SITE OF SRI AUROBINDO'S & MOTHER'S  YOGA
      
Home Page | 04 Bande

Mutters

Agenda

vierten Band

14. Januar 1963

Bringst du mir eine Frage zu den Aphorismen?

Da gibt es nicht viele Fragen zu stellen.

Ich bin auf die Frage angewiesen, um die Bewegung auszulösen, denn im Moment geschieht nichts.

Immer mehr ist es so: Wenn es Zeit ist zu handeln, weiß ich, was ich tun muß, wenn es Zeit ist zu sprechen, weiß ich, was ich sagen muß. Ich bemühe mich nicht. Ein oder zweimal versuchte ich es sogar, um zu sehen: völlig nutzlos – nichts kommt. Und wenn es dann kommen soll, fließt es wie aus einem Wasserhahn – keine Anstrengung, nichts zu tun, es kommt ganz allein.

Im Augenblick: nichts.

Lies mir den Aphorismus noch einmal vor!

81 – Gottes Gelächter hört sich zuweilen grob und anstößig für feine Ohren an; Er begnügt sich nicht damit, Molière zu sein, Er möchte auch Aristophanes und Rabelais sein.

82 – Wenn die Menschen das Leben weniger ernst nähmen, könnten sie es sehr bald vollkommener gestalten...

Sieh an!...

Gott nimmt Sein Werk niemals ernst. Deshalb sehen wir das Schauspiel dieses wunderbaren Universums.

Wie lautet deine Frage?

Man könnte sich fragen, wieso die Tatsache, die Dinge ernst zu nehmen, das Leben daran hindert, vollkommener zu sein?

(Nach einem langen Schweigen) Die Tugend hat stets ihre Zeit damit verbracht, Dinge aus dem Leben zu beseitigen, und (lachend) wenn man alle Tugenden der verschiedenen Länder der Welt zusammenbrächte, bliebe nicht mehr viel von unserer Existenz übrig.

Die Tugend gibt vor, die Vollkommenheit zu suchen, doch Vollkommenheit ist eine Ganzheit. Die beiden Bewegungen widersprechen sich: die Tugend schließt aus, vermindert, setzt Begrenzungen, während die Vollkommenheit alles zuläßt, nichts zurückweist, sondern alles an seinen rechten Platz setzt, und die beiden können offensichtlich nicht in Einklang gebracht werden.

Das Leben ernst zu nehmen, besteht gewöhnlich aus zwei Bewegungen: die erste ist, Dingen eine Bedeutung beizumessen, die ihnen wahrscheinlich nicht zusteht, und die zweite ist, das Leben auf eine gewisse Anzahl von Eigenschaften reduzieren zu wollen, die als rein und existenzberechtigt angesehen werden. Bei gewissen Leuten (zum Beispiel bei denen, über die Sri Aurobindo hier spricht: die "Prüden" oder die Puritaner) wird diese Tugend trocken, nüchtern, grau, aggressiv, und sie bemängeln fast alles, was freudig, frei und glücklich ist.

Der einzige Weg, das Leben zu vervollkommnen (wohlgemerkt das Leben hier auf der Erde), besteht darin, es von einem genügend hohen Standpunkt aus zu betrachten, um es als Ganzes zu sehen, nicht nur in seiner gegenwärtigen Totalität, sondern in der Gesamtheit von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft: was es war, was es ist, was es sein soll – man muß fähig sein, alles auf einmal zu sehen, denn dies ist das einzige Mittel, alles an seinen Platz zu rücken. Nichts darf beseitigt werden, nichts SOLL beseitigt werden, sondern jedes Ding soll an seinem Platz sein, in einer totalen Harmonie mit allem anderen. Alle diese Dinge, die dem puritanischen Geist so "schlecht", so "verwerflich", so "unannehmbar" erscheinen, werden dann Bewegungen der Freude und Freiheit eines ganz und gar göttlichen Lebens. Dann wird uns nichts mehr daran hindern, dieses wunderbare Lachen des Herrn zu erkennen, zu verstehen, zu fühlen und zu leben, das eine unendliche Freude daraus schöpft, sich unbegrenzt leben zu sehen.

