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Mutters

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ersten Band

11. Oktober 1960

Ich komme gerade zum Ende vom Yoga of Self-Perfection... Wenn man ein Menschenleben ansieht, was es (selbst in den besten Fällen) an Idiotie, Dummheit, Kleinheit, Engstirnigkeit darstellt (ich spreche nicht einmal von Unwissenheit, denn dort ist es schreiend), selbst bei jenen, die sich einbilden, sie hätten ein großzügiges Herz, tolerante Gedanken, den Willen, Gutes zu tun!... Jedesmal wenn sich das Bewußtsein in eine bestimmte Richtung wendet, um ein Ergebnis zu erreichen, zeigt sich augenblicklich alles Vergangene des Daseins (nicht nur persönlich, sondern in dieser Art Kollektivität, die jedes Wesen repräsentiert), alles, was dieser Bemühung widerspricht, in seinem grellsten Licht.

Heute morgen geschah das, während ich in meinem Zimmer auf und ab ging. Ich hatte mein Japa beendet... Ich mußte aufhören und den Kopf zwischen die Hände nehmen, um nicht anzufangen zu schluchzen. Ich sagte mir: "Nein, aber das ist fürchterlich! Und zu sagen, wir suchen die Vollkommenheit!"

Dann kam natürlich etwas wie ein Trost: Nur der Kontrast läßt die Dinge so elend erscheinen, nur weil das Bewußtsein dabei ist DAS WAHRE zu erfassen, kann es dies wahrnehmen.

Es ist richtig, daß die Dinge, die ich heute morgen sah und die mir so... vor allem häßlich und dumm erschienen (ich hatte in meinem ganzen Leben nie eine moralistische Einstellung, Gott sei Dank! aber die häßlichen und dummen Dinge erschienen mir stets... ich versuchte mein Bestes, aus ihnen herauszukommen, schon von ganz klein auf). Und ich erinnere mich gut, daß diese Dinge, die mir jetzt nicht nur lächerlich, sondern beinahe schamhaft erscheinen, früher als bemerkenswert nobel und außergewöhnlich erhaben im Leben betrachtet wurden – dieselben Dinge. Da verstand ich, daß es alles nur eine Frage der Proportionen ist.

Und die Welt ist so: was uns jetzt ganz und gar unannehmbar vorkommt, Dinge, die NICHT TOLERIERT werden können, waren früher einmal sehr gut.

Vorgestern schaute ich die ganze Nacht... Ich hatte diesen Abschnitt von Sri Aurobindo in The Synthesis of Yoga gelesen, wo es um die "supramentale Zeit" geht (das heißt, Vergangenheit-Gegenwart-Zukunft koexistieren in einem globalen Bewußtsein). In den Minuten, wo man sie hat, geht es sehr gut! Man versteht vollkommen! Aber wenn man sie nicht hat... Vor allem die Frage der Intensität der Aspiration, der Macht des Fortschritts, wie das aufrecht erhalten? Das mit der globalen Sicht beibehalten?... Die Sicht, in der alles koexistiert... In diesen Augenblicken gleicht es eher einer Art Spiel, fast einer Belustigung (nicht jeder findet das lustig!). Aber all das in sich enthalten und gleichzeitig die Freude der Aufeinanderfolge?... Ist die Freude der Aufeinanderfolge, die Dinge eins nach dem anderen zu sehen, gleichwertig mit der Intensität des Willen zum Fortschritt?... Die Worte sind idiotisch!

Die Bemühung, das zu sehen, das zu verstehen, beschäftigte mich die ganze Nacht. Als ich heute morgen aufstand, dankte ich dem Herrn: "Offensichtlich, würdest Du mich vollends in dieses Bewußtsein stellen, könnte ich nicht mehr... könnte ich nicht mehr meine Arbeit tun!" Wie kann man arbeiten! Denn ich kann den Leuten Dinge nur sagen, wenn ich sie fühle, wenn ich sie sehe, wenn ich sehe, daß dies zu sagen ist; wäre ich gleichzeitig in einem Bewußtsein, wo ich alles weiß, das uns hierher brachte, alles, was ich sagen werde, und alles, was der andere fühlen wird – wie kann das gehen!

Noch viele Jahrhunderte werden durchzumachen sein, bevor es völlig das wird, was Sri Aurobindo beschreibt – keine Eile!

Und das mentale Schweigen, von dem du neulich sprachst, das Sri Aurobindo dir 1914 gab...

