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Mutters

Agenda

zweiten Band

2. Oktober 1961

Ich hielt eine dieser Blüten 1 in der Hand, als ich Z traf. Da erklärte ich ihm, was ich damit meinte. Ich erklärte ihm die Wirkung des Egos, daß es das Wesen zusammenschrumpfen läßt. Dies ist auch der Ursprung des Alterns: es schrumpft zusammen wie eine welkende Blume, es trocknet aus. Als ich sprach, hatte ich die Erfahrung – jetzt erinnere ich mich nicht mehr. Ich erinnere mich nur noch an die Idee, aber die Idee allein ist nichts. Da war es die Erfahrung.

Ich weiß, daß ich ihm unter anderem den Unterschied zwischen den beiden Zuständen erklärte: einerseits die Person, das persönliche individuelle Wesen, das sich zum Höchsten wendet und ihn anfleht, Seinen Willen zu kennen, und dann diese Erfahrung des Werdens – das Werden durch Ausweiten, Öffnung, Wachstum, Verschmelzung mit der Schöpfung – der Wille des Herrn, der Höchste Wille ZU WERDEN. Man braucht Ihn nicht mehr anzuflehen, man braucht seinen Willen nicht mehr zu "kennen", ihn wie etwas Fremdes zu empfangen: man wird dieser Wille.

In dem Augenblick war die Erfahrung zugegen, und sie war hinreichend eloquent.

Ich nannte Z das Beispiel, die Sache zu SEIN, die man handhabt, und damit nicht nur die Freude des vollkommenen Wissens zu haben – weil man das IST –, sondern auch die Freude der Zusammenarbeit (nicht Zusammenarbeit: die Anteilnahme des gehandhabten Gegenstands). Das gilt von den kleinsten Dingen (zum Beispiel Gegenstände, die man aufräumt) bis zur universellen Transformation in der Neuen Schöpfung – alles befindet sich in derselben Bewegung, die die Grenzen auflöst: die Bewegung der Ausweitung, der Großzügigkeit löst die Grenzen auf. Das beginnt mit einer Selbsthingabe und endet mit der Vereinigung.

(Schweigen)

Dann suche ich noch die Konsequenzen einer wirklich interessanten Erfahrung. Manche Dinge weiß man ("weiß", das heißt man hat das Wissen, aber was bedeutet schon das Wissen! es ist ein WINZIGER Teil der Sache), aber wenn man die Erfahrung der Sache IST, dann wird es interessant... Ich suche, was genau die Falschheit der Welt ist.

All das fing mit einem völlig konkreten und materiellen Vorfall an, etwas sehr Amüsantes (das mir nicht zum ersten Mal passierte, aber diesmal war es so konkret und präzise, daß es interessant wurde). Eine Person, die sich beklagte, krank zu sein, suchte mich auf (aber es war eine schwerwiegende psychologische Krankheit: sie wurde regelmäßig einmal im Monat für eine mehr oder weniger lange Zeit von einem Geist der Falschheit besessen). Als sie vor mir stand, sprang in mir ein tiefes Mitgefühl der Liebe hervor mit einer beträchtlichen konzentrierten Macht, um diese Besessenheit zu entfernen – all das auch äußerlich von Zeichen der Zuneigung begleitet. Diese Person verließ mich, und eine halbe Stunde später erhielt ich einen Brief: "Jetzt weiß ich, daß Sie mich hassen und wollen, daß ich krank bin und daß ich sterbe, weil ich Sie anwidere."

Das war sehr interessant, weil es so konkret war (!). Ich war mir meiner Bewegung des Mitgefühls der Liebe bewußt, und was wurde es im Bewußtsein der anderen!

Das ist sehr leicht zu erklären: sie war bereits mehr als zur Hälfte besessen, und dieser Geist der Falschheit fühlte sich natürlich sehr unwohl in meiner Gegenwart! Doch die Identifikation [der betroffenen Person mit dem Geist] war so vollständig (nicht nur mental, sondern auch vital, in den Empfindungen), daß sie diese Liebe als Geste des Hasses empfand. Als ich diese beiden Phänomene sah, erkannte ich: Aber genau das geschieht ja in der Welt! Alle sind so. Genau so sind sie ALLE.

