SITE OF SRI AUROBINDO'S & MOTHER'S  YOGA
      
Home Page | 03 Bande

Mutters

Agenda

dritten Band

5. September 1962

(Bevor Satprem sein Manuskript über Sri Aurobindo vorliest, bittet er Mutter, eventuelle Fehler zu berichtigen, weil er von Dingen spricht, von denen er keine direkten Erfahrungen hat:)

Von manchen Dingen habe ich keine Erfahrungen.

Ich habe auch nicht alle Erfahrungen.

Also wirklich!...

(Lachend) Ich habe eine gewisse Anzahl, aber...

Eigentlich sollte man nach einigen Tausenden von Geburten alle Erfahrungen haben, wenn man sich die Mühe machte, sich zu erinnern. Das wäre der Vorteil der Wiedergeburt. Man kann nicht alles in einem Leben machen, aber in Tausenden von Leben kann man alle Ebenen durchlaufen.

Man müßte sich erinnern.

Natürlich erinnert man sich am Anfang sehr, sehr wenig. Je mehr man fortschreitet, um so mehr erinnert man sich (ich rede von der Erfahrung des psychischen Wesens).

Ich spreche natürlich nicht von dem, was die universelle Mutter wissen kann, denn das fällt in eine andere Kategorie. Ich rede von der rein irdischen Erfahrung, der Erfahrung des psychischen Wesens. Da gibt es im Grunde wenige Dinge... eigentlich gibt es keine, die mir fremd und unbekannt erscheinen. Denkweisen, ja, seit frühester Kindheit war ich entsetzt über die Art, wie die Leute denken und fühlen – das erschien mir ungeheuerlich. Aber die Lebensumstände, die Ereignisse des Lebens, all das ist mehr oder weniger Wiedergekäutes.

Was scharfe Eindrücke in mir hinterließ, weißt du (Mutter macht eine schmerzliche Geste), was einen sagen läßt: "Ah, nein! Das genügt, nicht noch einmal, es reicht!", das sind die Dinge, die zu meinen Leben als Herrscherin gehören – ja: Kaiserin, Königin, Dinge dieser Art. Das sind schmerzliche Eindrücke. Von allen Eindrücken sind es die schmerzlichsten. Ich erinnere mich sehr genau an einen Entschluß, den ich in meinem letzten Leben als Kaiserin faßte: "Nie wieder! Ich habe genug, ich will nicht mehr! Ich möchte lieber (nicht einmal "ich möchte lieber" sondern eine positive Wahl), ich WILL ein unbedeutendes Wesen sein, in einer unbedeutenden Familie, endlich frei sein zu tun, was ich will!" Diesmal war das meine erste Erinnerung: "Ja, eine unbedeutende Familie, ein unbedeutendes Wesen, in einem unbedeutenden Milieu, um das tun zu können, was ich will – keine Bande von Leuten, die mich beobachten, mir nachspionieren und mir Regeln für mein Handeln auferlegen."

Das hielt nicht lange an. (Mutter lacht)

Das heißt, daß man seiner Bestimmung nicht entkommen kann. Hier ist es lediglich nicht offiziell, und trotzdem besteht ein weiter Handlungsspielraum.

Auch Sri Aurobindo sagte ich dies sofort: "Es war der Entschluß meines psychischen Wesens (mein psychisches Wesen war in einer bestimmten Person – ich weiß, wer es war), und als ich fortging, sagte es in absoluter Weise: So etwas will ich nicht mehr!"

Das übrige ist mir egal, es hinterließ keinen so... einschneidenden Eindruck.

Jetzt lies mir deinen Text vor! Vielleicht kann ich erkennen, ob er wahr ist oder nicht!

Im Grunde ist alles wahr. Unter der Voraussetzung, daß man gleichzeitig alles andere auch zuläßt.

*
*   *

(Satprem liest einen Abschnitt aus seinem Manuskript vor, der Krankheiten betrifft, wobei er insbesondere von "yogischen Krankheiten" spricht, die von einem inneren Mißverhältnis herrühren können, wenn die verschiedenen Teile des Bewußtseins nicht gleichermaßen entwickelt sind.)

