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Mutters

Agenda

ersten Band

21. Dezember 1957

Du sagtest mir neulich, daß du, um Dinge zu wissen, dich auf die subtile Ebene einstimmst und daß es da wie eine Schallplatte abläuft. Wie funktioniert das genau?

Es gibt eine ganze Stufenleiter von Bewußtseinsebenen, vom physischen Bewußtsein bis zu meinem strahlenden Bewußtsein in der Höhe, das den Willen des Höchsten kennt. Ich halte alle diese Bewußtseinsebenen vor mir und sie arbeiten gleichzeitig, in einer zusammenhängenden Weise, wirken auf jeder Ebene, sammeln die jeder Ebene eigenen Informationen, um die vollkommene Wahrheit der Dinge zu finden. Wenn ich nun eine Entscheidung über euch zu treffen habe, stimme ich mich direkt auf euch ein, aus dem höchsten Bewußtsein, das die tiefste Wahrheit eures Wesens sieht. Aber zur gleichen Zeit formt sich meine Entscheidung durch die Anzeichen, die mir die anderen Bewußtseinsebenen geben, besonders das physische Bewußtsein, das wie ein Aufnahmegerät arbeitet.

Dieses physische Bewußtsein zeichnet alles auf, was es sieht, alle eure Reaktionen, eure Gedanken, alle Taten, ohne Parteilichkeit, ohne Vorurteil, ohne persönlichen Willen. Nichts entgeht ihm. Seine Arbeit ist fast mechanisch. So weiß ich, was ich euch sagen oder von euch fordern kann, gemäß der integralen Wahrheit eures Wesens und seiner gegenwärtigen Möglichkeiten. Normalerweise, beim normalen Menschen, sieht das physische Bewußtsein die Dinge nicht so, wie sie sind, aus drei Gründen: aus Unwissenheit, aus Parteilichkeit, aus egoistischem Willen. Ihr färbt, was ihr seht, sondert aus, was euch mißfällt, kurz ihr seht nur das, was ihr sehen wollt.

Neulich hatte ich eine sehr auffallende Erfahrung: es entstand eine Verschiebung zwischen meinem physischen Bewußtsein und dem Bewußtsein der Welt. Es passierte mir, daß die im Licht und in der Wahrheit getroffenen Entscheidungen unerwartete Ergebnisse hervorbrachten, Störungen im Bewußtsein der anderen, die weder vorhergesehen noch gewollt waren, und ich konnte es nicht verstehen. Ich konnte suchen wie ich wollte, ich "verstand" es nicht – ich bestehe auf dieses Wort. Schließlich mußte ich aus meinem höchsten Bewußtsein herauskommen und mich nach unten in das physische Bewußtsein ziehen, um zu erfahren, was geschah. Und da sah ich in meinem Kopf etwas wie eine kleine Zelle, die zersprang, und plötzlich verstand ich: es hatte einen Fehler in der Aufnahme gegeben. Das physische Bewußtsein hatte versäumt, gewisse eurer niederen Reaktionen zu notieren. Dies konnte nicht aus Vorliebe oder durch persönlichen Willen geschehen (das ist seit langem aus meinem Bewußtsein geschieden, seit sehr langem). Und ich sah, daß dieses materiellste Bewußtsein schon ganz von der transformierenden supramentalen Wahrheit durchdrungen war, daß es nicht mehr dem Rhythmus des normalen Lebens folgen konnte. Es war mehr auf das wahre Bewußtsein eingestellt als auf die Welt!... Ich konnte ihm keine Vorwürfe machen, denn es war nicht zurückgeblieben, sondern im Gegenteil, es war voran, zu weit voran. Eine Verschiebung zwischen dem Rhythmus der Transformation meines Wesens und dem Rhythmus der Welt. Die supramentale Aktion auf die Welt ist langsam, sie wirkt nicht direkt, sondern sickert nach und nach in die aufeinanderfolgenden Schichten, und die Ergebnisse entstehen nur langsam. Da mußte ich mich gewaltsam nach unten ziehen, um auf die anderen zu warten.

Manchmal muß man es verstehen, nicht zu verstehen.

Diese Erfahrung konfrontierte mich wieder einmal mit der Notwendigkeit vollkommener Demut gegenüber dem Göttlichen. Es genügt nicht, sich hoch bis zu den Ebenen des obersten Bewußtseins zu erheben, diese Ebenen müssen auch in die Materie herabkommen und sie erleuchten. Andernfalls ist nichts wirklich getan. Man muß die Geduld haben, die Verbindung zwischen dem Hohen und dem Niedrigen herzustellen. Wenn ich nur auf mich hörte, wäre ich wie ein Sturm, ein Orkan, ich würde mich in die Zukunft stürzen – alles würde wegfallen. Dann gäbe es keine Verbindung mehr mit dem Rest.

Man muß die Geduld haben zu warten.

Demut, eine vollkommene Demut ist die Bedingung für alle Verwirklichungen. Das Mental ist so überheblich. Es bildet sich ein, alles zu verstehen, alles zu wissen. Und wenn es aus Idealismus handelt, um einem Zweck zu dienen, der ihm edel erscheint, dann ist es noch selbstsicherer, noch unverbesserlicher, und es ist fast unmöglich, es zur Einsicht zu bringen, daß hinter seinen edlen Begriffen, seinen großen uneigennützigen oder sonstigen Idealen etwas noch Höheres liegen könnte. Das einzige Heilmittel ist die Demut. Ich spreche nicht von der Demut gewisser Religionen, nicht von dem Gott, der seine Geschöpfe erniedrigt und sie nur auf den Knien sehen möchte. Als ich Kind war, empörte mich diese Art Demut und ich lehnte es ab, an einen Gott zu glauben, der seine Schöpfung erniedrigt. Es geht nicht um diese Demut, sondern um die Einsicht, daß man nicht weiß, nichts weiß und daß es etwas anderes geben kann als das, was uns gegenwärtig als das Wahrste, das Edelste, das Selbstloseste erscheint. Die wahre Demut, die darin besteht, sich ständig auf den Herrn zu beziehen, alles Ihm zu übergeben. Wenn ich einen Schlag bekomme (und es gab viele Schläge in meiner Sadhana), ist meine unmittelbare, spontane Reaktion, wie eine Sprungfeder, mich Ihm hinzugeben und zu sagen: "Du Herr." Ohne diese Demut hätte ich nichts verwirklichen können. Und wenn ich sage "ich", geschieht das, um mich verständlich zu machen, aber tatsächlich bedeutet "ich": der Herr durch meinen Körper, sein Instrument. Wenn man anfängt, diese Demut zu leben, nähert man sich der Verwirklichung, sie ist die Voraussetzung, der Anfang.

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(Handschriftliche Notiz von Mutter zu dem Gespräch vom 21. Dezember 1957:)

Hoch oben, eine andauernde Vision von dem Willen des Höchsten.

In der Welt, eine Vision des Gesamten, das zu tun ist.

Individuell, in jedem Augenblick und bei jeder Gegebenheit die Vision der Wahrheit dieses Augenblickes, dieser Gegebenheit, dieses Individuums.

Im äußeren Bewußtsein, eine unpersönliche und mechanische Aufzeichnung der Geschehnisse und des Zustandes der Leute und Dinge, die zugleich das Feld der Handlung bilden und die Grenzen, die dieser Handlung gesetzt sind. Die Aufzeichnung ist willentlich automatisch und mechanisch, ohne jede Art der Bewertung, so objektiv wie möglich.

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