SITE OF SRI AUROBINDO'S & MOTHER'S  YOGA
      
Home Page | 03 Bande

Mutters

Agenda

dritten Band

12. Januar 1962

(Zur letzten Frage Satprems über die Erfahrung des "supramentalen Schiffes":)

Hast du meine Notiz erhalten, Kind?

Irgendwo habe ich schon etwas darüber gesagt: Erinnerst du dich an den Herrn aus Madras, der eine Frage gestellt hatte 1?... Dort gab es einen Hinweis.

Ich bin nämlich dem Faden gefolgt, ich habe mit der Erfahrung des supramentalen Schiffes wieder Kontakt aufgenommen und dabei festgestellt, daß sie eine ENTSCHEIDENDE Auswirkung auf meine Position hatte: Diese Erfahrung hatte auf absolut klare, präzise, definitive Art und Weise die erforderlichen Bedingungen festgelegt. In dieser Beziehung ist sie interessant.

Ein für alle Male wurden dadurch nicht nur sämtliche Begriffe der üblichen Moralität weggefegt sondern auch alles, was man hier in Indien als für das spirituelle Leben notwendig erachtet. In dieser Beziehung war es sehr lehrreich. Zuerst und vor allem diese sogenannte asketische Reinheit. Die asketische Reinheit ist ganz einfach das Verwerfen aller Bewegungen des Vitals. Anstatt diese Bewegungen aufzunehmen und sie auf das Göttliche auszurichten, das heißt darin die höchste Gegenwart zu sehen (und den Höchsten einfach frei damit verfahren zu lassen), sagt man Ihm (lachend): "Nein, das geht Dich nichts an! Du hast kein Recht, Dich darin zu zeigen!"

Das Körperliche ist eine altbekannte Geschichte – schon immer haben es die Asketen verworfen, aber zugleich wurde auch das Vital verworfen. Alle hier sind so, sogar... X mag sich ein wenig verändert haben, aber am Anfang war er auch so. Nur die von der religiösen Tradition seit jeher als heilig anerkannten oder sanktionierten Dinge wurden zugelassen, wie zum Beispiel die Heiligkeit der Ehe und solche Dinge; was aber das freie Leben betrifft: Nichts da! Das war unvereinbar mit jeglichem religiösen Leben.

Diese Haltung wurde also ganz und gar weggefegt, ein für allemal.

Was nicht heißt, daß das, was jetzt verlangt wird, leichter wäre! Wahrscheinlich ist es viel schwieriger.

In psychologischer Hinsicht ist die erste erforderliche Bedingung, die ich in meiner Antwort an diesen Mann erwähnte [Geschichte vom Hirsch], ein vollkommener Gleichmut. Dies ist eine AB-SO-LU-TE Bedingung. Ich konnte inzwischen seit Jahren beobachten, daß keine supramentale Schwingung ohne diesen vollkommenen Gleichmut übertragen wird. Wird dieser Gleichmut auch nur im geringsten beeinträchtigt (durch die geringste Bewegung oder Vorliebe des Egos), kommt sie nicht durch, wird sie nicht übertragen. Dies stellt bereits eine beträchtliche Schwierigkeit dar.