Ich muß dazusagen, daß diese Erfahrung kam, nachdem ich mich drei Tage lang fast ununterbrochen auf dieses Problem konzentriert hatte: Wie ist das so geworden? (Das Warum ist unmöglich zu finden, aber den MECHANISMUS.) Der Mechanismus wäre bereits etwas. Das "Warum" ist unmöglich zu finden, weil diese Frage vom Verstand gestellt wird und es etwas ist, daß jenseits des Verstandes liegt. Aber der Mechanismus: die Erfahrung des Mechanismus. Dann kam in dieser Erfahrung die KONKRETE Überlagerung der Schwingung der Liebe und wie sie als Haß empfangen wurde. Da sagte ich mir: "Genau das ist es! Der Herr ist All-Liebe, All-Wahrheit, All-Wonne, All-Glückseligkeit – Er ist STÄNDIG so –, doch die Welt, insbesondere die menschliche, nimmt ihn immer auf die andere Weise auf." Die beiden Dinge überlagern sich (Mutter verdeckt ihre rechte Hand mit der linken).

Die Worte vermitteln nichts: es war die Erfahrung. Ich... berührte es. Das war sehr interessant. Es blieb lange: zwei, drei Tage. Es hatte auch Folgen (denn es hatte auch mit einem gesundheitlichen Zustand zu tun: Kopfschmerzen, die es zu heilen galt), da kam hell wie der Tag die Erklärung der Krankheiten... Aber ich muß noch etwas Vorhergehendes erwähnen.

Diese konzentrierte Suche nach dem Mechanismus war dadurch ausgelöst worden, daß bestimmte Störungen im Körper immer wieder verschwanden, aber dann wieder auftauchten – die endgültige Heilung schien unmöglich. Da sagte ich mir: "Irgendwo (wahrscheinlich im Unterbewußtsein) muß etwas sein, was diese Störung zuläßt." Nach langer Konzentration und vielem Suchen kam auf einmal aus dem Unterbewußten die Erinnerung (die Erinnerung bedeutet das Fortbestehen der Sache in einer gewissen Form) an eine bestimmte Folge von Gesten und Handlungen (keine materiellen Gesten, sondern Einstellungen), die Jahre zurücklagen und nie meine Aufmerksamkeit erweckt hatten: sie waren der allgemeinen Aussonderungsarbeit entgangen, weil sie den alltäglichen Umständen anzugehören schienen wie so viele andere. Da erkannte ich (wie soll ich sagen?) den Anklang von Falschheit. Das ist äußerst subtil – dies sind sehr subtile Dinge. Aber dann ergriff es mich plötzlich wie eine Revolution im gesamten Wesen: all diese Schwingungen wurden erfaßt und transformiert – etwas Außerordentliches. Es verursachte viel mehr Lärm und Umstürze, als ich erwartete. Und... uff! Eine Erleichterung. Etwas klärte sich, ein neues Verständnis wurde BLENDEND, und die physischen Folgen waren höchst interessant: vorher fühlte ich mich wirklich ziemlich unwohl, äußerst müde, mit dem Gefühl, in Gebrechlichkeit zu sinken (relativ! in einem sehr oberflächlichen Teil des Wesens, aber doch ausreichend, um unangenehm zu sein) – all das, pfft! Mit einem Schlag verschwunden.

Am selben Tag hatte ich diese Erfahrung mit der besessenen Person – all das fiel zusammen. Damit ergab sich eine Art Beherrschung des Problems und der Eindruck, einen Schritt vollbracht zu haben. Zugleich öffnete sich DER WEG, das zu ändern, und zwar dieses Ausweiten. Zuerst die Geste der Großzügigkeit (statt der schrumpfenden Bewegung, die des Ausweitens: genau das Gegenteil), und von dort gelangt man zur Universalität, und von der Universalität zur Gesamtheit.

All das bildet ein interessantes Erfahrungsfeld.

