der Herr;
Brahmane – ist im indischen Kastensystem ein Angehöriger der obersten Kaste (Varna). Im Hinduismus ist es Vorrecht und Pflicht der Brahmanen, Lehrer des Veda und Gelehrte zu sein, bis heute stellen hauptsächlich sie die Priester.
Brindavun – das Dorf, wo Krishna seine Kindheit verbrachte und wo er mit Radha und den anderen Gopis tanzte;
Chandrabali – Sri Krishna liebte Radha von allen Gopis, die die Herden hüteten, am meisten; aber er liebte auch Chandrabali und alle anderen Hirtenmädchen.
Dante Alighieri – (* Mai oder Juni 1265 in Florenz; † 14. September 1321 in Ravenna) war ein Dichter und Philosoph italienischer Sprache. Er überwand mit der Göttlichen Komödie das bis dahin dominierende Latein und führte das Italienische zu einer Literatursprache. Dante ist der bekannteste Dichter des Italienischen und gilt als einer der bedeutendsten Dichter des europäischen Mittelalters.
dionysisch – Dionysos ist in der griechischen Götterwelt ein Gott des Weines, der Freude, der Trauben, der Fruchtbarkeit, des Wahnsinns und der Ekstase. Er wurde von den Griechen und Römern wegen des Lärmes, den sein Gefolge veranstaltete, auch noch Bromios (Lärmer), Bakchos oder Bacchus (Rufer) genannt.
Galen – Galenos von Pergamon, auch Aelius Galenus; * 129 in Pergamon; † um 199, war ein griechischer Arzt und Anatom.
Calvin, Johannes – (eigentlich Jean Cauvin; * 10. Juli 1509 in Noyon, Picardie; † 27. Mai 1564 in Genf) war ein Reformator französischer Abstammung und Begründer des Calvinismus. Er gilt als Vertreter einer kerygmatischen Theologie.
Haeckel, Ernst Heinrich Philipp August – (* 16. Februar 1834 in Potsdam; † 9. August 1919 in Jena) war ein deutscher Zoologe, Philosoph und Freidenker, der die Ideen von Charles Darwin zu einer speziellen Abstammungslehre ausbaute.
Hamlet – (engl. The Tragicall Historie of Hamlet, Prince of Denmarke) ist ein Theaterstück von William Shakespeare. Bei dem Stück handelt es sich um eine im Königreich Dänemark spielende Tragödie. Claudius, der Bruder von König Hamlet, ermordet den Herrscher, reißt die Krone an sich und heiratet Gertrude, die Witwe des Königs. Prinz Hamlet strebt danach, seinen Vater zu rächen, und stürzt dabei alle Beteiligten ins Unglück.
Hippokrates von Kos – * um 460 v. Chr. auf der griechischen Ägäisinsel Kos; † um 370 v. Chr. in Larisa, Thessalien) gilt als der berühmteste Arzt des Altertums. Hippokrates wurde schon zu Lebzeiten hoch verehrt. Er gilt als Begründer der Medizin als Wissenschaft. Im 2. Jahrhundert n. Chr. kam es zu einer Hippokrates-Renaissance, zu der Galen entscheidend beitrug.
Hiranyakashipou – ein Dämonenkönig;
Huxley, Thomas Henry – (* 4. Mai 1825 in Ealing, Middlesex; † 29. Juni 1895 in Eastbourne) war ein britischer Biologe und Hauptvertreter des Agnostizismus, dessen Begriff er prägte und durchsetzte. Als einflussreicher Unterstützer des Empirismus David Humes und der Evolutionstheorie Charles Darwins hatte er zusätzlich zu seinen eigenen umfangreichen Forschungen, Lehrbüchern und Essays sehr großen Einfluss auf die Entwicklung der Naturwissenschaften im 19. Jahrhundert.
Iman – das Konzept des Glaubens im Islam;
Janaka – König von Mithila zur Zeit der Upanishaden, berühmt für sein spirituelles Wissen und seine göttliche Verwirklichung obwohl er im gewöhnlichen Weltleben stand.
