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Mutters

Agenda

zweiten Band

15. April 1961

Ich bin in einem Zustand wie... nicht existent.

Nicht existent, weil...

Ich will lieber nichts sagen, arbeiten wir.

*
*   *

Später, nach der Arbeit:

Alle möglichen Dinge steigen vom Unterbewußten auf. Anstatt sich zu erheben, scheint man die ganze Zeit nach unten zu gehen.

Oh! Das Unterbewußte! Das ist eine Invasion, jede Nacht, was für Dinge... das gesamte Unterbewußte kommt, kommt, kommt – nicht nur meines, sondern von allen. Es scheint kein Ende zu nehmen.

Aber nun, ich habe mir angewöhnt zu vergessen – ich vergesse. Denn als ich mich erinnerte, mußte ich ganze Tage lang damit kämpfen. Jetzt lösche ich es beim Aufwachen, mit einem Schlag – geh! Fort!

Doch die ganze Nacht bin ich mir einer Vielzahl Dinge bewußt – man kann nicht sagen Banalitäten, aber... Es ist, als ob alles nur mögliche käme und mir sagte: "Du glaubst, es wird eine supramentale Transformation geben? Aber sieh: das, und das, und das, und dieser, und jener, und diese Umstände, und jenes, die Ereignisse, die Welt, die Leute, die Dinge..." Oh! Eine Flut.

Abends vor dem Einschlafen lese ich den Veda, was die Lage verschlimmert. Diese Leute erinnern sich an eine supramentale Verwirklichung (erinnern sich selber oder hörten zumindest davon sprechen). Da malen sie euch das mit schönen Beschreibungen aus, und dann spürt man, wie fern wir davon sind, wie fern...

Ja.

Danach konzentriere ich mich stundenlang und bete – "bete" nicht wörtlich, aber... (Geste der nach oben gewandten offenen Hände), bitte.

Aber jetzt habe ich erreicht, daß ich vollkommen von ALLEM losgelöst bin. Von allem, allem, allem. Von meinem Körper, von der Arbeit, den Ideen, den Vorstellungen, sogar die... alles, alles, alles – das erscheint mir vollkommen... fahl und nicht-existent.

Vorher empfand ich Freude bei einer schönen Idee oder einer schönen Erfahrung – all das ist vorbei. Ich bin in einem Zustand, wo absolut gar nichts von Wert ist außer EINER EINZIGEN SACHE.

(Schweigen)

Ich könnte etwas Ungeheures sagen... (Mutter beginnt zu sprechen, dann hält sie sich zurück)

Und es ist nicht wahr, so ist das nicht. Wenn ich es sage, dann wird es etwas, was nicht ist.

Es ist besser, nichts zu sagen.

Das ist nicht, um dich zu entmutigen.

Ach, weißt du, es gibt auch nichts Ermutigendes.

Nein. Das ist offensichtlich unerläßlich.

Ich habe das Gefühl, noch nie so tief gewesen zu sein wie jetzt.

Tief? Nein, du bist nicht tief – ich sehe dich ja auch. Du bist Teil der Dinge, die ich sehe – nein, es ist nicht wahr. Es ist nicht wahr. Du bist viel besser, als du warst! (Mutter lacht)

(Schweigen)

Aber weißt du, ich glaube, was jetzt verschwunden ist, das ist dieser ganze illusorische Enthusiasmus. Man verwechselt ihn mit... Sri Aurobindo spricht sehr häufig davon, und jedesmal, wenn ich diesen Satz von ihm las, war es wie eine eiskalte Dusche (Mutter lacht). Ich weiß nicht mehr genau, welche Worte er nimmt, aber er verwendet zwei Worte: illusory hopes [vergebliche Hoffnungen]... all the human illusory hopes [all die vergeblichen menschlichen Hoffnungen]. Das macht plumps! Und all das ist völlig verschwunden... Ich entfernte es absichtlich, denn ich sah das und sagte mir: ja, wir päppeln uns immer mit Hoffnungen hoch...

(Mutter wendet sich zum Tonbandgerät) Das lohnt sich nicht. Heb das alles nicht auf, hebe es bloß nicht auf. Das ist völlig nutzlos, lösche es.

Nun, es ist einfach so eine Zeit, das ist alles.

*
*   *

Beim Weggehen

Wenn ich über Stunden so ruhig bleiben könnte, ohne Briefe, ohne... Oh! Ohne diese Leute zu empfangen – vielleicht ginge es dann schneller?... Ich weiß es nicht.

Warum machst du nicht für einige Zeit eine Unterbrechung?

Kann nicht.

Eine wirkliche Unterbrechung für eine bestimmte Zeit, dann...

Unmöglich, ich kann nicht. Sogar vor zwei Jahren, als ich wirklich krank war und mich zum ersten Mal nach oben zurückzog, konnte ich nicht. Ich kann es nicht tun. Das ist nicht möglich.

Trotzdem gibt es doch sicherlich Dinge, die du einschränken könntest?

Ja, wenn ich es ein wenig einschränken könnte, wäre es besser.

(langes Schweigen)

Ah! Kind... (Mutter bleibt lange vertieft)

Am 24. sind es wieviele?... Einundvierzig Jahre, seit ich hierher kam. Und ich habe mich nicht von hier gerührt.

Das ist sehr seltsam, es liegt kein Zeitraum zwischen damals und jetzt. Ich kann es nicht erklären... Ich habe überhaupt nicht das Gefühl der Zeit, überhaupt nicht.

Nun...

(langes Schweigen)

Mein einziger Eindruck, mit dem ich ständig lebe, ist dieser: etwas, das gegen eine ungeheure Welt von Hindernissen DRÄNGT, mit einer Gewißheit, daß auf einmal der Widerstand nachgeben wird... und es wird die Erleuchtung sein – nein, viel mehr als das!

Das ist alles.

Und ich bin nur noch das (Mutter schiebt langsam ihren Arm nach vorne, mit geschlossener Faust, wie um ihre angespannte Kraft zu zeigen, die beharrlich drängt).

(Mutter steht auf)

Die ganze Nacht und immer, wenn die Aufmerksamkeit nicht von der einen oder anderen Sache beansprucht wird (und sogar dann noch wie hinter einem Schleier), bin ich nur noch eine Kraft, die schiebt. Ich bin das geworden.

(Schweigen)

Nein, mache dir keine Sorgen. Es ist nicht wahr, daß du weniger gut bist.

Oh, ich habe das Gefühl, wir begehen ständig Verrat – verraten dich.

Verrat? Oh!... Ich auch, ich habe auch das Gefühl, daß ich mich selbst verrate – also verstehst du!

Im Grunde ist es das: ohne es zu wissen, wirst du dir des Wahren Selbst bewußt, dort (Geste), da hat man ständig den Eindruck, daß man Verrat verübt. Aber das ist weder "du" noch "ich" noch "er", nichts – es ist DAS, was wir verraten. Alles, was wir sind, ist ein Verrat gegen Das. Genau so ist es. Und wir müssen die ganze Zeit drängen, drängen, drängen, um jenseits davon zu kommen.

Alles geht gut, sorge dich nicht. Wenn du etwas besorgt bist, brauchst du nur zu denken: "Mutter ist hier, sie wird die Arbeit tun."

Und habe keine Zahnschmerzen mehr! Ich habe es nicht gerne, daß du Zahnweh hast.

(Schweigen)

Auf Wiedersehen, mein Kind. Sei beruhigt, sei beruhigt.

Eine Bewegung... das ist alles.

Wir sind alle in Bewegung.

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