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Mutters

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vierten Band

14. Dezember 1963

Hat dir W von seiner Erfahrung erzählt? Nein?... Er sagt, er habe neulich eine außergewöhnliche Kraft erlebt, eine Art Macht, die aus allen seinen Poren strömte und sich ausbreitete, so daß er sich ungeheuer mächtig fühlte, und dies habe stundenlang angehalten.

Eine sehr gute Erfahrung.

Welche Kraft?

(Mutter lächelt) Weißt du, es gibt zwei Kategorien von Menschen: jene, die von Natur aus empfangen, sie sind empfänglich, sie empfangen und mögen gerne empfangen, sie mögen das Gefühl des Empfangens; und jene, die gerne geben, sie lieben das Gefühl des Gebens. Nun, jene, die gerne empfangen, erleben die Erfahrung des Empfangens, und jene, die gerne geben (lachend), haben die Erfahrung des Gebens. Aber im Grunde ist beides dasselbe: die Kraft fließt. Die Kraft fließt, und so hat man das Gefühl... (wie soll man das erklären?)... dies hängt vom Standpunkt des Bewußtseins im Verhältnis zum individuellen Ego ab.

Nachdem ich die Schwierigkeiten von W bemerkt hatte, richtete ich viel Kraft auf ihn, eine große Konzentration, um ihm da herauszuhelfen, denn ich fühlte, daß er innerlich zögerte, daß er auf seinem Weg schwankte; das war es, was mich beunruhigte. Ich richtete also eine große Konzentration der Kraft auf ihn, um ihn wieder auf den wahren Weg zu bringen. Und wie ich sagte, die Kraft fließt, sie fließt: sie ist nicht etwas, das sich wie ein kleiner Strahl bewegt, den man aussendet, der ankommt und verharrt, nein. Es ist etwas (volle Geste), das sich in konzentrischen Wellen ausbreitet. Ich habe dasselbe bei allen Leuten festgestellt (die erste Studie hatte ich an mir selber durchgeführt); um dieses große universelle Pulsieren fühlen zu können, muß das Ego allerdings völlig... (darbietende Geste mit unbewegt nach oben gekehrten Handflächen) inexistent geworden sein, damit es sich auf keinen Fall mehr einmischt.

Man muß sich lediglich an die richtige Stelle versetzen können, um da zu sein, wo der Strom fließt.

Oder, wenn man es von oben aus betrachten kann, vermag man gewisse Kräftekonzentrationen oder Kraftkanäle zu lenken (auf Leute, auf Geschehnisse). Seitdem dies für mich zu einer normalen Tatsache geworden ist, unterscheide ich diese beiden Kategorien von Leuten (mit allen möglichen Abstufungen und Variationen): die einen sind glücklich, wenn sie empfangen, sie sind sich des EINTRETENS der Kraft bei ihrem Durchgang viel bewußter, und die anderen sind glücklicher mit dem Gefühl des Gebens (die großzügigen, aber auch dominierenden Naturen), sie sind sich der Bewegung viel bewußter, wenn sie aus ihrer Individualität austritt.

Das entspricht genau dem, was mir in Ws Natur bekannt war: das Ego spielt gerne den Guru – dies ist der egoistischste Fall, aber selbst wenn es weniger ausgeprägt ist, bleibt immer noch dieser Aspekt des Charakters, mehr zum Geben als zum Empfangen veranlagt zu sein. Nachdem ich eine sehr starke Konzentration auf ihn gerichtet hatte, spürte er diese aus sich hinausströmen, was nur natürlich ist.

Ich sagte ihm nichts, außer daß es eine sehr gute Erfahrung sei: eine Erfahrung, "die man dir schenkte" oder "die dir geschenkt wurde" (das alles ganz unpersönlich, so unpersönlich wie nur möglich). Ich bin froh, wenn die Leute mir nicht sagen: "Du hast dies oder jenes getan...", denn sofort fühle ich diese so kindische Beschränktheit – Intellektuelle würden das als "Idolatrie" bezeichnen! (Mutter lacht) Ich mag das nicht.

Ich war sehr zufrieden mit Ws Erfahrung. Außerdem sah ich, daß sie sehr aufrichtig war – natürlich fühlte er sich mit Kraft erfüllt. "Aber kümmere dich nicht darum, woher es kommt, das spielt keine Rolle! Die Kraft ist da." – Das ist wahr, auf eine gewisse Weise.

