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Mutters

Agenda

dritten Band

6. Juni 1962

Hast du letzte Nacht nichts gesehen, nichts empfunden?

??

Ich frage dich, weil ich es diese Nacht versuchte. Es war gegen vier Uhr morgens, ich konzentrierte mich, eben um zu versuchen, die Verbindung herzustellen [zwischen Satprems wachem und dem anderen Bewußtsein]. Hast du nichts empfunden?

Es ist sehr vage.

Es ist eine andere Art, sich zu erinnern, daran liegt es.

Für jemanden, der es nicht gewohnt ist, muß es einen verschwommenen Eindruck machen... Wenn man sein Bewußtsein nach innen richtet, was man unter "sich konzentrieren" versteht (zum Beispiel zum Meditieren oder um sein Japa zu machen), diese Bewegung der Verinnerlichung, die für das äußere Bewußtsein so scharf wirkt, ist als betrete man etwas... es ist nicht "rauchig", weil es nicht dunkel ist, aber wattig: der Eindruck von etwas ohne Kanten, ohne genaue Abgrenzung. Hast du diesen Eindruck nicht, wenn du dich konzentrierst?

Wenn ich mich konzentriere, sehe ich nichts.

Nicht sehen: fühlen.

Alles ist anders. Nicht das physische Gefühl, sondern das Empfinden. Alles ist Empfinden.

Auch jetzt setzte ich mich und wartete auf dich. Ich kann keine Sekunde unbeschäftigt bleiben, ohne mich sofort nach innen zu wenden – anstatt nach außen gerichtet zu sein, ist das Bewußtsein nach innen gekehrt. Ich beobachtete, daß der Körper, als er saß und wartete, den Eindruck hatte, in etwas Weiches, Wolliges, Abgerundetes eingedrungen zu sein, etwas, das soft [sanft] war. In beiden Fällen bewegte ich mich nicht. Ich saß so und wartete. Es ist, als ginge man von etwas Trockenem, Reinem, Genauem (weder ein Gedanke noch eine Vision – vergiß diese beiden: reines Empfinden), von etwas Trockenem, Genauem, Bestimmtem in etwas Weiches, Cremiges... in einen weißen und klaren Rauch – auch nicht grell weiß: weich, klar, rein, und dann ein Friede... ja, als könnte nichts in der Welt sich diesem Frieden widersetzen.

Das dauerte den Bruchteil einer Sekunde, um sich einzustellen: ich saß und wartete auf dich, ich dachte, daß du kommen würdest, die Tür öffnete sich aber nicht, und da machte der Körper automatisch so (Geste der Wende nach innen). Da es sehr plötzlich geschah, wurde mir der Unterschied der Körperempfindung klar... In seiner gewöhnlichen Empfindung herrscht ein ungeheurer Wille – sehr ruhig, sehr friedvoll, keine Hetze, keine Spannung, aber ein Wille, der fast hart ist, weil er direkt, klar, konzentriert ist. Nicht konzentriert: geballt. Der Körper wird davon geführt, er gehorcht dem. Wenn es nicht dieser Zustand ist, ist es der andere: weich, cremig, soft, wollig, und dann ein Friede!... Nichts in der Welt scheint ihn stören zu können.

Weil es nur eine Sekunde oder den Bruchteil einer Sekunde dauerte, konnte ich beide beobachten.

Soweit ich mich erinnere (ich erinnere mich nie sehr genau), könnte man sagen, daß ich mich zu Beginn dieser angeblichen Krankheit ständig in diesem verschwommenen Zustand befand – alles: die Leute, die Dinge, das Leben, das Universum, alles war so. Es gab nur diese so weiche, einhüllende Schwingung. Es ist geblieben, es ist da.

Ich brauche keine Zeit dazu. Der Zeitfaktor spielt keine Rolle – das ist eine Art innerer Entschluß: so oder so (Mutter dreht ihre beiden Handfläche nach innen oder nach außen). Die Leute sagen: "Ach, Sie haben gewartet!" – Nein, ich warte nie; dies oder das, die Aktion oder eine Glückseligkeit im Frieden (dieselbe Geste). Ich spreche vom Körper, nicht vom Geist – der Geist ist woanders. Der KÖRPER ist so.

