Mutters
Agenda
ersten Band
31. Januar 1959
(Brief von Satprem an Mutter)
Rameswaram, 31. Januar 1959
Liebe Mutter,
Ich mußte lange über den Teil Deines Briefes nachdenken, wo Du sagtest, daß Dein Körper ein Mantra bräuchte, um seine Transformation zu beschleunigen. Sicherlich könnte X etwas auf diesem Gebiet tun, ich habe aber noch nicht mit ihm darüber gesprochen (und ich werde dem Swami nichts davon sagen).
X weiß wenig über Deine Arbeit, und das, was der Swami ihm davon erklären konnte, ist ziemlich unzulänglich, denn ich glaube nicht, daß er es selber sehr gut versteht. Ich müßte mich also vor X ziemlich klar ausdrücken und ihm genau und in einfachen Worten erklären, was Du brauchst. Das Wort "Transformation" ist zu abstrakt. Jedes Mantra hat eine sehr spezifische Wirkung – ich glaube es wenigstens – und ich müßte X sagen können, welche Kräfte und Fähigkeiten Du jetzt genau benötigst, in konkreter Weise; ihm das allgemeine Ziel und die einzelnen Auswirkungen beschreiben. Dann kann er das oder die zutreffenden Mantras finden.
Meine Erklärungen werden einfach sein müssen, denn X spricht nur wenig Englisch, das verbietet mir sprachliche Feinheiten. (Ich bringe ihm ein bißchen Englisch bei, während er mich das Sanskrit lehrt, und es gelingt uns doch recht gut, uns zu verständigen. Er versteht mehr, als er sprechen kann.)
Dem Swami will ich nicht davon erzählen, denn X ist nicht sehr froh über die Art, wie der Swami jede Gelegenheit nutzt, um sich Dinge anzueignen, besonders Mantras (das erkläre ich Dir genauer, wenn wir uns wiedersehen). Vor allem die Art, wie er "ich" sagt. Nichts sehr Schwerwiegendes: die schlechte Seite des Swami, er hat auch gute. Das weiß Du ja.
Ich möchte also erst nach reiflicher Überlegung mit X sprechen, in sehr präzisen Worten, und ich warte, daß Du mir schreibst, was ich sagen soll. Die Sache ist zu wichtig, um ungenau oder leichtfertig angegangen zu werden.
............
Über meine Rückkehr nach Pondicherry möchte ich Dich entscheiden lassen. Es drängt mich, Dich wiederzusehen, aber die Dinge dürfen nicht übereilt werden und die Darshanzeiten sind schwer für Dich.
Im Prinzip wird X seine "Reinigung" an mir am 6. Februar abschließen. Nach diesem Datum werde ich also tun, was Dir richtig scheint.
Mein Mantra sage ich jetzt nur teilweise, und X wird einen "günstigen" Tag festlegen, um wirklich gemäß den Regeln anzufangen, wenn ich in Pondicherry bin, denn normalerweise soll man den Ort nicht mehr wechseln, wenn man diese Arbeit einmal begonnen hat. Ein günstiger Tag ist der 12. Februar, wenn Du entscheidest, daß ich zu diesem Datum zurückkehren soll (oder ein wenig früher, um die Dinge einzurichten), sonst wird ein anderer, späterer Tag bestimmt.
Dein Brief, Mutter, füllte mich mit Kraft und Entschiedenheit. Ich will siegreich sein und Dir dienen. Ich sehe sehr deutlich, daß ich nach und nach viele nützliche Dinge von X lernen kann. Das Wesentliche ist, zuerst dieses Ego zu verlieren, das alles verdirbt. Durch Deinen Segen glaube ich wirklich eine entscheidende Wende vollzogen zu haben und fühle jetzt einen Anfang wahrer Hingabe – ich spüre Deine Liebe, ich spüre Deine Gegenwart, die Dinge öffnen sich ein wenig.
Mutter, ich liebe Dich und wünsche so sehr, Dir wahrhaft zu dienen.
Dein Kind,
Satprem
P.S. Da sind noch alle die alten Entretiens, die wir auch irgendwann zusammen durchsehen müßten, vielleicht nicht alle, aber manche Fragen müssen geregelt werden. Welcher Segen, mit Dir arbeiten zu dürfen!
Sri Aurobindo Ashram
Pondicherry, 2.2.59
Mein liebes Kind,
Ich bekam Deinen Brief vom 31. Er bestätigt in vielen Punkten meine Erfahrung dieser letzten Tage. Über all das sprechen wir nach Deiner Rückkehr.
Ich habe viel über mögliche Mantras nachgedacht und erkannte auch die Schwierigkeit, etwas zu empfangen, das nicht verengt... Man muß wenigstens eine Idee der Möglichkeit (wenigstens) des Supramentals haben, um zu verstehen, was ich suche...
Was Deine Rückkehr angeht, der Tag, den Du nennst, ist die Saraswati Pudja – ich werde für die Segnung nach unten kommen. Wenn Du am Vortag, dem 11. ankommst, stelle ich mich darauf ein, Dich vom 12. an um zehn Uhr zu sehen, und Du kannst Dein Mantra beginnen.
Du brauchst mir nur einen kurzen Brief zu schicken und mir sagen, ob Du einverstanden bist. Sag mir auch, ob Du Geld für die Rückfahrt brauchst und wieviel, rechtzeitig, daß ich es Dir schicken kann.
Alles andere werden wir hier besprechen.
Also bis bald.
Sag X, daß mein Körper auf dem Wege zur vollständigen Genesung ist.
Mit meiner Liebe und meinen Segenswünschen.
Mutter