SITE OF SRI AUROBINDO'S & MOTHER'S  YOGA
      
Home Page | 02 Bande

Mutters

Agenda

zweiten Band

7. April 1961

X sagte mir, es geht dir besser?

X weiß nur, was der Arzt ihm sagt. Er fragt den Arzt, und der sagt ihm, was er will. X erklärt ihm: "Ich werde sie völlig heilen", der Arzt erwidert: "Das ist unmöglich, es ist unheilbar!" Darauf sagt X ihm: "Sie haben keinen Glauben", und der Arzt antwortet: "Sie leben in Illusionen"!

Die Wahrheit ist, daß der Körper sich sehr gut verteidigt. Aber es ist eine umfangreiche Angelegenheit. Anscheinend vermehren sie [die Krankheitserreger] sich zu Millionen: bevor man das alles beseitigen kann, vergeht einige Zeit! Sie kreisen, spazieren herum. Manchmal stechen sie während zwei, drei, vier Stunden, nachts, von innen nach außen. Sie "picken" wie Feuernadeln. Und das geht überall hin, in die Beine, die Arme, den ganzen Körper – sie amüsieren sich eben! Aber es läßt nach: den Beinen geht es besser. Es ist noch nicht ganz in Ordnung, aber das wird kommen. Das ist nichts.

*
*   *

Später:

Jedesmal wenn X kommt, verschärfen sich alle Schwierigkeiten aufs Höchste: sie werden wie absolut. Und ich verstehe gut: das ist, weil seine Macht in einem Bereich wirkt, der voll davon ist, ein Bereich!... Der Bereich der menschlichen Kleinheit. Schrecklich! Und wir haben das noch nicht verlassen: Streitereien, Trennungen, Unverständnis, schlechter Wille, all das... Ich verstehe gut: das ist nötig, um es zu heilen. Aber das bereitet mir eine ungeheure Arbeit, ungeheuer!

Nun...

Bei dir ist es sehr deutlich: jedesmal, wenn er kommt, ist es, als verdrehte sich alles. Und das hat keinen anderen Grund als den Konflikt zwischen der Kraft, die er herabzieht (natürlich unterstütze ich, daß sie herabkommt, wenn er hier ist!), und den inneren Widerständen. Das ergibt den Widerspruch, der immer ausgeprägter wird.

Das beschleunigt die Arbeit, aber es macht sie etwas... mühsam.

Er steckt noch in dieser Art zu arbeiten, die darin besteht, alle Hindernisse zu beseitigen – genau das Gegenteil von dem, was Sri Aurobindo tat. Sri Aurobindo nahm sie so (Mutter breitet die Arme aus, um alles aufzunehmen), und dann wirkte er auf sie ein, damit sie keine Hindernisse mehr seien. Doch X, das erste, was er sagte, als er im Ashram ankam, war: "Oh, hier sind viele Elemente, die nicht hier sein sollten!" Und er spricht von "Bereinigung": ausmerzen, ausmerzen, ausmerzen. Das würde bedeuten, das ganze Leben auszumerzen, das nicht dem Göttlichen antwortet – was bliebe übrig?

Gewiß hat er Sri Aurobindos Yoga nicht verstanden. Es ist auch nutzlos, ihm das erklären zu wollen.

Er fängt an zu verstehen. Nach einem Jahr hat er angefangen zu verstehen. Jetzt versteht er viel besser, nur ist er in seiner Konstruktion eingeschlossen. Er hat nicht diese Persönlichkeit, für die die Erde winzig klein ist. Das ist im Grunde, was es bei Sri Aurobindo erfordert: die Erde muß zu einem winzigen Erfahrungsfeld werden... innerhalb einer Ewigkeit.

Aber das ist schwierig.

*
*   *

(Nach der Arbeit schneidet Mutter ein anderes Thema an:)

Ich lese weiter im Veda. Einige Tage war ich gezwungen aufzuhören, weil ich Halsschmerzen bekommen hatte, die mich behinderten. Jetzt fing ich jedenfalls wieder an.

