Mutters
Agenda
ersten Band
6. Juli 1958
Heute morgen stellte ich mir die Frage: steht das Geld wirklich unter der Beherrschung der Natur? Ich muß schauen... Denn für mich persönlich gibt sie mir immer alles in Fülle.
Als ich jung war, war ich "arm wie eine Kirchenmaus", ärmer ging es nicht! Als Künstlerin mußte ich manchmal in die Öffentlichkeit treten (als Künstler hat man keine Wahl), und ich hatte glänzende Stiefel, die Risse bekamen... deshalb lackierte ich sie, damit man die Risse nicht sieht! Nur um dir die Lage zu beschreiben: sehr arm. Eines Tages sah ich in einem Schaufenster einen sehr schönen Unterrock mit Spitzen und Bändern (die Mode war gerade, lange Röcke zu tragen, die auf dem Boden schleifen, und ich hatte keinen Unterrock, der zu so etwas paßte – das war mir vollkommen gleichgültig, aber nachdem mir die Natur versprochen hatte, daß ich stets alles haben würde, was ich brauchte, wollte ich einen Versuch machen). Also sagte ich: "Wäre es nicht schön, einen Unterrock zu haben, der zu diesen langen Röcken paßt." Ich erhielt fünf! Sie kamen von allen Seiten!
So geht es. Ich bitte nie um etwas, aber wenn ich mir zufällig einmal denke: "das hätte ich gerne", dann kommt es in Fluten! Letztes Jahr machte ich den Versuch und sagte der Natur: "Hör zu, mein Kind, du sagst, du willst mitarbeiten, du hast mir versprochen, es würde mir an nichts fehlen. Auf der Ebene der Gefühle betrachtet, wäre es mir wirklich ein Vergnügen, eine Freude (in der Art von Krishnas Freude), VIEL Geld zu haben, um all das tun zu können, was ich möchte. Ich will nicht die Dinge für mich persönlich vermehren, nein, du gibst mir mehr als ich brauche. Aber es wäre eine Freude, frei geben zu können, großzügig sein zu können, nach Belieben ausgeben zu können – ich bitte dich um eine Crore Rupien 1 zu meinem Geburtstag!"
Sie hat nichts getan! Nichts, überhaupt nichts: eine vollkommene Weigerung. Weigert sie sich oder kann sie nicht? Vielleicht... Ich habe schon immer gesehen, daß das Geld unter der Herrschaft einer asurischen Kraft steht (ich spreche vom Bargeld, von "cash"; ich will keine Geschäfte unternehmen; wenn ich Geschäfte versuche, gelingen sie meistens recht gut, aber das meine ich nicht, ich rede von Bargeld). Diese Frage habe ich ihr noch nie gestellt.
Das kam so: es gibt diesen Ganesh 2... Wir hielten eine Meditation (das liegt mehr als dreißig Jahre zurück) in der Halle, wo die "Prosperität" ausgeteilt wird. 3 Wir waren vielleicht zu acht oder zehn und bildeten Sätze mit Blumen: ich legte Blumen aus, und jeder bildete mit den Namen der verschiedenen Blumen einen Satz. Eines Tages ging es um Wohlstand oder Reichtum, und weil man immer sagt, Ganesh wäre der Gott des Geldes, des Reichtums, der weltlichen Güter, fragte ich mich: "Die ganze Geschichte über diesen Gott mit einem Elefantenrüssel – ist das nicht nur die menschliche Einbildung?" Daraufhin meditierten wir, und wen sehe ich eintreten und sich vor mir hinstellen: ein lebendiges Wesen, vollkommen lebendig und leuchtend, mit so einem Rüssel... und er lächelte! Da fragte ich ihn in meiner Meditation: "Ah, also ist es wahr, daß du existierst!" – "Natürlich existiere ich! Und du brauchst nur um das bitten, was du brauchst, (was Geld angeht, wohlverstanden), und ich gebe es dir."
Ich bat ihn, und an die zehn Jahre lang kam es in Fluten. Wirklich erstaunlich. Ich bat um etwas, und zum nächsten Darshan oder einen Monat später oder einige Tage später (das wechselte), da traf es ein.
Dann kam der Krieg mit all seinen Schwernissen, und die Anzahl der Leute und die Ausgaben wuchsen fürchterlich (der Krieg kostete ein Vermögen: alles kostete zehnmal mehr als vorher). Und plötzlich hörte es auf, nichts mehr. Es hörte nicht ganz auf, aber nur ein dünnes Rinnsal blieb. Und wenn ich um mehr bat, kam es nicht. Eines Tages befragte ich Ganesh durch sein Bildnis (!): "Und was ist mit deinem Versprechen?" – "Ich kann es nicht, das ist zuviel für mich, meine Mittel sind sehr beschränkt!" Ich dachte mir: (lachend) was für ein Pech! Und zählte nicht mehr auf ihn.
