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Mutters

Agenda

zweiten Band

6. Juni 1961

(Mutter sieht erschöpft aus, Satprem fragt sie, ob sie müde ist:)

Nein... Ich hatte den Veda zu Ende gelesen und wollte The Life Divine anfangen, aber weil ich On Himself 1 noch nicht gelesen hatte, wollte ich das zuerst ansehen und las das erste Kapitel, über sein Leben in England. All das erschien mir so... Oh, warum fragen sie Sri Aurobindo bloß all diese Dinge? Ich weiß, er selber antwortete so (antwortete nicht direkt auf Fragen, sondern berichtigte die falschen Aussagen über ihn), aber das hinterließ einen so schmerzlichen Eindruck!

Wir müssen wirklich etwas herausbringen, was frei ist von all dem: dieses Sammelsurium von Belanglosigkeiten über seinen Vater, über dies und jenes – pah! Diese Dinge gefallen mir nicht.

Ja, es ist ein völliges Durcheinander. Da sind sehr wichtige Briefe, aber vermischt mit allem möglichen Sinnlosen. Zum Beispiel über diese Prüfung beim ICS 2, das sieht aus, als wollte man Sri Aurobindo rechtfertigen!

Ja, als das veröffentlicht wurde [1953], kümmerte ich mich noch um nichts. Das hat mir ein Unbehagen bereitet.

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*   *

(Nach der Arbeit bleibt Mutter lange absorbiert, dann sagt sie:)

Die Subtilität des Problems ist das eigentlich Bestürzende.

Du kannst absolut identische Umstände nehmen (äußerlich und innerlich identisch, das heißt derselbe "Seelenzustand", dieselben Lebensumstände, dieselben Ereignisse, fast dieselben Leute), nicht einmal einen Tag auseinander: im Abstand einiger Stunden, und im einen Fall fühlt der Körper (ich will sagen, das Bewußtsein der Zellen) eine allgemeine Ausgewogenheit und Harmonie, wo alles so wunderbar zusammenpaßt, ohne Reibung, ohne Widerstand: alles funktioniert, ordnet sich in völligem Einklang. Da ist es ein Frieden und eine Freude (nicht mit der Intensität der vitalen Dinge, sondern physisch), alles-alles ist so harmonisch, und man hat wirklich das Gefühl der göttlichen Ordnung in allen Dingen, in allen Zellen – alles ist wunderbar und dem Körper geht es gut. Und im anderen Fall... Alles ist gleich, das Bewußtsein ist gleich und... etwas verflüchtigt sich, und diese Wahrnehmung [der Harmonie] ist nicht mehr da. Aus welchem Grund? – Man versteht es nicht mehr. Und da funktioniert der Körper nicht mehr richtig. Dennoch ist alles absolut identisch: die mentalen Bedingungen, die vitalen Bedingungen, die physischen Bedingungen, all das ist identisch, und plötzlich erscheint alles... meaningless, sinnlos. Man hat trotzdem das volle Bewußtsein der göttlichen Gegenwart, aber... man spürt, daß irgendwo etwas entweicht, und alles wird... Es ist, als liefe man hinter etwas her, das entweicht. Es hat keinen Sinn mehr. Und all das unter absolut identischen Umständen – vielleicht sind sogar die Bewegungen des Körpers identisch (die Funktionsweise des Körpers), aber man empfindet sie als unharmonisch (die Worte sind zu grob, das ist viel subtiler), als sinnlos, ohne Harmonie. Was genau entweicht da? – Es ist unbegreiflich.

Was ist es?

Gestern war alles so wunderbar! Und alles war identisch, absolut gleich, in allen Einzelheiten.

Seltsam, das geschah, nachdem ich dieses erste Kapitel in On Himself las: beim Lesen empfand ich ein Unbehagen im Körper – so leicht, daß es fast unmerklich war, aber dennoch ein Unbehagen, und es blieb während der Nacht. Warum? Im Bewußtsein hatte sich nichts verändert.