Im Grunde wurde das von Leuten geschrieben, die sich einer radikalen Erfahrung erinnerten, die zu einem bestimmten Zeitpunkt auf der Erde stattfand, um ein Beispiel für das zu geben, was sein wird. (Das geschieht immer so im Yoga: man hat eine erste radikale Erfahrung, wie eine Verkündung der zukünftigen Verwirklichung, die man zu erreichen hat.) Und im irdischen Yoga – dem Yoga der Erde, des Planeten Erde – kam das in einem bestimmten Augenblick. Jene, die sie die forefathers [die Vorväter der Menschen] nennen, müssen durch ihre Anstrengung und ihr Yoga zumindest das Bildnis der supramentalen Verwirklichung erreicht haben. Und die Verfasser der Veden, die diese Hymnen aufsetzten, erinnerten sich daran oder erhielten die Überlieferung dieser Erfahrung. Und das, mein Kind, das gibt mir immer denselben Eindruck wie beim Lesen des "Yoga der Selbst-Vervollkommnung" in The Synthesis of Yoga: (Mutter stöhnt) eine solche Kluft liegt zwischen dem, was wir jetzt sind, dem jetzigen Leben auf der Erde, dem menschlichen Bewußtsein, selbst bei den Erleuchtetsten, den Fortgeschrittensten, und DEM!...

Ich weiß nicht, ob ich das so empfinde, weil ich jetzt gerade so heftig von all diesen bösartigen Energien angegriffen wurde – gemartert wie mit Hammerschlägen –, doch ich hatte jedenfalls ein sehr einschneidendes Gefühl der ENORMEN Unermeßlichkeit, die zu bewältigen wäre... damit DAS verwirklicht werden kann.

(Schweigen)

Wenn die äußeren Schwierigkeiten sich beschwichtigen, wenn der Körper passiv und ruhig wird und seine Aufmerksamkeit nicht ständig beansprucht ist, wenn man in diesem supramentalen Bewußtsein leben kann, dann erscheint es einem nicht so schwierig: man empfindet das so stark... als eine so siegreiche Essenz, daß es alle Schwierigkeiten überwinden wird.

Aber dazu muß man ein wenig oben bleiben können, in diesem Bewußtsein; nicht die ganze, ganze Zeit nach unten gezogen werden und in jeder Minute kämpfen müssen, um DURCHZUHALTEN – in allen Hinsichten durchhalten: nicht nur persönlich, sondern kollektiv. 1 Ein Kampf jeder einzelnen Minute, um durchzuhalten. Wie lange muß man durchhalten, bis es getan ist?

Deshalb ist es eine schwierige Zeit.

Bei allen hier bekam die Gesundheit einen Knick. Viele Leute sind krank. Die Krankheiten sind ernsthafter. Es gab einen Knick.

Natürlich muß man das immer mit dem Lächeln betrachten (ich betrachte es auch mit dem Lächeln), aber ich muß sagen... die enthusiastische Seite (die Inbrunst, der Enthusiasmus) bekam einen Schlag. Das heißt, es gibt keinen Grund zur Überschwänglichkeit, wir haben Zeit.

Wir müssen einfach weitergehen. Weiter voranschreiten: ein Schritt nach dem anderen, ein Schritt nach dem anderen, ohne sich zu fragen, wieviele Schritte es noch erfordert, ohne sich zu erinnern, wieviele Schritte man getan hat.

Im Grunde ist das, was man tun muß: immer die gegenwärtige Minute sehen, den gegenwärtigen Augenblick, immer in der Gegenwart leben, mit Beharrlichkeit (Mutter setzt eine Faust auf die Armlehne, dann eine weitere und so fort, wie ein beharrliches, langsames, unbeirrbares Fortschreiten).

Dennoch schien Sri Aurobindo zu sagen, wenn das Supramental herabkäme, würde es leichter werden.

Ja, das ist offensichtlich! Aber leichter als was, mein Kind?

Ich weiß nicht. Er schien zu sagen, die Arbeit würde leichter sein. Gerade jetzt las ich Texte von ihm... Was ist geschehen, daß es nicht so ist? Überall schien er zu sagen: die Dinge werden leichter sein, die Arbeit wird leichter werden...