Darüber hinaus gibt es zwei Bedingungen für eine totale Verwirklichung, die nicht leicht zu erfüllen sind. Es sind nämlich Dinge, die vom intellektuellen Standpunkt aus nicht sehr schwierig sind (ich spreche hier nicht von x-beliebigen Leuten, aber für jene, die Yoga geübt haben und einer Disziplin gefolgt sind, ist es relativ leicht). Auch in psychologischer Hinsicht – falls dieser Gleichmut gegeben ist – ist es nicht sehr schwierig. Sobald man aber die materielle Ebene erreicht, das heißt die physische Ebene und dann die des Körpers, ist es nicht leicht. Die beiden Bedingungen sind folgende: zuerst die Macht, sich auszudehnen, sich gleichsam unbeschränkt zu erweitern, um fähig zu sein, sich auf die Dimension des supramentalen Bewußtseins, das total ist, auszuweiten. Das supramentale Bewußtsein ist das des Höchsten in seiner Totalität – mit "seiner Totalität" meine ich das Höchste in seinem Aspekt der Manifestation. Vom höheren Standpunkt des eigentlichen Wesens aus gesehen (das Wesen dessen, was in der Manifestation zum Supramental wird), wird natürlich eine Fähigkeit zu einer totalen Identifizierung mit dem Höchsten vorausgesetzt, und dies nicht nur in seinem Aspekt der Manifestation sondern auch in seinem statischen oder nirvanahaften Aspekt außerhalb der Manifestation: das Nicht-Sein. Aber darüber hinaus muß man in der Lage sein, sich mit dem Höchsten in seinem Werden zu identifizieren. Das setzt diese beiden Dinge voraus: nichts Geringeres als eine unbeschränkte Ausweitung und zugleich eine totale Formbarkeit, um dem Höchsten in seinem Werden folgen zu können – nicht nur "in einem gegebenen Augenblick" gilt es, so weit wie das Universum zu sein, sondern unbegrenzt im Werden. Das sind die beiden Bedingungen. Potentiell müssen sie erfüllt sein.

Bis zum Vital liegt dies noch im Bereich des Machbaren – mehr noch: des Erledigten. Auf der materiellen Ebene aber führt dies zu meinen kürzlichen Mißgeschicken. 2

Selbst wenn man a priori all diese Mißgeschicke in Kauf nimmt, ist es noch schwierig, weil es sich um eine Doppelbewegung handelt: eine Umwandlung auf der Ebene der Zellen und gleichzeitig eine Befähigung für "etwas", was das Wachstum durch eine Anpassung oder eine konstante interzellulare Reorganisation ersetzen könnte. 3 Natürlich sind unsere Körper von Natur aus noch etwas Fixiertes, Schweres – es ist scheußlich, so wie es ist, sonst würde man ja nicht altern. Mein vitales Wesen ist heute energievoller und folglich jugendlicher, wachstumsfähiger als im Alter von zwanzig Jahren. Da besteht gar kein Vergleich. Die Macht ist UNENDLICH größer – aber der Körper zerfällt, das ist wirklich etwas Scheußliches. Folglich gilt es, diese Kluft zwischen dem vitalen und materiellen Wesen zu überbrücken.

Das Problem wurde zwar schon teilweise gelöst, denn die Hatha-Yogis haben es zum Teil schon im Griff – sofern sie sich ausschließlich darauf konzentrieren (darin besteht die Schwierigkeit). Da wir aber über das Wissen verfügen, sollten wir auch die Macht haben, das Notwendige zu tun, ohne uns ausschließlich damit zu beschäftigen. Jedenfalls ist es nicht etwas völlig Unbekanntes, denn als ich mich zurückzog 4, ging es in den ersten Monaten, als ich alle Außenbeziehungen abgebrochen hatte, sehr gut – außerordentlich gut sogar. Ich konnte eine Menge Schwierigkeiten in meinem Körper überwinden, und es gab viele recht präzise Anzeichen, daß ich, wenn ich nur lange genug weitermachte, alles wiedererlangen würde, was verlorengegangen war, und dies sogar mit einem verbesserten Gleichgewicht. Das heißt, das funktionelle Gleichgewicht war sehr viel besser. Erst als ich den Kontakt mit der Welt wiederaufnahm, hörte es auf und wurde wieder beeinträchtigt – insbesondere wurde die Sache noch verschlimmert durch diese Disziplin der Ausweitung, durch die ich DAUERND, dauernd Berge von zu lösenden Schwierigkeiten absorbiere. Also...