Diese Freude, dieses wunderbare Lachen, das alle Schatten, alle Schmerzen und alles Leiden auflöst... Man braucht nur tief genug in sich einzudringen, um die innere Sonne zu finden und sich von ihr durchströmen zu lassen. Dann ist alles nur noch eine Flut harmonischen, leuchtenden, sonnigen Lachens, das nirgendwo mehr Schatten und Schmerz zuläßt.

Angesichts der größten Schwierigkeiten, selbst des größten Kummers und der äußersten physischen Schmerzen erkennt man, wenn man sie von DIESEM Platz aus betrachten kann, wenn man DORT bleibt, die tatsächliche Unwirklichkeit der Schwierigkeit, die Unwirklichkeit des Kummers, die Unwirklichkeit des Schmerzes – und alles ist freudige und leuchtende Schwingung.

Im Grunde ist dies das wirksamste Mittel, die Schwierigkeiten aufzulösen, sich über den Kummer zu erheben und Schmerzen verschwinden zu lassen. Die ersten beiden sind relativ leicht zu beheben (relativ), beim Schmerz ist es schwieriger, weil wir gewohnt sind, den Körper und seine Wahrnehmungen als extrem konkret und eindeutig zu betrachten – aber auch hier liegt es nur daran, daß man uns nicht gelehrt hat und wir nicht gewohnt sind, unseren Körper als etwas Fließendes, Plastisches, Ungewisses und Wandelbares anzusehen. Wir haben nicht gelernt, dieses strahlende Lachen dort einzubringen, das alle Schatten und alle Schwierigkeiten auflöst, all die Mißstimmungen, all die Störungen, alles, was knirscht, schreit und weint.

(Schweigen)

Diese Sonne – die Sonne des göttlichen Lachens – steht im Zentrum aller Dinge, sie ist die Wahrheit aller Dinge. Wir müssen nur lernen, sie zu sehen, zu fühlen, zu leben.

Darum laßt uns die Leute meiden, die das Leben ernst nehmen, sie sind die langweiligsten Wesen der Welt!

Das ist alles.

Aber es ist wahr. Kürzlich erzählte ich dir von den Schwierigkeiten der Zellen. Und ich stellte fest: sobald es beginnt, muß ich lachen! Wenn jemand anwesend ist und ich ihm in ernstem Ton von der Schwierigkeit erzähle, wird es nur noch schlimmer. Wenn ich lache und lachend davon spreche, verflüchtigt sie sich. Das Leben ernst zu nehmen, ist wirklich schrecklich! Schrecklich. Die größten Schwierigkeiten bereiteten mir immer die Leute, die das Leben ernst nehmen.

Erst kürzlich hatte ich diese Erfahrung. Alles, was ich von Leuten sehe, die ihr Leben dem "spirituellen Leben" widmeten, die den traditionellen Yoga praktizieren, die sehr ernst sind, die überall Gegner sehen, überall Hindernisse, überall Dinge, die man nicht tun soll, überall Verbote, ach, wie sie das Dasein komplizieren und... wie weit sie vom Göttlichen entfernt sind. Ich sah das neulich bei jemandem, den du kennst. Bei diesen Leuten darf man dies nicht tun, darf man jenes nicht, man darf nicht... Heute darf man das nicht tun, und morgen darf man jenes nicht tun, darf das nicht essen, darf jenes nicht... Und auf keinen Fall, AUF KEINEN FALL, dürft ihr euer alltägliches Leben mit eurem frommen Leben vermischen, oh, weh! – und so entsteht dann eine Kluft.

Es ist haargenau das Gegenteil von dem, was ich jetzt spüre: Egal was geschieht, ob etwas mit dem Körper nicht gut geht, ob etwas mit den Leuten nicht gut geht, ob irgend etwas nicht gut geht – sofort lautet die erste Bewegung: "O Du mein sanfter Herr, mein Inniggeliebter!" und ich lache. Dann geht alles gut. Neulich tat ich das (es geschieht spontan und unverzüglich, nicht erdacht, nicht gewollt, nicht ausgearbeitet, nichts dergleichen – es kommt einfach so). Ich erinnere mich nicht an die Einzelheiten, aber es geschah bei einem Anlaß, der offensichtlich alles andere als heilig war. Ich sah mich selbst und mußte lachen: "Sieh da! Aber ich brauche ja nicht ernst zu sein! Ich brauche nicht betroffen zu reagieren!"

