Mutters
Agenda
ersten Band
27. Januar 1959
(Brief von Satprem an Mutter)
Rameswaram, 27. Januar 1959
Liebe Mutter,
X wird also für eine Dauer von elf Tagen eine besondere Arbeit für Dich unternehmen, und wenn nach dieser Periode das Leiden weiter anhält, wird er mich nach Pondicherry schicken, um Dir persönlich etwas zu übersenden. Ich würde gerne selber etwas tun können, um Deine Schmerzen zu lindern.
Durch einen besonderen Segen gab X mir die beiden ersten Grade der tantrischen Initiation, die normalerweise mehrere Jahre auseinander liegen, auf einmal, und in sechs Monaten wird er mir die volle Initiation geben, wenn alles gut geht. Ich habe also ein Mantra bekommen, zusammen mit der Kraft es zu verwirklichen. X sagte mir, daß eine Realisation am Anfang des fünften Monats eintreten müßte, wenn ich das Mantra genau so wiederhole, wie er mich anwies, aber er sagte auch nochmals, daß die gegnerischen Kräfte alles nur mögliche unternehmen werden, um mich daran zu hindern, mein Mantra zu sagen: mentale Suggestionen und sogar Krankheiten. X hat begriffen, daß ich eine Arbeit im Ashram zu tun habe, und hat mir die äußeren Formen erlassen (Pudjas und andere Rituale), das ändert aber nichts daran, daß ich mein Mantra sehr präzise täglich wiederholen muß (3333 Mal, das bedeutet etwas mehr als drei Stunden ohne Unterbrechung morgens und etwas mehr als zwei Stunden abends). Ich werde mich also darauf einstellen müssen, in Pondicherry morgens sehr früh aufzustehen, denn keinesfalls wird Deine Arbeit darunter leiden.
Davon abgesehen hat er die "Reinigungsarbeit" noch nicht ganz beendet, die er seit mehr als einem Monat an mir verrichtet, aber ich glaube, alles wird in Kürze abgeschlossen sein.
Liebe Mutter, ich fühle eine Art Besorgnis, daß alle diese Mantras mich Dir nicht näher bringen – ich meine Dich in Deinem physischen Körper, denn mir wurde nicht aufgetragen, mich auf Dich in physischer Form zu konzentrieren. So sehe ich Dich fast nicht mehr in meinen Träumen, oder immer nur sehr verschwommen. Letzte Nacht träumte ich, daß ich Dir Blumen brachte (keine sehr schönen), von denen eine "Mantra" hieß, aber ich sah Dich nicht in dem Traum. Mutter, ich möchte wahr sein, das Nötige tun, sein, wie Du willst, daß ich sei.
Ich bin Dein Kind, Dir allein gehöre ich.
Satprem
Sri Aurobindo Ashram
Pondicherry, 29.1.59
Mein liebes Kind,
Gerade kam Dein interessanter Brief vom 27.
Alles ist gut so – ich bin voller Zuversicht und Du kannst Dich auf meine bewußte Hilfe verlassen, um alle Hindernisse und alle schlechten Willen zu überwinden, die versuchen werden, Deinen Fortschritt zu unterbrechen oder zu verzögern. Wir müssen beharrlicher, viel beharrlicher als der Gegner sein und das Ziel rechtzeitig erreichen, koste es was es wolle.
Seit meinem letzten Brief habe ich nachgedacht, und ich sehe, daß ich dreimal wöchentlich morgens zwischen zehn und elf Uhr für eine Stunde nach unten kommen kann, um mit Dir zu arbeiten. Du darfst aber nur das Allernötigste tun, damit Dir alle erforderliche Zeit für die andere Sache [die tantrische Arbeit] bleibt.
Wie schon gesagt, habe ich weder Klassen noch Übersetzung wieder aufgenommen und weiß nicht, wann ich es tun werde. Es bleibt also nur die alte Arbeit zu vervollständigen, und das wird nicht sehr lange dauern.
Mein Körper wünscht sich auch ein Mantra zum Wiederholen. Die, welche er hat, genügen ihm nicht mehr. Er wünscht sich eines, um seine Transformation zu beschleunigen. Er ist bereit, es so oft zu wiederholen wie nötig, solange es nicht mit lauter Stimme geschehen muß, denn er ist nur sehr selten alleine und möchte niemand davon erzählen. Um die Wahrheit zu sagen, ist die Umgebung des Ashrams nicht sehr geeignet für diese Art Vorhaben. Du wirst Vorkehrungen treffen müssen, um nicht unerwartet gestört oder unterbrochen zu werden. Hauspersonal, Neugierige, sogenannte Freunde, alle können den gegnerischen Kräften als Instrumente dienen, um Steine in den Weg zu legen. Ich werde mein Bestes tun, um Dich zu beschützen, aber Du wirst selber alle Hände voll zu tun haben und Du wirst so unnachgiebig wie eine Eisenstange sein müssen.
Ich schreibe Dir all dies nicht, um Dich davon abzubringen zu kommen. Doch ich will, daß Du es schaffst, das ist für mich das Allerwichtigste, vor allem anderen, was auch der Preis sei. Habe deshalb die Gewißheit, daß ich immer mit Dir bin und ganz besonders, wenn Du Dein Mantra wiederholst...
In ständiger Kommunion in der Bemühung zum Sieg verlassen Dich meine Liebe und meine Kraft nicht.
Mutter