Diese Krankheiten sind nicht von derselben Beschaffenheit wie die anderen, in dem Sinne, daß man GEWÖHNLICH (ich mache keine absoluten Behauptungen) bei ihnen keine Viren oder Bakterien als Ursache findet sondern eine Art Störung – wie nennen sie es doch? Sie haben jetzt ein großartiges Wort dafür... Weißt du, eine Unfähigkeit, etwas zu ertragen, ein Mangel an Harmonie...

Allergie?

Das ist es. Auch die Krankheiten aufgrund von Störungen im Kolloidsystem (das Blut ist zum Beispiel eine kolloidale Flüssigkeit), wenn die Beziehungen zwischen den Elementen nicht mehr das sind, was sie in normaler und natürlicher Weise sind. Das sind zwei neu entdeckte Krankheitsursachen. Es ist gewöhnlich (nicht in absoluter Weise) das Ergebnis eines "inneren Mißverhältnisses", wie du es nennst, das heißt, wenn die verschiedenen Teile des Wesens nicht auf dem gleichen Entwicklungsniveau sind – das führt zu derartigen Symptomen.

Bis auf sehr wenige Ausnahmen findet man keine Keime, Mikroben, Bakterien am Ursprung dieser Krankheiten. Sehr häufig werden sie als "Geisteskrankheiten", "nervöse Krankheiten" usw. eingeordnet, aber sie rühren von diesem inneren Mißverhältnis her.

*
*   *

Dann liest Satprem einen Abschnitt über das "Subtilphysische" und die Exteriorisierung vor. Er schildert die Erfahrung von D, der, als er sich zum ersten Mal exteriorisierte, nicht mehr in seinen Körper zurückkehren konnte, weil er versuchte, von den Füßen her einzutreten. Hier ist seine Geschichte:

"Ich war in Konzentration auf meinem Sofa ausgestreckt, als ich mich plötzlich bei meinem Freund Z wiederfand, der gerade mit mehreren anderen musizierte. Ich sah alles sehr klar, sogar viel klarer als im Physischen, und ich bewegte mich sehr schnell und unbehindert. Ich blieb eine ganze Weile dort und beobachtete. Ich versuchte sogar, ihre Aufmerksamkeit auf mich zu ziehen, aber sie waren nicht bewußt. Dann zerrte plötzlich etwas an mir, wie ein Instinkt: "Ich muß zurückkehren." Ich spürte Halsschmerzen. Ich erinnere mich, um ihr Zimmer zu verlassen, das außer einem kleinen Fenster unter der Decke keine Öffnungen hatte, verflüchtigte sich meine Form (denn ich hatte noch eine Form, aber sie war nicht stofflich, sie war leuchtender, weniger undurchsichtig). Ich verschwand wie Rauch durch das offene Fenster. Dann fand ich mich wieder in meinem Zimmer in der Nähe meines Körpers, und ich sah, daß mein Kopf schief und steif auf dem Kissen lag und ich Mühe hatte zu atmen. Ich wollte in meinen Körper zurückkehren – unmöglich. Mir wurde Angst. Ich trat durch die Beine ein, und als ich die Höhe der Knie erreichte, war es jedesmal, als ob ich nach außen abglitte, zwei–, dreimal auf diese Art. Das Bewußtsein stieg, dann glitt es ab, wie ein Gummiband. Ich sagte mir: "Wenn ich nur den Hocker umkippen könnte (unter meinen Füßen stand ein kleiner Hocker), würde das Lärm verursachen, und ich würde aufwachen!" Nichts zu machen. Mein Atem ging immer schwerer. Ich hatte furchtbare Angst. Plötzlich erinnerte ich mich an Mutter und rief: "Mutter! Mutter!" Sofort befand ich mich wieder in meinem Körper, wach und mit einem steifen Hals."

(Mutter lacht sehr)

D erzählte diese Geschichte.

Dieser D, welch ein Esel! Er weiß nicht, wo man wieder eintritt! Aber das hat er mir nie erzählt. Ich hätte ihm meine Meinung gesagt.

