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Mutters

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ersten Band

20. September 1960

Mehrere Male brachte mir X seine Geringschätzung für die Mehrzahl der Leute im Ashram zum Ausdruck: "Warum behält Mutter all diese empty pots [leeren Töpfe]", sagte er.

Wenn er sich auch nur einen Augenblick lang einbildet, daß ich glaube, alle Leute hier würden die Sadhana machen, irrt er gewaltig!

Die Idee ist, daß die gesamte Welt vorbereitet werden muß, in all ihren Formen, auch die am wenigsten für die Transformation fähigen. Es erfordert eine symbolische Repräsentation aller Elemente der Erde, an denen gearbeitet werden kann, um die Verbindung herzustellen [mit der supramentalen Welt]. Die Erde ist eine symbolische Repräsentation des Universums, und die Gruppe eine symbolische Repräsentation der Erde.

Das hatten wir 1914 mit Sri Aurobindo entschieden (das liegt schon lange zurück); denn wir sahen die beiden Möglichkeiten: das, was wir jetzt tun, oder uns in die Einsamkeit und Abgeschiedenheit zurückziehen, bis wir nicht nur das Supramental erreicht, sondern die materielle Transformation begonnen haben. Und Sri Aurobindo sagte mit Recht, daß man sich nicht abkapseln kann, denn je mehr man selber wächst, um so mehr universalisiert man sich, und folglich... you take the burden upon yourself [man nimmt die Last auf sich], auf jeden Fall.

Das Leben gab die Antwort selber, indem es die Leute brachte und einen Kern bildete. Natürlich sahen wir deutlich, daß dies die Arbeit komplexer und schwieriger gestaltete (es bedeutet eine große Verantwortung und eine große materielle Arbeit für mich), aber vom allgemeinen Standpunkt, für das Werk, ist es unerläßlich, sogar unvermeidlich. Trotz allem, und wie wir später feststellten, bedeutet jeder zugleich eine Möglichkeit und eine besondere Schwierigkeit, die zu lösen ist. Ich glaube, ich habe sogar einmal gesagt, jeder hier stellt eine Unmöglichkeit dar! 1

Gewiß ist diese Anschauung zu weit entfernt von der spirituellen Lehre, in der X lebt [der traditionelle Tantrismus], als daß er dies verstehen könnte. Mir liegt auch nicht daran, daß hier Proselytenmacherei betrieben wird [um X zu überzeugen]; das würde ihn völlig unnötig beunruhigen. Das ist nicht der Grund für sein Hiersein. Er kam für etwas Spezielles, das ich suchte und das er mir brachte und das ich gelernt habe. Jetzt ist es gut, er gehört zur Gruppe, auf seine Weise, das ist alles. Und in gewisser Hinsicht hat seine Gegenwart hier eine sehr gute Wirkung auf eine ganze Kategorie von Leuten, die vorher nicht berührt wurden und die sich jetzt zunehmend wohlwollender zeigen. Es war zum Beispiel schwierig, all die Traditionalisten zu erreichen, die Leute, die an den alten spirituellen Formen hängen; nun, jetzt ist es, als hätte etwas sie berührt.

Als Amrita 2, von Eifer ergriffen, ihm erklären wollte, was wir hier tun und was Sri Aurobindo erreichen wollte, führte das beinahe zu Unannehmlichkeiten. Danach dachte ich: "ich werde mich einmal mit ihm identifizieren, um zu sehen" (ich hatte es nie getan, weil ich das meistens nur tue, wenn ich für jemanden verantwortlich bin, um ihm wirklich zu helfen, und ich hatte mich nie bezüglich X verantwortlich gefühlt), ich wollte die innere Lage feststellen, was und was nicht möglich ist. Das war an dem Tag, als du ihn in diesem ekstatischen Zustand von unserer Meditation kommen sahst und er dir sagte, die Trennungen wären weggefallen – das mußte kommen! Ich erwartete es.