Jnani – der den Weg des Jnana, des Wissens, geht;
Kalidasa – berühmter Sanskrit-Dichter (300 v. Chr.), den Sri Aurobindo mit Shakespeare verglichen hat;
Kanchenjunga – ist mit 8586 m der dritthöchste Berg der Erde und zugleich der am östlichsten gelegene Achttausender. Über seinen Gipfel verläuft die Grenze zwischen Nepal und dem indischen Bundesstaat Sikkim.
Kailasa – ein heiliger Berg des Himalaya (mythol. Shivas Wohnsitz)
Kain – ist gemäß dem 1. Buch Mose der Tora und der Bibel sowie dem Koran der erste Sohn von Adam und Eva, den ersten Menschen, die Gott auf der Erde erschaffen hatte. In der Darstellung der Tora und Bibel Gen 4,1–16 EU erschlug Kain seinen jüngeren Bruder Abel. Der Koran erzählt die Geschichte mit verändertem Akzent und ohne Namensnennung in Sure 5:27–31.
Kali – auch als Chandi bekannt, “die Schwarze” ist eine bedeutende Göttin des Todes und der Zerstörung, aber auch der Erneuerung. Sie ist die feurige und blutige Gattin von Shiva, auch Rudrani genannt. Kali ist der feurige, schreckliche Aspekt der Muttergöttin Devi.
Kaliyuga – “Zeitalter des Kali”, ist die Bezeichnung für das letzte von vier Zeitaltern, den Yugas in der hinduistischen Kosmologie. Es gilt als das Zeitalter des Verfall und Verderbens. Es ist das Zeitalter, in dem wir gerade leben. Als solches wurde es oftmals zu dem von Hesiod in der Theogonie geschilderten griechischen “Eisernen Zeitalter” in Beziehung gesetzt und auch “Eisernes Zeitalter” genannt. Die weiteren sind Satya Yuga (oder Krita Yuga), Treta Yuga und Dvapara Yuga. Was nach dem Ende des Kali Yuga folgt ist umstritten. In hinduistischer Überlieferung sind mehrere Möglichkeiten offen: 1.) Ein neues Goldenes Zeitalter (Satya Yuga) erscheint unmittelbar und ersetzt Unordnung und Leid augenblicklich durch “göttliche” Ordnung und Wissen. 2.) Ein langsamer Aufstieg durch ein neues Dvapara und Treta Yuga bis hin zu einem neuen Satya Yuga vollzieht sich analog zu dem vorangegangenen Abstieg. Gemäß Sri Aurobindo befinden wir uns gegenwärtig im Kali Yuga, das definitiv zu Ende gegangen ist, und sind nun im Übergang in ein neues Satya Yuga.
Kansa – ein tyrannischer König von Mathura, Sohn des Ugrasena und Bruder von Devaki, der Mutter Krishnas; er wird als Asura angesehen.
kimmerisch – nach dem sagenhaften Stamm der Kimmerier am Schwarzen Meer;
Krishna – “Des Ewigen Personifizierung des Ananda”; Avatar des Obermentals. In der hinduistischen Religion wird er als die achte Inkarnation von Vishnu verehrt.
Kritya – Behexung, Zauber
Kshatriya – ist im indischen Kastensystem die Bezeichnung für die Mitglieder des zweiten Standes (Varna), der ursprünglich hauptsächlich aus Kriegern, Fürsten und Königen bestand.
Lancelot Gobbo – Launcelot Gobbo, eine Figur – ein Clown, Diener des reichen jüdischen Wucherers Shylock – in Shakespeares Komödie “Der Kaufmann von Venedig”.
