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Mutters

Agenda

zweiten Band

2. Juni 1961

(Über ein altes Entretien vom 13.3.1957, wo Mutter sagt: "Und ist nicht schließlich der beste Freund, den wir haben können, das Göttliche? Das Göttliche, dem man alles sagen, alles unterbreiten kann, weil es die Quelle aller Barmherzigkeit ist, aller Macht, den Fehler auszulöschen, wenn er sich nicht mehr wiederholt..." Satprem fragt überrascht:)

Aber wenn der Fehler sich nicht mehr wiederholt, ist es kein Problem! Müßte er nicht gerade dann ausgelöscht werden, wenn er sich wiederholt?

Die göttliche Macht, die göttliche Gnade kann die Folgen vergangener Fehler (ihr Karma) im Wesen löschen, wenn man seine Fehler nicht wiederholt. Solange man sie wiederholt, kann nichts ausgelöscht werden, weil man es augenblicklich wieder erzeugt. Aber wenn ein Wesen einen schwerwiegenden Fehler begangen hat (schwerwiegend oder nicht, aber man sorgt sich vor allem über die schwerwiegenden), dann haben diese Fehler ihre Folgen im Leben, ein Karma, das abgetragen werden muß. Wendet ihr euch aber an die göttliche Gnade, so hat sie die Macht, das auszulöschen, die Folgen zu beseitigen – doch damit das geschehen kann, damit die Gnade es tut, dürft ihr auf eurer Seite nicht wieder damit anfangen, darf der begangene Fehler sich nicht wiederholen. Die Vergangenheit kann vollkommen gereinigt und ausgelöscht werden, unter der Voraussetzung, daß ihr nicht eine immerwährende Gegenwart aus ihr macht.

Dort sagte ich das in einem Satz, aber ich wollte nicht, daß die Leute glauben, sie könnten endlos dieselbe Dummheit wiederholen, und die Gnade würde endlos alle Folgen tilgen. 1 So geht das nicht! Die Vergangenheit kann so weit gereinigt werden, daß sie keinerlei Einfluß auf die Zukunft mehr hat, aber nur unter der Voraussetzung, daß ihr selber die schlechte Vibration in euch abstellt, daß ihr diese Vibration nicht endlos weiter hervorbringt.

Ich weiß, warum ich keine Erklärungen gab, als ich sprach: wegen der Intensität der Erfahrung. In Prières et Méditations ist es etwas Ähnliches. Ich erinnere mich an eine Erfahrung, die ich in Japan hatte, die dort notiert ist... (Mutter sucht die Stelle und liest unter dem 25.11.1917:)

Du bist der Freund, der nie versagt,

die Macht, die Stütze und der Ratgeber.
Du bist das Licht, das die Schatten vertreibt,
und der Eroberer, der den Sieg bestimmt...

Das war eine Reihe von Erfahrungen, die von äußeren Umständen ausgelöst wurden. Dann spreche ich von den Tränen, die man nicht um seiner selbst willen weint, sondern für die anderen (Mutter liest eine Stelle vom 12.7.1918:)

Wenige Tage zuvor hatte ich erfahren, gehört:
"Wenn du vorbehaltlos und aufrichtig
vor Mir weinst, werden viele Dinge
sich ändern, ein großer Sieg wird errungen sein."
Deshalb kam ich und setzte mich vor Dich,
als die Tränen von meinem Herzen in die Augen stiegen,
um sie in Ergebenheit als Opfer fließen zu lassen.
Und wie sanft und tröstend war dieses Opfer!

Und auch jetzt noch, wo ich nicht mehr weine,
fühle ich Dich so nah, so nah, daß mein ganzes Wesen
in Freude erbebt.

Laß mich meine Gabe 2 stammeln:
In kindlicher Freude rief ich Dir zu:

O Du, der Höchste, Einzige Vertraute, der Du
im voraus alles weißt, was man Dir sagen wird,
weil Du dessen Quelle bist.
O Du, der Höchste, Einzige Freund, der uns akzeptiert
und uns liebt und uns versteht, wie wir sind,
weil Du selbst uns so schufest.
O Du, der Höchste, Einzige Ratgeber, der nie
unserem höheren Willen widerspricht, weil Du selbst
in ihm willst; es wäre ein Wahn, anderswo als in Dir
nach Gehör, Verständnis, Liebe, Rat zu suchen,
denn Du bist stets zugegen, uns zu hören,
und Du wirst uns nie im Stich lassen.