Als ich das tat, sah ich, was X für mich bewirken wollte. Ich erinnerte mich in der Tat, daß ich ihm anfangs gesagt hatte, alles gehe gut von hier an (Geste oberhalb der Schädeldecke), daß ich aber darunter, im äußeren Wesen, die Transformation beschleunigen wollte und daß dort manche Dinge schwierig zu handhaben seien.

Solange Sri Aurobindo hier war, kümmerte ich mich nicht um all das: ich hielt mich die ganze Zeit in der Höhe auf und tat, was die Gita und die traditionellen Schriften empfehlen, das heißt, ich überließ die Sorge dafür der Natur. Eigentlich überließ ich sie Sri Aurobindo. Ich sagte mir: "Er wird damit zurechtkommen, er wird das richten, er wird damit tun, was er wünscht." Und ich blieb die ganze Zeit in der Höhe. Und von dort oben arbeitete ich, während ich das Instrument unten so beließ, wie es war, weil ich wußte, daß er sich darum kümmerte.

Tatsächlich war es zu der Zeit sehr anders, denn ich bemerkte nicht einmal den geringsten Widerstand oder die geringste Schwierigkeit im äußeren Wesen: die Arbeit daran geschah automatisch. Später, als ich beides tun mußte – das, was er tat, und das, was ich tat –, wurde es sehr viel komplizierter und ich merkte, es gab viele... man könnte sagen "Löcher": Dinge, die entwickelt, transformiert, geordnet werden mußten, um die umfassende Arbeit verrichten zu können. Also begann ich damit. Und mehrmals bedauerte ich, nicht manche der alten indischen Disziplinen studiert und verfolgt zu haben. Denn zum Beispiel als ich mit Sri Aurobindo an der Herabkunft der supramentalen Kräfte arbeitete, Herabkunft vom Mental ins Vital, sagte er mir immer wieder, daß all meine Bewegungen, meine Gesten, meine Haltung, meine Reaktionen ganz und gar tantrisch seien, als hätte ich die tantrische Disziplin durchgemacht (wenn wir zusammen "meditierten", wenn wir arbeiteten). Aber es geschah spontan, entsprach keinem Wissen, keiner Idee, keinem Willen, nichts; und ich dachte, es geschehe einfach deshalb so, weil er diese Dinge wußte und ich ihm natürlich folgte.

Später, nachdem Sri Aurobindo seinen Körper verlassen hatte, sagte ich mir: "Wenn ich nur wüßte, was er wußte, wäre es leichter!" Und aus diesem Grund dachte ich: "ich werde die Gelegenheit nutzen", als der Swami und später X kamen. Ich hatte dem Swami geschrieben, daß ich gerade an der Transformation der Körperzellen arbeitete und gemerkt hatte, daß mit Xs Einfluß die Arbeit schneller weiterkam. Deshalb wurde vereinbart, daß X helfen würde, wenn er kam – so begannen die Dinge, und X blieb bei dieser Idee. Nur bin ich inzwischen vorangeprescht – ich warte nicht! Ich preschte voran, durcheilte die Etappen. Und jetzt hat sich die Lage umgekehrt. Das, was ich wissen wollte, habe ich erfahren. Ich hatte die Erfahrung, die ich suchte, aber er ist noch bei... Er ist sehr lieb, er will mir wirklich helfen. Als er also neulich zur Meditation kam und ich mich mit ihm identifizierte, erkannte ich, daß er mir Schweigen, Beherrschung und den vollkommenen Frieden im physischen Mental geben wollte. Mein "Mittel", wenn ich so sagen kann, ist, so wenig wie möglich Beziehung mit dem physischen Mental zu haben, in die Höhe zu gehen und dort zu bleiben: das hier bleibt schweigend, unbewegt (Geste auf die Stirn), nach oben gewendet, während Das (Geste darüber) sieht, handelt, weiß, entscheidet – alles liegt dort. Und dort fühlt man sich wohl.

