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Mutters

Agenda

vierten Band

3. Mai 1963

Hat X mit dir über die Weltereignisse, über den Krieg gesprochen?

Er sagte, was er immer sagt: daß es Krieg geben werde. Dies sei gewiß.

Der Krieg ist immer da!

Gibt es Neuigkeiten auf dem Gebiet?

Weißt du, ich lebe von Tag zu Tag. Nur der Eindruck, daß "es" sehr schnell vorangeht. "Es" umfaßt eine Vielzahl von Dingen.

Eigentlich läßt sich nur sehr schwer darüber sprechen.

Es ist eher die Wahrnehmung einer irdischen Bewegung als sonst etwas. Die Details sind an und für sich nicht von Bedeutung, aber sie sind "symptomatisch" für das Ganze. Das bedeutet, daß die Schwierigkeiten, die Hindernisse, die Kämpfe, die Siege, die Fortschritte für sich genommen nur Anzeichen einer allgemeinen Bewegung sind. Zuweilen wird der Widerstand und der Widerspruch ungeheuer, zu anderen Zeiten hingegen erlebt man Augenblicke von Fortschritten und phantastischen Erfolgen, die wie ein Wunder anmuten, und im Gesamtüberblick fühlt man einen Schub – einen globalen Schub –, in dem die kleine zellulare Ansammlung als solche wirklich ohne große Bedeutung erscheint. Ihre Bedeutung verringert sich mit dem Schwinden ihres Widerstandes, das heißt, je mehr sie das Werk vonstatten gehen läßt, ohne die Bewegung zu hemmen oder zu entstellen – ohne sie zu hindern, ohne sie zu komplizieren –, desto mehr verringert sich das Gefühl ihrer Bedeutsamkeit. Sie scheint nur in dem Maße von Bedeutung zu sein, als sie hinderlich ist.

Offensichtlich vollzieht sich eine Doppelbewegung: Einerseits versucht etwas, die Aufmerksamkeit und die Konzentration der anderen immer weniger auf sich zu lenken, das heißt, die Bedeutung des Vermittlers zu verringern, der notwendig ist, um die Kräfte und Gedanken zu verbreiten (mehr und mehr versucht man, das auszuschalten 1). Zugleich wächst die Macht an – zuweilen in gewaltigem, schwindelerregendem Ausmaß. Von Zeit zu Zeit (sehr selten, und ich muß sagen, ich versuche keineswegs, es öfter geschehen zu lassen), aber hin und wieder kommt für eine Minute – nicht einmal das, für wenige Sekunden – das Gefühl einer absoluten Macht. Dann wird es sogleich wieder überdeckt, verschleiert. Die Wirkung in der Ferne wird immer stärker, sie entspricht aber keinem bewußten Willen – ich will damit sagen, es besteht keinerlei Bemühung, mehr Macht zu erlangen, ganz und gar nicht. Von Zeit zu Zeit kommt lediglich diese Feststellung (eine manchmal sehr amüsante Feststellung): in manchen Augenblicken wird die Macht absolut (das geschieht in Sekundenschnelle); dann setzt der übliche Mischmasch wieder ein.

Die Wirkung auf andere nimmt erheblich zu, aber auch das entspricht keiner Bemühung: diese Dinge geschehen automatisch. Dennoch, wie ich schon sagte, erhebt sich in bestimmten Sekunden etwas... etwas, das will, aber nicht auf die gewöhnliche Weise: etwas zwischen Wissen, Sehen und Wollen; etwas Unscheinbares, das alle drei enthält... hart wie Diamant und... (wie soll ich sagen? – ich weiß nicht, dafür gibt es keine Worte) es ähnelt einer gefühlvollen Schwingung, aber das ist es nicht. Es hat überhaupt nichts Intellektuelles an sich. Es ist keine intellektuelle Sichtweise oder supramentale Erkenntnis, ganz und gar nicht. Es ist etwas anderes... wie ein Diamant von lebendiger Kraft – lebendig, lebend. Und das ist allmächtig. Es ist aber äußerst flüchtig und wird sogleich wieder überdeckt von allen möglichen Dingen, wie von Visionen, einer supramentalen Schau, dem Verstehen, der Unterscheidung – all das ist zu einer konstanten Masse geworden.