Man muß hier austreten [beim Herzen], man kann auch durch die Schädeldecke austreten, aber das ist schwieriger. Man muß hier austreten [beim Herzen] und auch dort wieder eintreten. Das ist ganz natürlich, das lehrt man einem als erstes, wenn man sich exteriorisieren will. Man muß das ganze Bewußtsein da [auf das Herz] konzentrieren und dort austreten. Dort muß man auch wieder eintreten und das Bindeglied bewahren.

Aber das ist interessant, sehr interessant.

Nein, das hat er mir niemals erzählt. Bei den Füßen wieder eintreten zu wollen!

Manche Leute versuchen es durch den Kopf, das ist etwas schwierig. Es ist etwas schwierig, und man muß es können. Aber durch das Herz ist es ganz natürlich.

Sieh an, sieh an!... Seine Geschichte ist interessant.

Ja, und sie wird den Leuten den Vorgang verständlich machen.

Ja, sie ist sehr lehrreich.

Ich habe meinen Körper nie bewußt verlassen können.

Das ist eine Begabung.

Manchmal treten Schwingungen hier aus [beim Schädel].

Das ist etwas anderes.

Was ist es? Manchmal habe ich den Eindruck eines starken Zugs: etwas vibriert intensiv und zieht an mir, als werde ich am Scheitel hinausgezerrt.

Das ist die Öffnung zum höheren Mental.

Es gehört mehr der Kundalini-Methode an. Das ist nicht die Erfahrung der Exteriorisierung sondern die mentale Öffnung zu den höheren Bereichen.

Aber es geschieht manchmal genau im Augenblick des Einschlafens.

Auf diese Weise nimmst du Kontakt auf. Das ist unerläßlich.

Aber das kommt vom Yoga. Es kann durch frühere Leben vorbereitet worden sein, oder es kann in einem Leben geschehen, wenn man bereit ist. Darauf kommt es an: über das Schädeldach, das einen einschließt, hinauszugehen. Weißt du, diesen Deckel muß man durchbrechen. Die Befähigung dafür ist ein sicheres Zeichen, daß man für den Yoga bereit ist – den "Yoga", jedenfalls für Sri Aurobindos Yoga.

Die anderen Dinge wie Exteriorisierungen usw. sind angeboren, so wie es geborene Künstler, geborene Maler, geborene Flieger gibt. Es ist eine Laune der Natur. Ich kannte ausgesprochen dumme Mädchen, die sich aber auf bewundernswerte Weise exteriorisierten und die das ganze Bewußtsein ihrer Erfahrungen im Subtilphysischen oder im Mental oder im materiellen Vital bewahren konnten (wenn man nicht entwickelt ist, geschieht es häufiger im materiellen Vital als im Subtilphysischen). Sie erzählten einem alles, was sie sahen, aber sie waren unfähig, dem Yoga zu folgen.

Ich sage dir, das sind Launen der Natur.

Es ist schon schade, daß sie keine Laune für mich hat.

Aber es ist nicht unerläßlich für den Yoga.

Natürlich, aber trotzdem...

Nur für materialistische Leute ist es von großer Bedeutung, denn es bringt sie mit etwas in Berührung, das ihnen "übernatürlich" erscheint.

Ja, das ist das Interessante daran: Es zeigt ihnen die unabhängige Existenz des Bewußtseins außerhalb des Körpers.

So ist es. Aber an sich ist es nicht unentbehrlich.

Nein. Aber ich hätte dennoch gerne...

Es würde dir Spaß machen.

Nun, ja! Es würde mich nicht nur unterhalten, sondern ich hätte auch das Gefühl, daß sich das Bewußtsein entwickelt.

Nicht immer.

Wenn man das dort oben nicht hat [die Öffnung oberhalb des Kopfes], zieht man keinen Nutzen daraus. Diese Mädchen, von denen ich dir erzählte (ich kannte drei, die so waren, nicht nur eine), machten keinerlei Fortschritte. Sie konnten vielleicht immer besser sehen, aber sie machten keinen inneren Fortschritt.