Früher auf dem Weg war ich einmal eine Zeitlang in dieses physische Mental hinabgedrungen, um zu versuchen, es ein wenig zu ordnen und zu organisieren (das geschah ziemlich schnell, ich blieb nicht lange dort). Als ich jetzt in X einging, merkte ich... Das war recht seltsam, denn es ist der entgegengesetzte Vorgang von dem, den wir verfolgen: in seinem materiellen (physischen und vitalen) Bewußtsein hat er sich geschult, unpersönlich, offen, grenzenlos, in Verbindung mit allen universellen Kräften zu sein. Im physischen Mental: Schweigen, Unbewegtheit. Und im spekulativen Mental, dort ganz oben im Kopf: eine Organisation! Schrecklich!... Die gesamte Tradition in ihrer wunderbarsten Organisation, aber von einer Starrheit! Und es hatte eine hübsche Lichtqualität: ein silbriges Blau, SEHR hübsch. Und sehr ruhig, wunderbar ruhig und still und unbewegt. Aber darüber lag eine derart massive Decke: die äußere Form glich starren Blöcken. Alles im Inneren war so hübsch, und dann das... Ich erinnere mich, ganz oben war etwas wie ein sehr großer Würfel, gesäumt von einer violetten Linie, die Linie der Macht – all das leuchtend. Es ähnelte einer Pyramide: kleinere Würfel bildeten eine Art Grundschicht, und die Unterseite dieser Würfel verlor sich in etwas Nebeligem und ging unmerklich über in den materiellsten Bereich, das heißt ins physische Mental... Der oberste Würfel war der größte und der leuchtendste, aber auch der starrste – hier läßt sich sogar sagen: unbeugsam. Die anderen waren bereits etwas weniger präzise; und ganz unten wurde es sehr vage. Aber oben! – Dort oben wollte ich ja durchdringen.

Als ich dort ankam, fühlte ich eine halbe Sekunde der Bedrängnis: ich stand unter dem Eindruck, dort ließe sich nichts machen – nicht für ihn insbesondere, sondern universell, für alle Menschen seiner Kategorie – daß es hoffnungslos sei. Wenn das wirklich die Vollkommenheit darstellte, dann war nichts mehr zu machen. Das dauerte nur eine halbe Sekunde, aber es war schmerzlich. Dann versuchte ich es. Das heißt, ich wollte mein Bewußtsein hineinbringen – das ewige und universelle, unendliche Bewußtsein, der ursprüngliche Ausdruck der Manifestation –, und... nichts zu machen. Unmöglich. Einige Minuten lang versuchte ich es, und ich sah, daß es ganz und gar unmöglich war. Dann mußte ich eine seltsame Bewegung machen (ich konnte nicht durchkommen, es war undurchdringlich), ich mußte in das sogenannte niedere Bewußtsein zurückkehren (das nicht niederer ist, dort war es weit, unpersönlich), und dort kam ich heraus und fand wieder... mein Gleichgewicht. Das gab mir diese wahnsinnigen Kopfschmerzen, von denen ich dir erzählte. Ich kam von dort heraus, als hätte ich das Gewicht eines unnachgiebigen Absoluts getragen – schrecklich. Unglücklicherweise konnte ich mich danach nicht ausruhen: Leute erwarteten mich, ich mußte reden – etwas sehr Ermüdendes für mich. Dann begann es in meinem Kopf zu brodeln, wie ein... Da war dieses dunkelblaue Licht, das Licht der Macht in der Materie, durchdrungen von weißen und goldenen Blitzen, und all das fuhr in meinem Kopf hin und her – ich glaubte, ich würde einen Gehirnschlag bekommen! (Mutter lacht)

Es dauerte eine gute halbe Stunde bis ich das beruhigen konnte – Ruhe, Ruhe herstellen. Und ich erkannte, daß es daher kam, daß er die Macht hineinbringen wollte, mir die Macht im physischen Mental vermitteln wollte! Doch sobald man mich in Verbindung mit der Macht setzt, zerplatzt alles! (Mutter lacht) Ich hatte wirklich den Eindruck, mein Hirn würde platzen!