(Schweigen)

Kennst du dieses Spielzeug, das beim Drehen Bilder erzeugt? Ein Kaleidoskop. Alle kleinen Teilchen fügen sich ineinander und ergeben ein Muster – auf sehr ähnliche Weise organisiert sich das Spiel der Kräfte.

Die Erfahrung, die ich dir das letzte Mal beschrieb, setzt sich fort und intensiviert sich; aber manchmal erfaßt mich plötzlich eine Regung, zum Beispiel eine bestimmte Reaktion, und etwas in mir beklagt sich (das alles spielt sich im Bewußtsein des KÖRPERS ab), und der Körper sagt sich: "Ach, ich bin also immer noch so. Wie jämmerlich!" Unverzüglich erfolgt darauf eine Antwort, und zwar... Merkwürdig, sie kommt nicht von einer bestimmten Stelle sondern von überallher, und auch der Protest des Körpers kommt nicht von einer bestimmten Stelle: nicht EIN Ding oder EIN Körper protestiert, sondern eine Seinsart, eine irdische Seinsart drückt sich auf diese Weise aus: "Ach, immer noch so!" Und die unverzügliche Antwort lautet: "Aber siehst du denn nicht den Nutzen davon?" Daraufhin wird mir ein ganzes Geflecht von Bewegungen, Vibrationen, Reaktionen und Handlungen gezeigt, und wie an einer kleinen Stelle eine kleine Kraft benötigt wird: ein kleines, etwas träges Ding dient hier einem andern als Stütze – damit erklärt sich alles, alles ist an seinem Platz. So deutlich läßt sich erkennen, daß es bloß Egoismus ist: Egoismus, der auf die individuelle, persönliche Vervollkommnung aus ist; anstatt den globalen Fortschritt anzustreben, sucht er den persönlichen Fortschritt und verursacht Brüche da, wo gar keine sind, Trennungen da, wo gar keine existieren. Damit DAS GANZE seinen Weg gehen kann, muß man es hinnehmen, von einer solchen Regung durchdrungen zu werden (in Mutter), wenn dies ihr Platz und der Augenblick ihrer Nützlichkeit ist – das ist äußerst interessant.

Auf diese Weise läßt sich sehr deutlich ermessen, wieviele alte Gewohnheiten und persönliche Reaktionen noch vorhanden sind, vor allem in den emotionellen Teilen des Wesens: der emotionelle Teil ist jener, der am persönlichsten bleibt, persönlicher noch als der rein physische, materielle Teil des Wesens. Sobald der emotionelle Teil in Aktion tritt, verleiht er den Dingen einen persönlichen Anstrich, denn er GENIESST individuelle Reaktionen. Er ist der Teil des Wesens, der SO GERNE fühlt, daß er liebt, der SO GERNE seine Emotionen fühlt, und dadurch bleibt eine kleine persönliche Färbung bestehen. Der Körper entrüstet sich, wenn eine etwas unklare oder den Fortschritt hemmende Bewegung stattfindet, er versteht nicht, daß dies Teil des Ganzen ist, daß alles zusammen voranschreiten muß und man nicht einfach einen Teil heraustrennen kann, um ihn zu vervollkommnen – das geht nicht! Es ist unmöglich. Nicht, daß es nicht sein darf: es KANN NICHT GESCHEHEN. Alles hängt zusammen.

(Schweigen)

Aber seit dem 9. – seit der Erfahrung vom 9. an diesem Tisch – ist eine sehr beachtliche Veränderung eingetreten.

(Schweigen)

Hast du etwas mitgebracht?

Ich kann dir vorlesen, was du letztes Mal gesagt hast...

Ach, jetzt...

Lohnt sich denn das?...

(Satprem protestiert)

Wenn die Ausdrucksweise erst einmal klar genug wird, um verständlich zu sein, dann wäre diese Phase der Erfahrung vielleicht interessant für andere... Ich habe den Eindruck, es könnte helfen, einige Barrieren einzureißen.

Bestimmt.

Ja, aber es muß verständlich sein, wirklich verständlich – da bin ich mir nicht sicher. Denn im Gespräch mit dir vermittle ich die Schwingung der Erfahrung, und du empfindest sie entsprechend deiner Empfänglichkeit. Aber in gedruckten Worten läßt sich das nicht übermitteln – jedenfalls nur äußerst wenig davon.