Es ging nie weg. Ich behielt es immer. Wie eine einheitliche weiße Fläche, nach oben gewendet. Jederzeit... Man spricht wie eine Maschine, aber dort bewegt sich nichts; es kann sich jederzeit nach oben wenden. Es IST nach oben gewendet, aber man kann es merken oder nicht. Und wenn man zuhört, hört man, was von oben kommt. Und mein aktives Bewußtsein, das sich hier befand (Geste auf die Stirn), hat sich oberhalb eingerichtet, und das bewegt sich nicht mehr.

Ich hatte das X gesagt, oder genauer, sagen lassen, um seine Reaktion zu erfahren. Und ich merkte, daß er überhaupt nicht verstand! Einmal fragte Amrita ihn, wie er die Dinge SAH und WUSSTE? Da versuchte er zu erklären und sagte Amrita, daß er sein Bewußtsein durch eine fortschreitende Anstrengung ziehen müsse: jenseits des Herzens, jenseits des Zentrums der Kehle... es bis hier ziehen (Geste zur Schädelspitze), und wenn man dort ankommt, ist man göttlich, man weiß! Plötzlich verstand ich, warum es ihm ganz und gar unmöglich erscheinen mußte, als ich ihm erklärte, daß es dort, über dem Kopf liegt! Für ihn ist es the crown of the head [die Schädelspitze] – (was sie den tausendblättrigen Lotos nennen), und das liegt gerade an der Schädelspitze; in meiner Erfahrung hingegen öffnet sich das, steigt auf, geht darüber, und dann bleibt es dort... Für einige Jahre änderte es sogar meine [physische] Sicht: es war als betrachtete ich die Dinge von dort oben. Manchmal kehrt das zurück, als schaute man plötzlich von dort oben, anstatt von Augenhöhe.

Doch die Fähigkeit, Gedanken zu bilden, liegt dort, darüber, nicht mehr hier (Stirnhöhe). Und das ist das Gegenteil von ihrer Lehre.

Ich glaube die Tantriker kennen sieben Chakras. 1 Théon hingegen sagte, er kenne mehr, und zwar zwei unter dem Körper und drei darüber. Das entspricht auch meiner Erfahrung: ich kenne zwölf. Und die Verbindung mit dem Göttlichen Bewußtsein liegt wirklich hier (Geste oberhalb des Kopfes), nicht hier (Schädelspitze). Man muß sich nach oben versetzen.

Wenn man das Japa wiederholt, verübt das einen Druck auf das physische Bewußtsein, aber es hört nicht auf zu laufen! Wie das zum Schweigen bringen? Sobald die Konzentration nicht absolut ist, fängt das physische Mental an zu laufen – egal womit, es schnappt sich irgendein Wort, irgendeine Gegebenheit, und läuft und läuft. Du hältst inne, setzt es unter Druck, aber zwei Minuten später kommt es wieder... Es erhält keinerlei innere Zustimmung: es mahlt Worte oder mahlt Ideen oder Gefühle, endlos. Was tun?

Ja, das ist das physische Mental. Das Japa wird genau deshalb wiederholt, um das physische Mental zu beherrschen.

Ich benutzte es aus einem sehr spezifischen Grund... Denn ich machte eine Invokation an... (die Worte sind etwas ungewöhnlich) an den Herrn von morgen. Nicht den unmanifestierten Herrn, sondern den Herrn, so wie er sich "morgen" manifestieren wird, das heißt die göttliche Manifestation in der supramentalen Form, um Sri Aurobindos Worte zu verwenden.

Der erste Laut meines Mantras ist der Ruf an das: Evokation. Mit dem zweiten Laut machen die Zellen des Körpers den surrender, geben sich, geben sich hin. Und der dritte Laut ist die Identifikation von dem [Körper] mit Dem, was das göttliche Leben hervorbringt. Das sind meine drei Laute.

Anfangs, während der ersten Monate meines Japas, fühlte ich sie... ich hatte beinahe ein detailliertes Bewußtsein dieser Myriaden Zellen, die sich mit dieser Vibration öffnen: die Vibration des ersten Lautes, eine ganz und gar besondere Vibration (dort oben gibt es das Licht und all das, aber danach: eine Vibration, die ursprünglich ist), und diese Vibration drang ein und wurde in allen Zellen wiedergegeben. Das dauerte einige Monate an.