Aber ja. Doch "leichter" ist nur ein Vergleichswort.

Du meinst, es ist trotz allem leichter als vorher?

Oh ja! Das heißt, jetzt geschieht es, während es vorher nicht geschah.

Ah!...

(Schweigen)

Es geschieht nicht "wunderbarerweise". Das menschliche Mental... im Grunde braucht es immer etwas Wunderbares, damit es zufrieden ist. In seiner Vorstellung verband der Mensch das Wunderbare mit dem Göttlichen. Ich weiß es, weil ich damit geboren wurde. Als ich ganz klein war, fühlte ich so. Und nur weil das Leben mir die Widerlegungen gab – mit einer extremen Brutalität –, überkam mich diese... ja, vernünftige und nüchterne Einstellung. Neulich erzählte ich dir das, es ist abscheulich! (Mutter lacht) Die ganze schöne Blume ist weg... Das sind die Schläge des Lebens. Denn ich wurde geboren mit diesem Gefühl, daß... ja, daß die Wahrheit etwas Wunderbares ist, das nur zu erscheinen braucht, um sich durchzusetzen.

So wird es sein, ohne die gegnerischen Kräfte.

Das Universum wäre so, wenn es nicht diesen Abweg der gegnerischen Kräfte gegeben hätte – das sehe ich sehr deutlich. Die Perversion, die kaltblütig grausame Perversion von absoluten schlechten Willenskräften verhindert, daß es so sei. Und das ist der Eingriff von... Sie sagen alle, es war ein "Unfall", aber was nützt es, das einen "Unfall" zu nennen! Die Tatsache bleibt.

Die gegnerische Kraft verhindert, daß das Göttliche in wunderbarer Weise erblüht, sobald es auftritt. Denn ich weiß: überall dort, wo die Materie, so wenig es auch sei, nicht unter dem Einfluß dieses gegnerischen Willen steht, erblüht sie augenblicklich. Und im menschlichen Herzen, im menschlichen Bewußtsein, im menschlichen Denken erblüht alles, was ein wenig von diesem gegnerischen Einfluß abgeschirmt ist (abgeschirmt durch das Psychische, durch die göttliche Gegenwart), das erblüht und wird... wird sofort wunderbar, ohne Hindernisse – alle Hindernisse stammen von dort. Deshalb ist es schön und gut zu sagen, es war ein "Unfall", aber...

Offensichtlich kann es wiedergutgemacht werden, ohne den leisesten Zweifel, aber um welchen Preis? Und wie viel es die Sache verkompliziert.

Uns wird gesagt, hinterher wird es noch viel schöner sein – davon bin ich überzeugt, absolut; ich zweifele keine Minute, aber...

So, wie die Welt ist... Selbst wenn man in den vollkommensten Höhen bleibt, kann man sie nicht anders als schmerzlich nennen. Sie ist schmerzlich.

Weißt du, es passierte mir in den höchsten Erfahrungen der vollkommenen Einheit mit einer wunderbaren Liebe, mich der Welt zuzukehren – einfach das Bewußtsein eine Sekunde zur Welt, wie sie ist, zu wenden (ich erinnere mich, es war die Aspiration, daß ALLES teilhabe), und in diesem Zustand der Ekstase war das wie... Tränen von brennendem Schmerz. So kam es.

Theoretisch dürfte es das nicht geben, aber tatsächlich ist es so. Etwas wird erst dann vollkommen sein können, wenn dieser Unfall aufgelöst wurde.

Das ist meine Erfahrung.

Und um diese Erfahrung zu erreichen, durchschritt ich den Zustand der höchsten Gleichgültigkeit, wo die gesamte irdische Manifestation eine Illusion ist; ich ging durch das, und jenseits davon hatte ich diese Erfahrung. Jenseits davon... im Augenblick der höchsten Ekstase, da war es wie Tränen von Feuer, von Schmerz.