In der Nacht ging es besser, weil ich konzentriert blieb, aber der Kopf tat noch etwas weh. Am nächsten Morgen sagte ich mir, oder genauer, sagte ihm innerlich: "Ob du es willst oder nicht, ich werde das, was dort oben ist, herunterbringen; nur so fühle ich mich wohl!" Und ich erzählte dir schon, was geschah: sobald ich mich hinsetzte, überraschte mich sehr, daß er nicht so handelte wie am Vortag; denn ich hatte wieder dasselbe getan, ich vereinte mich sozusagen mit seinem Willen (um zu wissen), aber mit dem Entschluß, bewußt in Verbindung mit dem höchsten Bewußtsein zu bleiben, wie ich es immer tue, und es herabzubringen. Und da kam eine wunderbare Flut. Er war vollkommen zufrieden, er protestierte nicht!... Die Kopfschmerzen verschwanden völlig, nichts mehr, es war perfekt. Nur ganz am Ende der Meditation wollte er wieder seinen kleinen Trick anfangen, um mein physisches Mental in dieses Gebäude einzusperren, aber das dauerte nicht lange... ich sah es von oben.

Er fühlt nichts davon, er fühlt es nicht. Wenn man ihm das erzählte, würde er energisch protestieren – für ihn stellt das die Öffnung auf die Unendlichkeit dar!... Das ist übrigens immer so: man ist immer eingeschlossen, jeder – jeder ist eingeschlossen in bestimmten Grenzen und spürt es nicht, denn würde er es spüren, käme er heraus! Ich weiß genau, als ich bei Sri Aurobindo war, hielt ich mich offen (Geste nach oben), und ich hatte immer das Gefühl: "Ja, mein Kind ...", er duldete mich, so wie ich war, und wartete, daß es sich ändere. Das ist einfach so. Jetzt fühle ich meine Grenzen, sie sind die Grenzen der gegenwärtigen Welt, und ich fühle, daß dahinter eine Unermeßlichkeit, eine Ewigkeit, eine nicht-manifestierte Unendlichkeit liegt, und daß wir hier eingeschlossen sind. Das sickert nur langsam durch – es ist nicht die große Öffnung. Was ich zu erreichen versuche, ist die große Öffnung. Und erst wenn die große Öffnung geschaffen wurde, wird es wirklich... unantastbar sein, und aller Widerstand der Welt, all ihre Trägheit, sogar all ihre Düsternis wird das nicht verschlingen können – das Entscheidende und Transformierende... Ich weiß nicht, wann das kommen wird.

Doch die Erfahrung mit X war höchst interessant. An dem Tag lernte ich viele, viele Dinge... In jedem beliebigen Punkt kann man das Unendliche finden, wenn man sich nur genügend konzentriert (und dieses Unendliche fand er in seiner eigenen Erfahrung), man könnte es sein eigenes Unendliches nennen. Was WIR aber suchen, ist nicht das, sondern die direkte und umfassende Verbindung zwischen dem manifestierten Universum und dem Unendlichen, aus dem dieses Universum hervorging. Das ist dann keine individuelle oder persönliche Verbindung mit dem Unendlichen, sondern eine totale Verbindung. Sri Aurobindo besteht auf diesem Punkt, er sagt, es ist ganz und gar unmöglich, die Transformation zu erlangen (nicht die Berührung: die supramentale Transformation), ohne universell geworden zu sein, das ist die erste Voraussetzung. Man kann erst supramental werden, wenn man universell geworden ist. Und universell werden, heißt alles gelten zu lassen, alles zu sein, alles zu... ja, alles gelten zu lassen. Und alle Leute, die in einem System eingeschlossen sind, sei es auch im allerhöchsten Teil des Denkens, sind nicht DAS.

Doch einem jeden seine Bestimmung, jedem seine Arbeit, jedem seine Verwirklichung; und die Bestimmung oder die Verwirklichung von jemandem ändern zu wollen, bedeutet eine große Schuld. Denn es wirft ihn einfach aus dem Gleichgewicht – das ist alles, was man erreicht.

Aber für jene, die eine integrale Verwirklichung suchen, stellen all diese Mantras, das tägliche Japa, wirklich eine Hilfe dar, oder bedeutet es auch, sich einzuschließen?

Es diszipliniert einen. Es bedeutet eine fast unterbewußte Disziplin, mehr des Charakters als des Denkens.