Auch jetzt noch, wenn irgend etwas hier oder dort nicht in Ordnung ist, brauche ich das nur zu wiederholen, mit derselben Konzentration wie am Anfang... Wenn ich das Japa sage, bildet es ein Ganzes, das aus dem Laut und den Worten besteht, aus dem Verständnis der Worte und dem Gefühl der Worte – das bildet ein Ganzes. Das muß ich wiedergeben. Und es entwickelt sich die ganze Zeit: die Art des Wiederholens. Dennoch sind die Worte dieselben, der ursprüngliche Ton ist derselbe, aber alles entwickelt sich zu einer umfassenderen Verwirklichung und einem zunehmend vollständigeren ZUSTAND. Wenn ich jetzt eine bestimmte Wirkung erzielen will, reproduziere ich eine bestimmte Art dieses Zustands. Kommt es zum Beispiel zu einer Störung im Körper (man kann nicht von Krankheit sprechen, aber etwas, das nicht stimmt) oder will ich aus einem bestimmten Grund eine bestimmte Arbeit an einer bestimmten Person durchführen, kehre ich zu einem bestimmten Zustand in der Wiederholung meines Japas zurück, der eine direkte Wirkung auf die Zellen des Körpers hat; und dasselbe Phänomen wiederholt sich: genau diese außerordentliche Vibration, jene, die ich wiedererkannte, als die supramentale Welt herabkam. Das kommt und schwingt wie ein Pulsieren in den Zellen.

Doch jetzt ist mein Japa anders geworden, das sagte ich schon. Es ist als nähme ich die gesamte Welt, um sie emporzuheben: keine Konzentration auf den Körper mehr, sondern die gesamte Welt nehmen – die gesamte Welt –, manchmal in ihren Einzelheiten, manchmal in ihrer Gesamtheit, und die ganze Zeit, die ganze Zeit, um Die Verbindung herzustellen [mit der supramentalen Welt].

Aber was du beschreibst, diese Art Geräuschmühle oder Wortmühle, die ewig dasselbe wiederholt, das griff ich einige Male plötzlich auf, zwei- oder dreimal (nicht sehr oft und mit langen Zwischenräumen). Das kam mir immer phantastisch vor! Wie das anhalten?... Immer auf dieselbe Weise. Das ist ja etwas, das außen geschieht – es liegt nicht innen, sondern außen, auf der Oberfläche, meistens hier irgendwo (Geste auf die Schläfen) –, und die Lösung besteht darin, sein Bewußtsein nach oben zu ziehen, dorthin gehen – weiß – nach oben. Es ist immer dieses Weiß, weiß wie ein Papier, spiegelblank. Eine vollkommen flache und weiße und unbewegte Oberfläche – weiß! Weiß wie leuchtende Milch, nach oben gekehrt. Nicht durchsichtig: weiß.

Wenn die Mühle einsetzt – meistens auf dieser Seite (Geste zur rechten Seite des Kopfes) – das plappert vor sich hin, nimmt irgendeinen Laut, ein Wort und dann läuft es weiter. Das passierte mir vielleicht ein dutzendmal, aber es kommt nicht von mir: das kommt von außen, von jemand oder etwas oder einer bestimmten Arbeit. Dann nimmt man es, nimmt es wie mit einer Zange, und dann... (Geste, das Ding nach oben zu ziehen) und dann lasse ich es dort, in diesem unbewegten Weiß – man braucht es nicht lange dort zu lassen!

Bist du dir nicht dieser Sache dort oben bewußt? Dieser weißen Platte auf der Schädelspitze? Das ist der Empfänger der Inspirationen. Es ist einfach wie eine Platte, die empfängt, die selber aber nicht aktiv ist: es dringt hindurch, ohne daß man es merkt. Wenn es dann etwas konzentrierter kommt, hält alles inne, bleibt alles stehen.

Ich erinnere mich, vor einigen Tagen wollte ich etwas erfahren, das geschehen sollte. Ich dachte: mit dem Bewußtsein der supramentalen Zeit kann ich es wissen – ich MUSS wissen, was geschehen wird. Was wird geschehen? – Keine Antwort. Dann verhielt ich mich wie gewohnt, konzentrierte mich dort, hielt alles an und schaute oben – völliges Schweigen. Nichts. Keine Antwort. Dann wurde ich ein ganz bißchen ungeduldig: "Aber warum denn nicht wissen?!" Da kam (ich übersetze mit Worten) das Äquivalent von: "Das geht dich nichts an"!!