Dann die Nächte!... Ich erzählte dir das: Nächte wie die von vorgestern mit Visionen, Handlungen... Diese Nacht verging, und ich hatte das Bewußtsein nie verloren, ich hatte nicht den Eindruck, auch nur eine Minute geschlafen zu haben. Es war so (beide Hände über dem Kopf geöffnet), in einer Unendlichkeit der Zeit. Hin und wieder schaue ich auf die Uhr (plötzlich zieht mich etwas, und ich sehe auf die Uhr), dann sind zwei Stunden verflogen, zweieinhalb Stunden – wie eine Sekunde. Hätte man mich gefragt, ob ich geschlafen habe, das heißt, ob das Bewußtsein eingeschlafen sei: nicht eine Sekunde. Das Gefühl der Zeit verschwindet vollkommen, in einer... Es ist eine innere Unbewegtheit, aber eine bewegte Unbewegtheit!

Wenn das so weitergeht, stecken sie mich in eine Gummizelle.

Es ist eigenartig.

Ich hatte beschlossen, dir nichts zu sagen, weil ich nichts zu sagen habe – es ist etwas, das Zeit braucht, um sich zu klären –, aber als ich gerade auf dich wartete, ereignete sich das. Da sah ich es mir an. Oben beobachtete etwas das, was sich im Körper ereignete, als ob es den Körper aufforderte: "Laß uns sehen: Wie fühlst du?" Er fühlt, wie ich es dir beschrieb.

(Schweigen)

Ich übersetze gerade Der Yoga der Selbst-Vollendung: was der Körper sein und werden muß, um Instrument zu sein. Es ist beindruckend.

Es ereignete sich aber etwas, sozusagen ohne daß ich es wahrnahm. Früher, vor dieser Erfahrung [vom 13. April], fühlte der Körper den Kampf gegen die Kräfte der Abnutzung (die verschiedenen Organe, die sich abnutzen und die zum Beispiel ihre Widerstandsfähigkeit und ihr Reaktionsvermögen verlieren, wie es immer schwieriger wird, bestimmte Bewegungen durchzuführen). Er fühlte das, obgleich das Körperbewußtsein überhaupt kein Gefühl des Alterns kennt, überhaupt nicht – das existiert nicht –, tatsächlich gab es eine völlig materielle Schwierigkeit... Jetzt könnte man sagen, daß für die gewöhnliche, äußere, oberflächliche Sicht eine enorme Verschlechterung eingetreten ist, aber der Körper empfindet das überhaupt nicht! Er fühlt, daß diese Bewegung oder jene Anstrengung, diese Geste, jene Handlung der Welt der Unwissenheit angehören und nicht auf die wahre Art ausgeführt werden: es ist nicht die wahre Bewegung, es wird nicht auf die wahre Weise ausgeführt. Es ist nicht so, wie es sein sollte. Er hat das Gefühl oder die Wahrnehmung, daß dieser sanfte, kantenlose Zustand, von dem ich sprach, sich auf eine bestimmte Weise entwickeln und körperliche Wirkungen hervorbringen muß, die die wahre Handlung, den Ausdruck des wahren Willens erlauben. Vielleicht äußerlich die gleiche Sache (das weiß ich noch nicht), aber anders ausgeführt. Ich spreche vom alltäglichen Tun jeder Minute – aufstehen, gehen, sich waschen –, keine großen Dinge. Das Gefühl der Unfähigkeit gibt es überhaupt nicht mehr, aber ein Gefühl... (wie soll ich sagen?) an unwillingness [ein Widerwille] – eine Weigerung des Körpers, die Dinge auf die alte Art auszuführen.

Ein neuer Weg muß gefunden werden.

Es geht nicht darum, es mit dem Kopf "zu finden" – eine Art, die irgendwo ENTSTEHT.

Ich spreche von banalen Dingen, vom Zähneputzen zum Beispiel: wie ich mir jetzt die Zähne putze und wie ich es früher tat, da ist ein Unterschied. (Ich nehme an, daß es äußerlich gleich sein muß.)

Jetzt habe ich auch Schwierigkeiten, ja fast einen Widerwillen, die Dinge so zu betrachten, wie die anderen sie sehen. Mir fällt es schwer, es ist nicht spontan. Ich müßte mich anstrengen, und das will ich nicht.

Was den Kopf betrifft, so hat er gelernt, ruhig zu bleiben... Ich gehe morgens und nachmittags auf und ab, während ich das Mantra wiederhole, so wie ich es vorher tat. Vorher mußte ich aber die Gedanken vertreiben und mich konzentrieren und bemühen. Jetzt kommt dieser Zustand, der alles einnimmt – den Kopf, den Körper, alles –, und dann gehe ich in diesem wattigen Traum (wattig ist nicht das richtige Wort, aber ich finde nur das). Das ist wohltuend, weich, ohne Kanten... und geschmeidig. Keine Widerstände... Ach, dieser Friede!...