Immer mehr habe ich den Eindruck von... Was? Wie das erklären?... Eine Frage der Schwingungen in der Materie. Es ist unbegreiflich. Das heißt, es entzieht sich allen mentalen oder psychologischen Gesetzen: etwas, das unabhängig existiert.

An Fragezeichen mangelt es nicht!

Je tiefer man in die Einzelheiten geht, um so rätselhafter wird es. Man glaubt immer, begriffen zu haben, und wenn man die Dinge so ausdrückt 3, hört sich das sehr nett an, man hat den Anschein, etwas zu wissen, man redet... Aber wenn es an die materielle Anwendung geht!...

Es ist so subtil!... Fast als stünde man an der Grenze zwischen zwei Welten. Es ist dieselbe Welt aber... Sind es zwei Aspekte dieser Welt? Nicht einmal das kann ich sagen. Dennoch ist es DIESELBE Welt: es ist doch alles der Herr, es ist dennoch Er und nur Er, aber... Das ist so subtil: macht man so (Mutter wendet ihre Hand geringfügig nach rechts), ist alles vollkommen harmonisch, macht man so (etwas nach links), uff! Es ist... zugleich absurd, meaningless, ohne Sinn, und mühselig, anstrengend. Und doch ist es DASSELBE! Alles ist dasselbe.

Was ist es?

Man hat so sehr den Eindruck, mit etwas konfrontiert zu sein, daß sich völlig dem Verständnis, der Rationalität, dem Intellekt, allem Mentalen und Intellektuellen (und sogar den höheren Ebenen) entzieht: das ist es nicht, es ist... Wenn man dann etwas Abstand nimmt und große Worte benutzt, würde man sagen: all dies (Geste zur einen Seite) ist die Wahrheit, und all das (andere Seite) ist die Lüge – und es ist DASSELBE! Im einen Fall fühlt man sich getragen – nicht nur der Körper, sondern die gesamte Welt, alle Umstände –, getragen, in einem glückseligen Licht auf die ewige Verwirklichung zuschwebend, und im anderen Fall ist es... (Geste, sich unter einer Last abzumühen), aufreibend, schwer, schmerzlich – GENAU dasselbe! Beinahe dieselben materiellen Vibrationen.

Das ist so subtil und vollkommen unverständlich, daß man wirklich den Eindruck hat, das entzieht sich GÄNZLICH selbst dem höchsten bewußten Willen. Was ist es? Was ist es??

Wenn wir das fänden, hätten wir vielleicht alles – das gesamte Geheimnis.

(Schweigen)

So muß es geschehen sein, daß die Wahrheit zur Lüge wurde. Aber "so" – was ist dieses "so"?

(Schweigen)

Und warum gab mir das Lesen von On Himself dieses Unbehagen?

Oh, gestern war es so schön! Den ganzen Tag lang, und alles-alles-alles war dasselbe: alle Umstände, der Zustand des Körpers, alles. Man kann nicht einmal sagen, im einen Fall ging es dem Körper gut und im anderen ging es ihm nicht gut, das ist nicht wahr, es war alles dasselbe, alles dasselbe. Aber im einen Fall schwebt man, schwebt in einem glückseligen Licht, das euch für alle Ewigkeit trägt, und im anderen ist es, als watete man im Treibsand... ohne klar zu sehen, ohne zu verstehen, benommen, völlig benommen.

Deshalb fiel es mir vorhin [bei der Arbeit] schwer, dich zu hören, weil ich die ganze Zeit mit diesem Problem konfrontiert bin, seit der letzten Nacht, den ganzen Morgen. Ich mußte mich... weißt du, so: (Mutter ballt ihre Faust, als raffte sie sich zusammen), um zu kommen und zuzuhören. Ich wollte niemanden sehen, nichts tun... so bleiben (unbewegt, mit herabhängenden Armen), bis sich das endlich erklären ließ.