Du ließest mich die höchsten Freuden kennen,
die erhabensten Freuden des vollkommenen Vertrauens,
der völligen Sicherheit, der gänzlichen, vorbehaltlosen,
ungeschminkten Hingabe, ohne Mühe oder Einschränkung.

Freudig wie ein Kind lächelte und weinte ich zugleich
vor Dir, O mein Wohlgeliebter...
Das war unter sehr tragischen Umständen.

Und das erlebte ich wieder [während des Entretiens vom 13.3.57], deshalb wollte ich keine Erklärungen geben.

Tragische Umstände?

...Jedenfalls wurde danach entschieden, nach Indien zurückzukehren – danach konnte ich es durchsetzen, nach Indien zurückzukommen. Da waren alle möglichen Projekte und Dinge... Fast wären wir sogar nach China gereist, oh!... Aber danach wurde es entschieden: Rückkehr nach Indien.

*
*   *

Nach der Arbeit:

D fragte mich, ob es große Bedeutung hätte, wenn sie die Zeit ihres Japas änderte. Ich antwortete ihr, daß man notfalls die Zeit ändern kann, solange man nur aufrichtig ist – dies ist das Wichtige.

Das sind kleine Details. Ich kann das Japa auch nicht zu festen Zeiten machen: ich wollte es immer nachmittags zwischen fünf und sechs tun, aber sie lassen mich erst um zehn vor sechs nach oben gehen!... So mache ich es von sechs bis sieben.

Im Grunde habe ich erkannt, wenn ihr selber im richtigen Zustand seid, dann stellt sich augenblicklich die richtige Atmosphäre ein. Darüber hinaus bin ich die ganze Zeit in... es ist nicht einmal eine Überzeugung, sondern eine ABSOLUTE Wahrnehmung, daß alles, was geschieht, das Werk des Herrn ist. Und wenn Er mich mit Verspätung nach oben kommen läßt, dann will Er eben, daß es spät sei. Wenn ich es dann gut aufnehme und, anstatt mich zu verschließen und verärgert zu sein, sage: "Gut, in Ordnung", dann stellt sich sofort eine sehr interessante Atmosphäre ein, weil ich gleichzeitig all die Vorteile dieser Änderung erkenne. Aber das darf nicht mental sein: es muß spontan kommen.

Deshalb sagte ich ihr (um es einfach auszudrücken): solange du in deiner Einstellung aufrichtig bist, geht alles gut.

*
*   *

Später:

Etwas Interessantes ist geschehen. Ich übersetze gerade The Yoga of Self-Perfection. Das erste Mal, als ich es ansah, fühlte ich eine Anspannung, jetzt ist es ein Entzücken! Und ich tat nichts dazwischen: ich ließ es einfach innen arbeiten – das ist angenehm!

Meine Übersetzung ist in schlechtem Stil geschrieben, ein sehr unfranzösisches Französisch, aber für mich ist es klar und verständlich.

Ich sehe, daß man sehr wohl schnell übersetzen könnte, aber dazu muß man sich in einen anderen Bereich versetzen. In einem bestimmten Bereich ist es mühselig, schrecklich, schwierig, und das Ergebnis ist nie sehr befriedigend. Aber es ist nicht, wie ich dachte: die Ebene des Verständnisses genügt nicht, sogar die Ebene der Erfahrung genügt nicht: etwas anderes... (wie kann ich das erklären?) wo man die Anstrengung völlig hinter sich läßt. In einem bestimmten Zustand (der wahrscheinlich nicht mehr mental ist, weil man nicht mehr denkt, man denkt überhaupt nicht mehr) da ist alles lächelnd und leicht, und der Satz kommt von alleine. Nein, es ist sehr sonderlich, denn während ich lese, noch bevor ich den Satz zu Ende gelesen habe, weiß ich, was dort steht, und ohne zu warten – fast ohne abzuwarten, daß ich weiß, was dort steht –, weiß ich, was ich schreiben muß. Wenn es so geht, kann ich eine Seite in einer halben Stunde übersetzen!