Dann ist da ein Arzt, der ein- oder zweimal im Jahr kommt, um die Gesundheit der Kinder und aller am Sportprogramm Beteiligten zu überwachen. Er ist ein höchst ehrlicher und aufrichtiger Mann, der an die medizinische Berufung glaubt. Bei jedem seiner Besuche schreibe ich am Tag seiner Abreise etwas in sein Tagebuch (es ist voll von Dingen, die ich schrieb – meist aus dem Bulletin oder von anderen Stellen). Gerade an dem Tag sagte man mir: V reist ab. Da erschien mir plötzlich so deutlich: Die Falschheit im Körper... (diese Gegenüberstellung der Gegensätze, die Umkehrung der Schwingung – aber sie kehrt sich nicht einmal um: sie bleibt, wie sie ist, aber sie wird verkehrt empfangen), die Falschheit liegt im BEWUSSTSEIN. Mit der Falschheit im Bewußtsein entstehen dann natürlich auch materielle Folgen... und das ist die "Krankheit"! Ich unternahm sofort einen Versuch mit meinem Körper, um zu sehen, ob das stimmte, ob es stichhaltig war. Und ich sah, daß es wahr ist! Wenn ihr offen und in Verbindung mit dem Göttlichen seid, gibt euch Die Schwingung Kraft und Energie (wenn ihr ruhig genug seid, erfüllt es sich mit einer großen Freude), all das in den Körperzellen. Fallt ihr zurück in das gewöhnliche Bewußtsein, so verwandelt sich DASSELBE – ohne daß irgend etwas geändert wird, DIESELBEN Schwingungen von DERSELBEN Quelle – in Schmerzen, Unbehagen und ein Gefühl der Ungewißheit, der Unbeständigkeit und des Verfalls. Ich wiederholte die Erfahrung drei–, viermal, um ganz sicher zu sein, und es war absolut automatisch, wie ein chemisches Experiment: dieselben Bedingungen ergaben dieselben Resultate.

Das interessierte mich sehr.

Vom ganz äußeren und praktischen Standpunkt schrieb ich dann: "Die Krankheiten sind die Lügen des Körpers..." (auf Englisch ist es markanter, weil es falsehood und lie gibt, während es auf Französisch in beiden Fällen das Wort "Lüge" ist – hier geht es nicht um lie sondern um falsehood 2) "... und jeder Arzt..." (natürlich müßte man hier präzisieren: jeder, der aufrichtig und ehrlich ist und im wahren Sinne heilen will), "...jeder wahre Arzt ist ein Soldat in der großen Armee jener, die für die Wahrheit kämpfen." 3

So schrieb ich meinen Satz für den Arzt.

Das ist die Geschichte der letzten zwei Tage.

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*   *

(Am Ende des Gesprächs klagt Satprem wieder über die Schwierig- keiten beim Verfassen seines Buches. Mutter schlägt vor, daß er ihr sein Manuskript vorlese, um zu versuchen, den Weg zu öffnen:)

Weißt du, mein Bewußtsein ist ein unbewegter Spiegel, der die Dinge von unten nach oben reflektiert und die Dinge von oben empfängt und nach unten weiterleitet. Es ist ein völlig unbewegter zweiseitiger Spiegel, der dem Empfangenen oder Weitergeleiteten keinerlei Vibrationen hinzufügt: das heißt eine vollkommene Neutralität. In diesem Spiegel könntest du dein Buch etwas außerhalb deiner selbst und deiner schöpferischen Kraft betrachten, auf eine unpersönlichere Weise.

(Satprem verzieht das Gesicht, er schämt sich, seinen Text laut vorzulesen)

...Ja, um herauszufinden, ob er deinem Bewußtseinszustand und deiner Arbeitsweise entspricht!