Einmal bat jemand sogar den Weihnachtsmann um Hilfe! Das war ein junges moslemisches Mädchen mit einer besonderen Sympathie für den Weihnachtsmann. (Ich weiß nicht warum, das gehörte nicht zu ihrer Religion!) Ohne mir etwas zu sagen, rief sie den Weihnachtsmann und sagte ihm: "Mutter glaubt nicht an dich, du mußt ihr ein Geschenk geben, um ihr zu beweisen, daß es dich gibt. Gibt ihr das zu Weihnachten." Und es kam!... Sie war sehr stolz darauf.
Aber das kam nur einmal; und mit Ganesh ist es vorbei. Später bat ich dann die Natur. Es dauerte lange, bis sie einwilligte zu helfen. Aber über das Geld muß ich sie noch fragen. Für mich persönlich geht es weiter. Ich denke: "Ach, es wäre praktisch, so eine Uhr zu haben." Ich bekomme zwanzig! Ich sage mir: "Ach, wenn ich dies hätte." Und ich erhalte dreißig! Es kommt von allen Seiten, ohne daß ich etwas sage – ich bitte niemanden: es kommt.
Als ich das erste Mal hierher kam und mit Sri Aurobindo über die Erfordernisse für das Werk sprach, sagte er mir (er hatte es mir auch geschrieben), daß man drei Mächte besitzen müßte, um das Werk mit Gewißheit vollbringen zu können. Die erste ist die Macht über die Gesundheit, die zweite ist die Macht über die Regierung und die dritte ist die Macht über das Geld.
Die Gesundheit hängt natürlich von der Sadhana ab, aber auch das ist nicht gewiß: da ist noch ein anderer Faktor. Die zweite, die Macht über die Regierung, hat Sri Aurobindo gründlich betrachtet, studiert, überlegt, und mir schließlich gesagt: "Es gibt nur eine einzige Möglichkeit, diese Macht zu haben, und zwar SELBER die Regierung zu sein. Man kann Individuen beeinflussen, ihnen einen Willen vermitteln, aber sie sind gebunden. In einer Regierung gibt es keine Einzelperson, nicht einmal eine Gruppe von Personen, die allmächtig sind und alles entscheiden können. Man muß selber die Regierung stellen und ihr die gewollte Richtung geben."
Über das letzte, das Geld, sagte er mir: "Ich weiß noch nicht genau, wovon das abhängt." Eines Tages ging ich dann mit dieser Idee in Trance, und nach einer gewissen Reise erreichte ich einen Ort wie eine unterirdische Grotte (das heißt, es war mindestens im Unterbewußten, wenn nicht im Unbewußten), der die Quelle, den Ort und die Macht über das Geld darstellte. Ich wollte diese Grotte (eine Art innere Höhle) gerade betreten, da sehe ich eine riesige Schlange davor zusammengerollt, die sich aufrichtete, wie ein ungeheurer pechschwarzer Python, hoch wie ein siebenstöckiges Haus, der mir sagte: "Du darfst nicht durchgehen!" – "Warum? Laß mich vorbei." – "Ich würde dich schon vorbeilassen, aber wenn ich es täte, würden "sie" mich augenblicklich vernichten." – "Wer sind denn diese "sie"?" – "Das sind die asurischen 4 Kräfte, die das Geld beherrschen. Sie haben mich hierhin befohlen, um den Eingang zu bewachen, genau damit du nicht eintreten kannst." – "Und was gäbe einem die Macht?" Darauf antwortete er in etwa folgendes: "Ich habe sagen hören ..." (das heißt, er besaß dieses Wissen nicht selber, sondern hatte es von seinen Meistern, von seinen Herrschern gehört), "... daß jener, der die vollkommene Macht über den menschlichen Geschlechtstrieb besäße (nicht nur in sich selbst, sondern eine allgemeine Macht, der das also überall, in allen Menschen beherrschen kann), der hätte das Recht einzutreten." Diese Kräfte könnten ihn also nicht daran hindern einzutreten.
Eine persönliche Verwirklichung ist sehr leicht, das ist nichts. Aber die persönliche Verwirklichung ist eines, und etwas ganz anderes ist die Macht, das in allen Menschen zu beherrschen, diese Impulse überall willentlich beherrschen zu können. Ich glaube... diese Bedingung ist nicht erfüllt. Wenn das, was die Schlange sagte, richtig ist und dies wirklich das ist, was die gegnerischen Kräfte überwinden kann, die das Geld beherrschen, dann ist es nicht erfüllt.
