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Mutters

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ersten Band

16. Mai 1960

Eine grundlegende Notwendigkeit ist die Demut. Demütig sein. Nicht demütig im normalen Sinn, nicht einfach sich sagen: ich bin klein, ich bin nichts – nein, etwas anderes... Denn die Fallstricke sind unzählbar, und je weiter man im Yoga geht, um so subtiler werden sie, um so mehr verkleidet sich das Ego hinter wunderbaren und heiligen Erscheinungen. Man sagt: "Ich will von nichts abhängen als Ihm. Ich will die Augen schließen und in Ihm allein ruhen." Und dieser so angenehme "Er" ist genauso, wie man sich ihn wünscht, er ist das Ego, oder ein ungeheurer Asura, ein Titan (je nach der Fähigkeit des einzelnen). Und die gibt es überall auf der Erde: das ist ihr Weidegrund. Deshalb ist das allererste, was zu tun ist, sich sein Ego in die Tasche zu stecken – nicht um es aufzuheben, sondern um es sobald als möglich loszuwerden!

Und jedesmal, wenn etwas im Inneren beharrt: "Aber ich fühle es so, ich denke so, ich sehe es so: das ist meine Seinsart, das ist meine Auffassung, das ist meine Beziehung mit dem Göttlichen, usw.", dann kann man sicher sein, daß der Gott, den man sich geschaffen hat, ein Gott des Egos ist.

Dann sagt man: "Ich will die Augen schließen, um nur Ihn zu sehen; ich will nichts mehr mit der äußeren Welt zu tun haben." Und man vergißt, daß es Die Liebe gibt! Das ist das Große Geheimnis, das, was hinter dem Existierenden und dem Nicht-Existierenden, dem Persönlichen und dem Unpersönlichen liegt – Die Liebe. Nicht eine Liebe zwischen zwei Dingen, zwischen zwei Wesen... Eine Liebe, die alles enthält.

Am Anfang des Jahrhunderts schrieb ich die Gebete und Meditationen und sprach auch von "Ihm", doch das schrieb ich mit all meiner Aspiration, all meiner Aufrichtigkeit (jedenfalls mit aller Aufrichtigkeit der bewußten Teile meines Wesens), und ich verschloß das in einer Schublade, damit niemand es liest. Nur Sri Aurobindo bat mich später, es zu veröffentlichen, weil es anderen nützen könnte... Hätte ich damals, vor fünfzig Jahren, gewußt, was ich heute weiß, wäre ich erdrückt worden!... All diese "Schmach", diese "Unwürde"...

Im Grunde ist es gut, erst nach und nach zu lernen, gut, Illusionen zu haben – nicht um der Illusionen willen, sondern als notwendige Etappen auf dem Weg.

Alles kommt zu seiner Zeit.

Und das Wunderbare ist, daß in jedem Augenblick die Gnade, die Freude, das Licht, die Liebe sich unaufhörlich inmitten von all dem ergießen, trotz dem Ego, trotz der Unwürdigkeit, trotz der Schmach.

Demütig sein...

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Kurz darauf

Vor zwei Tagen war ich krank, dieser Schnupfen, ein Fieber. Ich weiß warum: ein Punkt ist zu transformieren. Vielleicht setzte der Körper sich mit zuviel Eifer daran und brachte etwas ins Schwanken. Aber dank dessen hatte ich eine interessante Erfahrung: X hatte seine Kraft auf mich gerichtet, um die Genesung zu beschleunigen. Entsprechend der Natur eines jeden färbt sich die Kraft sozusagen: sie kleidet sich in eine verschiedene Farbe. In mir übersetzte sich das als eine neue physische Erfahrung, die von vier Uhr morgens bis halb sieben dauerte, bis ich gezwungen war, mit Leuten zu sprechen und mich um äußere Dinge zu kümmern. Es war wie eine Art Ewigkeit, eine absolute PHYSISCHE Unbewegtheit, in der es keine Möglichkeit einer Krankheit mehr gab – tatsächlich gab es überhaupt nichts mehr in dieser Unbewegtheit, wie ein Nirvana. Aber das hinderte mich nicht daran, meine gewohnten Bewegungen durchzuführen, um mich anzuziehen.

Gestern verbrachte ich den ganzen Tag damit zu versuchen, diese Erfahrung zu verstehen.

Und ich erkannte, daß in dieser physischen Ewigkeit (die zweieinhalb Stunden dauerte: das ist lange für eine Erfahrung) etwas fehlte, etwas, das abwesend war: die Freude des Bewußtseins. Denn mein ganzes Leben lang war ich es immer gewohnt, über alles bewußt zu sein, immer, in jeder Sekunde. Und die Freude des Bewußtseins war abwesend. Da dankte ich der Gnade, mir das gezeigt zu haben: diese Art Nirvana war ganz einfach ein physisches Tamas. 1

(Schweigen)

X hat die Macht, die Dinge sehr materiell zu machen; das ist seine große Macht. Und das ist der Grund, daß die Dinge immer gestört werden, wenn er hierher kommt. Plötzlich verstrickt sich jener, der schnelle Fortschritte machte, in Schwierigkeiten; das versprochene Geld versiegt; man wird krank; Dinge gehen kaputt – das ist genau weil er die Macht hat, den Dingen von oben eine Materialität zu verleihen. Denn man kann immer ganz nach oben im Bewußtsein gehen und von dort oben die Schwierigkeiten wegfegen (ab einem bestimmten Punkt in der Sadhana existieren die Schwierigkeiten wirklich nicht mehr; es genügt, die unerwünschte Vibration zu erwischen, und es ist vorbei, man zerstreut sie). Dort hoch oben geht es einem gut; aber unten, da wimmelt es. Wenn X kommt, wird genau dieses Gewimmel sehr empfindlich.

Die Beherrschung muß eine WAHRE Beherrschung sein, eine sehr demütige, sehr schlichte Beherrschung, die von ganz unten ausgeht und Schritt für Schritt die Herrschaft erlangt. Tatsächlich ist es eine Schlacht gegen die kleinen Dinge, Winzigkeiten: Seinsgewohnheiten, Denkweisen, Gewohnheiten des Fühlens und Reagierens.

Wenn sich diese Beherrschung von ganz unten mit dem Bewußtsein von ganz oben verbündet, dann kann die Arbeit wirklich einsetzen – nicht nur die Arbeit an sich selbst, sondern die Arbeit für alle.

 

1 Tamas: Trägheit. Später erkannte Mutter jedoch, daß es nicht Tamas war, sondern etwas anderes.

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