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Mutters

Agenda

zweiten Band

7. November 1961

(Über Satprems Brief bezüglich des Vedas)

Das brachte mich in Berührung mit einem Problem...

Du fragst nach dem Vorgang?

Mein Eindruck bei den Veden ist nicht, was du sagst, daß sie oben ankamen, dann in Trance verfielen und deshalb den anderen Weg versuchten. Als ich den Veda las – zumindest das, was Sri Aurobindo uns davon übersetzte, denn direkt wüßte ich nichts...

Eigentlich sagen sie nichts darüber.

Meine eigene Erfahrung kann ich dir natürlich in in allen Einzelheiten beschreiben, und nach dem, was Sri Aurobindo mir sagte, war es für ihn genauso – obwohl er NIE darüber geschrieben hat. Weil meine Erfahrung so verlief, nehme ich einfach an, dies ist der direkteste Weg.

Da ist auch Théons und Madame Théons Beschreibung (sie sprachen nie vom "Supramental", sagten aber dasselbe wie die Veden: "die Welt der Wahrheit, die sich auf der Welt verkörpern soll" und "die Schöpfung einer neuen Welt" – sie griffen sogar den alten Satz des Evangeliums auf: "eine neue Erde und einen neuen Himmel" 1, was ja dasselbe wie in den Veden ist). Madame Théon hatte diese Erfahrung gehabt und brachte sie mir nicht direkt bei, deutete aber den Weg an: sie verließ ihren Körper, dann war sie in der vitalen Welt bewußt (mit vielen Zwischenstadien, aber das war der Vorgang, wenn wir Untersuchungen anstellen wollte). Vom Vital gingen wir ins Mental (verließen den vitalen Körper bewußt, ließen ihn bewußt zurück – man konnte ihn sehen). Dann verließen wir den mentalen Körper und kamen... Sie benutzten andere Worte, eine andere Klassifizierung, an die ich mich nicht mehr erinnere, aber die Erfahrung ist identisch. So verließ sie ihren Körper der Reihe nach zwölfmal – zwölf Körper, einen nach dem anderen. Sie verließ einen Körper und betrat das Bewußtsein der nächsten Ebene, auf der sie sich befand (sie war äußerst gut "geformt", das heißt individualisiert und organisiert), dort erlebte sie die Umgebung und alles, was sich dort befand, und sie konnte es beschreiben – und das zwölfmal hintereinander.

Ich tat dasselbe. Es gelang mir sogar mit viel Geschicklichkeit: ich konnte auf jeder beliebigen Ebene stehenbleiben, tun, was ich dort zu tun hatte, umhergehen, sehen, untersuchen, und berichten, notieren, was ich sah. Als letztes erreichte ich das Stadium kurz vor dem Formlosen (Théons Terminologie glich der jüdischen: das Höchste ohne Form, er nannte es das "Formlose"). Von dort gelangt man ins Formlose, das heißt es gibt keinen Körper mehr, aus dem man sich exteriorisieren könnte: man steht außerhalb aller Formen, sogar aller Gedankenformen – das Ende aller möglichen Formen. Das nannte Théon "den Pathetismus" 2 – ein sehr barbarisches Wort, aber sehr aussagekräftig. In diesem Bereich erlebt man die vollkommene Einheit – die Einheit in etwas wie der Essenz der Liebe. Die Manifestation der Liebe war... er sagte immer "dichter" (es gibt viele verschiedene Dichtigkeiten, und Die Liebe ist ein dichterer Ausdruck von Dem). Dort herrscht das Gefühl der vollkommenen Einheit – die vollkommene Einheit, Einigkeit – und Das besitzt keinerlei Formen mehr, die den niedrigeren Welten entsprächen. Das ist ein Licht! Ein beinahe vollkommen weißes Licht, aber leicht getönt mit etwas Rosa-Goldenem (die Worte sind schwerfällig). Dieses Licht und diese Erfahrung ist wahrhaft wunderbar – nicht mit Worten zu beschreiben.