Vom Standpunkt der Sensibilität oder der Empfindung (ich weiß nicht, wie ich es nennen soll), wenn der Körper sich ausruht und in den statischen Zustand der reinen Existenz tritt... Früher war es (oder hatte er) das Gefühl einer vollkommenen Bewegungslosigkeit – nicht etwas, das sich nicht bewegt, sondern eine "Nicht-Bewegung", ich weiß es nicht. Kein Gegensatz zwischen etwas, das sich nicht bewegt, und etwas, das sich bewegt – das trifft es nicht –, sondern das Fehlen jeder Möglichkeit einer Bewegung. Jetzt fügt es sich, daß er nicht nur den Eindruck einer irdischen Bewegung sondern einer universellen Bewegung von solch ungeheurer Geschwindigkeit hat, daß sie nicht mehr wahrnehmbar ist, jegliche Wahrnehmung überschreitet. Als läge jenseits des Seins und des Nichtseins "Etwas", das sich zugleich... das sich nicht IM Raum bewegt, sondern das zugleich jenseits der Unbewegtheit und jenseits der Bewegung liegt, in dem Sinne, daß diese Geschwindigkeit jenseits aller Sinne liegt (ich spreche nicht einmal von der physischen Wahrnehmung sondern von allen Sinnen in allen Welten).

Das ist etwas Neues.

Wenn ich mich hinlege, gehe ich mit außerordentlicher Schnelligkeit vom einen zum anderen über. Es ist erst ein Anfang, so weiß ich noch nicht viel darüber, aber ich habe eines festgestellt: Die Bewegung 2 überschreitet in diesem Zustand die Kraft oder die Macht, die die Zellen in einer individuellen Form zusammenhält, und dieser Zustand erscheint allmächtig, obwohl in ihm kein bewußter Wille oder keine bewußte Schau besteht (bis jetzt). Dieser Zustand... (wie soll ich sagen?) seine Eigenschaften überschreiten die Macht, die den Zellen den Zusammenhalt eines individuellen Körpers gibt. Das Ergebnis erfolgt automatisch (nicht willentlich): Sobald etwas eintritt, das sich durch einen physischen Schmerz ausdrückt, wird es AUGENBLICKLICH beseitigt. Dabei geschieht etwas sehr Interessantes, sobald der Körper nämlich in einen gewissen Zustand zurückkehrt – nicht in den gewöhnlichen menschlichen Zustand sondern in seinen gewohnten Zustand –, erlangt er wieder die ERINNERUNG an die Störung, und mit der Erinnerung kommt die Möglichkeit einer Rückkehr der Störung, falls eine gewisse Anzahl von Bedingungen nicht automatisch erfüllt ist. Ich weiß nicht, ob ich etwas Sinnvolles sage, aber so ist die Erfahrung... Vermutlich handelt es sich um den Übergang von der wahren Sache zu jener, die es nicht mehr ist – keine Lüge, wie wir sie hier auf der Erde kennen (das ist wieder etwas ganz anderes), aber es ist bereits der Übergang von der reinen Schwingung zu... es erweckt den Eindruck einer falschen Falte; nicht das Prinzip der Entstellung, sondern eine schlechte Gewohnheit als Auswirkung eines ANDEREN Prinzips. Da gilt es, etwas zu finden, um diesem automatischen Rückfall zu begegnen, ihn anzuhalten und zu verhindern.

Das geschieht STÄNDIG. Immer der Wechsel von diesem zu jenem, von diesem zu jenem, von diesem zu jenem; dies ist so extrem, daß es eine Sekunde oder eine Minute oder jedenfalls einen bestimmten Zeitraum gibt (ich weiß es nicht), wo man weder dies noch jenes ist. Dann hat man den Eindruck eines Nichts. Das passiert nur flüchtig. Wenn es andauerte, würde es sich wahrscheinlich durch eine Ohnmacht oder ich weiß nicht was ausdrücken, ich kann es nicht sagen. Aber die ganze Zeit wechselt es: dies, jenes (Geste des Hin- und Herpendelns). Zwischen dem einen und dem andern besteht ein Übergang.