Lear – König Lear (englisch The Tragedy of King Lear) gilt als eine der herausragenden Tragödien von William Shakespeare. Der englische König ist von Herrschsucht und Eitelkeit geblendet, was ihn dazu verleitet, die Zuneigung und Bescheidenheit seiner jüngsten Tochter zu verkennen und sie bei der Verteilung seines Erbes sehr ungerecht zu behandeln, ein Fehler, der letztlich zu seinem Untergang führt.
Mahdi – (arabisch, der “Rechtgeleitete”); ist nach traditioneller islamischer Glaubensauffassung ein Nachkomme des Propheten Mohammed, der in der Endzeit auftauchen und das Unrecht auf der Welt beseitigen wird.
Maya – das phänomenale Bewusstsein; Illusion, Unwirklichkeit, eine Unwissenheit, die uns in Besitz nimmt und unter Zwang hält;
Mayavadin – ein Anhänger der Theorie des Illusionismus;
Molière – (* vermutlich 14. Januar 1622 in Paris; † 17. Februar 1673 ebenda); Pseudonym des französischen Schauspielers, Theaterdirektors und Dramatikers Jean-Baptiste Poquelin;
Narada – Ein wandernder Weiser; unsterblich wie die Götter, erscheint er auf der Erde, wann er will, die Wina, ein Saiteninstrument spielend. Man erzählt von ihm seit der Zeit der Upanishaden.
Naraka – der Zustand des Elends im subtilen Körper; Hölle; ein Ort der Qualen;
Nietzsche, Friedrich Wilhelm – (* 15. Oktober 1844 in Röcken; † 25. August 1900 in Weimar) war ein deutscher klassischer Philologe. Erst postum machten ihn seine Schriften als Philosophen weltberühmt. Im Nebenwerk schuf er Dichtungen und musikalische Kompositionen.
Nirvana – die Nicht-Existenz; das Erlöschen; das Leere; eine Auflösung der äußeren Existenz in ein undefinierbares Absolutes, moksa.
Pandit – Gelehrter und Ausleger heiliger Texte; er kann die doppelte Funktion von Koch und Priester haben.
Plutokratie – “Reichtumsherrschaft”, ist eine Herrschaftsform, in der Vermögen die entscheidende Voraussetzung für die Teilhabe an der Herrschaft ist, also die Herrschaft des Geldes (auch “Geldadel” genannt).
Rabelais, François – (* ca. 1483 in La Devinière bei Chinon/Touraine; † 9. April 1553 in Paris) war ein französischer Schriftsteller der Renaissance, Humanist, römisch-katholischer Ordensbruder (seit 1511 der Franziskaner, ab 1524 der Benediktiner) und praktizierender Arzt.
Rama – ein Avatar; eine Verkörperung von Vishnu, der Erhalter-Kraft;
Ramakrishna Paramahamsa – Geburtsname: Ramakrishna Chattopadhyay, in seiner Jugend Gadadhar oder Gadai genannt; * 18. Februar 1836 in Kamarpukur, Bengalen; † 16. August 1886 in Kolkata) war ein bedeutender hinduistischer Mystiker. Paramahamsa ist ein religiöser Ehrentitel im Hinduismus.
Ravana – ein Titan und Ramas Todfeind;
ritam – (Sanskrit, rtam) das Wahre; es ist die Aktion des göttlichen Wissens, Wollens und seiner schöpferischen Freude nach den Gesetzen der Wahrheit; das Spiel des Wahrheits-Bewusstseins.
Rudra – Im Veda ist Rudra das Göttliche als der Meister unserer Entwicklung, der durch Gewalt und Kampf die Söhne der Dunkelheit zerschlägt, die das Böse im Menschen erschaffen.
Sannyasa – dem Weltleben und den Werken entsagen;
Sannyasin – Mönch, der dem Weltleben und den Werken entsagt hat.
Shakespeare, William – (getauft am 26. April 1564 in Stratford-upon-Avon; † 23. April 1616) war ein englischer Dramatiker, Lyriker und Schauspieler. Seine Komödien und Tragödien gehören zu den bedeutendsten und am meisten aufgeführten und verfilmten Bühnenstücken der Weltliteratur. Sein überliefertes Gesamtwerk umfasst 38 (nach anderer Zählung 37) Dramen, epische Versdichtungen sowie 154 Sonette.
