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Mutters

Agenda

ersten Band

7. Juni 1960

...Ich muß noch einen Mann empfangen, den ich gestern sah. Aber ich sagte ihm, um elf Uhr. Wenn ich hier um fünf vor elf weggehe, genügt es.

Man bringt mir diese Leute zur "Prosperität", um sie mir vorzustellen. Weißt du, ich hatte absolut den Eindruck, sie ernähren sich nur von Banknoten! (Mutter lacht) Das macht einen grau, oh!... Und trocken wie morsches Holz.

Sie kamen her, um irgendwelche Geschäfte mir ihrem Sohn zu regeln (Sohn, Schwiegersohn, Neffe, was auch immer, aber es ist natürlich immer derselbe Mann!) – Geldgeschäfte. Dann baten sie, mich zu sehen. Ich glaubte, sie würden eine Frau zu mir schicken – überhaupt nicht: die ganze Gruppe stand vor mir, und sie begannen mir eine Rede über die Geschäfte zu halten!... Dann amüsierte ich mich. Als sie ausgesprochen hatten (sie gingen nicht weg, sie blieben vor mir stehen), sagte ich ihnen: "Hören Sie zu, wenn Sie schon hier sind, muß es einen GRUND HABEN!" So gab ich ihnen eine Lektion... Aber stell dir vor, einen von ihnen berührte es, so sehr, daß er bat, mich heute morgen wiederzusehen. Er trug einen schönen rosa Turban!

Ich sagte gut, laßt ihn kommen.

So, jetzt du, was hast du zu sagen?

Ich habe Arbeit mitgebracht... Zu sagen?...

Geht es nicht gut?

(Satprem verzieht das Gesicht)

Glaubst du? Ich bin nicht sicher, stell dir vor!

Du bist nicht sicher, daß...?

Daß es nicht gut geht.

???

Du siehst ein bißchen... Am Balkon machtest du so ein Gesicht! (Mutter lacht) Aber...

Nein, es ist wegen deinen Nächten. 1

Ich weiß nicht... [mit einem Ton der Abscheu] Wirklich... Ich weiß nicht, ich habe das Gefühl, nur Dynamit könnte all das bewegen.

Wie?

Ich fühle, es würde ständig Dynamit erfordern, um all das in die Luft zu jagen. Nichts bewegt sich: es tut nichts, fühlt nichts, sieht nichts. Es ist... blockiert.

(langes Schweigen)

Du fühlst es wie eine Mauer?

Ich glaube...

Ich fühle, daß ich eine bestimmte Schwelle nicht überwinde. Ich drehe mich immer im selben Kreis, in derselben Runde...

Ja.

... Daß etwas brechen muß, PHYSISCH brechen muß. Sonst könnte es Jahrhunderte so weitergehen.

Hmm!... Aber das Leben ist so. Das physische Leben ist so – für alle. Dieses Gefühl, daß es sich so dreht und dreht und dreht und dreht – die Leute, die Dinge, die Länder, die ganze Welt.

Natürlich ändert sich etwas, aber es ist so... uuh! Ja, wenn das in diesem Tempo weitergeht, braucht es Milliarden Jahre, um einen merklichen Fortschritt zu erreichen. Genausogut können wir sagen, daß es sich überhaupt nicht bewegt.

Dieses Gefühl war in den letzten Tagen sehr stark – daß es sich nicht bewegt.

Aber gerade jetzt... Denn, wenn ich mit dir in Verbindung bin (nicht wenn wir hier sitzen, sondern am Balkon oder bei der Meditation), jederzeit, dann ist diese Verbindung sehr gut – sehr gut –, sehr leuchtend, sehr klar. Das schrieb ich dir auch: es wird immer spürbarer. Aber wenn ich mit dir HIER bin, fühle ich, daß es sich nicht bewegt... Etwas verhindert, daß es HIER geschieht. Als du gerade sprachst (als du mir eine Grimasse machtest!), schaute ich...

Ich hatte fast den Eindruck... Ja, das ist es: wie ein Höhlenmensch – oh! (Mutter macht sich lustig) Es war einer der Künstler und Dichter und Schriftsteller der Höhlen! Das heißt, das intellektuelle Höhlenleben! Aber die Höhle ist doch niedrig, und wenn du darin bist, mußt du dich beugen, und du willst dich ständig aufrichten. Das macht dich wütend! Das ist genau mein Eindruck – keine Höhle für einen aufrechten Menschen, sondern eine Höhle für einen Löwen, oder für ein... irgendein Tier auf vier Beinen.

Das ist symbolisch. Ich beschreibe symbolische Dinge.

Deshalb...

(Schweigen)

Sieh, das ist so: deine Höhle (sie IST wirklich so, und ich verstehe, daß du sie mit Dynamit in die Luft jagen willst), aber wenn du bis zum Grund gingest – ganz bis zum Ende, dann hätte die Höhle keine Decke mehr, sie wäre unter offenem Himmel. Ich sehe es. Du gehst zum Grund. Da ist es sehr schwarz. Sehr schwarz und nicht sehr verlockend, und es gibt den Eindruck... daß es noch schlimmer sein wird – aber es wird nicht schlimmer sein. Gehe ganz bis ans Ende, und dann kann man plötzlich aufrecht stehen.