Théon sagte, man dürfe nicht über diese Schwelle gehen, weil man nicht mehr zurückfände, aber nachdem ich dort war, wollte ich auf die andere Seite treten, und dort befand ich mich völlig überwältigend und unerwartet in der Gegenwart dessen, was man als das "Prinzip" bezeichnen könnte, das Prinzip der menschlichen Form: es gleicht der Menschengestalt nicht, insofern als es keine der uns gewohnten Merkmale trug, aber es war eine aufrechte Form, gerade an der Grenze zwischen der Welt der Formen und dem Formlosen, es war wie ein Modell 3 . Zu dem Zeitpunkt hatte ich noch nie davon gehört und Madame Théon hatte es nie gesehen – niemand hatte es zuvor gesehen und davon berichtet. Aber ich fühlte, daß ich einem Geheimnis auf der Spur war.

Als ich dann Sri Aurobindo kennenlernte, erzählte ich ihm davon, und er meinte: "Das ist sicherlich der Prototyp der supramentalen Form."

Später sah ich es noch mehrere Male, und das wurde bestätigt. Aber du verstehst, wenn man die Grenze einmal überquert hat, gibt es keinen "Aufstieg" und "Abstieg" mehr. Nur zu Beginn, wenn man das irdische Bewußtsein verläßt, bis zum höheren Mental, hat man das Gefühl aufzusteigen. Sobald man das hinter sich läßt, gibt es diesen Begriff des Aufstiegs nicht mehr: dann sind es innere Transformationen.

Von dort kam ich wieder herab und nahm meine Körper der Reihe nach wieder an – man spürt wirklich die Reibung beim Wiedereintritt in den Körper.

Während man ganz oben ist, befindet sich der Körper in kataleptischer Trance.

Diese Erfahrung hatte ich ungefähr 1904 (ich glaube, es war in diesem Jahr). Als ich hierher kam, war all das folglich eine bereits vollendete Arbeit und bekanntes Gebiet, und als es darum ging, das Supramental zu finden, brauchte ich nur meine Erfahrung zu wiederholen: ich war es gewohnt, ich hatte gelernt, es willentlich durch aufeinanderfolgende Exteriorisationen zu tun. Es war ein willentlicher Vorgang.

Als ich von Japan zurückkehrte und wir zusammen zu arbeiten begannen, hatte er bereits das supramentale Licht in die mentale Welt gebracht und wollte das Mental transformieren. Er bemerkte: "Seltsam, das ist eine endlose Arbeit! Man hat den Eindruck, nichts ist getan – oder alles ist getan, und alles muß ständig von neuem getan werden." Da erklärte ich ihm meinen Eindruck, der von den früheren Erfahrungen stammte: "Das wird solange so sein, bis wir den Boden erreichen." Anstatt weiter im Mental zu arbeiten (das heißt ich machte die Erfahrungen sozusagen praktisch, während er sie nur im Bewußtsein hatte und sein Körper nicht daran teilnahm – mein Körper hingegen war immer Teil der Erfahrungen), ließen wir deshalb das Mental, wie es war, das heißt im vollen Licht aber nicht endgültig transformiert, und gingen beide fast sofort vom Mental weiter hinab ins Vital (das geschah innerhalb von ein oder zwei Tagen) und von dort ziemlich schnell noch tiefer.

Etwas recht sonderbares geschah, als wir im Vital waren: mein Körper wurde plötzlich wieder so, wie er mit achtzehn Jahren war!... Ein Schüler von Tagore namens Pearson, der vier Jahre mit uns in Japan gelebt hatte, kehrte nach Indien zurück und besuchte mich hier in Pondicherry 4 . Als er mich sah, war er völlig verdutzt: "Was ist denn mit Ihnen geschehen!" Er konnte mich kaum wiedererkennen. Damals wurden mir gerade aus Frankreich alte Fotos geschickt, und Sri Aurobindo sah eines, wo ich achtzehn war – er sagte mir: "Aber genau! So siehst du jetzt aus." Meine Haare waren anders gekämmt, aber ansonsten war ich wieder achtzehn geworden!

Das blieb einige Monate.

Dann gingen wir ins Physische hinab, und dort begannen all die Schwierigkeiten 5 . Wir blieben aber nicht im Physischen, sondern gingen noch tiefer ins Unterbewußte und von dort ins Unbewußte. Dort arbeiteten wir. Erst als ich ins Unbewußte hinabstieg, entdeckte ich dort inmitten der Dunkelheit die Göttliche Gegenwart.