Das äußere Leben (was die Leute sehen und womit sie eine Beziehung haben) ist gewiß eine Mischung der beiden, wie etwas, das sich hinter dem Schirm abspielt, und was wir auf dem Schirm sehen, ist wie eine Kombination von beiden – sie verbinden sich nicht, aber es erzeugt einen seltsamen visuellen Effekt (für Mutter). Mit "visuell" meine ich nicht nur für die Augen, sondern für das äußere Bewußtsein. Ein seltsames Leben, weder dies noch das, auch keine Mischung von beiden, kein Nebeneinanderstehen – so als ob das eine durch das andere funktionieren würde. Es muß interzellular sein. Dies geschieht folgendermaßen (Mutter schiebt die Finger ihrer rechten Hand durch die ihrer linken mit einer ständigen Hin- und Herbewegung), das heißt, die Mischung muß sehr mikroskopisch, auf der Oberfläche sein.

(Mutter verharrt in "Betrachtung" der Erfahrung)

In rein äußerer Hinsicht war die Nacht nach eurer Ankunft dort 3 jedenfalls schrecklich. Das Bewußtsein kam mit allen negativsten und zerstörerischsten Dingen in Berührung – im Sinne einer ganzen Welt von Verneinung, auch von Verweigerung, Widerspruch, Kampf und Böswilligkeit. Die visuelle Erscheinung war kreidig, weißt du, wie diese Kreide von einem seelenlosen Weiß; alles war so, selbst das Schwarz war kreidig! Alles war jeglichen seelischen Lebens entleert. Schrecklich! Ich weiß nicht, ich muß Jahre über Jahre zurückgehen, um eine ähnliche Erinnerung zu finden. Ich steckte dort drinnen, es wurde mir aufgezwungen. Als ob mich jemand dort festhielte und mich zwang, es anzusehen.

Ich vergaß das meiste, denn unmittelbar danach fegte ich alles weg. Ich weiß nicht mehr, was es war, außer dem, was ich eben sagte – ich weiß es nicht mehr, denn ich WOLLTE NICHT, daß es existiere. Schrecklich! Am folgenden Morgen hatte ich ein so schmerzliches Gefühl. Da dachte ich mir, daß es dir schlecht ginge, und als ich deinen Brief erhielt, verstand ich. Dies beschränkt sich aber nicht auf die eine oder die andere Person oder auf den einen oder anderen Ort: Es evozierte gleichsam eine universelle Seinsart, und das betrübt mich. Als wäre eine ganze Seinsart, die ich seit... seit mehr als 70 Jahren zurückstoße, auf Distanz halte, damit sie nicht mehr auf reale Weise bestehen kann, als würde mir dies alles aufgedrängt. Wie etwas, das einer Vergangenheit angehört, die keine Daseinsberechtigung mehr hat.

Nachher ging es besser. Jenes war die schlimmste Nacht.

Während der Morgenmeditation fragte ich mich... Vielleicht ist es das Symbol für das clinging to the past [sich an die Vergangenheit klammern]? Das ist möglich. Aber schließlich gibt es viele solche Menschen auf der Welt, die sich an die Vergangenheit klammern, viele...

(Schweigen)

Am nächsten Morgen hatte ich während einer Stunde eine Erfahrung... All dies vollzieht sich immer, als geschehe es im Körper (aber der Körper ist eine Art stellvertretendes symbolisches Objekt geworden). Alles geschieht so, angefangen mit dem Gefühl, sterben zu müssen, bis zum Gefühl vollkommener Unsterblichkeit. All das spielt sich die ganze Zeit im Körper ab – er ist der Kampfplatz und das Siegesfeld, er ist die Niederlage und der Triumph, er ist alles. Ich notierte die Erfahrung.

(Mutter reicht Satprem ein Papier):

Der Herr ist die friedliche Resignation,
aber der Herr ist auch der Kampf
und der Sieg.

Er ist eine freudige Annahme
alles Bestehenden; aber auch
ein ständiges Streben
nach einer totalen, vollkommeneren Harmonie.

Die ewige Bewegung
in absoluter Unbewegtheit.