So ist es, mein Kind.

(Mutter sieht Satprem an) Kann ich dich nicht etwas "anstecken"?

Ich versuchte es vergangene Nacht. Ich werde es weiter versuchen.

Was hast du um vier Uhr heute morgen gemacht? Geschlafen?

Ja.

Wann stehst du auf?

Ungefähr um sechs.

Wir werden sehen...

Wenn ich mich nach innen zurückziehe, habe ich aber überhaupt nicht dieses Gefühl [vage, wollig].

Empfindest du nichts?

Überhaupt nichts. Im Gegenteil, ich habe das Gefühl... wie Kristall. Das ist alles. Du hast mir einmal gesagt, ich sei in einer Glasstatue eingeschlossen, erinnerst du dich? Das ist genau mein Eindruck. Es ist klar, sehr klar, aber da ist nichts.

Das ist eine mentale Verinnerlichung.

Oh, ja! Es ist sehr klar, sehr klar, sehr hell – ein wenig hart.

Wenn du wüßtest, wie hart mir jetzt alles erscheint...

Wenn ich den Zustand wechsle, habe ich plötzlich den Eindruck, daß mein Körper von Reibeisen, von Holzstücken umgeben ist... Dabei liegt er sehr bequem auf Federkissen gebettet.

(Schweigen)

Ich weiß nicht, es müßte eher eine KRAFT sein als ein Bewußtseinszustand – eine Kraft, die die Dinge ÄNDERN kann... Anstatt die Handlung zu ändern, müßte es eine Kraft sein, die die Materie ändert, sie mehr 1...

Mein Kind, alles ist Kraft! Das Leben ist eine Kraft – ohne Kraft kein Leben.

Ja, ich will sagen: Anstelle von etwas Subjektivem oder etwas, was du "verspürst", müßte es eine Kraft sein, die zum Beispiel diese materielle Härte in etwas Weiches verwandelt.

Ich habe mich nicht verändert.

Ich habe mich nicht verändert, das ist es. Wenn sich etwas verändert hätte, würde es nicht wiederkommen, aber es besteht gleichzeitig. Es ist gleichzeitig zugegen 2 .

Ließe es sich verändern, hätte es sich schon LANGE geändert [die Materie].

(Schweigen)

Ich erinnere mich, irgendwo einen Abschnitt bei Sri Aurobindo gelesen zu haben, wo er von den philosophischen oder spirituellen Theorien spricht, nach denen es nur eine Seele oder einen Purusha gibt (ich weiß nicht mehr, wie er es nannte). Und nur sie habe die Erfahrung der gesamten Entstellung und auch die der Rückkehr. Mit unbestreitbarer Logik wurde gesagt, wenn es EINE Seele gibt, ist es von dem Augenblick an, wo etwas beherrscht wurde – sei es ein Individuum, eine Welt, ein Gott oder eine Ameise, das ist unwichtig –, von dieser Minute an, wo die Kraft existiert, die Entstellung in die Wahrheit zu verwandeln, ist es getan! Das muß automatisch Anwendung finden.

Man hat weiter geglaubt, daß die Leute diese Rückkehr vollzogen hatten, weil sie sie lebten und beschrieben, und daß alles übrige trotzdem fortbesteht, koexistiert. Demzufolge ist es...

Etwas anderes.

(langes Schweigen)

Wird es immer eine Welt geben, so wie sie ist?

(Schweigen)

Alles ändert sich ja, aber nichts vergeht. Denken wir in der üblichen Form, haben wir den Eindruck, daß sich der gegenwärtige Zustand der Welt ändert und durch einen anderen ersetzt wird. Andererseits wissen wir aus Erfahrung, daß alles, was ist, ewig ist... Folglich?

(langes Schweigen)

Man kann sich sehr wohl eine Welt vorstellen, in der man in dem Zustand lebt, von dem ich sprach, der sich nach seinen normalen Gesetzen entwickeln würde. Aber würde die Existenz dieser Welt die andere aufheben?

Siehst du, da stehen wir vor einem ungelösten Problem.

Ja, aber die andere Welt, die du dir vorstellst, wäre das eine subjektiv verschiedene Welt, oder wären die materiellen Eigenschaften anders?... Wäre es nur durch unsere subjektive Wahrnehmung eine andere Welt, weil wir es denken, oder...

Die Kraft... logischerweise hat man eine Macht über die Dinge.

