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Mutters

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ersten Band

28. Mai 1959

(Brief von Satprem an Mutter)

Pondicherry, 28. Mai 1959

Mutter,

Ich will nicht, daß Du meinetwegen leidest, es gibt schon zuviel Leiden in der Welt. Ich werde tun, was Du willst. Ich gehe nach Rameswaram und bleibe dort solange X will. Ich habe gesehen, daß es keine glückliche Lösung geben kann. So beuge ich mich den Umständen.

Wenn es Deine Augen nicht zu sehr anstrengt, würde ich Dich bitten, das Folgende zu lesen. Ich möchte Dir erklären, was ich sah, sehr deutlich.

Nach der Bewegung der Auflehnung heute morgen ergriff mich eine große Traurigkeit, eine große Bitterkeit, wie im Angesicht einer großen Ungerechtigkeit.

Eine spirituelle Bestimmung liegt in mir, aber sie umfaßt noch drei andere Bestimmungen und ist so innig mit ihnen verbunden, daß ich nichts davon abziehen kann, ohne etwas meiner lebendigen Seele abzutrennen. Das ist der Grund, warum diese unterdrückten Bestimmungen periodisch erwachen und mich rufen – und die dunklen Kräfte ergreifen diese Gelegenheiten, um Chaos in mir zu säen und mich zu drängen, alles zu verderben, weil ich mich nicht wirklich erfüllen kann. Das Problem ist unlösbar.

1) Da ist die Bestimmung des Abenteurers: jener in mir, der das Meer oder den Wald und die weiten Räume und den Überlebenskampf braucht. Das ist das Beste meiner Kindheit. Ich kann das knebeln und mir sagen, "das Abenteuer ist innen", und das kann eine Zeitlang "gehen". Aber das ungezähmte Kind in mir lebt dennoch weiter, und es stellt etwas sehr Gutes in mir dar. Ich kann es nicht mit Argumenten töten, selbst mit spirituellen Argumenten. Und wenn ich ihm sage, alles ist "innen", nicht "außen", dann antwortet es "warum wurde ich dann geboren, warum die Manifestation in einer äußeren Welt?" Letztlich geht es nicht um Argumente. Es ist eine Tatsache, wie der Duft der Heide.

2) In mir ist auch die Bestimmung eines Schriftstellers. Auch das hängt mit dem Besten meiner Seele zusammen. Auch das ist ein tiefes Bedürfnis, wie das Laufen in der Heide, denn während ich gewisse Dinge schreibe, atme ich in einer Weise. Aber in den fünf Jahren, seit ich hier bin, mußte ich erkennen, daß ich physisch nicht die Zeit habe, das zu schreiben, was ich will (ich erinnere mich, wie ich den Orpailleur ertrotzen mußte, und ich hatte noch nicht einmal Zeit ihn zu korrigieren). Dies ist kein Vorwurf, Mutter, denn Du tust alles, was Du kannst, um mir zu helfen. Aber ich erkenne, um zu schreiben, erfordert es eine gewisse "Muße", und es gibt zu viele Dinge, die weniger persönlich und wichtiger zu tun sind. All das kann ich knebeln und mir sagen, daß ich einen "Sri Aurobindo" schreiben werde – aber das befriedigt nicht diesen anderen in mir, und periodisch erwacht er und drängt mich, um mir zu sagen, daß er auch atmen möchte.

3) Eine Bestimmung in mir fühlt auch die menschliche Liebe als etwas Göttliches, das verwandelt werden und ein sehr mächtiger Handlungsmotor werden könnte. Ich hielt das nicht für möglich, außer im Traum, bis ich hier jemandem begegnete. Aber Du glaubst nicht an diese Dinge, folglich werde ich nicht wieder davon sprechen. Auch das kann ich knebeln und mir sagen, daß eines Tages alles in der inneren göttlichen Liebe erfüllt wird. Aber das hindert nicht diesen anderen in mir daran, weiterzubestehen und das Leben für trocken zu halten und zu sagen: "Warum die äußere Manifestation, wenn alles Leben in den inneren Bereichen stattfindet?" Auch das kann ich nicht mit Argumenten ersticken.