Sobald das geschieht, werde ich argwöhnisch (Mutter macht ein ernstes Gesicht) und sage mir: "Oh je! Irgend etwas stimmt nicht. Es muß irgendein Einfluß oder sonst etwas in die Atmosphäre eingetreten sein, das nicht hineingehört." All die Schuldgefühle, jedes Bedauern, all dies... oh-la-la! Das Gefühl der Unwürdigkeit, der Schuld. Und wenn wir dann etwas weiter gehen, das Gefühl der Sünde – nein, so was!... Das scheint mir einem anderen Zeitalter anzugehören, einem Zeitalter der Dunkelheit.

Besonders aber all die Verbote. Zum Beispiel die Aussage von X, die mir von einer Drittperson berichtet wurde: "Ich werde eine spezielle Puja abhalten, um Geld beschaffen zu helfen. Ich werde ein spezielles Yantra 1 anfertigen, um das Geld herbeizuschaffen. Sagt aber Mutter AUF KEINEN FALL etwas, tut nichts und gebt nichts vor dem 14. Januar, denn bis zum 14. Januar ist ich weiß nicht welcher Planet in Opposition zu irgendeinem anderen Planeten (Mutter lacht), und alle Dinge gehen dem Zusammenbruch entgegen und gelingen nicht. Doch danach wird dieser Planet im Aufstieg sein, und alles wird gelingen!" (Mutter lacht) Etwas in mir ("etwas": jemand) sagte sogleich spontan: "Warum? Ich kann doch immer hören!" Und ich lachte. Sie glaubten, ich mache mich über ihn lustig – ich mache mich nicht lustig: ich lache, das ist nicht dasselbe!

Gut, mein Kind, das ist alles.

Du kannst mir noch einen Aphorismus vorlesen. Für diesen genügt es, das ist geklärt!

Wie lautet der folgende?

83 – Die Beschämung hat lobenswerte Ergebnisse, und weder in der Ästhetik noch in der Moral könnten wir sie entbehren. Nichtsdestoweniger ist sie ein Zeichen der Schwäche und ein Beweis der Unwissenheit.

Das ist dasselbe! Genau das habe ich zum Schluß gesagt: das Gefühl der Schuld, des Bedauerns, der Gewissensbisse, all das, ach!... Das reicht wohl, oder?

*
*   *

(Dann betrachtet Mutter die Liste ihrer weiteren Termine und der Geburtstagsbesucher, die sie beglückwünschen muß).

Am 2. Februar ist der Geburtstag von C, ich werde mit ihm meditieren, denn er gehört zu den Leuten, die noch an Meditation glauben! (Mutter lacht)

Ein kleiner Bereich recht amüsanter Erfahrungen hat sich daraus entwickelt, denn jetzt schreibe ich den Leuten Karten. Ich habe viele Karten mit den verschiedensten Motiven 2 (C verbringt seine Zeit mit ihrer Herstellung). Wenn ich jemandem eine Karte schicken muß, entscheide ich nicht vorher (manchmal wird es allerdings im voraus entschieden), sondern erst ganz zuletzt weiß ich: DIESE Karte muß ich schicken, und DAS muß ich sagen. Ich brauche mir nicht den Kopf zu zerbrechen: es kommt genau im richtigen Augenblick. Ich muß nur noch aufstehen, die Karte holen, und dann ist es getan. Besonders die Leute, die ein "spirituelles Leben" führen, werden mir entgegenhalten: "Wieso macht sie aus einer so bedeutungslosen Angelegenheit eine spirituelle Erfahrung!" Aber das gilt für ALLE kleinen Dinge: der benötigte Gegenstand, das richtige Parfum, das Badesalz, alle möglichen "unnützen", "geringfügigen", "unwichtigen" Dinge: "Wie kann man nur!..." Ich mache mir nicht einmal die Mühe zu suchen oder zu... (denken tue ich Gott sei Dank nicht!), es kommt einfach: das, dies, jenes. Nicht gesagt: GEWUSST. Es wird nicht einmal gesagt, man sagt mir nicht: "Tu das", niemals. Es ist GEWUSST: "Ach, das ist es, gut!" Ich wähle und handle – das ist sehr angenehm!