Shankara – (788-820 n. Chr.); er vertrat die Theorie, dass die Welt eine Illusion sei. Er war ein Sannyasin, ein Wandermönch, und hatte also den Bindungen der Welt entsagt, was ihn aber nicht daran hinderte, die letzten Riten an seiner Mutter zu vollziehen, wie es der indische Brauch vom ältesten Sohn verlangt. Die Isha-Upanishad hat er uminterpretiert, um seine Illusionstheorie zu rechtfertigen; jene verkündet die Wirklichkeit Gottes und des Handelns in der Welt.
Shastra – Schrift, Vorschriften
Siddhis – okkulte Kräfte;
Sudra – ist im indischen Kastensystem die Bezeichnung für die vierte Kaste (Varna) der traditionellen vier Kasten. Sie stellen (abgesehen von den Unberührbaren, die außerhalb des Kastensystems stehen) die unterste Schicht der indischen Gesellschaft dar und bilden die Mehrzahl der Bevölkerung: Handwerker, Pachtbauern, Tagelöhner, Diener, Landarbeiter, Arbeiter.
Sumbha – ein Dämonen- oder Titanenkönig;
Surya – (“Sonne”) ist in den ältesten Schriften des Hinduismus, den Veden, die Personifizierung der Sonne und des Lichtes bzw. der Sonnengott, den viele Gläubige noch heute in verschiedenen Formen verehren.
Tapasya – Askese, Selbstbeherrschung, Konzentration;
Torquemada – Haupt der Inquisition;
Upasbaum – sein Milchsaft wird als Pfeilgift verwendet;
Vaishnavas – Vaishnavismus (vaishnava: “zu Vishnu gehörig”) ist eine religiöse Richtung des Hinduismus, die Vishnu als höchstes Allwesen annimmt. Ihm sind hier alle anderen Götter untergeordnet oder gehen aus ihm hervor. Vor allem wird Vishnu in seinen Inkarnationen Rama und Krishna verehrt. Der Vaishnavismus betont vor allem Bhakti oder die hingebungsvolle Anbetung. Das letztendliche Ziel liegt darin, dem Kreislauf der Geburt und dem Tod zu entfliehen , um sich an der Gegenwart Vishnus zu erfreuen. Das kann nicht ohne Seine Gnade erlangt werden.
Vali – auch Bali geschrieben; im Ramayana der Affen-König von Kiskindha, der von Rama getötet wurde;
Valmekie – Valmiki(e) ist ein indischer Weiser, den man als den ersten Dichter, adi-kavi, bezeichnet und der Verfasser des großen Epos “Ramayana” sein soll.
Vaishya – ist im indischen Kastensystem die Bezeichnung für die aus Kaufleuten, Händlern, Geldverleihern und Großgrundbesitzern bestehende dritte Kaste (Varna) der traditionellen vier Kasten.
Vasistha – ein berühmter Rishi der vedischen Zeit; seine Kuh versorgt ihn mit allem, was er für sich und seinen Ashram brauchte, sowie für die zu seiner Verteidigung herbeigeschickten Armeen.
Veda – Wissen, Erkenntnisse;
Vedanta – Nach dem Vedanta ist alles das Eine.
Vishnus drei Schritte – Nach indischer Überlieferung hat sich Vishnu in der Evolution einst als Zwerg verkörpert. Er ging zum dämonischen König Bali, der ihm drei Wünsche gewähren wollte. “Drei Schritte Erde”, verlangte Vishnu. Bali war gern einverstanden, aber da begann der Zwerg gewaltig zu wachsen; er nahm die ganze Erde im ersten Schritt, den Himmel im zweiten, und den dritten schließlich setzte er Bali auf den Kopf, der sich ihm zu Füßen geworfen hatte.