So bleibt die rein spirituelle Bestimmung, das rein Innerliche. Das versuche ich ohne großen Erfolg seit fünf Jahren zu tun. Es gibt gute Zeiten der Mitarbeit, weil ein Teil meines Wesens unter allen Umständen glücklich sein kann. Aber diese Errungenschaft bleibt irgendwie verstümmelt, besonders wenn man das spirituelle Leben auf einer umfassenden Basis gründet. Und diese drei Bestimmungen in mir haben wahre, gute Gründe, sie sind nicht minderwertig, sie sind nicht nebensächlich, sie sind aus denselben Fäden gewoben, die das spirituelle Leben in mir bildeten. Mein Fehler ist, der Auflehnung Einlaß zu verschaffen, wenn ich zu schmerzlich spüre, daß der eine oder andere erstickt.

Du siehst also, das alles ist unlösbar. Ich kann mich nur den unglücklichen Umständen beugen. Ich fühle eine Ungerechtigkeit irgendwo, aber ich habe nur zu schweigen.

............

Dann war ich betroffen, als Du mir sagtest, ich wollte "alle Scheiben einschlagen". Du impliziertest so deutlich, daß ich das Ashram in "übler Weise" verließ. Auch das lähmte mich. Ich glaubte mein Bestes getan zu haben und die Unterdrückung der anderen Teile in mir so lange als möglich fortgesetzt zu haben, um Dir zu dienen.

Das ist alles. Es gibt keine Lösung. X wird nicht verstehen und ich werde ihm nichts sagen. Aber ich gehorche Dir, weil alles vergeblich ist und weil es schon zu viele Schmerzen in der Welt gibt und weil auch jemand in mir Dich braucht, jemand, der Dich auf seine Weise liebt.

Satprem

 

(Mutters Antwort)

Freitag, 29.5.59

Satprem, mein lieber Kleiner,

Ich habe Deinen Brief ganz gelesen und ich bleibe überzeugt, daß eines Tages alle Teile Deines Wesen, ohne einen einzigen auszuschließen, ihre volle Befriedigung finden werden. Aber das sehen wir später.

Für den Augenblick will ich Dir nur aus der Tiefe meines gerührten Herzens sagen: danke.

Mit all meiner Liebe.

Mutter

Ich sehe Dich morgen früh um zehn und hoffe, einige kleine Mißverständnisse können aufgeklärt werden.

Ich schicke Dir schon jetzt den Brief, den ich für morgen früh vorbereitet hatte.

 

(Mutters Brief)

Die Worte, die Du hörtest, habe ich nicht ausgesprochen – ich wollte Dir von meiner Erfahrung der Nacht erzählen, aber ich war wie gelähmt, weil ich deutlich fühlte, daß Du mich nicht mehr verstandest. Seit ich Deinen Brief erhielt, konzentrierte ich mich auf Dich, um zu versuchen Dir zu helfen, und als die Nacht kam, zu der Zeit, wo ich in Beziehung mit X trete, rief ich ihn zur Hilfe und er sandte mir diese kleine Kali, die er schon einmal geschickt hatte. Damit ging ich zu Dir, nahm Dich in meine Arme und drückte Dich kräftig an mein Herz, um Dich so weit als möglich vor Stößen zu beschützen, und dann ließ ich Kali ihren Kriegstanz gegen diesen Titan machen, der immer noch versucht, Dich in Besitz zu nehmen und der die Revolte in Dir verursacht. Sie muß zumindest teilweise Erfolg gehabt haben, denn sehr früh morgens machte der Titan sich etwas enttäuscht aus dem Staube, aber im Weggehen warf er dies heraus: "Es wird dir leid tun, denn du hättest weniger Sorgen gehabt, wenn er gegangen wäre." Ich schleuderte ihm seine Suggestion lachend ins Gesicht und sagte: "Nimm das mit dem Rest deiner gemeinen Person, ich brauche es nicht!" Und die Atmosphäre klärte sich.

Ich wollte Dir all dies sagen, aber ich konnte nicht, denn Du warst noch fern von mir und es hätte ausgesehen, als wollte ich angeben. Das Mißverständnis der Entfernung ließ Dich andere Worte hören, als jene, die ich aussprach.

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