Dies ist keine intellektuelle Reflexion sondern die Aufzeichnung der Erfahrung: die beständige Doppelbewegung der vollkommenen Annahme von allem, was ist, als eine absolute Bedingung, um an allem teilhaben zu können, was sein wird, und zugleich das fortwährende Streben nach einer größeren Perfektion. Das war die Erfahrung aller Zellen.

Die Erfahrung dauerte mehr als zwei Stunden: die beiden Bedingungen.

Diese beiden Aspekte haben das ganze spirituelle Denken der Menschheit oder den spirituellen Willen der Menschheit gespalten. Das scheint man nicht begriffen zu haben. Die einen, wie Buddha und all diese Leute, erklärten, die Welt sei unverbesserlich, es gebe nur eines zu tun, und zwar sie zurückzulassen, und es könne nie anders sein, als es ist – sie ändert sich, aber bleibt in Wirklichkeit dieselbe. Das bewirkt eine gewisse Haltung vollkommener Annahme. Ihr Bestreben zielt also darauf ab, die Welt zu verlassen, ihr zu entfliehen, das heißt, sie so zu belassen, wie sie ist, also zu fliehen. Andere hingegen spüren, daß es eine Vollkommenheit gibt, die der Mensch anstrebt und die sich fortschreitend verwirklicht. Immer besser verstehe ich, daß sich diese zwei Bewegungen ergänzen, und nicht nur das, sondern auch, daß die eine für die andere unerläßlich ist.

Das bedeutet, daß die Veränderung, die sich aus einer Ablehnung des gegenwärtigen Zustands der Welt ergibt, keine Kraft und keine Macht hat: Nicht nur eine vollkommene sondern auch eine verstehende, freudige Annahme ist erforderlich – die höchste Freude am Bestehenden zu kennen, um... es geht nicht um Recht oder Macht, sondern um überhaupt die Möglichkeit zu haben, sie zu ändern.

Wir kommen wieder darauf zurück, daß wir der Höchste werden müssen, um Seinem Werk dienen zu können. Wir benötigen die höchste Schwingung, um an dieser Bewegung teilnehmen zu können, die ich jetzt in den Zellen des Körpers zu spüren beginne – diese Bewegung ist wie eine ewige Schwingung, die weder Anfang noch Ende hat. Sie hat keinen Anfang. Die Erde hat einen Anfang, das ist einfach; mit dem Anfang der Erde haben wir auch den Anfang ihrer Geschichte, aber das ist es nicht: diese Schwingung hat keinen Anfang, sie ist... sie besteht seit aller Ewigkeit, für alle Ewigkeit. Es gibt keine Trennung der Zeiten; nur wenn es auf einen Bildschirm projiziert wird, nimmt es eine Zeiteinteilung an. Aber wir können nicht von einer "Sekunde" oder von einem "Augenblick" sprechen... Das ist sehr schwierig zu erklären... Wir haben kaum Zeit, es wahrzunehmen, und schon besteht es nicht mehr: Es hat keine Grenzen, keinen Anfang, kein Ende, eine so vollkommene Bewegung – vollkommen und beständig, andauernd –, daß sie der Wahrnehmung als vollkommene Ruhe erscheint.

Das ist absolut unbeschreiblich. Aber dies ist der Ursprung und die Grundlage der gesamten irdischen Evolution.

Von irdischen Dingen zu sprechen, ist sehr leicht.

Diese Worte (Mutter zeigt auf die Notizen ihrer Erfahrung) kommen, lange nachdem die Erfahrung abgeschlossen ist. Das heißt, es herrscht eine Art Schweigen oder Unbewegtheit, und etwas klärt sich langsam, langsam ab. Wenn es dann abgeklärt ist, bleibt dieser Rückstand (Mutter zeigt lachend auf ihre Notizen).

 

1 Mutter spricht von der Wahrnehmung, sich wie ein Verteilungszentrum höherer Kräfte zu fühlen. Später, am 29. Mai, äußerte sie sich genauer zu diesem Abschnitt.

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2 Das nächste Mal präzisiert Mutter: Es ist keine Bewegung, keine Schwingung... Genau genommen kann man nur sagen "Etwas".

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3 Die Nacht vom 21. zum 22. April in Rameshwaram.

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