Woher kommt es denn, daß ich persönlich zum Beispiel nie Erfahrungen habe?

Aber nein! Das ist nicht wahr, du hast Erfahrungen. Das ist nicht wahr. Ich weiß, daß es nicht wahr ist, du hast sie – ich sehe deine Erfahrungen.

Aber ich selbst sehe sie nicht!

Weil du dich nicht erinnerst.

Es gibt viele Gründe, aber den eigentlichen Grund nannte ich dir schon: Es genügt, daß ein winziger Bereich des Wesens nicht entwickelt ist. Das hängt von den Erbanlagen ab, von der Art, wie der Körper gebildet wurde, vom Milieu, in dem man geboren wurde, von der Erziehung, die man erhielt, vom Leben, das man führte, vor allem aber vom Interesse, das man in seinem Leben für höhere Dinge hatte. Offensichtlich waren deine Energien eben sehr viel mehr darauf konzentriert, diese Decke zu durchbrechen [die Schädeldecke], um in Beziehung zur Quelle der Wahrheit zu treten, als mediumnistische Erfahrungen zu haben. In Hinsicht auf den Zweck deines Kommens war das UNENDLICH wichtiger. Solche kleinen Erfahrungen, wie sich zu exteriorisieren usw., sind kleine Unterhaltungen auf dem Weg. Ich empfand das immer so.

Ja, Mutter, das ist schön und gut, aber äußerlich wird man nicht ermutigt. Ich habe das Gefühl, daß nichts geschieht – jeden Morgen wache ich auf: nichts. In meinen Meditationen geschieht nichts – niemals geschieht etwas. Meine einzige Gewißheit ist, daß es nichts anderes zu tun gibt.

Könntest du nur das unbewegte Licht sehen, das du dort oben hast, mein Kind! (Mutter blickt über Satprems Kopf) Tausende gäben alles andere dafür!

Tatsache ist, daß man nie mit dem zufrieden ist, was man hat...

Aber es passiert nichts!

...und man will immer das, was man nicht hat. Denn wir wurden für eine integrale Vollkommenheit geschaffen, und solange sie nicht integral ist, sind wir nicht zufrieden.

Laß dich damit trösten, daß es zu seiner Zeit kommen wird.

Wird es kommen? Ja?

Oh, ja! Bestimmt! Eines Tages kann es ganz plötzlich für dich geschehen.

Ich habe das Gefühl, daß sich nichts ereignet, das ist entmutigend.

Natürlich! Ich glaubte auch für sehr lange Zeit, daß nichts geschehe!

Ich kannte niemals diese Freuden der Erfahrungen – niemals. Sie kamen nie, bevor es nötig war. Niemals geschah etwas für mich, wenn es nicht absolut unentbehrlich für meine Arbeit war. Verstehst du, man muß seine Arbeit genau kennen und sich des göttlichen Willens bewußt sein, um zu wissen, was ich dir gerade sagte, daher vergehen oft Jahre, bevor es geschieht.

Ich erinnere mich, als ich hier ankam, nachdem ich viele, viele Erfahrungen und viele Verwirklichungen gehabt hatte, fragte ich Sri Aurobindo als erstes: "Warum bin ich so mittelmäßig?... Alles, was ich tue, ist mittelmäßig, alle meine Verwirklichungen sind mittelmäßig, niemals ist es etwas Bemerkenswertes, Außergewöhnliches, immer mittelmäßig. Es liegt weder tief noch hoch – alles ist mittelmäßig." Das war mein Eindruck. Ich malte; es war keine schlechte Malerei, aber viele andere malten genauso gut. Ich musizierte; es war keine schlechte Musik, aber man konnte nicht sagen: "Ach, welch Musikgenie!" Ich schrieb: völlig gewöhnlich; meine Gedanken waren ein wenig höher als die meiner Kameraden, aber sie enthielten nichts Außergewöhnliches, ich hatte keine philosophischen Begabungen usw. So war es bei allem, was ich tat: Mein Körper war geschickt, aber nicht mehr als das. Ich war nicht häßlich aber auch nicht schön – alles auf diese Art: mittelmäßig, immer mittelmäßig. Da sagte er mir: "Es war unerläßlich."