Das war nicht das erste Mal, denn als ich in Tlemcen mit Théon arbeitete (bei meinem zweiten Aufenthalt dort), stieg ich einmal dort hinab (das war, als er wollte, daß ich das Mantra des Lebens finde). Ich ging in das vollkommene, nicht-individualisierte Unbewußte, das heißt im allgemeinen totales Unbewußtsein. Dort befand ich mich plötzlich vor einer Öffnung, wie eine Grotte, die sich auftat (es war natürlich nur "so ähnlich"), und dort sah ich ein Wesen von regenbogenfarbigem Licht, das mit dem Kopf auf seiner Hand ruhend schlief. Alles Licht um es herum war regenbogenfarbig. Als ich Théon beschrieb, was ich sah, sagte er mir, es wäre "der immanente Gott in der Tiefe des Unbewußten", der das Unbewußte durch seine Strahlen langsam zum Bewußtsein erweckte.

Dort ereignete sich ein ziemlich bemerkenswertes Phänomen: als ich es sah, schlug es die Augen auf – es erwachte. Damit brachte es zum Ausdruck, daß die bewußte, wache Aktion beginnt. 6

Die Erfahrung des Hinabstiegs ins Unbewußte hatte ich oft (du erinnerst dich, einmal warst du dabei, an dem Tag ging es um die Göttliche Liebe 7). Diese Erfahrung, in die Tiefe des Unbewußten zu gehen und dort der Göttlichen Gegenwart in der einen oder anderen Form zu begegnen, kam sehr häufig.

Ich kann aber nicht sagen, der Vorgang des Hinabstiegs dorthin hätte für mich so stattgefunden, wie du es beschreibst. Der Vorgang verläuft nur dann so, wenn man BEREITS bewußt geworden ist und sich vereinigt hat. DANN bringt man Die Kraft herab, um zu transformieren – wie Sri Aurobindo sagt: "man läßt sie herabkommen". Durch das Wirken der Transformation drückt man [die Kraft nach unten, wie einen Bohrer]. Dort ist all das, was die Rishis beschreiben, vollkommen wahr: diese ungeheure Schlacht, bei jedem Schritt – es würde mir unmöglich erscheinen, diese Schlacht zu kämpfen, wenn man nicht zuvor die Erfahrung der Verbindung oben hatte.

So lautet MEINE Erfahrung – ich behaupte nicht, es könne keine anderen geben. Ich weiß es nicht.

Die Erfahrung, sich des Göttlichen im Unbewußten bewußt zu werden, kann man ziemlich schnell erreichen (eigentlich, meine ich, müßte man sie erlangen können, sobald man das Göttliche in sich selbst gefunden hat). Aber verleiht euch das die Kraft, DIREKT ZU TRANSFORMIEREN? Gibt die Verbindung des Höchsten Bewußten mit dem Unbewußten (denn das ist die Erfahrung) die Macht, das Unbewußte direkt und ohne Zwischenstufen zu transformieren? – Ich glaube es nicht. Diese Erfahrung hatte ich einfach nicht. Hätte all das, was jetzt geschieht, wie ich es beschrieb, geschehen können, wenn ich nicht all die anderen Erfahrungen hinter mir hätte? – Ich weiß es nicht, ich kann es nicht sagen.

Eines ist jedoch gewiß, und zwar: sobald man über die irdische Atmosphäre hinausgeht und jenseits des "höchsten" höheren Mentals steht, verschwindet das Gefühl von "oben" und "unten" gänzlich. Es finden nur noch innere Umkehrungen statt (Mutter wendet ihre Hand), aber keine Bewegung des Auf- und Abstiegs.

Ich glaube dieses Problem stellt sich nur, wenn man mit dem mentalen Bewußtsein – selbst dem höheren Mental – zu verstehen versucht.