Was das Mental betrifft, ist es ziemlich leicht – in fünf Minuten lassen sich die Dinge wieder in Ordnung bringen, das ist nicht schwierig. Für das Vital ist es schon ein wenig mühsamer, es dauert ein wenig länger. Auf der materiellen Ebene aber ist es... Es kommt zu einer ANSTECKUNG der Fehlfunktion auf der Ebene der Zellen – innere Störungen, Dinge, die nicht an ihrem richtigen Platz bleiben: Jede Absorption von außen schafft augenblicklich eine Störung, verschiebt alles und bewirkt falsche Beziehungen, bringt die Organisation durcheinander, und es erfordert manchmal STUNDEN, um alles wieder in Ordnung zu bringen. Wenn ich die Möglichkeiten des Körpers wirklich nutzen wollte, ohne mit der Notwendigkeit konfrontiert zu sein, ihn zu wechseln, weil er nicht folgen kann, wäre es folglich unerläßlich, daß ich auf der materiellen Ebene soweit wie möglich aufhöre, alle möglichen Dinge zu schlucken, die mich um Jahre zurückwerfen.

Es ist schwierig... schwierig.

Solange es nicht um die körperliche Umwandlung geht, genügt der psychologische und (weitgehend) subjektive Gesichtspunkt. Dieser Teil ist relativ leicht. Wenn es sich aber darum handelt, die Materie in die Arbeit einzubeziehen, so wie sie auf dieser Welt ist, wo bereits der Ausgangspunkt falsch ist (wir beginnen auf der Ebene des Unbewußten und der Unwissenheit), wird es sehr schwierig. Um die erforderliche Individualisierung für das Wiederauffinden des verlorenen Bewußtseins zu erlangen, erhielt die Materie nämlich eine gewisse unentbehrliche Starrheit, um die Form andauern zu lassen und um eben diese Möglichkeit der Individualisierung zu bewahren. Diese Starrheit ist das Haupthindernis für die Ausweitung und Formbarkeit, die nötige Geschmeidigkeit, um das Supramental empfangen zu können. Ich werde dauernd mit diesem Problem konfrontiert – einem völlig konkreten, absolut materiellen Problem, wenn man es mit Zellen zu tun hat, die Zellen bleiben müssen, die sich nicht in einer nicht mehr physischen Realität verflüchtigen sollen und gleichzeitig diese Geschmeidigkeit, diesen Mangel an Starrheit aufweisen müssen, damit sie sich unbeschränkt ausweiten können.

Als ich am materiellsten Mental arbeitete (dem Mental, das in die Substanz eingegliedert ist), hatte ich öfters den Eindruck, daß mein Gehirn anschwelle, anschwelle, anschwelle und mein Kopf gleich platzen müsse, so groß war er! Zweimal kam es vor, daß ich aufhören mußte, denn es erschien mir gefährlich (war dies nur ein Eindruck oder war es eine Tatsache?), als ob der Kopf gleich platzen müsse, weil es innen zu gewaltig wurde (es war die Macht in der Materie, dieses mächtige tiefblaue Licht, das solch machtvolle Schwingungen aufweist – Schwingungen, die zum Beispiel heilen können, die die Funktion der Organe verändern können –, es ist wirklich etwas materiell äußerst Mächtiges). Damit also füllte sich mein Kopf mehr und mehr an, immer mehr, und ich hatte den Eindruck, daß mein Schädel... (es war schmerzhaft, weißt du) daß im Schädelinnern ein Druck herrschte, der alles nach außen drückte, immer weiter drückte... Ich fragte mich, was passieren würde. Dann, anstatt der Bewegung zu folgen, ihr zu helfen und sie zu begleiten, wurde ich unbewegt, passiv, um zu sehen, was passieren würde, und beide Male hörte es auf. Ich förderte die Bewegung nicht mehr, sondern blieb ganz einfach passiv, und es hörte auf, es kam zu einer Stabilisierung.