Ich bin (wie soll ich sagen?) dabei und dicht am Ziel. Man muß aber Beweise haben – ja, Beweise. Für EINEN SELBST ist unbestreitbar, daß die Dinge sich ändern – ich hatte einige BLITZE einer objektiven Änderung: nicht in bezug auf mein Bewußtsein, sondern eine Änderung, die vom Bewußtsein anderer wahrgenommen werden kann. Es ist aber wie ein Blitz. Dann sage ich "Ah!" Während ich das sage, ist es auch schon vorbei. Folglich kann man nicht darüber sprechen.

Die Ereignisse kann man ändern. Überall, wo dieser Bewußtseinszustand eindringt, kann man die Dinge ändern – dafür habe ich Hunderte und Aberhunderte von Beispielen, wie ich auch die Erfahrung machte, den Bewußtseinszustand der Leute und die Umstände zu ändern, die ja das Ergebnis dieses Bewußtseinzustandes sind 3 . All das gehört in den Bereich des psychologischen Lebens. Ich spreche aber von dem (Mutter klopft energisch auf den Tisch).

Da gibt es das Beispiel von Madame Théons Sandalen, die herbeieilten und sich an ihre Füße legten, anstatt daß die Füße in die Sandalen stiegen – das gehört aber in einen anderen Bereich. Man könnte das nicht als "natürliches Phänomen" bezeichnen: sie richtete ihren Willen und ihren Einsatz darauf, und die Substanz der Sandalen wurde empfänglich. Beweist das, daß die Welt so wird?... Ich weiß es nicht.

Zwei- oder dreimal sah ich blitzartig etwas, das sich zeigte, das sich verschob. Aber kaum wurde es wahrgenommen, war es auch schon vorbei. Das heißt, daß ich nicht weiß, ob es nicht nur subjektiv ist. Um sicher zu sein, muß es von einem anderen bestätigt werden.

Wir werden sehen, Geduld!

Nun, mein Kind, was machst du? Heute hast du keine Arbeit, es ist nur Geschwätz.

Aber es ist doch interessant!

Hast du dein Buch begonnen?

Nein. Ich muß darüber nachdenken, mich konzentrieren. Dazu brauche ich Zeit.

*
*   *

Etwas später, am Ende des Gesprächs:

Kind, wenn du dich hinlegst und bevor du einschläfst, denke ganz einfach kurz an mich und habe den Willen, das zu empfangen, was ich dir schicke – nur einige Sekunden, bevor du einschläfst. Das ist alles. Du brauchst dich nicht zu konzentrieren und dich am Einschlafen zu hindern – nur kurz den Willen zu formulieren, und dann schläfst du. Denn ich versuche es wirklich!

Natürlich versuchst du es!... Ich klage niemanden an, es liegt eher an mir, weil ich verschlossen bin.

Das liegt weder an dir noch an mir oder Peter, Paul oder dem Herrn – es ist so. Es hat einen Grund, und wir sind zu schwerfällig, um ihn zu kennen.

Ja, aber der Grund läßt lange auf sich warten. Ich habe den Eindruck, daß das eines Tages zerbricht.

Ja!

Vielleicht zerbricht es aber nicht in der richtigen Richtung... Eines Tages werde ich alles zum Teufel jagen.

Nein, genau das behindert. Es ist eine Verhärtung.

Mein Kind, wenn du wüßtest, wie hart die Dinge in den Wesen werden können! Wie habe ich kämpfen und kämpfen und kämpfen müssen... Diese Erfahrung [vom 13. April] hat die Arbeit getan, sonst war es ein Kampf in jeder Minute. Das Leben macht einen eisern (Mutter schließt ihre Faust).

Und das ist geschehen. Das ist geschehen.

Wir werden es versuchen! (Mutter lacht)

Auf Wiedersehen, mein Kind!

 

1 Als Satprem diese Frage stellte, dachte er an das Beispiel von Madame Théon, die ihre Sandalen kommen ließ, anstatt sie zu holen.

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2 Mutter scheint sagen zu wollen, daß der harte Zustand und der Zustand ohne Kanten nebeneinander bestehen, wie die beiden "Zimmer" oder die zwei Flüsse.

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3 Mutter nennt das "den Bewußtseinszeiger verschieben": "Wenn die Leute deprimiert oder verzweifelt zu mir kommen", hatte sie mir einmal erzählt, "reicht es aus, den Bewußtseinszeiger ganz wenig zu verschieben, dann verlassen sie mich glücklich. Aus Gewohnheit kehrt es aber leider zurück." (siehe Agenda vom 25. Februar 1958, Band 1, Seite 145).

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