Ich sage dir dies, denn sobald ich deinen Brief bekam, antwortete ich dir, was ich dir gleich vorlesen werde. Das konfrontierte mich mit etwas, das ich nicht formulieren konnte, und das gibt einem natürlich das Gefühl, das man etwas nicht weiß (ich kannte nur meine Erfahrung). Da tat ich wie immer in solchen Fällen: ich bildete einen zur Wahrheit gekehrten "weißen" Spiegel, ich befragte Sri Aurobindo (und jenseits) und bat, wenn es etwas zu wissen gebe, möge es mir mitgeteilt werden. Dann ließ ich es und befaßte mich nicht weiter damit. Erst als ich heute auf dem Weg hierhin war, wurde mir gesagt (nicht "gesagt", aber mitgeteilt), daß der Unterschied zwischen den beiden Vorgangsweisen [die der Rishis und die hier beschriebene] – deine Frage – ein rein subjektiver Unterschied in der Wahrnehmung der Erfahrung ist. Ich weiß nicht, ob ich mich verständlich mache... Es gibt "etwas", das ist die Erfahrung und wird die Verwirklichung sein, aber das, was nicht direkt als entgegengesetzte aber doch unterschiedliche Vorgehensweisen erscheint, ist lediglich eine subjektive mentale Aufzeichnung einer EINZIGEN Erfahrung. Folgst du mir?

Das wurde mir mitgeteilt.

Jetzt werde ich dir meine Antwort vorlesen – meine erste Reaktion (wenn etwas kommt, bleibe ich unbewegt, dann kommt eine erste Reaktion von oberhalb meines Kopfes, aber das ist nur der erste antwortende Laut, und wenn ich aufmerksam verharre, kommt später mehr – das spätere ist das, was ich jetzt sagte). Meine erste Antwort basiert auf meiner eigenen Erfahrung und dem, was Madame Théon sagte und was Sri Aurobindo mir sagte. (Mutter liest:)

"Indem man sich durch einen graduellen Aufstieg zum Gipfel des Bewußtseins erhebt..." (das meinte ich vorhin, als ich davon sprach, "den Körper zu verlassen", aber da wollte ich nicht ins Detail gehen) "vereinigt man sich mit dem Supramental. Aber sobald die Vereinigung vollbracht ist, weiß man und sieht man, daß das Supramental auch im Herzen des Unbewußten liegt. So wird einem die Erfahrung zuteil, daß es weder Hohes noch Tiefes gibt. Um aber die physische Natur zu transformieren, läßt sich im ALLGEMEINEN..." (ich betone das, weil ich keine absolut gültige Aussage machen wollte) "die Transformation dadurch in dauerhafter Weise vollziehen, daß man mit einem supramentalisierten Bewußtsein wieder die Stufen des Wesens HERABKOMMT." (Man kann die Erfahrung auf alle möglichen Arten machen, aber was WIR suchen und was Sri Aurobindo beschreibt, ist eine Änderung, die nicht wieder verschwindet, die fortbesteht und ebenso dauerhaft ist wie die gegenwärtigen irdischen Verhältnisse. Deshalb sage ich "in dauerhafter Weise".) "Nichts beweist, daß die Rishis anders vorgingen. Um die Transformation zu bewerkstelligen (falls sie es je schafften), mußten sie sich jedenfalls notgedrungen den Weg durch die Kräfte des Unbewußten und der Dunkelheit freikämpfen."

Ja, sie beschreiben die Erfahrungen, denen man begegnet, sobald man ins Unterbewußte kommt (eine andauernde Erfahrung): all diese Kämpfe mit den Wesen, die das Licht verbargen, all das ist eine völlig lebendige Beschreibung. All diese Erfahrungen hatte ich, als ich in Tlemcen war, und ich hatte sie hier mit Sri Aurobindo, als wir daran arbeiteten, und ich habe sie jetzt noch – es geht in vollem Schwung weiter!

Sobald man dort hinabkommt, geht es so: man muß gegen all das kämpfen, was sich nicht ändern will – was die Welt beherrscht und sich nicht ändern will.

Du übergehst die Schreibfehler!

Wenn du mich jetzt noch etwas anderes fragen willst... vielleicht kommt etwas...

(Schweigen)

Nachdem ich deinen Brief las, hatte ich den sehr deutlichen Eindruck, daß sich das Problem für dich nur in dieser Weise stellte, weil du es auf der mentalen Ebene betrachtest – daß es nur auf der mentalen Ebene besteht, und wenn man sie verläßt, gibt es keinen Widerspruch und kein Problem mehr. Weißt du, diese Dinge sind äußerst subtil: sobald man sie ausdrücken will, entwischen sie. Die Formulierung entstellt es.

