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Mutters

Agenda

ersten Band

17. Dezember 1960

(Mutter gibt Satprem eine Blume mit einer kugelförmigen Anordnung von unzähligen Staubgefäßen, die sie "Supramentale Sonne" nannte – die Blume des "Cadamba"-Baumes)

Schön, findest du nicht? Alles zusammen, aber unzählbar. EINS in alle Richtungen. Und was für eine Farbe! Der Baum ist wie eine Glorie.

Die Natur ist eine fabelhafte Erfinderin, alles in ihr ist schön. Ich glaube nicht, daß es dem Menschen gelungen ist, etwas so Vollkommenes hervorzubringen. Er arbeitete hinterher, das stimmt, züchtete neue Arten, aber der Ursprung bleibt dennoch in der Natur.

Man könnte meinen, die Häßlichkeit beginnt mit dem Menschen.

Ja, ich glaube sogar die Dinge, die uns in der Tier- und Pflanzenwelt häßlich vorkommen, erscheinen uns nur wegen der Begrenztheit unseres Geistes so. Während wirklich, als der Mensch ins Spiel trat... uff!

Ich hatte immer das Gefühl, in der Natur läßt es sich in Schönheit leben, immer. Und nachdem der Mensch ankommt, verzerrt sich etwas. Es ist das Mental. Es ist wirklich durch das Eindringen des Mentals in das Leben, daß die Häßlichkeit entstand. Man fragt sich, ob es nötig war, ob es nicht hätte sofort harmonisch sein können? Anscheinend nicht.

Denn selbst die Steine sind schön, sind immer irgendwie schön. Es gab manche etwas schwierige Formen, als das Leben entstand, aber nicht so, nicht wie manche mentale menschliche Schöpfungen. Ja, vielleicht gab es einige Tierarten... aber sie waren eher monströs als wirklich häßlich. Und wahrscheinlich erscheinen sie nur unserem Bewußtsein so. Doch das Mental... Wie all die Ideen von Sünde, Fehler... all das – die Lüge. Die Lüge, der Mensch ist derjenige, der die Lüge erfand, nicht? Das Mental erfand die Lüge: täuschen! Um zu täuschen! Und eine sehr kuriose Tatsache ist, daß die Tiere, denen der Mensch vertraut wurde, das Lügen lernten!

Die Kurve...

Gut, wir müssen darüber hinaus gehen.

Jenseits... das ist eine andere Angelegenheit!

Aber so viele Menschen sind zufrieden mit ihrer Lüge, mit ihrer Häßlichkeit, ihrer Enge, mit allen möglichen Dingen. Sie sind zufrieden. Wenn man ihnen sagt, anders zu sein...

Der Bereich, den ich zur Zeit untersuche, oh!... Ich verbringe ganze Nächte damit, gewisse Orte zu besuchen, und manchen Leuten, die ich hier (im Ashram) materiell kenne, begegne ich dort. So viele darunter sind VOLLKOMMEN zufrieden mit ihrer... ihrer Gebrechlichkeit, ihrer Unfähigkeit, ihrer Häßlichkeit, ihrer Machtlosigkeit.

Und sie protestieren, wenn man sie ändern will!

Noch letzte Nacht stieg ich dort hinab... Es war so grau und öde und... uff! Banal, ohne Leben. Wenn man ihnen das sagt, antworten sie: "Aber nein! Das ist sehr gut so, Sie sind es, die in den Träumen leben!"

Nun, wir werden herauskommen.

Ah! Solange es einem völlig natürlich erscheint, kann man nicht herauskommen. Das ist das Unglück, wenn man resigniert. Das sieht man: wenn man zu vergangenen Bewußtseinszuständen zurückkehrt, sieht man, daß es einem wenn nicht völlig natürlich, so doch zumindest zwangsläufig erschien – "das ist so", "man muß die Dinge nehmen, wie sie sind". Und man denkt nicht einmal; man nimmt sie, wie sie sind, man ERWARTET, daß sie so seien, wie sie sind; die Substanz eines jeden Tages, die sich unermüdlich wiederholt. Und das einzige, was man lernt, ist sich zu halten, zu halten, sich nicht erschüttern zu lassen, all das durchzustehen; und man hat den Eindruck, es kennt kein Ende, ist endlos, beinahe ewig (erst wenn man versteht, was das Ewige ist, sieht man, daß das nicht ewig SEIN KANN, sonst...).

Jedenfalls ist dieser Zustand der Ausdauer sehr gefährlich: diese Ausdauer, die sich von nichts erschüttern läßt. Und dennoch ist er unerläßlich, denn man muß alles akzeptieren, bevor man irgend etwas transformieren kann.

Das hatte Sri Aurobindo stets gesagt: ZUERST muß man ALLES akzeptieren – akzeptieren als vom Göttlichen kommend, als den göttlichen Willen; ohne Abscheu akzeptieren, ohne Bedauern, ohne Kummer, ohne jegliche Erregung. Mit vollkommenem Gleichmut akzeptieren. Und erst DANACH könnt ihr sagen: jetzt wollen wir daran arbeiten, daß sich das ändert.