Die Leute lesen mit ihrem Kopf, mit ihrem Gehirn.

Ich sehe Leute wie N, der offensichtlich eine außergewöhnliche Person ist, weil er mit der intellektuellen Schwingung mitzuschwingen fähig ist (Sri Aurobindo sagte, und das ist offensichtlich, daß von allen, die ihn umgaben, er derjenige gewesen sei, der ihn am besten verstanden habe), aber selbst er... kriegt nicht alles mit. Nicht, daß er überhaupt nichts verstünde, aber das volle Verständnis geht ihm ab. Es beschränkt sich auf ein gemischtes, etwas entstelltes Verständnis, das alles auf die Person, das Individuum (von Mutter) bezieht, wodurch die ganze ESSENZ seines Wertes verloren geht... Ich möchte ja gerade die Abwesenheit des Individuums herausheben; um mich auszudrücken, bin ich jedoch gezwungen, "ich" zu sagen, wodurch der Satz immer eine persönliche Note erhält, und daran bleiben die Leute hängen. Während ich meine Erfahrung erlebe, ist sie lebendig, präsent; du spürst sie und mit einer geringfügigen Anpassung läßt sich die sprachliche Entstellung beseitigen, die andern tun dies aber nicht.

Die beste Art, deine Erfahrung zu vermitteln, wäre die, den Leuten einige dieser Tonbandaufnahmen vorzuspielen, denn da ist die Sache rein, es ist DEINE Vibration.

Nicht ganz, aber jedenfalls fast.

Das würde am meisten von deiner Erfahrung enthalten.

Es wäre einmal einen Versuch wert. Wir werden sehen.

Wenn ich eines Tages den Ausdruck finden kann...

Ich fühle, daß ich mich immer noch mit der alten Weise zu sprechen herumschlage, ich habe noch nichts Besseres gefunden. Das liegt an diesem Zwang, "als Person" sprechen zu müssen, was tun?... Sri Aurobindo zum Beispiel wäre sicher durchaus in der Lage, sich so auszudrükken, daß dieser ganze Eindruck einer Person verschwinden würde.

Vorletzte Nacht verbrachte ich fast ausschließlich mit ihm – alle möglichen sehr interessanten Dinge geschahen. Es sind vor allem Eindrücke, äußerst interessante Eindrücke. Ein ganzer Aspekt der Schöpfung wurde mir verständlich.

So, wie die Welt derzeit physisch organisiert ist, wird durch die Differenzierung der Geschlechter eine gewisse Gegensätzlichkeit der beiden Pole begünstigt, deren Vereinigung zur Schöpfung führt, und so fällt es natürlich jedem Pol äußerst schwer, den anderen zu verstehen (obgleich er denkt und glaubt, ihn zu verstehen), besonders den Pol, den ich als den unteren bezeichne (die Basis der Welt andeutende Geste), den eigentlich kreativen Pol, der in der Frau zum Ausdruck kommt. Sie fühlt sehr wohl, daß ohne das (oben) kein volles Verständnis besteht; aber der obere Pol versteht die kreative Kraft dessen, was unten ist, ÜBERHAUPT nicht – im Prinzip weiß er es, aber er versteht es nicht, da bleibt ein Mangel an Anpassung und ein Konflikt, den es nicht geben dürfte. Zwischen Sri Aurobindo und mir gab es das nie – nie. Aber ich sah, daß dies daher kam, daß er die Haltung einer vollständigen Hingabe an die ewige Mutter angenommen hatte (das Stadium in der Schöpfung einer vollständigen Hingabe). Ich sah das, und es war mir peinlich. Es machte mich verlegen, und ich fragte mich: "Aber warum fühlt er sich denn verpflichtet, dies zu tun (lachend), als ob ich nicht verstehen könnte!" Im Gegenteil: ich sehnte mich nach der anderen Haltung – mich so zu identifizieren statt so (Mutter legt ihre geschlossene Faust unter die darüberliegende Handfläche), mich von unten nach oben zu identifizieren statt von oben nach unten. Dies war meine Aspiration seit... fast seit ewigen Zeiten... eine Aspiration der universellen Schöpferkraft, sich mit dem Schöpfer zu identifizieren. Nicht die Identifikation durch die Herabkunft des Schöpfers, sondern durch den Aufstieg der Kraft – durch den bewußten Aufstieg. Aber Sri Aurobindo wollte es so, und so war es denn auch... außerdem war ich sehr mit meiner Arbeit beschäftigt. Die ganzen dreißig Jahre lang, die wir miteinander verbrachten, war es so, keinerlei Reibungen. Ich hielt meine Aspiration zurück, denn ich wußte, daß er es so wollte. Aber seitdem er gegangen ist und ich in gewisser Weise gezwungen war, seine Arbeit zu übernehmen, hat sich das geändert. Ich wollte keinesfalls, daß der Schöpfer gezwungen sei, sich der schöpferischen Kraft anzupassen, nur weil ich diese Arbeit auf mich genommen hatte, das kam gar nicht in Frage! Deshalb richtete sich meine ganze Aspiration darauf, daß die schöpferische Kraft bewußt zum Schöpfer WERDE. Das wird nun immer mehr so, und bei der letzten Begegnung (mit Sri Aurobindo) war dies eine Zeitlang der Fall (nicht ständig, aber eine Weile). Da verstand ich. Ich verstand das ganze Spiel der Kräfte in den beiden Elementen – den beiden Polen –, und ich sah, wie man sie miteinander verbinden konnte, durch welchen Vorgang diese Gegensätzlichkeit aufgehoben werden kann, damit das totale Wesen existiere.