Ich wollte sagen, man erreicht dieses supramentale Bewußtsein nicht unbedingt in Trance, in einer anderen Welt...

Nein.

Die Rishis verwirklichten es (wenn ich recht verstehe) mit weit offenen Augen, im alltäglichen Leben...

Ich weiß nicht, wie sie es genau taten...

Aber ich selber hatte es nie in Trance! Sri Aurobindo hatte es auch nicht in Trance – wir gingen beide nie in Trance! Ich meine die Trance, in der man die Verbindung zum Körper verliert. Das sagte er immer. Als wir uns kennenlernten, sagte ich ihm als erstes: "Alle sprechen immer von Trance und Samadhi und all dem, aber ich hatte das nie! Ich verlor nie das Bewußtsein." – "Ja", erwiderte er, "bei mir ist es genauso!"

Das hängt vom Entwicklungsgrad ab. Auch Théon sagte das: "Man geht nur in Trance, wenn Bindeglieder fehlen." Für ihn bestanden wir aus unzähligen kleinen "Brücken" zwischen den einzelnen Wesensbereichen, und er sagte: "Wenn ein bestimmter Bereich nicht entwickelt ist, das heißt ihr seid in diesem Bereich nicht bewußt, weil er noch nicht individualisiert wurde, dann geht ihr in Trance, sobald ihr ihn durchquert." Die Trance ist das Zeichen fehlender Individualisierung, das heißt das Bewußtsein wurde dort nicht erweckt und ihr geht in Trance, euer Körper ist in Trance. Ist euer Bewußtsein hingegen völlig erwacht, könnt ihr auf einem Stuhl sitzen und die volle Verbindung mit den Dingen bewahren und die volle Erfahrung haben – ich verließ meinen Körper ohne jegliche Notwendigkeit einer Trance. Die Trance war nötig, wenn er mich eine Arbeit verrichten lassen wollte. Das ist eine andere Angelegenheit, weil dann die vitale Kraft den Körper verlassen mußte (sonst geht nur das Bewußtsein) und ich arbeitete. Dazu muß der Körper in Trance sein. Aber selbst dann... Sehr oft, wenn ich gerufen werde und antworte, um etwas zu tun, dann wird mein Körper offensichtlich unbewegt, aber er ist nicht in Trance: ich kann irgendwo sitzen, sogar mitten in einer Geste verharre ich manchmal einige Sekunden unbewegt. 8 Doch mit Théon unternahm ich eine andere Art von Arbeit, und das dauerte eine Stunde – es war zudem eine ziemlich gefährliche Arbeit. Dort verließ die vitale Energie den Körper: alles ging hinaus, wie wenn man stirbt (so wurde mir auch die Erfahrung des Todes zuteil). Aber das ist nicht notwendig, um all diese Erfahrungen zu haben, keineswegs – Sri Aurobindo tat es nie (Théon machte selber keine Erfahrungen: Madame Théon machte sie alle für ihn, und er besaß nur das Wissen). Sri Aurobindo sagte mir, es wäre ihm fast nie passiert, in die Unbewußtheit des Samadhi einzutreten – für ihn waren alle diese Bereiche bewußt. Er saß auf seinem Bett oder in einem Sessel und hatte alle die Erfahrungen.

Natürlich ist es vorzuziehen, sich in einer bequemen Stellung zu befinden, das ist eine Frage der Sicherheit. Wenn man zum Beispiel damit spielt, diese Dinge stehend zu tun, wie es mir manchmal passierte, dann ist es gefährlich. Wenn man aber ruhig ausgestreckt ist, braucht man nicht in Trance zu gehen.

Nachdem was mir berichtet wurde (nicht auf physische Weise), glaube ich schon, daß die Rishis die Trance praktizierten. Doch ich nehme an, sie wollten das erreichen, wovon Sri Aurobindo spricht: eine PHYSISCHE Transformation des physischen Körpers, die ermöglichen würde, in diesem Bewußtsein zu LEBEN anstatt im gewöhnlichen Bewußtsein – aber ist es ihnen gelungen?... Ich weiß es nicht. Denn der Veda berichtet nur, was die forefathers [die Vorväter] getan hatten. Wer sind diese forefathers?