Also schwieg ich, hielt mich ruhig, und sehr schnell, innerhalb einiger Wochen verstand ich.

Ich hatte diesen Eindruck während meiner ganzen Kindheit. Ich war eine gute Schülerin aber kein Genie, usw.

Von frühester Jugend an faszinierte mich immer eine Sache: Ich wollte immer bewußt sein. Jetzt macht es mich wütend, daß ich gerade nicht bewußt bin – das ärgert mich.

Lange, lange Zeit erschien mir das als das einzig Lebenswerte – das Bewußtsein. Als ich Théon traf und den Mechanismus verstand, begriff ich auch, warum ich auf einer bestimmten Ebene nicht bewußt war. Ich glaube, ich erzählte dir, daß ich zehn Monate eines Jahres damit verbrachte, die Verbindung zwischen zwei Bewußtseinsschichten herzustellen. Eine ganze Reihe von Dingen kam nicht spontan, weil dieser Kontakt fehlte. Madame Théon sagte mir: "Das ist so, weil eine Schicht zwischen dieser und jener Stelle nicht entwickelt ist." Ich war mir aller Bewußtseinsstufen sehr bewußt. Théon hatte es auf sehr einfache Weise erklärt, so mußte man kein Genie sein, um zu verstehen: Er hatte eine vierstufige Unterteilung aufgestellt, und jede dieser Stufen war wieder vierfach unterteilt und so weiter, was unzählige Aufteilungen im Wesen ergab. Aber dank dieser mentalen Vereinfachung konnte man fortgeschrittene psychologische Studien seines Wesens betreiben. Durch Beobachtung und Elimination entdeckte ich, daß zwischen dem und dem (zwei Ebenen in Mutters Bewußtsein) eine unentwickelte Schicht lag, das heißt, sie war nicht bewußt. So arbeitete ich während zehn Monaten ausschließlich daran – ohne Ergebnis. Es war mir egal, ich machte weiter. Ich sagte mir einfach: "Vielleicht werde ich fünfzig Jahre brauchen, um etwas zu erreichen, ich weiß es nicht." Dann ging ich weg (ich wohnte in Paris), ich fuhr aufs Land. Als ich mich dort ins Gras legte – durch den Kontakt mit der Erde und dem Gras –, pfft! fand plötzlich ein innerer Aufbruch statt, die Verbindung war hergestellt, und das volle Bewußtsein und alle Erfahrungen folgten. Da sagte ich mir: "Gut, es hat etwas genützt!"

Ich bin sicher, daß es so ist, daß die Arbeit langsam vorangeht, auf unmerkliche Weise, wie das Küken sich im Ei heranbildet: Man sieht nur die Schale – man weiß nicht, was darin ist, ob es noch ein Ei ist oder schon ein Küken (hätte man die Instrumente, um hindurchzusehen, könnte man es natürlich wissen, aber ich meine die gewöhnliche Situation). Dann macht der Schnabel plötzlich pick! und dann krack! und das Küken ist ausgeschlüpft – so geschieht es. Für den Kontakt mit dem psychischen Wesen ist es genau dasselbe. Man kann monatelang, manchmal jahrelang, vor einer verschlossenen Tür sitzen und drängen, drängen, drängen. Man fühlt den Druck des Drängens, es ist schmerzhaft, und man erreicht nichts, kein Resultat. Plötzlich, man weiß nicht wie noch warum, setzt man sich, und pluff, öffnet sich alles, alles birst, alles ist bereit, alles ist getan – es ist geschafft, man taucht ins volle psychische Bewußtsein, man wird mit seinem psychischen Wesen vertraut. Dann ändert sich alles – alles ändert sich – das ganze Leben ändert sich völlig, es ist eine vollständige Umwälzung des ganzen Daseins.