(Schweigen)

Manchmal kommt mir der Gedanke, ob eine außerordentliche Tapasya das erreichen könnte...

Aber...

(Schweigen)

Doch die unerläßliche Grundlage ist ein unbezähmbarer Mut und eine Ausdauer trotz aller Widrigkeiten – von den materiellsten Körperzellen bis zum höchsten Bewußtsein, von ganz oben bis ganz unten, überall. Sonst taugt man zu nichts.

Und ich bin wirklich in den günstigsten Umständen, denn mein Körper sagt Ja; er sagt: "Ja, ja, ja" – er beschwerte sich kein einziges Mal (vielleicht war das die Bedeutung dieser Krankheit und dieser Schwierigkeiten).

Noch vorige Nacht (nicht letzte Nacht, sondern die davor) wurde ich um Mitternacht von diesen brennenden Stichen geweckt (nicht "geweckt", aber ich kam aus meiner Trance), brennende Stiche von innen nach außen, von den Fußspitzen bis hier, überall, im Rücken... das dauerte vier Stunden, ohne Unterbrechung. Mein Körper beschwerte sich kein einziges Mal. Er bat kein einziges Mal, daß es aufhöre; er blieb ruhig und sagte: "Möge Dein Wille geschehen." Sagte es nicht nur, sondern FÜHLTE es, ruhig – vier Stunden kleiner Torturen. Er sagte nichts.

Daß ich nichts sage, ist Grundvoraussetzung! Aber er sagte nichts, sorgte sich nicht einmal, hatte nicht einmal dieses Gefühl: "Wann wird es endlich vorüber sein?" – Nichts. Er blieb ruhig, ruhig. Ich war wie eine Statue in meinem Bett, und die Stiche kamen von oben bis unten. Deshalb kann ich mich wirklich nicht beschweren! Das Instrument, das mir gegeben wurde, ist wirklich von guter Qualität. Ein guter Wille trotz aller Widrigkeiten.

Aber daß es teuflisch ist, läßt nicht den geringsten Zweifel.

(Schweigen)

So, mein Kind.

Und wirklich, wenn du mir eine Freude machen willst (ich glaube, du willst mir eine Freude machen!), dann konzentriere dich auf das Buch über Sri Aurobindo – du kannst dir nicht vorstellen, wie sehr mich das interessiert! Und wie sehr ich SEHE (nicht mit diesem kleinen Bewußtsein), in die Zukunft sehe: das hat eine große, große Bedeutung und wird eine große Wirkung haben. Deshalb möchte ich dir jetzt den Weg freiräumen, damit wir die Zeit haben.

Ich werde sicher mentale Ruhe brauchen, um die Arbeit vorzubereiten. 2

Ja, ja, natürlich.

Das Durchlesen abschließen und es in Ruhe aufnehmen. Wenn ich nicht die Inspiration empfangen kann, fühle ich mich völlig unfähig zu schreiben.

Aber nein! Du wirst sie empfangen.

Ja, darin habe ich Vertrauen.

Für mich besteht nicht der geringste Zweifel. Es ist Gewißheit. Gewißheit.

Ich habe X nie etwas gesagt oder geschrieben, aber durch die mentale Verbindung sagte ich ihm zahllose Male: "Satprem hat ein UNENDLICH wichtigeres Werk zu vollbringen als Mantras zu wiederholen. Daß es ihm eine Hilfe sein mag, sich zu disziplinieren, ist schön und gut, aber es ist nicht mehr als das. Durch Wiederholen von Mantras wird er nicht sein Werk erfüllen, er hat etwas zu tun und er wird es tun." Ich habe es ihm in den Kopf gehämmert (Mutter lacht).

So, mein Kind, bis morgen.

 

1 Seit einigen Tagen sind die Ashramkassen vollkommen leer, Mutter verkaufte ihre letzten Schmuckstücke.

Rückwärts zum Text

2 Satprem meint die umfangreiche materielle Arbeit, die er zusätzlich zu sieben Stunden Japa täglich zu verrichten hatte.

Rückwärts zum Text

 

 

 

 

 

 

 

in French

in English