Verstehst du, hier, vor allem anfangs, als Sri Aurobindo hier war, zerschlug er alle die Moralbegriffe (du weißt, die Aphorismen). All diese Dinge zerschlug er, wieder und wieder. Jetzt haben wir hier eine Bande von youngsters [Bengeln], die darin mit der Idee aufwuchsen "man kann alles tun, was einem gefällt, das hat keinerlei Bedeutung!", all dies seien gewöhnliche Moralbegriffe, um die es nicht wert ist, sich zu kümmern. Ich habe große Schwierigkeiten, ihnen klar zu machen, daß man die gewöhnliche Moral nur verlassen kann, um in eine höhere zu gehen... Deshalb muß man vorsichtig sein, ihnen nicht zu früh Macht zu geben.

Das bedeutet eine fast physische Disziplin. Dann sah ich auch, daß das Japa eine ordnende Wirkung auf das Unterbewußte, das Unbewußte, die Materie, die Körperzellen, auf all das verübt – es braucht Zeit, aber durch seine Wiederholung, durch seine Beharrlichkeit hat es schließlich eine Wirkung. Es hat eine ähnliche Wirkung wie zum Beispiel tägliche Klavierübungen. Man wiederholt mechanisch, und schließlich flößt das den Händen Bewußtsein ein – es flößt dem Körper Bewußtsein ein.

Wenn ich bei X bin, fällt es mir sehr schwer, ihm klar zu machen, daß ich Arbeit habe. Er versteht nicht, daß man arbeiten kann.

Natürlich! Was uns wichtig erscheint, eine regelmäßige Arbeit, stellt für ihn im Grunde eine Unwissenheit dar. Ein andächtiges, ekstatisches Leben ist das Wahre für diese Leute – mit einem Gefühl der Barmherzigkeit und der Wohltätigkeit, aus dem ihr trotzdem ein wenig eurer Zeit nehmt, um den armen Unwissenden zu helfen! Aber das Wahre ist die ekstatische Andacht. Da stellen die, welche fortgeschritten sind und dennoch der Arbeit eine Bedeutung zuschreiben, etwas Unsinniges dar!

Mein einziges Mittel, ihm klar zu machen, daß ich arbeiten muß, ist ihm zu sagen: "Mutter trug mir auf, das zu tun", dann sagt er nichts mehr!

Ja, er wagt es nicht... Er versteht nicht recht. "Welch seltsame Ideen!" Er muß denken, ich habe recht seltsame Ideen, aber nun... Im Grunde denkt er sich: "Oh, das ist nur, weil sie in Frankreich geboren wurde; da trägt sie noch diese Last!"

Das ist sehr komisch.

Sri Aurobindo sah das deutlicher. Er sagte – das war sogar das erste, was er den Jungen um sich sagte, als ich 1914 ankam (er hatte mich nur einmal gesehen) –, er sagte ihnen, daß ich, Mirra (er nannte mich sofort beim Vornamen), "frei geboren wurde".

Und das ist wahr, ich weiß es, ich wußte es. Das heißt, die ganze Arbeit, die man tun muß, um sich zu befreien, wurde schon getan, vor langer Zeit – das ist praktisch!

Am nächsten Tag sah er mich eine halbe Stunde. Ich setzte mich (das war auf der Veranda im Guest House), ich setzte mich dort auf die Veranda; vor ihm stand ein Tisch und ihm gegenüber saß Richard. Sie begannen zu reden. Ich setzte mich zu seinen Füßen, machte mich ganz klein. Der Tisch stand vor mir, auf Stirnhöhe, und gab mir etwas Deckung... Ich sagte nichts, dachte nichts, versuchte nichts, wollte nichts – setzte mich einfach in seine Nähe. Als ich eine halbe Stunde später aufstand, hatte er Schweigen in meinen Kopf gebracht. Das war alles, ohne daß ich auch darum gebeten hätte – vielleicht sogar, ohne daß er es versuchte!

