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Mutters

Agenda

vierten Band

18. Mai 1963

(Mutter bittet um einen Kasten mit Wasserfarben, weil sie die verschiedenen Farben der Bewußtseinsstufen demonstrieren möchte, die von der Natur bis zum Höchsten führen, angefangen bei der materiellsten Natur. Es handelt sich darum, das Symbol des Unendlichen, die Zahl 8 zu illustrieren, um die es im Gespräch vom 11. Mai ging: das unendliche Spiel des Höchsten, der sich zur Natur hinabneigt, und der Natur, die sich zum Höchsten erhebt. Mutter spricht englisch mit einem Maler, der die Anweisungen an H, die die Illustrationen zu Savitri anfertigt, weitergeben soll.)

Natürlich sind dies alles Lichter, deshalb lassen sie sich nicht wiedergeben. Aber es muß ein Violett sein, das nicht stumpf und dunkel wirkt (Mutter beginnt bei der materiellsten Natur). Was sie gemalt hat, ist etwas zu rot, es darf aber auch nicht zu blau werden – siehst du die Schwierigkeit? Nach violett kommt blau, ein wirkliches Blau, nicht zu hell, aber leuchtend. Nicht zu hell, denn es sind drei aufeinanderfolgende Blautöne: das Blau des Mentals, dann das blassere Blau des höheren Mentals und schließlich das erleuchtete Mental in derselben Farbe wie die Fahne (Mutters Fahne), ein Silberblau, aber natürlich blasser als das vorherige. Dann kommt gelb, das Gelb des intuitiven Mentals; es darf nicht golden sein, sondern kadmiumgelb. Nach diesem blassen Gelb kommt das Übermental in allen Farben – es müssen leuchtende Farben sein, nicht dunkle: blau, rot, grün, violett, purpur, gelb... alle Farben. Danach haben wir all die goldenen Farbtöne des Supramentals mit seinen drei Abstufungen. Dann folgt eine Schicht von goldenem Weiß – weiß, aber ein goldenes Weiß. Nach dem goldenen Weiß kommt ein silbernes Weiß – silberweiß, wie soll ich es erklären? (H schickte mir ein lächerliches Bild von einer Sonne, die auf Wasser scheint – damit hat das nichts zu tun!) Wenn du silber, silbergrau (Mutter deutet auf eine silberne Dose, die in der Sonne leuchtet) mit weiß vermischst... Es ist weiß, aber wenn man die vier Weißtöne nebeneinanderstellt, sieht man den Unterschied. Es gibt ein weißes Weiß, dann ein Weiß mit einem Hauch von rosa, dann ein Silberweiß und ein goldenes Weiß. Das sind die vier Welten.

Ich erklärte es H, wie ich es dir erkläre, aber H hat es nicht gesehen, und so kann sie es nicht verstehen. Ich möchte es ihr auf Papier zeigen. Es sind zwölf verschiedene Dinge (oder zwölf Welten), eine nach der anderen 1 .

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(Dann liest Satprem einen Aphorismus:)

93 – Der Schmerz ist wie die Hand unserer Mutter, die uns lehrt auszuharren und in Seligkeit zu wachsen. Ihr Unterricht vollzieht sich in drei Stufen: zuerst ertragen, dann Gleichmut der Seele, schließlich Ekstase.

...Noch ist es eine Zeit des Konflikts.

Ständig gibt es Zeitabschnitte des Konflikts zwischen äußeren Ideen und der inneren Erfahrung.

Das Problem stellt sich folgendermaßen: Man kann die Haltung des Ertragens einnehmen, und alles ertragen, bis man eben den Schmerz in Ekstase verwandeln kann – diese Erfahrung läßt sich immer und jederzeit machen. Materialistisch veranlagte Leute halten einem allerdings entgegen: "Das ist schön und gut, aber man ruiniert dabei seinen Körper." Und da... (lachend) müßte man wie mit Versuchskaninchen vorgehen: verschiedene Erfahrungen machen, um herauszufinden, ob die Ekstase die Macht hat, die Ordnung im Körper wieder herzustellen.