Doch an einer Änderung zu arbeiten, bevor man den vollkommenen Gleichmut erreicht hat, ist unmöglich. Das habe ich in diesen letzten Jahren gelernt.

Und das gilt für jedes Detail. Zuerst: "Möge Dein Wille geschehen", und dann, danach: "Der Wille von morgen" – das hier, das muß verschwinden. Doch zuerst akzeptieren.

Deshalb dauert es so lange. Denn jene, die leicht akzeptieren, sind... sie verkrusten, versanden leicht darin: sie regen sich nicht mehr. Und jene, die die Zukunft sehen, das sehen, was sein soll, denen fällt es schwer zu akzeptieren: sie sträuben sich, protestieren, schlagen aus – und deshalb haben sie nicht die Macht.

*
*   *

(Kurz darauf, bezüglich des Gesprächs vom 5. November über die unterbewußte Wurzel der Zellen, die in einer einzigen Sekunde alles verwirren kann: "Man muß dort hinabdringen, um das zu verändern. Das verursacht schlechte Stunden. Wenn es getan ist, werde ich die Kraft haben ...")

Von wann stammt dieser Text? Vom 5. November? Und jetzt ist der 17. Dezember... Es geht weiter, gut!

Wir bräuchten Geräte, um die Kurve aufzuzeichnen, es ist so... Manchmal geht es so (pfeilartig), dann hat man den Eindruck: "Jetzt ist es soweit! Ich habe es erwischt." Und dann fällt es zurück – die mühselige Arbeit. Manchmal meint man in ein Loch zu fallen, ein wirkliches Loch, und wie herauskommen? Und das geht IMMER einem pfeilartigen Aufstieg voraus, einer Offenbarung, einer Erleuchtung: "Wunderbar! Jetzt ist es soweit."

Und so geht es weiter, Woche über Woche.

Man müßte alles aufzeichnen, um die genaue Kurve oder die WAHRE Geschichte zu bekommen; jede Minute müßte aufgezeichnet werden, denn es ist eine STÄNDIGE Arbeit, die abläuft. Die äußeren Aktivitäten werden beinahe automatisch, und das verläuft dahinter: ich spreche, und das geschieht gleichzeitig im Hintergrund.

Und es ist eine wirklich sehr interessante Oszillation zwischen zwei Extremen: die Allmächtigkeit und überragende, maßgebende Wichtigkeit des Physischen – und seine vollkommene Unwirklichkeit.

Die ganze Zeit wechselt es hin und her zwischen den beiden (Geste einer Wippe). Und beide sind gleichermaßen falsch, gleichermaßen wahr.

Die ganze Zeit zwischen den beiden, und eine Art Kurve, wie elektrische Funken zwischen den beiden: es steigt auf, geht hinab, fällt nach unten, steigt wieder auf. Plötzlich hat man die deutliche Vision, daß die universelle Verwirklichung sich mit der Perfektion der materiellen IRDISCHEN Welt vollziehen wird (ich sage irdisch, weil das noch außergewöhnlich ist: anderswo im Universum ist es nicht dasselbe – dieses kleine Staubkörnchen dort, das sich bläht und von maßgebender Bedeutung wird!). Und in anderen Augenblicken ist es die Ewigkeit, in der die Universen nur... der Ausdruck einer Sekunde sind, und all das ist nur eine Art... nicht einmal ein Spiel, für das man sich interessiert, sondern etwas... ein Atem, der kommt und geht, kommt und geht... Dann erscheint die ganze Bedeutung, die wir den materiellen Dingen schenken, so ungeheuer idiotisch! Und es wechselt hin und her... Wenn dieser Zustand hier ist, ist er offensichtlich, unbestreitbar. Wenn der andere hier ist, ist er offensichtlich, unbestreitbar. Und zwischen den beiden gibt es ALLE Kombinationen und alle Möglichkeiten!

(Schweigen)

Das Problem besteht darin, die beiden so VOLLKOMMEN zusammenzuhalten, daß sie sich nicht mehr widersprechen. Das kommt eine Sekunde – ah! – eine Tausendstel Sekunde so – ah! jetzt! – und dann ist es vorbei, verschwunden. Man muß von neuem beginnen.

(Schweigen)

Vor allem das, dieses Gefühl des "Bedeutsamen" und des "Bedeutungslosen": das ist etwas, was völlig verschwindet, keine Spur davon bleibt. Man bleibt so, mit... nichts. Es gibt KEINEN MASSTAB der Bedeutung, das ist ausschließlich unsere mentale Dummheit: entweder ist nichts bedeutend oder ALLES ist GLEICHERMASSEN bedeutend.

Das Staubkorn dort, das man wegwischt, oder die ekstatische Andacht – es ist GENAU DASSELBE.

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