(Schweigen)

Sri Aurobindo muß diese Erfahrung [der Ausweitung der Zellen] gekannt haben, denn er sagte mit Bestimmtheit, es KÖNNE getan werden.

Natürlich geht es um die Supramentalisierung DER MATERIE – das Bewußtsein ist nichts. Die meisten Leute, die diese Erfahrung machten, hatten sie im Mental – das ist relativ leicht. Sehr leicht sogar: Aufhebung der Grenzen des Egos, unbeschränkte Ausweitung zusammen mit einer Bewegung, die dem Rhythmus des Werdens folgt. All das ist mental sehr leicht. Auf der vitalen Ebene aber... Als ich mich zurückzog, machte ich nach einigen Monaten die Erfahrung im Vital – es war großartig, wunderbar! Um die Erfahrung dort zu haben, muß das Mental natürlich umgewandelt sein, man muß sich in vollkommenem Einklang befinden. Jeglicher individuelle Teil des Vitals, der nicht durch eine ausreichende mentale Grundlage vorbereitet wurde, würde in Panik ausbrechen. All die armen Leute, die schon bei der geringsten kleinen Erfahrung Angst bekommen, sollten sich nicht darauf einlassen, es würde ihnen nur panische Angst einjagen. Aber es fügt sich – sozusagen durch die göttliche Gnade –, daß mein jetziges Vital der gegenwärtigen Inkarnation frei und siegreich geboren wurde. Es hat vor nichts in der Welt des Vitals je Angst gehabt; die phantastischsten Erfahrungen waren für es wie ein Kinderspiel. Als ich dann diese Erfahrung machte, war sie so interessant, daß während einiger Wochen die Versuchung bestand, dort zu verweilen, es war... Einmal habe ich dir ein wenig davon erzählt (schon vor langer Zeit, vor mindestens zwei Jahren) 5; ich sagte dir, daß ich mich am hellichten Tag so fühlte, als ob ich meine Flügel über der Welt ausbreitete – es war die Verwirklichung in der Welt des Vitals. Und was für phantastische Nächte hatte ich dadurch! Unbeschreibliche Nächte, ich habe nie mit jemandem darüber gesprochen, aber ich wartete auf die Nacht, wie man auf etwas Wunderschönes wartet.

Ich verzichtete freiwillig darauf, damit ich weitergehen konnte. Als ich dies tat, verstand ich erst, was es bedeutet, wenn man hier sagt: he surrendered his experience [er opferte seine Erfahrung]. Mir war nie recht klar gewesen, worin dieser Verzicht bestand. Als ich es tat, verstand ich, und ich sagte mir: "Nein, ich will hier nicht stehenbleiben; ich gebe Dir alles hin, um bis zum Ende gehen zu können." Da verstand ich, was das bedeutete.

Wenn ich es behalten hätte, ja... dann wäre aus mir eines dieser berühmten Phänomene geworden, die die Geschichte der Welt auf den Kopf stellen. Eine ungeheure Macht! Ungeheuer, unerhört. Nur hätte es bedeutet, dort stehenzubleiben, es als Endstation zu akzeptieren – ich machte weiter.

So ist das. Was kann ich dir jetzt Interessantes erzählen? Alles, was ich dir gerade gesagt habe, ist eine Mischung, von der dreiviertel unnützes Zeug ist.

Aber, Mutter...

Es wurde nicht mit der Vorstellung gesagt, einen Artikel zu schreiben!

Als du mir diese Notiz 6 schicktest und ich sie las, verband ich mich wieder mit meiner Erfahrung, und sofort kam Klarheit in diese Dinge. Ich habe sie dir erzählt, so gut ich konnte...

(Schweigen)

Die Leute auf dem Schiff hatten diese beiden Fähigkeiten: 1) Die Fähigkeit zur unbeschränkten Erweiterung des Bewußtseins auf allen Ebenen, einschließlich der materiellen. 2) Unbegrenzte Formbarkeit, um der Bewegung des Werdens folgen zu können.