Man hat ein materielles Leiden, rein materiell (auf moralischer Ebene ist der Fall klar, das versteht sich); ich spreche von rein materiellen Dingen: in der Funktion oder der Struktur der Organe ist etwas aus den Fugen geraten. Das Ergebnis ist ein Leiden. Man beginnt damit, es zu erdulden, und vom Ertragen geht man über zu einem vollkommenen Gleichmut, und von diesem vollkommenen Gleichmut zur Ekstase – das ist durchaus machbar. Es ist nicht nur machbar, sondern wurde auch bewiesen. Diese Erfahrung muß aber BIS ZUM ENDE durchgezogen werden, um herauszufinden, ob die Ekstase die Macht hat, die Ordnung im Körper wiederherzustellen, oder ob sie sich lediglich durch eine Auflösung ausdrückt: Man bleibt in Ekstase und stirbt in Ekstase. Man verläßt seinen Körper in Ekstase. Ist dies so?... Es wäre nicht nur möglich, sondern es ist völlig offensichtlich. Aber das wollen wir ja nicht! Wir wollen die Ordnung wiederherstellen, die Störung IN DER MATERIE beseitigen: Hat die Ekstase die Macht, die Ordnung in der Funktion wiederherzustellen und über die Kräfte der Auflösung zu triumphieren?

Um dies herauszubekommen, muß man die Erfahrung machen!

Immer sagt etwas, das Risiko sei zu groß für... Wir sind noch zu vorsichtig. Oder ist es ein Mangel an Glauben? Aber es ist eher ein Mangel an Wissen als ein Mangel an Glauben, wir können nämlich sagen: "Alles, was geschieht, geschieht durch den Willen des Herrn, und wenn diese Erfahrung den Körper auflöst, dann beweist es eben, daß Er es so wollte, das ist alles, man braucht sich nicht den Kopf darüber zu zerbrechen." Und das stimmt, man lebt mit dieser Vorstellung, man empfindet es so, betrachtet es so. Aber dann erhebt sich etwas, das außerhalb steht oder von außen kommt und sagt: "All das ist schön und gut, aber ist das Verlangen, diese Erfahrung zu machen, denn gerechtfertigt? Könnte man dasselbe Wissen nicht auch erlangen, ohne ein so großes Risiko einzugehen?..."

Auf solche Probleme stößt man.

Meine Haltung in dieser Sache besteht darin, alles anzuschauen: diese Meinung, jene Meinung, diese Haltung, jene Haltung, und mich so zu halten (Geste eines Zeugen, der völlig außerhalb steht und passiv bleibt). Ich nehme Abstand von allen Entscheidungen und Handlungen und werde ausschließlich zum Zeugen – ein unbeteiligter Zeuge. Ich sage dem Herrn: "Es liegt an Dir zu entscheiden. Das ist nicht meine Sache, Du wirst entscheiden. Was auch immer geschieht, es ist Deine Sache!" Bis jetzt drückte sich die Antwort immer durch eine Intervention aus, die die Ordnung wiederherstellte; aber... ohne einen eindeutigen Beweis, daß es so oder anders geschah, daß die Ordnung durch dies oder jenes wiederhergestellt wurde. Es gibt keine Gewißheit 2 .

Auf diesem Gebiet weiß man nichts. Oh, sobald man in den Bereich... selbst im Bereich der Empfindungen, im Vital, sind alle Probleme gelöst. Da ist es sehr, sehr leicht, diskussionslos. Der Gefühlsbereich ist schon sehr lange geordnet. Darum handelt es sich nicht, sondern wenn man die unterste Tiefe berührt. Dort liegt alles, alles in einer Art Unverständnis, in völliger Unwissenheit, zusammen mit all den Ideen, die von der intellektuellen und wissenschaftlichen Entwicklung herrühren und die so selbstsicher auftreten, mit einer solch unanfechtbaren Sicherheit! Die Gewißheit der materiellen Erfahrung, der handfesten Dinge.

Sich dessen zu bedienen, ohne davon beherrscht zu sein, sich darauf zu stützen, ohne davon beeinflußt zu sein, ist sehr schwierig.