Hättest du mich hingegen gestern gesehen... Wahrscheinlich hätte ich nichts gesagt, aber es war so schön! Genau dasselbe, dieselben Leute, dieselben Umstände, dieselben körperlichen Bedingungen. Alles-alles war gleich.

Aber ist dieses Unbehagen nicht etwas wie universelle Wellen – etwas Kosmisches und nicht persönlich?

Ja, natürlich! Es ist Das Universelle Problem. Denn mich beschäftigt nur das...

Etwas, das verschleiert?

...Ich stoße gegen diese Tatsache: wie wurde die Wahrheit zur Lüge? Ich frage es mich nicht intellektuell – das interessiert mich nicht im geringsten –, sondern hier, in der Materie.

Es ist doppelt, es ist doppelt.

Wie ist das geschehen? (Nicht "wie", als Geschichte, sondern der MECHANISMUS.) Und wie dort herauskommen?

Alles, was erzählt wurde, sogar alles, was Sri Aurobindo sagte (in Savitri sagt er am meisten), all das ist notgedrungen... (wie kann man das nennen?) es ist mental, ein spiritualisierter Super-Intellekt. Aber es ist nicht DAS! Es ist eine Form, ein Bild, aber nicht... die konkrete Tatsache.

(Schweigen)

Ich habe eine Art Vorahnung, daß allein der Körper wissen kann – das ist das Außerordentliche!

(Schweigen)

Und wenn der Körper diese Bewegung macht (Geste des Rückzugs von den physischen Erscheinungen) – diese Bewegung der Verschmelzung (ist es "Verschmelzung"?)... nicht mehr der Körper zu sein: das Göttliche zu sein –, das ist etwas... eine Art Abstraktion von etwas (auch das ist noch zu konkret). Manchmal gelingt es, dann schwebt es im Licht. Manchmal gelingt es nur teilweise. Manchmal ist das gesamte innere Bewußtsein dort, voll und umfassend – aber HIER, da bleibt es, wie es ist, idiotisch, völlig idiotisch! Blind, im Treibsand, mühselig (und das ist kein Gedanke, nicht einmal eine Empfindung: ich weiß nicht, was es ist).

Dort vermag der bewußte Wille NICHTS. Vermag nichts. Alles, was er tun konnte, tat er, und er tut es weiterhin in jeder Minute, aber das ist nichts, es ist nicht DAS – was ist es??

Das ist wirklich ein Geheimnis. Wenn wir das gefunden haben, wird es hervorragend sein.

Zugleich gibt es eine Art Vorahnung, wie ein Gefühl im voraus, von einer Allmacht – DIE WAHRE Allmacht. Nichts weniger als DAS kann euch befriedigen, nichts anderes – alles andere ist... nichts.

(Mutter steht auf, um zu gehen)

Gut, mein Kind.

Mach dir keine Sorgen.

Eigentlich ist das der Grund für mein Hiersein, oder!? Es MUSS getan werden, es muß getan werden.

Aber es ist eine greuliche Mühsal.

Alles Yoga, mein Kind, alle Yogas sind Belustigungen, oh, alle Disziplinen sind eine Freude – aber es ist nicht DAS.

Das ist die mühselige Arbeit.

 

1 Sammlung von Sri Aurobindos Briefen über sein Leben, seine Erfahrungen und sein Yoga.

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2 Sri Aurobindo war die Aufnahme beim Indian Civil Service verweigert worden, weil er sich nicht der abschließenden Reitprüfung stellte.

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3 Mutter bezieht sich auf zwei Entretiens, vom 19.6.57 und 17.7.57, die sie gerade für die Veröffentlichung im Bulletin angehört hatte, wo sie über die Ursachen der Krankheiten und den Einsatz des bewußten Willens in der physischen Entwicklung sprach.

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