Das fand im Subtilphysischen statt. Die Leute, die mit Flecken bedeckt waren und die man zurückschicken mußte, waren immer solche, denen es an der nötigen Formbarkeit für die beiden Bewegungen mangelte. Aber die Betonung lag mehr auf der Bewegung der Ausweitung als auf der des Fortschreitens, um dem Werden zu folgen – dies schien erst eine spätere Aufgabe zu sein, nämlich für jene, die gelandet waren, nach der Landung. Die Vorbereitung auf dem Schiff betraf diese Fähigkeit der Ausweitung.

Es gibt noch etwas, das ich nicht erwähnte, als ich dir von dieser Erfahrung erzählte: Das Schiff hatte keine Maschinen. Alles, restlos alles wurde durch den Willen betrieben: die Individuen und die Dinge (sogar die Kleidung der Leute war eine Auswirkung ihres Willens 7). Dies gab allen Dingen und den Formen der Individuen eine große Geschmeidigkeit, denn man war sich dieses Willens bewußt – welcher kein mentaler Wille, sondern ein Wille des Selbsts oder man könnte auch sagen, ein spiritueller Wille, ein Wille der Seele ist (wenn man dem Wort "Seele" diesen Sinn geben will). Diese Erfahrung machte ich auch hier, als ich mit absoluter Spontaneität handelte, das heißt, als das Handeln, wie Sprache und Bewegung, nicht vom Mental bestimmt waren – ich meine nicht das Denken und den Intellekt, nicht einmal das Mental, das uns ganz allgemein bewegt. Im allgemeinen nehmen wir in uns einen Willen wahr, etwas zu tun, bevor wir es tun. Wenn man beobachtet, sieht man das: immer ist da ein Wille, etwas zu tun (das kann blitzschnell geschehen). Wenn man bewußt ist und sich beim Handeln zuschaut, bemerkt man diesen Willen – dies ist der Eingriff des Mentals, die übliche Vorgangsweise, die Reihenfolge, in der die Dinge geschehen. Die supramentale Handlung hingegen wird das Mental überspringen, dieses Zwischenglied ist nicht mehr nötig: die Handlung ist direkt. Etwas tritt in direkten Kontakt mit den vitalen Zentren und bewirkt ihr Handeln ohne die Vermittlung des Denkens – aber bei vollem Bewußtsein. Das Bewußtsein funktioniert nicht in der üblichen Abfolge, sondern es wirkt direkt aus dem spirituellen Willenszentrum auf die Materie.

Solange man diese absolute Unbewegtheit des Mentals aufrechterhalten kann, ist die Inspiration absolut rein – sie kommt rein an. Wenn man sie erhascht und während des Sprechens halten kann, ist das Ergebnis auch ungemischt, es bleibt rein.

Es ist eine extrem empfindliche Funktionsweise, wahrscheinlich weil man nicht daran gewöhnt ist – die geringste Bewegung, eine winzig kleine mentale Schwingung bringt alles durcheinander. Aber solange sie andauert, ist sie vollkommen rein. Und in einem supramentalisierten Leben muß dies zum DAUERZUSTAND werden. Der mentalisierte Wille darf nicht mehr eingreifen – denn man mag zwar einen spirituellen Willen haben und ein Leben führen, in dem sich ständig der spirituelle Wille ausdrückt (wie es bei all jenen der Fall ist, die das Gefühl haben, vom Göttlichen in sich geführt zu werden), aber es geschieht immer noch durch eine mentale Übersetzung. Solange das der Fall ist, ist es nicht das supramentale Leben. Das supramentale Leben geht NICHT MEHR durch das Mental. Das Mental ist eine reglose Übertragungszone. Die geringste Regung genügt, um alles durcheinanderzubringen.

