Mutters
Agenda
ersten Band
(Mutter fragte sich bezüglich Satprems Karma und der tantrischen Disziplin, die er gerade verfolgte, um dieses Karma aufzulösen, warum sie das Karma nicht selber direkt auflösen konnte und es nötig war,
über "Vermittler" vorzugehen.)
Ich betrachtete den Vorgang oder den Ablauf der Dinge mehr vom spirituellen, allgemeinen Gesichtspunkt, während das hier ein okkulter Gesichtspunkt im Detail ist.
Einen Punkt hatte ich zum Beispiel immer für bedeutungslos gehalten, und zwar die Vermittler für eine Handlung zwischen dem individuellen spiritualisierten Wesen, der bewußten Seele, und dem Höchsten. Aus meiner persönlichen Erfahrung war ich immer der Ansicht, wenn man sich in der Handlung ausschließlich an den Höchsten wendet und es direkt ausdrückt, müßten und würden die Dinge automatisch geschehen. Zum Beispiel, wäre man stets offen und wollte in jeder Sekunde bewußt nur das ausdrücken, was der Höchste Herr ausgedrücken will, dann geschähe dies automatisch. Doch mit allem, was ich über die Pudjas, über bestimmte Texte, auch bestimmte Zeremonien lernte, wurde mir die Notwendigkeit der "Vorgangsweise" sehr deutlich. Es ist dasselbe wie im physischen Leben: im physischen Leben erfordert, wie wir wissen, alles eine Vorgangsweise, und das Wissen um die Vorgangsweisen macht die physikalischen Wissenschaften aus. Jetzt scheint es, daß bei den okkulteren Abläufen dem Wissen und vor allem der EINHALTUNG der Vorgangsweisen eine viel größere Bedeutung zukommt, als ich anfangs glaubte.
Als ich das untersuchte, als ich diese Wissenschaft der Vorgänge, der Vermittler betrachtete, verstand ich auf einmal die Funktionsweise des Karmas, die ich vorher nicht verstanden hatte. Ich hatte damit gearbeitet, das heißt, ich hatte wiederholt eingegriffen, um das Karma von jemand zu verändern, aber manchmal hatte ich warten müssen, ohne genau zu wissen warum: die Wirkung war nicht sofort eingetreten. Ich wartete einfach, ohne mich über die Gründe der Verspätung, des Wartens zu kümmern: das war nun mal so. Meistens endete es, wie ich eben sagte, mit der genauen Vision von Ursprung und zugrundeliegenden Ursache des Karmas; und kaum hatte ich diese Vision, so kam auch die Macht und es wurde aufgelöst. Aber mit dem genauen Grund dieser Ablaufsweise beschäftigte ich mich nicht.
Eines Tages machte ich eine Bemerkung darüber zu X 1, als er mir die verschiedenen Bewegungen, die Vorgangsweisen, die Abläufe der Pudjas zeigte oder beschrieb. Ich sagte ihm: "Ach, damit die Wirkung sofort eintritt, damit das Ergebnis sofort kommt, muß man zum Beispiel die Rolle oder die Teilnahme von gewissen Geistern, gewissen Kräften anerkennen, muß die Freundschaft oder Mitarbeit dieser Kräfte gewinnen, um das sofortige Resultat zu erreichen?" Darauf antwortete er: "Ja, sonst läßt es dem Spiel der Kräfte eine unbestimmte Zeit, und Sie wissen nicht, wann Sie das Ergebnis Ihrer Pudja erhalten."
Das fand ich sehr interessant. Denn eines der Hindernisse, die ich spürte, war, daß die Kraft zwar durchaus wirkte, aber eine Zeitspanne schien unvermeidlich, eine bestimmte Rolle für die Zeit in der Arbeit schien unumgänglich: ein Spielraum für die Kräfte der Natur. Doch mit der Kenntnis ihrer Abläufe eliminieren sie das. Damit verstand ich, warum jene, welche die Initiation empfangen oder studiert haben und den vorgeschriebenen Methoden folgen, anscheinend mächtiger sind – sogar mächtiger als jene, die im höchsten Bewußtsein bewußt sind.
