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Mutters

Agenda

ersten Band

26. November 1958

(Auszug aus der letzten "Mittwochsklasse")

Im Grunde lebt die überwältigende Mehrheit der Menschen wie Gefangene mit all ihren Türen und Fenstern verschlossen. Da ersticken sie (das ist eigentlich natürlich), aber sie tragen mit sich den Schlüssel, der die Türen und Fenster öffnen könnte, und sie benutzen ihn nicht... Sicherlich wissen sie eine Zeitlang nicht, daß sie den Schlüssel besitzen, aber selbst lange, nachdem sie es wissen, lange, nachdem man es ihnen gesagt hat, zögern sie, ihn zu benutzen, und bezweifeln, daß er wirklich die Türen und Fenster öffnen könnte, oder sogar, daß es gut sei, die Türen und Fenster zu öffnen! Sogar wenn sie den Eindruck haben, "letztlich wäre es vielleicht doch gut", bleibt noch ein Zweifel: "Was wird geschehen, wenn diese Türen und Fenster geöffnet werden?..." Und sie haben Angst. Sie haben Angst, sich in diesem Licht und dieser Freiheit zu verlieren. Sie wollen bleiben, was sie "sich selbst" nennen. Sie lieben ihre Lüge und ihre Sklaverei. Etwas in ihnen liebt das und klammert sich daran. Ihr Eindruck bleibt, daß sie ohne ihre Grenzen nicht mehr existieren würden.

Aus diesem Grunde ist der Weg so lang, aus diesem Grunde ist er so schwierig. Denn würde man wirklich einwilligen, nicht mehr zu sein, wäre alles so leicht, so schnell, so leuchtend, so freudig – allerdings vielleicht nicht auf die Art, wie die Menschen sich die Freude und die Leichtigkeit vorstellen. Eigentlich gibt es sehr wenige Wesen, die nicht die Schlacht lieben. Nur sehr wenige, die einwilligen würden, daß es keine Nacht mehr gibt, und die sich das Licht nicht als das Gegenteil der Dunkelheit vorstellen: "Ohne Schatten gäbe es kein Gemälde. Ohne Kampf gäbe es keinen Sieg. Ohne Leiden gäbe es keine Freude." Das ist es, was sie denken, und solange man so denkt, ist man noch nicht in den Geist geboren.

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