In einem beschränkten Ausmaß besteht es – aber das bedeutet nichts. Es ist bedingt, begrenzt: mal funktioniert es, mal funktioniert es nicht. Es ist noch vom Zufall bedingt. Und wenn es um solche irdischen Dinge geht (ich sage nicht universell, aber doch irdisch), dann muß es natürlich vollkommen sein; es darf kein Ungefähr geben.
In diesem Fall ist es eine Angelegenheit zwischen den Asuras und der Spezies Mensch. Das einzige, was die Menschen tun können, ist sich zu transformieren, denn dadurch nehmen sie den asurischen Kräften die Macht, sie zu beherrschen.
Die Spezies Mensch ist Teil der Natur, aber wie Sri Aurobindo erklärte, sobald das Mental im Menschen zum Ausdruck kam, stellte ihn das in eine sehr verschiedene Beziehung zur Natur von der, die sie mit den niederen Arten hat. Alle niederen Arten bis zum Menschen stehen vollkommen unter der Herrschaft der Natur; sie tut mit ihnen, was ihr gefällt: sie können nichts ohne ihren Willen unternehmen. Der Mensch hingegen beginnt als Gleichstehender zu handeln und zu leben; gleichstehend nicht an Macht, aber vom Standpunkt des Bewußtseins (es beginnt, denn der Mensch ist fähig, die Natur zu untersuchen und ihre Geheimnisse zu entdecken). Er ist ihr nicht überlegen, bei weitem nicht, aber er erreicht das Niveau der Ebenbürtigkeit. Damit erhielt er – und das ist eine Tatsache – eine gewisse Macht der Unabhängigkeit, die er augenblicklich dazu benutzte, sich unter den Einfluß der gegnerischen Kräfte zu stellen, die nicht von der Erde stammen, sondern außer-irdisch sind.
Ich spreche von der irdischen Natur. Durch die mentale Kraft hatten die Menschen die Wahl und die Freiheit, Übereinkünfte mit den außer-irdischen vitalen Kräften zu schließen. Es gibt eine ganze vitale Welt, die mit der Erde nichts zu tun hat, die völlig unabhängig von der Erde ist, älter als die Erde ist und eine unabhängige Existenz führt. Die Menschen haben das auf die Erde gezogen! Sie haben herbeigeführt... was wir jetzt sehen! In dieser Situation... Die irdische Natur sagte mir: "Das entzieht sich meinem Einfluß."
Mit all dem gelangte Sri Aurobindo zum Schluß, daß nur die supramentale Macht fähig ist... (Mutter senkt ihre Hände), wie er sagt: alles zu beherrschen. Dann ist es vorbei – die Natur inbegriffen. Lange Zeit widersetzte sich die Natur (das habe ich oft beschrieben), sie sagte: "Warum hast du es mit diesen Dingen nur so eilig? Eines Tages wird es kommen." Doch voriges Jahr hatte ich diese außerordentliche Erfahrung. 5 Und aufgrund dieser Erfahrung sagte ich ihr: "Jetzt, wo wir uns geeinigt haben, gib mir einen Beweis – ich bitte dich um einen Beweis: tue dies." Sie hat nichts getan, gar nichts.
Vielleicht liegt in dieser... man kann kaum von Intuition sprechen, aber in einer Vorahnung dieser Tatsache, der Ursprung des Ausdrucks "für Geld seine Seele dem Teufel zu verkaufen", und daß das Geld als eine böse Kraft betrachtet wurde und all jene, die das spirituelle Leben suchten, davor zurückscheuten – aber die scheuen ja vor allem zurück, nicht nur vor dem Geld!
Vielleicht ist es nicht erforderlich, diese Macht über sämtliche Menschen zu haben, aber zumindest ausreichend, um auf die Masse wirken zu können. Wahrscheinlich ist es nach einem bestimmten Grad der Beherrschung einer Bewegung unbedeutend, was die Masse tut oder nicht tut (die große Masse der Menschheit, die kaum, kaum das mentale Bewußtsein erreicht hat). Sie steht noch unter der größeren Herrschaft der Natur. Es geht um die mentale Menschheit, jene, die das Mental wirklich entwickelten und es mißbrauchten, sofort den falschen Weg einschlugen – als erstes.