Aber das bleibt nicht – es müßte bleiben. Meistens endet es mit einer Trance: ich verfolge die Erfahrung und bin in einem glückseligen Zustand... und zehn Minuten später merke ich, daß ich mit dem Federhalter in der Hand in diesem Zustand war. Für die Arbeit ist das nicht sehr günstig! Ansonsten... ich kann nicht einmal sagen, es wäre wie wenn jemand diktierte (das ist es nicht, man "hört" nicht): es kommt einfach. Oh, neulich hatte ich einen oder zwei Sätze (und genau das zog mich aus diesem Zustand heraus), ich hatte etwas geschrieben, und plötzlich sah ich, was ich geschrieben hatte, und sagte mir: "Wie schön das ausgedrückt ist!" (Mutter lacht) Plumps! Alles weg.

In diesem Bereich müßte man sein, dann wäre man nie müde.

Aber stell dir vor, um dorthin zu gelangen, muß man akzeptieren, während ziemlich langer Zeit völlig idiotisch zu sein! Ich übertreibe nicht, ich befand mich in Zuständen, wo man nichts mehr versteht, nichts mehr weiß, nichts mehr denkt, nichts mehr will, nichts mehr kann – keine Macht mehr, kein Wille mehr, kein Gedanke mehr, nichts – man ist... so. Und wenn ich so bin (ich WAR so, denn jetzt hört das langsam auf), dann sehe ich die äußere Welt, die Leute meiner Umgebung, die mich anschauen und sich sagen: "Mutter wird wieder kindisch"!... Ihre Vibrationen erreichen mich, und manchmal kann mich das leider erschüttern – ich muß eine Bewegung machen, um mich von den Gedanken der anderen zu befreien.

(Schweigen)

Etwas seltsames überkam mich plötzlich: ich konnte nicht mehr die Treppe hinaufsteigen! Ich wußte nicht mehr, wie man es anstellt! Auch während des Mittagessens ergriff mich das einmal: ich wußte nicht mehr, wie man ißt! Die äußere Welt nennt das natürlich "in die zweite Kindheit fallen". Da stellte ich mir die Frage: all die armen alten Leute, von denen man behauptet, sie werden wieder kindisch, stehen vielleicht an der Grenze... der Befreiung! – Vielleicht.

Mein Gehirn ist in Ordnung!! (Mutter lacht)

Es funktioniert, aber mein Schädel... Weißt du, bestimmte Leute lesen euren Charakter aus der Form des Schädels – es wäre interessant, einen von ihnen meinen Schädel fühlen zu lassen. Mein Kind, da sind Gebirgsketten! Mit Gipfeln und Tälern! Tiefe Rillen, Abgründe, und himalajahohe Gipfel! Und das nimmt zu!

Es nimmt zu?!

Ja, von Jahr zu Jahr! Die Täler werden tiefer und die Gipfel werden höher! Überall! – Sehr interessant.

Viele Jahre lang, bis ich vierzig wurde, war der Schädel hier weich (Mutter berührt den vorderen Teil ihres Kopfes), etwas, das anscheinend völlig beispiellos war. Es war weich und wurde größer (Geste, als öffnete sich der Schädel).Und hier, wenn man darauf drückte... Ich kümmerte mich nicht darum, dann merkte ich auf einmal, daß es wirklich eine ganze Bergwelt ist, hier (Mutter zeigt auf den Hinterkopf): Hügel, Senkungen, Täler – sehr interessant! Es nimmt zu.

Das bedeutet wahrscheinlich, daß es innen immer komplizierter wird!

Einmal fiel ich auf den Kopf und es gab eine Delle (einige Zeit tat es sogar weh), aber seit dieser Zeit ist die Delle immer tiefer geworden, und die Beule wird immer höher. Ich sagte es dem Arzt (denn er war damals gekommen: es blutete, und man sorgte sich, aber es heilte in einem Tag), und er erklärte, das wäre, weil ein Blutstau den Knochen wachsen ließ. Aber das ist eine ärztliche Erklärung.

Es ist sehr interessant.

(Schweigen)

Notwendig ist, ALLES hinzugeben: alles, alle Macht, alles Verständnis, alle Intelligenz, alles Wissen, alles-alles-alles, VOLLKOMMEN inexistent werden – das ist sehr wichtig. Denn was die Dinge erschwert, ist gerade die ganze Atmosphäre: was die Leute von euch erwarten, von euch verlangen, von euch denken – das ist sehr ärgerlich. Man müßte sich die ganze Zeit fächeln, um es zu verscheuchen.

 

1 Unter Mutters Notizen fanden wir die folgende: "Sri Aurobindo sagte mir: "Gib ihnen nicht den Eindruck, sie könnten machen, was ihnen beliebt, und wären trotzdem immer beschützt.""

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2 Im Text heißt es "Ehrerbietung".

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