Wenn du es mir hinterher zu lesen gibst, wenn es fertig ist, wie dein anderes Buch [L'Orpailleur], wird es genau so empfangen werden: das geht überhaupt nicht durch den Kopf sondern wird in diesem Spiegel reflektiert und geht von dort nach oben. So sah ich dein anderes Buch, und so zeigte es mir eine Vielzahl von Dingen über dich, die ich nicht kannte. Du kannst es so oder so machen, das heißt du kannst dich des Spiegels bedienen, bevor es fertig ist – nicht wegen dem, was ich darüber denken könnte, denn das hat keinerlei Bedeutung (!), sondern für die Auswirkung, die es auf deine Arbeit haben könnte – wie du willst.

Es ist noch nicht so weit. Ich muß noch vieles verbessern...

Verbessern?... Viele Tore haben sich geöffnet, und über diese Tore können Dinge, die du überhaupt nicht ermessen kannst, durch das wirken, was du geschrieben hast. Sie werden dem Leser unendlich mehr überbringen, als du hineingegeben zu haben denkst. Es wird die Leute damit in Berührung bringen und entsprechend seiner Empfänglichkeit wird jeder etwas davon erfassen. Das ist von höchster Bedeutung – das darfst du nicht anrühren. 4

Ich will es dir gerne vorlesen, aber das nimmt deine Zeit in Anspruch...

Oh, nein! Sobald ich zuhöre, wird alles still, bleibt alles ruhig. Ich werde wirklich zum unbewegten Spiegel.

Aber bei manchen Leuten höre ich gar nichts! Ich sehe, wie ihre Lippen sich bewegen, aber sonst nichts, nicht einmal gewöhnliche Gedanken! Sobald die Leute etwas klarer denken, verstehe ich alles, was sie sagen, aber bei den anderen macht es nur uh-uh-uh... Neulich passierte da etwas wirklich Amüsantes. Ich weiß nicht mehr, wer es war, aber jemand besuchte mich und fing an zu sprechen – ich verstand kein Wort! Ich hörte nur den Lärm, sonst nichts. Was tun? Dieser Mann stellte mir Fragen (noch dazu über die Sadhana – keineswegs Äußerlichkeiten: ein ernsthafter Besuch), und es machte nur uh-uh-uh. Dann konzentrierte ich mich und trat in Verbindung mit seiner Seele, weil sie das einzige war, das ich erreichen konnte. Dazu brauchte ich ein wenig Zeit. Ich blieb still, und schließlich wurde auch er still, weil er sah, daß ich nicht antwortete. Dann kam es auf einmal so hell und klar, weißt du, wie Tropfen von Wasser, von oben: ganze vorgefertigte Sätze. Ich sagte ihm die verschiedensten Dinge über das, was seine Seele suchte und was er auf der Erde zu tun habe... Das war eine Offenbarung. "Ah!" sagte er. "Mein ganzes Leben wartete ich darauf, das zu hören!"

Es dauerte aber einige Zeit, weil er erst aufhören mußte zu reden und ich mich konzentrieren mußte.

Und ich erfuhr nie, was er mir gesagt hatte!

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(Kurz vor dem Weggehen sucht Mutter bestimmte Papiere, die Pavitra ihr zur Begutachtung unterbreitete: ein Programm für Schulreformen)

Reiche mir diesen Bericht.

Ich bringe sie zur Verzweiflung, weil ich ihnen immer sage: "Aber das ist doch egal! Macht es so oder so, das kommt immer auf dasselbe hinaus." Sie entrüsten sich: "Wie kann es auf dasselbe hinauskommen!" (Mutter lacht von ganzem Herzen)

So ist es.

 

1 "Integrale Großzügigkeit" – Impatiens Balsamina.

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2 Keine lügenhaften Worte (lie) sondern Falschheit (falsehood), ein lügenhafter Zustand.

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3 Hier der vollständige Text von Mutters Botschaft: Die Wahrheit ist höchster Einklang und höchste Freude. Alle Störungen und alles Leiden sind Lügen. Folglich läßt sich sagen, daß Krankheiten die Lügen des Körpers sind, und somit sind die Ärzte Soldaten in der großen edlen Armee, die in der Welt für die Eroberung der Wahrheit kämpft.

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4 Satprem brauchte noch 14 Jahre, um diese Gewohnheit des "Korrigierens" fallen zu lassen.

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