Vielleicht fände jemand, der viel intelligenter, viel beschlagener ist als ich, die Arbeit leichter. Aber wahrscheinlich hätte er mehr Schwierigkeiten im Innern – im Innern habe ich keine Schwierigkeiten! Aber äußerlich... Man könnte denken, die Entdeckung des chemischen Aufbaus der Materie sollte ausreichen, um der wahren Erkenntnis einen direkten Einfluß auf die Materie zu gestatten 3 . Vielleicht hätten gerade die Wissenschaftler, die diese Entdeckung machten und Aufschluß erhielten über den Aufbau der Materie, keine Schwierigkeiten... Aber das Gebiet der Medizin, der Therapie, bereitet die größten Schwierigkeiten. Ihre Wissenschaft steht noch in VOLLKOMMENEM Gegensatz zur wahren Erkenntnis. Wenn es dann um das Gleichgewicht des Körpers geht... Sie kennen die Anatomie, sie wissen sogar etwas (nicht sehr viel) über die Chemie des Körpers, sie wissen allerlei Dinge, die der gewöhnliche Sterbliche nicht kennt, und darauf basierend stellen sie dogmatische Behauptungen auf und scheuchen einen wie einen unwissenden Dummkopf weg. Was wissen sie letztlich über die Funktionsweisen? Wenn man sie fragt: "Aber warum ist dies so?" – "Ach, warum? Keine Ahnung."

Die Art, wie sie euch sagen: "Das ist so und nicht anders!"... Wenn man ihnen dann sagt: "Eure Erfahrung gründet sich auf Statistiken, die wertlos sind, denn sie erstrecken sich auf ein so beschränktes Erfahrungsfeld, daß sie nichtssagend sind – es gibt so vieles, das ihr nicht kennt," da sehen sie einen mitleidig an.

Sie stecken noch in Kinderschuhen, ihre Gewißheiten sind die dogmatischen Gewißheiten der Kindheit.

Andererseits haben jene, die ein inneres Wissen besitzen, keine Erfahrung – bis jetzt konnte noch niemand seinen Körper transformieren! Niemand kann einem sagen: "Hier, so wird's getan, und so lief es ab. Ich habe dies getan, und jenes war die Folge." – Niemand. Deshalb ist es so schwierig.

Sehr schwierig.

Dann kommen noch die großen Wogen des Denkens, der Überzeugungen (Mutter deutet große kosmische Wogen an, die sie von außen bestürmen), die ganze Gewohnheit der Materie, sich zu zersetzen und wieder zusammenzufügen, sich abzubauen und wiederaufzubauen... Das kommt wieder und wieder, sehr regelmäßig, so wie Wellen gegen einen Damm brechen.

Es ist sehr schwierig.

(Schweigen)

Es muß wohl so sein, denn manchmal, wenn alles verworren ist, bitte ich um Gewißheit – und ich sehe sehr klar, wenn man den Zellen meines Körpers, dem Körperbewußtsein sagen würde: "Du bist unsterblich, all diese Schwierigkeiten sind Erfahrungen; dein Leiden ist unwichtig, diese scheinbare Zersetzung hat keine Bedeutung; all dies sind notwendige Erfahrungen, und du wirst bis ans Ende der Erfahrung, das heißt bis zur Transformation gehen", wenn ihm das gesagt würde, wäre es offensichtlich nur noch ein Kinderspiel, das Erdulden der Schwierigkeiten wäre nichts. Ich frage mich... Das wurde mir aber nie gesagt, diese Zusicherung wurde mir nie gegeben – von Zeit zu Zeit befindet sich der Körper in einer Art ZUSTAND der Unsterblichkeit. Aber das ist nicht dauerhaft, es hängt von anderen Dingen ab, und sobald es "abhängig" ist, ist es keine höchste Zusicherung mehr. Gleichzeitig ist mir klar, daß sich durchaus ein allgemeines Erlahmen der Anstrengung der Zellen einstellen könnte, wenn man ihnen sagen würde: "Das macht nichts, all dies spielt überhaupt keine Rolle, denn ihr werdet durchhalten, bis es vollbracht ist." Dann würden sie sich vielleicht gehen lassen und eine gewisse Konzentration des Kampfeswillens verlieren, und damit wäre eine der notwendigen Bedingungen nicht mehr erfüllt.