(Schweigen)

Man kann also sagen, daß dieser vollkommene Gleichmut, der von der spirituellen Identifizierung mit dem Höchsten herrührt, der notwendige Dauerzustand ist, damit sich das Supramental durch ein irdisches Bewußtsein ausdrücken kann: Alles wird zum Höchsten in einem vollkommenen Gleichmut. Und zwar automatisch: kein durch den bewußten Willen, eine geistige Bemühung oder durch ein dem Zustand vorausgehendes Verstehen bewirkter Gleichmut – nichts davon. Es muß spontan und automatisch sein, man darf auf alles, was von außen kommt, nicht mehr wie auf etwas von außen Kommendes reagieren. Diese Art Aufnahme und Reaktion muß durch einen Zustand dauernder Wahrnehmung ersetzt werden (ich kann nicht sagen "gleichbleibende" Wahrnehmung, weil jedes Ding notwendigerweise nach einer speziellen Reaktion verlangt), aber man könnte fast sagen, frei von jeglicher Rückwirkung. Es ist der Unterschied zwischen etwas, das von außen kommt, einem ins Auge fällt und auf das man reagiert, und etwas, das frei zirkuliert und ganz natürlich die für die Gesamthandlung erforderlichen Schwingungen mit sich bringt. Ich weiß nicht, ob ich mich verständlich machen kann... Es ist der Unterschied zwischen einer Schwingungsbewegung, die in einem GLEICHARTIGEN Aktionsfeld zirkuliert, und einer Bewegung, die von etwas Außenstehendem kommt, einen von außen berührt und eine Reaktion hervorruft (dies ist der gewohnte Zustand des menschlichen Bewußtseins). Wenn hingegen das Bewußtsein mit dem Höchsten identifiziert ist, sind die Bewegungen sozusagen innerlich, in dem Sinne, daß nichts von außen kommt: Es sind nur Dinge, die zirkulieren und auf natürliche Weise durch Ähnlichkeit oder Notwendigkeit die entsprechenden Schwingungen im Zirkulationsmilieu mit sich bringen oder verändern.

Das ist etwas, das mir sehr vertraut ist, denn es ist mein gegenwärtiger Dauerzustand – ich habe nie den Eindruck von etwas, das von außen kommt und auf mich stößt, vielmehr erscheint es mir wie zahlreiche innere, manchmal auch widersprüchliche Bewegungen einer konstanten Zirkulation, die die für die Bewegung notwendigen Änderungen mit sich bringen.

Dies ist das unentbehrliche Fundament.

Diese Erfahrung habe ich schon seit sehr langer Zeit, und sie hat sich jetzt vollkommen etabliert. Früher war sie momentaner Natur, jetzt ist sie konstant.

Sie ist das unentbehrliche Fundament.

Darin folgt die Erweiterung fast automatisch, wobei im Körper selbst Anpassungen notwendig werden, die schwierig zu bewerkstelligen sind. Ich bin immer noch völlig in dieses Problem vertieft.

Dann die Geschmeidigkeit... Das ist eine Fähigkeit, sich zu entkristallisieren. Die gesamte Lebenszeit, während der man sich individualisiert, ist eine Zeit bewußter und willentlicher Kristallisierung, die anschließend wieder aufgelöst werden muß. Um zu einem bewußten und individuellen Wesen zu werden, ist eine immerwährende und willentliche Kristallisierung aller Dinge erforderlich, und nachher ist eine andauernde und noch mehr willensbestimmte Gegenbewegung nötig. Gleichzeitig soll das Bewußtsein aber nicht die Vorteile verlieren, die durch die Individualisierung errungen wurden.

Das ist ausgesprochen schwierig.