Ich hatte es versucht – oh! Jahrelang hatte ich versucht, das Schweigen im Kopf zu erlangen... Es war mir nie gelungen. Ich konnte davon Abstand nehmen, aber es lief weiter... Jetzt waren alle mentalen Konstruktionen, alle mentale, spekulative Organisation, all das war weg – ein Loch.

Und ein so friedliches, leuchtendes Loch!

Ich gab große Acht, daß nichts es störe. Ich sprach nicht, ich paßte sehr auf, nicht zu denken, und drückte das fest, fest an mich – sagte mir: hoffentlich bleibt es, wenn es nur so bliebe, wenn es nur so bliebe, wenn es nur so bliebe...

Einige Zeit später hörte ich Sri Aurobindo sagen, er habe das für zwei andere Personen hier getan, und sobald sie das Schweigen im Kopf hatten, wurden sie von Panik ergriffen! "Mein Gott, ich bin verdummt!!" Und sie warfen alles über Bord! Sie begannen sofort wieder zu denken.

Sobald es vorbei war, war es vorbei. Es war gründlich gefestigt.

Jahrelang, von 1912 bis 1914, hatte ich Übungen über Übungen gemacht, alles nur Mögliche, sogar Pranayama [Atemübungen] – damit es schweige! Daß es wirklich schweige!... Ich konnte es verlassen (verlassen war nicht schwierig), aber innen lief es weiter!

Das dauerte ungefähr eine halbe Stunde. Ich blieb ruhig sitzen – ich hörte die Geräusche ihrer Unterhaltung, hörte aber nicht zu. Und als ich dann aufstand, wußte ich nichts mehr, dachte nichts mehr, besaß keine einzige mentale Konstruktion mehr – alles weg, vollkommen weg, weiß! Als wäre ich gerade geboren worden.

*
*   *

Kurz darauf

Vor einigen Tagen habe ich die Zuckerfabrik eingeweiht. 3 Dabei hatte ich eine lustige Erfahrung.

Vom materiellen Gesichtspunkt ist es dort beinahe höllisch: der Lärm, der Geruch – ein ekelhafter Geruch. Ich konzentrierte mich vollends auf meinen Willen, physisch nicht gestört zu werden: man führte mich über steile Treppen, hinauf, hinab, in tiefe Gruben schauen; an manchen Stellen gab es nicht einmal ein Geländer, so mußte man sich gut festhalten.

Und ich sah all dieses Zuckerrohr – diese Berge von Zuckerrohr – die hineingeworfen werden: stampf, stampf und nochmal stampf. Dann kommen sie wieder hervor, um destilliert zu werden. Und ich sah (all diese Pflanzen sind lebendig, wenn sie dort hineingeworfen werden, sie sind voller Vitalität: sie wurden gerade frisch geschnitten), und dieses Zerstampfen schleudert plötzlich mit äußerster Gewalt die vitale Kraft aus der Substanz heraus, und diese vitale Kraft kommt mit... das englische Wort ist sehr ausdrucksvoll: angry [zornig]. Nicht das, was wir "böse" nennen, nein, es ist angry, wie ein bellender Hund. Etwas Wütendes und Aggressives: an angry force [eine zornige Kraft].

Und das sah ich – ich sah sie kreisen. Das kommt und kommt und kommt, und es staut sich auf, staut sich auf (sie arbeiten vierundzwanzig Stunden am Tag, sechs Tage ohne Unterbrechung; am siebten ruhen sie sich aus). Und ich überlegte: aber das muß eine Wirkung auf die Leute haben, dieses zornige Ding; vielleicht ist es das, was die Unfälle verursacht? Denn ich sah, wenn es ganz zerstampft war und wieder die Rampe heraufkam, hing diese angesammelte Kraft daran. Das besorgte mich etwas, ich dachte: das ist nicht ungefährlich, derartiges zu tun!... Was sie rettet, ist ihre Unwissenheit und ihre Gefühlslosigkeit. Aber die Inder sind nicht, nie ganz so gefühlslos wie die Leute im Westen; sie sind viel offener in ihrem Unterbewußtsein.