Dann kommt aber noch etwas, das sagt: "Ach, du findest immer sehr günstige Erklärungen, um dich zu trösten!..." Ich wohne sozusagen einem Wettstreit aller Reaktionen bei (Mutter macht dieselbe Geste von großen kosmischen Wellen, die auf sie eindringen). Ich drücke das in Worten aus, um mich verständlich zu machen, aber es sind keine Worte sondern EMPFINDUNGEN; der verbale Ausdruck dient lediglich zur Erklärung, es sind jedoch Empfindungen oder vielmehr Bewußtseinszustände. All dies sind Bewußtseinszustände. Und alles läuft ineinander... (Bewegung von Wellen)

Das ist nicht für das Bulletin!

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(Vor dem Weggehen legt Satprem seine Stirn auf Mutters Füße. Als er voriges Mal dieselbe Bewegung gemacht hatte, verlor Mutter, die gerade stand, das Gleichgewicht, so daß sie beinahe gefallen wäre.)

Du hast gesehen, wie ich letztes Mal das Gleichgewicht verlor. Als du meinen Fuß berührtest, kam es herab... keine Säule, sondern ein Orkan aus hellfunkelndem Licht! Kein transparentes Weiß – ein strahlendes Weiß, wie Milch. Eine so starke Masse! Es kam so heftig, daß ich das Gleichgewicht verlor. Das war alles, ich verlor nur das Gleichgewicht. Und es blieb da, es war da – du hast gesehen, wie ich einen kurzen Augenblick innehielt, ohne den Kopf zu heben, weil ich das sah. Es war... SEHR VIEL SOLIDER ALS DIE MATERIE. Etwas ganz Besonderes, solide! Fester und MATERIELLER ALS DIE MATERIE. Es hatte eine solche Macht – ein Gewicht, eine Dichte, ungeheuerlich! Wie eine große Säule, und alles wurde ganz weiß. Absolut weiß. Es gab nur noch das Weiß, überall. Das hielt einige Sekunden an. Diese Macht brachte mich aus dem Gleichgewicht.

In jenem Augenblick war ich in keiner Verfassung, es dir zu sagen.

Hast du nichts gefühlt?

Doch, ich spürte die Kraft!

Oh, es war... (lachend) gewaltig genug!

(Schweigen)

Ich kann mich nicht erinnern, die Kraft je auf diese Weise gespürt zu haben. Es ist etwas... (wie soll ich sagen?) etwas Materielleres als die Materie, ja. Es kam nicht wie eine Herabkunft des Lichtes, sondern wie eine Masse, wie etwas HERABFALLENDES.

Weiß! Weiß, strahlend, blendendweiß. Man konnte es nicht anschauen. Deshalb senkte ich die Augen, ich konnte nicht hinschauen.

Dann sah ich nur noch das – weder dich noch meine Füße noch meinen Körper, nur noch das.

(Schweigen)

Nachts wache ich manchmal auf (ich "erwache" nicht, aber ich bin wach), umgeben von etwas Ähnlichem. Es ist sehr, sehr dicht – dicht. Es hat Gewicht.

Ein Chemiker könnte das vielleicht erklären!

Es scheint mir etwas Neues zu sein.

 

1 Uns scheint, daß Mutter das Rot des Vitals vergaß, das zwischen dem Violett der materiellen Natur und dem Blau des Mentals liegt. So ergäben sich zwölf Welten: violett, rot, blau (die drei Blaustufen des Mentals), gelb und die prismatischen Farben des Übermentals, also die fünf unteren Welten, dann die drei Goldtöne des Supramentals und die vier Weißtöne der höchsten schöpferischen Freude des Ananda.

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2 Das heißt, es gibt keinen Beweis dafür, ob die Wiederherstellung auf das Eingreifen des Herrn oder einen anderen "natürlichen" Mechanismus zurückzuführen ist.

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3 Es sei daran erinnert, daß der Biochemiker Stanley Miller 1952 die Struktur des DNS-Moleküls entdeckte.

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