Was das Denken angeht, ist es elementar, sehr leicht. Sogar vom Standpunkt der Gefühle ist es nicht schwierig: Für das Herz, das heißt für das affektive Wesen, ist es relativ leicht, sich auf die Dimension des Höchsten zu erweitern. Aber dieser Körper! Dort ist es sehr, sehr schwierig, das zu tun, ohne daß er sein Zentrum verliert (wie soll ich sagen?), sein Sammlungszentrum, ohne sich in der umgebenden Masse aufzulösen. Wenn man wenigstens irgendwo in der Natur wäre, mit Bergen, Wäldern, Flüssen, mit viel Raum und großer natürlicher Schönheit, dann wäre es ja angenehm! Aber man kann materiell keinen Schritt außerhalb seines Körpers tun, ohne auf mißliche Dinge zu stoßen – manchmal kommt es vor, daß man mit einer angenehmen Substanz in Kontakt tritt, mit etwas Warmem und Harmonischem, das in einem höheren Licht vibriert, doch das ist selten. Ja, die Blumen, manchmal die Blumen – auch nicht immer. Aber diese materielle Welt!... Überall stößt man an, wird zerkratzt – zerkratzt, aufgerieben, angerempelt durch alle möglichen Dinge, die sich nicht entfalten. Ach, wie ist das schwierig! Wie verschlossen doch das menschliche Leben ist, wie zusammengeschrumpft, verhärtet, ohne Licht und Wärme, geschweige denn Freude!

Während manchmal beim Anblick von fließendem Wasser oder eines Sonnenstrahls in den Bäumen, ja, wie das singt! – Zellen, die singen und glücklich sind.

So ist das, mein Kind. Das ist alles, was ich dir sagen kann. Wenn du damit etwas anfangen kannst... Aber die Erfahrung ist neu. Ist sie nicht interessant? Ich muß es in Form einer Erfahrung schildern, denn sonst existiert es nicht – es kann nur so existieren.

Aber halte es so unpersönlich wie möglich!

Brauchst du das? [Die Notiz von Mutter an Satprem]

Hier, dein Zettel – es ist nichts – nur eine intellektuelle Notiz.

(Später, beim Gehen:)

Wenn wir diesen Weg weiterverfolgen, werden wir sicher Dinge tun können, die die Mühe lohnen, denn es ist neu. Es ist ganz neu, mit Sri Aurobindo sprach ich nie darüber, weil ich diese Erfahrungen damals nicht hatte. Zwar hatte ich alle psychologischen Erfahrungen im Mental, sogar im materiellsten Mental, im Vital und im physischen Bewußtsein – im physischen BEWUSSTSEIN – aber nicht im Körper. Das ist etwas Neues, es begann erst vor drei, vier Jahren.

Alles übrige ist leicht. Alles bis zu diesem Punkt ist fest begründet – sehr gut begründet.

Da fragt man sich, ob es nicht von Vorteil wäre, etwas zu "materialisieren", auf okkulter Ebene zu handeln, nachdem die physische Transformation offensichtlich so schwierig ist. Mit okkulten Methoden einen neuen Körper schaffen?

Die Idee dazu bestand: Zuerst müßten die Wesen hier in der physischen Welt eine gewisse Verwirklichung erlangen, die sie in die Lage versetzt, ein supramentales Wesen zu materialisieren.

Ich erzählte dir, daß ich ein Wesen der Vitalebene mit einem Körper ausgestattet hatte 8, es wäre mir aber unmöglich gewesen, diesen Körper materiell zu machen: es fehlt etwas. Etwas fehlt. Sogar wenn man ihn sichtbar machte, könnte man ihm wahrscheinlich keine Permanenz verleihen – bei der geringsten Gelegenheit würde er sich entmaterialisieren. Die Permanenz läßt sich nicht erlangen.

Dieses Problem besprach ich bereits mit Sri Aurobindo ("besprechen" ist eine Redensart); er sah die Sache genauso wie ich, daß uns nämlich eine bestimmte Macht fehlt, die Form hier auf der Erde zu FIXIEREN. Sogar bei Leuten mit der Fähigkeit, Dinge zu materialisieren, wie Madame Théon zum Beispiel, fehlt die Permanenz, es kann einfach nicht permanent werden, da es nicht die Eigenschaft der physischen Dinge hat.