Interessant war für mich, daß für sie (jene, die der tantrischen oder einer anderen Initiation folgen) der Zweifel darin besteht, ob es ihnen gelingt, die Antwort der Wahren Macht, der göttlichen Macht, der höchsten Macht zu erhalten: sie tun alles Nötige, aber das bleibt ein Fragezeichen. Während ich mich in der entgegengesetzten Lage befinde: die Macht ist da, ich habe sie, aber wie bringe ich sie in der Materie zum Einsatz? Die Vorgangsweise, um das zu erreichen, fehlte mir – nicht gänzlich, vom psychologischen Standpunkt kenne ich sie, doch da ist ein ganzes Spiel bewußter, individualisierter Kräfte, die überall in der Natur vorhanden sind und die ihr Existenzrecht geltend machen. Weil es so eingerichtet wurde, muß es etwas vom Höchsten Willen ausdrücken, sonst hätte Er sich nicht dieser Vermittler bedient – in Seinem Plan haben die Vermittler offensichtlich einen legitimen Platz.
Das erinnert mich an die Geschichte, die X mir über seinen [verstorbenen] Guru erzählte: sein Guru konnte die Anwesenheit von Kali herbeibefehlen (das ist etwas, was mir sehr natürlich vorkommt, wenn man die nötige Entwicklung erreicht hat), aber er konnte nicht nur Kalis Kommen herbeibefehlen, sondern Kali mit ihren ich-weiß-nicht-wieviel Millionen Kriegern!... Für mich war Kali immer einfach Kali, sie verrichtet eine Arbeit; aber in
der universellen Organisation drückt sich ihr Handeln, die unzählige Vielfalt ihres Handelns durch eine unzählige Vielzahl von bewußten Wesenheiten aus, die arbeiten. Diese Individualisierung der Kräfte gibt ihnen sozusagen ein Bewußtsein und einen bestimmten Handlungsspielraum, und darin liegt der ganze Unterschied der Wirkung. In dieser Hinsicht bedeutet das okkulte System ein ganz und gar unerläßliches Gegenstück zur spirituellen Handlung.
Die spirituelle Handlung ist direkt, aber es kann passieren (das war jedenfalls meine Erfahrung), daß sie nicht augenblicklich wirkt. Sri Aurobindo sagte, daß sie mit der supramentalen Gegenwart augenblicklich werden wird – diese Erfahrung hatte ich. Aber das würde bedeuten, daß die Supramentale Macht automatisch all diese Vermittler dirigiert, ist sie hingegen nicht da, benötigt selbst die höchste spirituelle Macht ein besonderes Wissen, um auf diesen Bereich einzuwirken, ein Wissen, das dem okkulten oder initatorischen Wissen in all diesen Bereichen entspricht. Deshalb sagte ich X: "Sie haben mich viel gelehrt, während Sie hier waren!" Es gibt immer etwas zu lernen.
Natürlich, wenn das Supramental hier ist, wird das völlig anders sein. Das sehe ich deutlich: in den Augenblicken, wo es hier ist, wendet sich alles, und all das gehört zu einer Welt... der Welt der Vorbereitung. Es ist wie eine Vorbereitung, eine lange Vorbereitung.
Da stellt sich die Frage, ob man zuerst all das beherrscht haben muß, um überhaupt die Möglichkeit zu haben, das Supramental beizubehalten, es in der Manifestation zu FIXIEREN. Darin liegt der große Unterschied. Zum Beispiel fehlt jenen, welche die Macht haben, Kräfte oder Wesen zu materialisieren, die Möglichkeit, sie zu fixieren: diese Dinge bleiben fließend, sie wirken eine Weile und dann lösen sie sich wieder auf. Darin liegt der Unterschied zu den Geschehnissen in der physischen Welt: diese Bündelung von Energie, die bewirkt, daß es... (Mutter klopft auf die Armlehnen ihres Sessels) beständig bleibt. Alle die Dinge der außer-physischen Bereiche sind nicht beständig, sie sind fließend: fließend und folglich ungewiß. 2
1 Satprems Tantra-Guru.
2 Einige Tage später verreiste Satprem. Dann wurde Mutter "krank". Die erste große Wende ihres Yogas trat ein: der Anfang des Yogas der Zellen.