Dazu ist nichts zu sagen, schließlich taten die für die Schöpfung entsandten göttlichen Kräfte auch nichts anderes, als sofort den falschen Weg einzuschlagen! 6 Der Ursprung, der Keim des wunderbaren Unabhängigkeitssinns, das heißt das Gegenteil von surrender [Hingabe]. Der Mensch sagte: "Ich habe die Macht zu denken, damit tue ich, was ich will, und keiner hat das Recht einzugreifen. Ich bin frei, ich bin ein unabhängiges Wesen – UNABHÄNGIG!" Und da haben wir es nun: wir sind alle unabhängige Wesen!
Gestern betrachtete ich all diese Mantras und Gebete und diese ganze Schwingung, die in die Atmosphäre eingedrungen ist und sie in einen Zustand des ständigen Rufens bringt, und ich erinnerte mich der alten Bewegungen und sah, wie sehr sich jetzt alles verändert hat! Ich dachte auch an die alten Disziplinen, von denen eine war zu sagen: "Ich bin Das." 7 Die Leute wurden geheißen, sich in Meditation zu setzen und zu wiederholen: "ich bin Das," um die Vereinigung zu erreichen. Und das erschien mir alles so veraltet, so kindisch! Und zugleich gehört es zum Ganzen. Ich betrachtete das, und es kam mir so lächerlich vor, sich in Meditation zu setzen und zu sagen: "Ich bin Das"! "Ich" – was ist dieses "Ich", das "Das" ist; was ist dieses "Ich", wo ist es?... Ich suchte es, und ich erkannte einen mikroskopisch kleinen Punkt (es würde beinahe ungeheure Instrumente erfordern, um ihn zu sehen), einen winzigen dunklen Punkt in einer Unermeßlichkeit von Licht, und dieser kleine Punkt war der Körper. Und gleichzeitig – vollkommen gleichzeitig – sah ich die Gegenwart des Höchsten wie ein UNGEHEUER riesiges Wesen, in dem ich (das Gefühl des "Ich") mich befand, in dieser Haltung (Geste der Hingabe). Es gab keine Grenzen, und zugleich hatte man die Freude, durchdrungen zu sein, davon umgeben zu sein, und sich unendlich ausweiten zu können – sein ganzes Wesen auszuweiten, vom höchsten bis zum materiellsten Bewußtsein – und gleichzeitig diesen Körper zu betrachten und in jeder Zelle, jedem Atom eine strahlende göttliche Gegenwart vibrieren zu sehen, mit all ihrem Bewußtsein, all ihrer Macht, all ihrem Willen, all ihrer Liebe, wirklich alles, eine solche Freude! Eine außerordentliche Freude. Das eine störte nicht das andere, nichts war widersprüchlich, und alles wurde zugleich empfunden. Und da sagte ich: "Dieser Körper mußte wirklich diese lange Schulung von mehr als siebzig Jahren durchmachen, um das ertragen zu können, ohne anzufangen zu rufen, zu tanzen, zu springen, zu lachen und all das zu tun!" Nein, er blieb ruhig (jubelnd, aber sehr ruhig), er behielt die Beherrschung über seine Gesten und Worte. Obwohl er wirklich in einer anderen Welt lebte, konnte er den Anschein des normalen Verhaltens bewahren – wegen der Dressur durch die Beherrschung des VERSTANDES über das ganze Wesen. Das hat ihn so weit gezähmt und ihm einen solchen Zusammenhalt gegeben, daß ich in der Erfahrung BIN, in der Erfahrung LEBE, und gleichzeitig mit dem liebenswürdigsten Lächeln die dümmsten Fragen beantworten kann!
Das vollendet sich immer in einer Kantate an die Wirkung der Gnade: "Herr, Du bist wirklich wunderbar! Alle Erfahrungen, die ich durchmachen mußte, gabst Du mir, alles, was ich tun mußte, damit der Körper bereit sei, ließt Du mich tun, und stets mit dem Gefühl, daß Du es mich tun ließt!" – Und zur allgemeinen Mißbilligung aller wohlbesonnenen Menschen!
1 1 Crore = 10 Millionen.
2 Ganesh: ein indischer Gott mit Elefantenkopf, Sohn von Parvati, der göttlichen Mutter.
3 Einmal monatlich verteilt Mutter an die Schüler das, was sie für den Monat benötigen.
4 Die Asuras sind die Dämonen und dunklen Kräfte der Mentalebene.
5 Die Erfahrung der Mitarbeit der Natur, am 7. November 1957.
6 Die Überlieferungen besagen, daß die ersten für die Schöpfung entsandten göttlichen Kräfte die Asuras waren, die zu Dämonen wurden. Die Götter wurden dann geschaffen, um das von den Dämonen verursachte Chaos zu reparieren.
7 So'ham, das traditionelle Mantra des vedantischen Weges, der die Illusion der Welt verkündet.