Ohne diese Eigenschaft wäre die Kontinuität der Schöpfung in Frage gestellt.

Ja, darüber ließe sich diskutieren, denn interessant ist es. Man könnte sich das wirklich fragen.

Ich kenne die gesamte okkulte Technik bis ins Detail, aber ich hätte dieses Wesen nie materieller machen können, auch wenn ich es versucht hätte – sichtbar schon, aber nicht permanent, keine Fähigkeit zur Weiterentwicklung.

Dabei glaube ich nicht, meine Zeit verloren zu haben (das ist etwas ganz Persönliches); man könnte ja sagen, wenn ich das, was ich jetzt weiß, schon vierzig Jahre früher gewußt hätte – mit vierzig anstatt mit achtzig – hätte man das Gefühl gehabt, mehr Zeit zu haben. Aber ich habe gewiß keine Zeit verloren, denn diese ganze Zeit war nötig, um dahin zu gelangen, wo ich heute bin.

Ich glaube nicht, daß ich langsam gegangen bin. Wie ich dir letztes Mal sagte, hatte ich die wunderbarsten Bedingungen – diese dreißig Jahre mit Sri Aurobindo –, die wunderbarsten Bedingungen, die man nur haben konnte. Ich habe meine Zeit nicht vertrödelt, es ging Stunde um Stunde!

Es ist eine langwierige Arbeit.

Er pflegte zu sagen, daß mindestens dreihundert Jahre nötig seien – also wurde keine Zeit vergeudet.

Als erstes muß der Körper befähigt werden, dreihundert Jahre fortzudauern.

 

1 Ein amerikanischer Freund von Präsident Kennedy hatte einen Vergleich zwischen dem Aufspüren eines Hirsches im Walde und dem Aufspüren des Supramentals angestellt: "Läßt sich das Supramental ausfindig machen, so wie der Jäger dem Hirsch im Walde nachspürt? An welchen Zeichen kann man es erkennen?" Siehe Agenda vom 25. Februar 1961, Band II, S. 10ff.

Rückwärts zum Text

2 Die Ohnmachtsanfälle, als Mutter sich physisch über die Welt verbreitete.

Rückwärts zum Text

3 Später präzisierte Mutter den Sinn dieses Satzes: "Ich sah, daß man fähig sein muß, sich auszudehnen, um dem Höchsten in seinem Werden zu folgen, denn das Universum dehnt sich im Werden aus: die Ausdehnung wird nicht durch ein äquivalentes Verschwinden wettgemacht. Man muß wirklich wie ein Kind wachsen, sich ausdehnen. Aber gleichzeitig macht die Ausdehnung eine dauernde innere Reorganisation notwendig, damit die Dinge vorwärtsschreiten können. Bei einer Steigerung der Quantität (wenn man hier von Quantität sprechen kann), muß gleichzeitig die Qualität durch eine interne Reorganisation der Beziehung aller Zellen untereinander aufrechterhalten werden."

Rückwärts zum Text

4 Im Dezember 1958.

Rückwärts zum Text

5 Das gehört zu jenen verlorenen Schätzen, die nie aufgeschrieben wurden, weil ich damals noch nicht verstand, daß dies schon "die Agenda" war.

Rückwärts zum Text

6 Dieser Brief ist wie die anderen auch verschwunden.

Rückwärts zum Text

7 Diese präzisierende Bemerkung fügte Mutter später hinzu.

Rückwärts zum Text

8 Auch dies gehört zu den verlorenen Schätzen der Jahre 1957 und 1958; im nächsten Gespräch erzählt Mutter weitere Einzelheiten.

Rückwärts zum Text

 

 

 

 

 

 

 

in French

in English