Aber dieses supramentale Bewußtsein muß doch im Körper zu finden sein, oder? 9

Wenn man diese Erfahrungen hat, zum Beispiel die, die ich im Subtilphysischen hatte, dann ist der Körper zwar in Trance, aber der Teil, der die Erfahrung hat, fühlt sich in KEINER WEISE dadurch verringert oder daß ihm etwas fehlt. Dieser Teil hat die Erfahrung mit der ganzen Fülle des Lebens, des Bewußtseins der Unabhängigkeit, der Individualität. Wenn man sonst in Trance geht, um eine Arbeit zu tun, fühlt man sich an den Körper gebunden – hier ist das nicht so: der Körper existiert nicht mehr! Er ist gar nicht mehr da, hat nicht einmal mehr einen Daseinsgrund. Wenn man ihn wieder aufnimmt, empfindet man es als ärgerlich, man fühlt: "Was ist das für eine unnötige Last!" Wenn diese Erfahrung permanent wird, lebt man folglich in einer ebenso konkreten, wirklichen und GREIFBAREN Welt wie unsere physische Welt, mit denselben Eigenschaften von Dauerhaftigkeit, Permanenz und Stabilität.

Das ist sehr schwer auszudrücken, denn sobald wir es formulieren...

Während der Erfahrung ist man frei (wie ich sagte, in dem Moment gibt es den Körper nicht mehr, er hat keinen Daseinsgrund mehr, man denkt nicht mehr an ihn), und dennoch verfügt man über ebenso konkrete, OBJEKTIVE Sinne – noch konkreter sogar, weil die Wahrnehmung des Wissens SEHR VIEL KLARER und greifbarer als unsere physische Wahrnehmung ist: unsere Art zu verstehen erschien mir immer DUNSTIG im Vergleich dazu. Das ist nicht dasselbe Phänomen wie in Trance zu gehen, mit seinem Körper verbunden zu sein, von ihm abzuhängen, um sich verständigen zu können usw.

Aber wenn man das ausdrücken will, geschieht eine Art Anpassungsarbeit, und der erste Eindruck, wenn man von dort zurückkehrt, ist, daß es gar kein Mittel gibt, das überhaupt zu beschreiben! Das hat hier keine Entsprechung. 10

 

1 II Petrus 3.13 und Offenbarung 21.1

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2 Ein von Théon erfundenes Wort, das sich ungefähr mit "das Erhabene" übersetzen ließe.

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3 Mit "Modell" meint Mutter eine Art Archetypus oder Prototyp.

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4 Pearson kam im April 1923 nach Pondicherry.

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5 Im Januar 1925 hatte Mutter eine Entzündung am Knie. Am 25. Mai vermerkte Sri Aurobindo in einem Brief: "Die Zustände hier sind nicht sehr gut. Gegenwärtig kämpfe ich gegen die Schwierigkeiten auf der physischen Ebene." (Zitiert von A.B. Purani in The Life of Sri Aurobindo, S. 203. Erinnern wir noch daran, daß 1925 die National-Sozialistische Partei gegründet wurde.

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6 Siehe auch Gespräch vom 28. Juli.

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7 Mutter könnte sich entweder auf die Erfahrung vom 12. Juli 1960 beziehen oder auf die vom 5. November 1958 (aber wahrscheinlich war es beide Male dieselbe), die ihre Neujahrsbotschaft für 1959 ergab: "Auf dem tiefsten Grund des härtesten, starrsten, engsten und erstickendsten Unbewußten berührte ich eine allmächtige Feder, die mich mit einem Stoß in eine Unermeßlichkeit ohne Form und ohne Grenzen schleuderte, wo der Keim der Neuen Schöpfung schwingt." (Agenda 1)

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8 Sekunden, die manchmal eine halbe Stunde dauern konnten!

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9 Mutter geht nicht direkt auf Satprems Frage ein (die sie zweifelsohne bejaht hätte, weil es ja darum geht, dieses supramentale Bewußtsein zu LEBEN), sondern antwortet auf das, was HINTER seiner Frage stand, und zwar dieses tiefverwurzelte Vertrauen in das physische Leben als einzige konkrete Wirklichkeit.

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10 Das Gespräch wurde hier unterbrochen, bevor Mutter zum Schluß kam.

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