Im Grunde ist es das beste, sich einfach keine Sorgen zu machen, sich nicht zu ärgern oder deprimiert zu werden (Depression ist das Schlimmste von allem), man darf nicht ungeduldig werden, nicht den Mut verlieren – einfach ruhig bleiben und sagen: "Wenn es kommt, kommt es", aber mit unnachgiebiger Beharrlichkeit tun, was man zu tun beschloß, und weitermachen, weitermachen, selbst wenn es völlig vergeblich erscheint.

Wenn ich nur eine Methode hätte!

Es gibt Methoden. Die Bücher sind voll von Methoden – ich empfehle sie nicht, denn es ist immer die Methode desjenigen, der das Buch schrieb oder davon gehört hat. Man muß seine eigene Methode finden.

Man kann Andeutungen bekommen, man kann seine Methode finden.

Aber man muß... Sieh, es ist so wie beim Japa. Das Japa wird einem gegeben, man erhält es (es sei denn, man findet es selber, aber das ist schwieriger und verlangt schon eine andere Verwirklichung), man empfängt sein Japa zusammen mit der Kraft, es durchzuführen – aber man muß trotzdem lernen, es zu tun, nicht? Lange gelingt es einem nicht völlig, oder es passieren alle möglichen Dinge (mittendrin erinnert man sich nicht mehr, oder man schläft ein, ist müde oder bekommt Kopfschmerzen – alle möglichen Dinge –, oder sogar die äußeren Umstände behindern einen). Da ist es dasselbe, man sagt sich: "Ich werde es tun", und man wird es tun, selbst wenn... Man muß ganz wie ein Maulesel sein und vorangehen – alles widersetzt sich, aber man fährt fort. Man sagte, man werde es tun, und man wird es tun. Es führt zu keinem Resultat: das ist mir egal. Alles richtet sich gegen mich: das ist mir egal. Ich sagte, ich werde es tun, also werde ich es tun... Ich sagte, ich werde es tun, also werde ich es tun. So muß man vorgehen.

In deinem Fall ist es dasselbe. Es hängt davon ab, was man tun will. Allein das, was ich dir zum Beispiel über den Schlaf oder das Ausruhen sagte, sollte bereits genügen. Darauf begründest du deine eigene Disziplin – seien es gesprochene Worte oder bestimmte Gesten oder empfangene Ideen. Man baut sich seine eigene Disziplin auf. Wenn man einmal seine eigene Disziplin gewählt hat, bleibt man dabei.

Das ist meine Erfahrung.

Beharrlich. Man muß beharrlich sein – unnachgiebig beharrlich. Das Unbewußte und die Unwissenheit widersetzen sich zwar – mit all der sturen, unwandelbaren Macht des Unbewußten und der Unwissenheit –, aber es gilt dasselbe wie für den Felsen und den Wassertropfen. Es ist eine Frage der Zeit. Der Wassertropfen durchdringt den Felsen. Es dauert lange, aber es wird ihm gelingen, denn er fällt, einer nach dem anderen. Zuerst prallt er ab (am Anfang prallt er ab), dann macht er ein Loch, und es entsteht ein ungeheurer rauschender Fluß darunter. Die Natur gibt uns da ein wunderbares Beispiel, wunderbar. Man muß sich wie der Wassertropfen auf dem Felsen verhalten.

Wasser ist vitale Energie. Der Fels ist das Unbewußte.

So ist es, mein Kind.

*
*   *

(Beim Weggehen macht Mutter eine Bemerkung über jemanden, und da Satprem offenbar nicht glauben kann, was sie sagt – er wollte nicht an die Häßlichkeiten glauben, er notierte sie nicht einmal –,
fügt Mutter hinzu:)

...Denn du bist noch nicht in diesem Bereich, in den ich gehe!

Das ist anderswo.

Nicht höher, nicht weiter innen: anderswo. Eine andere Art zu sehen 1 .

 

1 Dieses "anderswo", das nicht "höher" und nicht "mehr innen" ist, scheint der Verschiebung auf einer Ebene zu entsprechen, von der Mutter sprach: die andere Materie.

Rückwärts zum Text

 

 

 

 

 

 

 

in French

in English