Diese Erfahrung habe ich tatsächlich seit sehr langer Zeit, seit Jahren. Aber seit einigen Tagen geschieht sie konkret in den Zellen des Körpers. Es gibt keine "Dinge", in denen der Herr ist, und andere, in denen Er nicht ist – das glauben nur Narren! Denn Er ist IMMER da. Er nimmt nichts ernst. Er amüsiert sich mit allem. Er spielt mit euch, wenn ihr zu spielen versteht – ihr versteht nicht zu spielen, die Leute können nicht spielen. Aber wie Er spielen kann! Wie Er mit allem spielt, mit all den kleinen Dingen: "Du willst Gegenstände auf den Tisch stellen? Glaube ja nicht, daß man denken und ordnen muß, nein, wir werden spielen: wir werden dies hierhin stellen und das dorthin, und dann jenes so." Die Leute bilden sich ein: Jetzt ist die Anordnung entschieden, und es wird immer so sein – aber ganz und gar nicht! (Sie wollen euch nämlich helfen! Sie wollen die Dinge ordnen, das ist schrecklich!) An einem anderen Tag bleibe ich unbewegt und ruhig, und dann fange ich an zu spielen: Halt! Das werden wir hierhin stellen und dann das dahin und dies dorthin... ah! (Mutter lacht) Seitdem ich dich das letzte Mal sah, war es ständig so, wahrscheinlich, um mich auf den Aphorismus vorzubereiten!

Das ist sehr komisch.

Gut, mein Kind.

Es ist also abgemacht, wir werden versuchen, mit dem Herrn zu lachen.

Ich weiß. Ich weiß, daß Er mich lehren will, die Verantwortung... "Verantwortung" ist nicht das richtige Wort, aber die unglaubliche Arbeit, täglich 8000 Rupien aufzutreiben, um die Ausgaben des Ashrams zu bestreiten, nicht so ernst zu nehmen – das bedeutet ja ein ungeheures Vermögen jeden Monat.

Ich habe Ihm mehrmals gesagt: "Weißt du, es würde mir großen Spaß machen, viel Geld zu haben und damit spielen zu können." Ich sehe, wie Er lacht, aber Er antwortet nicht!... Er lehrt mich das Lachen über diese Schwierigkeit, wenn mir der Kassierer sein Buch schickt, in dem die Zahlen astronomisch ansteigen (lachend): 50 000, 60 000, 80 000, 90 000, während die Schublade praktisch leer ist. Und Er will, daß ich darüber lache. An dem Tag, wo ich wirklich lachen kann – mich darüber lustig mache, lache –, AUFRICHTIG (nicht angestrengt, mit Anstrengung läßt sich immer alles erreichen), wenn ich spontan darüber lachen muß, dann wird es sich ändern, glaube ich. Sonst kann einem unmöglich... Wir haben an allen möglichen Dingen Spaß, und es gibt keinen Grund, warum man nicht auch den Spaß haben sollte, mehr Geld als nötig zu haben, um die Dinge großzügig handhaben zu können. Das wird sicher eines Tages geschehen, aber man darf nicht von dem Betrag überwältigt werden, und deshalb darf man das Geld nicht ernst nehmen.

Man darf das Geld nicht ernst nehmen.

Gegenwärtig fällt dies sehr schwer, denn in der ganzen Welt wird das Geld ernst genommen. Vor allem die Leute, die Geld haben, nehmen es ernst, oh, du meine Güte! Deshalb ist es schwierig. Man müßte lachen können – lachen, frei heraus und ehrlich lachen, dann wird es vorbei sein.

Gut!... Wir werden wieder darüber sprechen.

Auf Wiedersehen, mein Kind.

 

1 Yantra: ein rituelles Zeichen, das dazu dient, Kräfte "in den Griff zu bekommen".

Rückwärts zum Text

2 Blumen, Landschaften, symbolische Fotografien usw.

Rückwärts zum Text

 

 

 

 

 

 

 

in French

in English