(langes Schweigen)

Das gibt diesen Anschein: du bestehst darauf, dort durchkommen zu wollen, wo es nicht geht.

Und das ist erstickend und aufreibend und widerlich und... ermüdend...

(Schweigen)

Du wirst mir wieder eine Grimasse schneiden!

So fühle ich es... (wie das erklären?) Es gibt immer wenigstens zwei Wege, die Dinge zu tun. Ich habe den sehr starken, sehr starken Eindruck, du willst, daß ich dich bei der Hand nehme und wir zusammen gehen...

Hast du diese Vorstellung?

(keine Antwort)

Nicht einmal das. Ich spreche von unserer Beziehung, nicht äußerlich und physisch.

Seltsamerweise gelingt es mir sehr selten, dich in sehr physischer Weise zu "sehen", so wie du bist. 2

Du siehst mich nur physisch?

Nein, im Gegenteil, es fällt mir schwer...

Aber mein Kind! Es ist völlig nutzlos, mich physisch zu "sehen"!

Es ist eher etwas, das ich mir nicht abbilde und das ich "Mutter" nenne.

Ja. Aber das ist viel besser! Das ist viel besser. Dies behindert die meisten Leute: sie müssen mich sehen, wie ich bin – aber wie ich bin, wie mein Körper ist, ist idiotisch. Völlig idiotisch.

Nein, nein! Das meine ich nicht, ich spreche von der Beziehung mit dir, die wahre – was ich dir vorhin sagte. Denn, siehst du... Ich werde dir alles sagen! (Mutter lacht) Ich habe das Gefühl, es würde sehr schnell gehen, wenn ich dich aufnehmen und hierhin setzen könnte (Geste zum Herz), dich hier tragen und dir sagen: "Bleib ruhig, und plock!" Aber das geht nicht (leider). Du bleibst immer auf deinen Beinen, mit dem Kopf, der gegen die zu niedrige Decke stößt. Und ich kann nicht darin sein! Ich weiß nicht einmal (lachend), ob meine Füße dort Platz hätten!

Jedenfalls ist es nicht so, daß ich nicht versuche – ich versuche. Es ist nicht so, daß du nicht kannst – du kannst. Das ist das Ärgerliche... Weißt du, als beharrtest du darauf, den Schlüssel im Schloß in die falsche Richtung zu drehen.

Ich weiß nicht. Wahrscheinlich ist es das Ego.

Wie, das Ego?

Das Ego, der Knoten, ich weiß nicht. Ich weiß nicht, welche Bewegung es erfordert.

(Schweigen)

Stell dir vor, neulich befand ich mich mitten in der Nacht plötzlich in dir. Da sagte ich mir: "Ah, so ist er! Also..." Damit wachte ich mitten in der Nacht auf. Sofort fragte ich mich: "Aber... (lachend) aber warum ist er so!?" Das dauerte... vielleicht ein oder zwei Minuten: ich war dabei... ich war genau in dieser Situation, mit den Füßen in alle Richtungen treten zu wollen! Und in einer Art Wut – nicht Wut... Und plötzlich sagte ich mir: "Aber warum all das? Die Lösung ist doch sehr leicht, es genügt, dies zu tun...", und sofort tat ich, was ich immer tue (ich bin immer in diesem Zustand), ich ließ mich in den Höchsten schmelzen – "was soll das alles!" In der Sekunde danach war alles gut.

Aber ich dachte: das müßte doch eine Wirkung gehabt haben [auf Satprem]! Wie kommt es? Ich war... buchstäblich in dir.

Es war wirklich wie... Vielleicht fühlt dies ein Kind, wenn es im Bauch der Mutter eingesperrt ist und mit den Beinen in alle Richtungen tritt – und wie es tritt! Es ist es leid, eingesperrt zu sein.

Eine Art Wut gegen etwas, das euch einsperrt.

Wohlgemerkt bist du hier kein Einzelfall, das sagte ich schon: das ganze physische Leben erscheint mir so, als wären die Leute in einer Art Panzer verschlossen... dieses Gefühl der Trennung, der Absonderung. Überall diese Teilung, überall, überall. Schrecklich. Alle Begegnungen geschehen durch Stöße.

(Schweigen
Mutter betrachtet Satprem)

Gut.

Der Eindruck, das zerbrechen zu müssen, ist falsch: es darf nicht zerbrechen (dann blieben noch die Bruchteile – wir wollen keine Bruchteile), es muß... schmelzen.

Etwas, das schmilzt.

 

1 Satprem beschwert sich immer noch über seine Nächte.

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2 Satprem meint in Meditation – sich Mutter physisch vorzustellen oder ihre physische Form als "Objekt" der Meditation zu nehmen. Eigentlich hatte er große Angst, gefangen zu werden!

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