Ich sagte niemandem davon, aber es beschäftigte mich etwas. Und genau am nächsten Morgen ging die Maschine kaputt! Als man es mir berichtete, dachte ich sofort, ah!... Dann wurde sie wieder gerichtet – wieder kaputt: dreimal. In der nächsten Nacht, kurz vor zehn Uhr... Ich muß dazusagen, daß ich tagsüber gedacht hatte: aber warum diese Kräfte nicht anziehen, sie aufnehmen, sie befriedigen, ihnen den Frieden und die Freude geben und sie verwenden? Ich dachte es, konzentrierte mich etwas, und dann beschäftigte ich mich nicht weiter damit. Um zehn Uhr abends kamen sie über mich – in Fluten! Das kam und kam; und die ganze Zeit arbeitete ich daran... Sie waren nicht bösartig (nicht sehr leuchtend, weit davon entfernt!), aber rechtschaffen, ehrlich: rechtschaffene Kräfte. So arbeitete ich daran. Das fing genau um halb zehn an, eine Stunde lang arbeitete ich daran. Nach einer Stunde reichte es mir: "Hört, schön und gut, ihr seid sehr lieb, aber ich kann nicht meine ganze Zeit so verbringen! Wir werden das später sehen" – denn diese Sache beanspruchte mein ganzes Bewußtsein: sie kamen und kamen (du begreifst, was das für einen Körper bedeutet!). Um halb elf sagte ich ihnen: "Hört zu, meine Kleinen, haltet euch ruhig, das reicht für heute..." Um halb elf ging die Maschine wieder kaputt!

Ich erfuhr es natürlich, weil in der Fabrik alles aufgezeichnet wird, und am nächsten Morgen, als man mir die Panne mitteilte, fragte ich nach der genauen Zeit – es war um Punkt halb elf.

Danach machte ich eine Art Abmachung mit ihnen – es sind ja immer neue, das ist die Schwierigkeit! Wenn es noch immer dieselben wären! Immer neue Scharen kommen. Es erforderte eine besondere Formation dort. Das versuchte ich zu erreichen, diese permanente Formation, um sie zu nehmen, sie aufzunehmen, sie zu beruhigen, sie etwas auszubreiten, daß keine Konzentrierung entsteht, die schließlich gefährlich würde.

Ich fand das interessant.

Der letzte Zwischenfall geschah vor einigen Tagen, als eine große Aufregung in der Fabrik herrschte, weil im Laufe des Tages der offizielle Besuch eines Ministers erwartet wurde. An dem Tag, genau um halb vier, hatte ich das Gefühl, ich müsse eine kleine Konzentration machen. So gab ich acht und sah, daß der arme L 4 mir Gebete sandte. Er betete, betete, rief mich – rief mich so kräftig, daß ich mich gezogen fühlte. Ich war gerade dabei zu baden. (Du kennst die Wirkung, wenn man sehr stark gezogen wird: es läßt einen mitten in der Geste stehenbleiben und das Bewußtsein geht dahin! Man tut nichts mehr, hält inne. Genau so geschah es im Badezimmer.) Als ich das sah, ordnete ich alles sorgfältig. Dann müssen sie ihre Zeremonie begonnen haben, denn plötzlich spürte ich: ah! jetzt ist es beruhigt, es geht gut. Und ich beschäftigte mich mit anderen Dingen.

Am nächsten Tag besuchte mich L und erzählte, daß kurz vor halb vier die Maschine wieder kaputt gegangen war, daß diesmal aber alles sofort wieder ins Laufen kam; sie wußten sofort, was zu tun war. Und er sagte, um Viertel vor vier habe er angefangen, mich zu bitten, daß alles gut gehe – ich erwiderte: oh! ich weiß!

Solche Dinge kann man tun. Im Grunde kann man viel tun – nur die Unwissenheit der Menschen bereitet die Schwierigkeiten.

 

1 Entretiens suivis de Quelques Paroles, S. 251-252.

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2 Einer der Ashramsekretäre.

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3 Die New Horizon Sugar Mills, die einem Schüler gehören. Die Einweihung fand am 15. September statt.

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4 Der Schüler, der die Zuckerfabrik leitet.

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