Immer mehr verstehe ich: alles, was angelegt wurde, alles, was hier zusammengestellt wurde, alle die Zellen, die Nerven, alles, was einem Eindrücke vermittelt, dient einzig für die Arbeit, hat kein anderes Ziel als die Arbeit; alle Dummheiten, die man begeht, sind für die Arbeit; alle Irrtümer, die man denkt, sind für die Arbeit; Das richtet euch her, so wie ihr seid, weil ihr so die Arbeit tun könnt – es geht euch nichts an, zu versuchen anders zu sein. Jetzt komme ich zu dem Schluß: "Sehr gut, wie Du willst, möge Dein Wille geschehen!" – Nein, nicht "möge er geschehen": er GESCHIEHT; es ist wie Du willst, genau wie Du willst!

Letzten Endes wird es sehr amüsant!

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(Über ein altes "Entretien" am Sportplatz, vom 4. Juli 1956, wo Mutter über ihre erste Verwirklichung des Göttlichen sprach)

Genau in dem Augenblick, wo die Sternschnuppe aufleuchtete, entsprang es meinem Bewußtsein: "Die Vereinigung mit dem Göttlichen verwirklichen, für meinen Körper!" Und genau vor Ablauf der zwölf Monate geschah es.

Ich erinnere mich, es war an der Tür unseres Ateliers in Paris. 2 Das Bild ist noch da... Nur so erinnere ich mich: einfach Bilder, die kommen.

Ich vollende The Synthesis of Yoga, und was Sri Aurobindo sagt, entspricht genau allem, was mir in meinem Leben widerfuhr. Er erklärt, wie man, solange man nicht supramental geworden ist, Fehler machen kann. Sri Aurobindo beschreibt all die Dinge, die einem Bilder senden können; es handelt sich nicht immer um das Bild oder die Spiegelung der Wahrheit dessen, was war oder ist oder sein wird: es gibt auch die Bilder all der menschlichen mentalen Formationen und all der Dinge, die in Betracht gezogen werden wollen. Das ist höchst interessant. In diesen wenigen Seiten fand ich die Beschreibung der Arbeit, die ich mein ganzes Leben lang fortsetzte, um zu versuchen, all das AUSZUFILTERN, was man sieht. Das ist so interessant!

Ich bin mir nur dann der Dinge gewiß, wenn es sich um eine bestimmte Art von Bild handelt; dann kann die gesamte Welt behaupten: "die Dinge geschahen nicht so", doch ich sage: "ich habe mein Bild". Diese Art Bild ist gewiß, denn ich studierte dies, studierte die Unterschiede der Beschaffenheit, den Aufbau der Bilder. Das ist sehr interessant.

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Im Grunde sehe ich immer mehr, daß sich das Höchste Bewußtsein JEDER BELIEBIGEN Sache bedient, wenn der Augenblick gekommen ist.

In diesen Entretiens wolltest du zum Beispiel das "douce Mère" [liebe Mutter] auslassen, weil die Leute drüben es nicht verstehen würden. Da erhielten wir gerade einen Brief von jemand, der plötzlich eine sehr schöne Erfahrung hatte, als er auf das "douce Mère" stieß: er sah, fühlte plötzlich diese mütterliche Gegenwart der Liebe und des Mitgefühls, die über die Erde wacht. Der Augenblick war gekommen, und genau dann tat es seine Arbeit. Das ist sehr interessant.

Mental sagt man sich: "Oh, das ist nicht gut!" Ich neige auch dazu zu sagen: "Veröffentlicht das doch nicht, sprecht nicht über dies oder jenes." Dann erkannte ich, daß dies eine Eselei ist! Daß es etwas gibt, das alles nützt. Selbst das, was uns unnütz erscheint – vielleicht schlimmer als unnütz: schädlich –, es kann vollkommen nützlich sein, plötzlich jemandem genau den richtigen Schock versetzen.

 

1 Chakra: Bewußtseinszentrum – 1. auf der Schädeldecke (sahasrara), 2. zwischen den Augenbrauen (ajna), 3. auf Kehlhöhe (vishuddha), 4. auf Höhe des Herzen (anahata), 5. im Solarplexus (manipura), 6. auf Nabelhöhe (svadhishthana), 7. am Ende des Rückgrats (muladhara).

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2 Wahrscheinlich in der Rue du Val de Grâce.

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