Es ist dabei zu entstehen. Und es zeichnet sich immer klarer ab. Das wird ungeheuer interessant sein. Später.

Es wächst zunehmend (schon seit langem, seitdem Sri Aurobindo gegangen ist), es vervollkommnet und präzisiert sich, wird immer bewußter: der Unterschied verschwindet, die Gegensätzlichkeit verschwindet völlig, und es wird möglich, sich mit dem anderen zu identifizieren – mit der anderen Haltung, die ich gerne die "von oben" nenne.

Natürlich ist die Polarität in den menschlichen Wesen extrem vermischt. Unter allen menschlichen Wesen gibt es keines, das wirklich ausschließlich Mann oder Frau wäre – das existiert nicht. Es ist sehr vermischt. Das Ziel ist jedoch eine Ganzheit. Eine Ganzheit, in der jedes Ding an seinem Platz ist und seine Rolle innehat, nicht im Gegensatz zueinander, sondern in vollkommener Einigkeit – in Übereinstimmung. Der Schlüssel dazu beginnt zu kommen.

Aber noch gibt es Schwierigkeiten, die Schwierigkeiten liegen vor allem im Unterbewußtsein.

Das ist sehr interessant.

(Schweigen)

Vom irdischen Standpunkt aus gesehen (vielleicht sogar universell) stammt der größte Widerstand von dieser emotionellen Zone (in der irdischen Atmosphäre ist sie besonders ausgeprägt). Ich erkannte deutlich, wie sehr dieser Bereich an seinen Gefühlen HÄNGT, seine Gefühle GENIESST. Das widersetzt sich der Bemühung um Vollkommenheit und vollkommene Einheit: diese Lust an Gefühlen.

Für einige Sekunden hatte ich die Erfahrung der klaren Vision und unmittelbaren Aktion der höchsten Kraft auf diesen Punkt (die emotionelle Zone), aber die Erfahrung reichte nicht aus, um sie aufzeichnen zu können.

(Schweigen)

Diese GRUNDLEGENDEN Eroberungen und Fortschritte, die jetzt im Gange sind, brauchen extrem lange, bis sie zum Ausdruck kommen (auf der Erde)... Was tun, damit es schneller geht? Ich weiß es nicht.

Es ist wieder das gleiche Problem wie mit der Identität, von der ich neulich sprach, die Nähe zum Zentrum: erst Identität, dann Nähe, dann immer größere Distanz – aus diesem Grund dauert es so lange. Um bis ans andere Ende zu gelangen, dauert es sehr, sehr lange.

(Schweigen)

Sri Aurobindo hat irgendwo geschrieben (ich weiß nicht wo, ich übersetze, es ist aber nicht der genaue Wortlaut): "Die Zellen des Körpers müssen von der Göttlichen Flamme erfüllt sein."

Das muß irgendwo geschrieben sein, wo er die Transformation erklärt.

Die Zellen des Körpers müssen von der Göttlichen Flamme erfüllt sein.

Das fühlt man – man FÜHLT es. Wenn sie mit einer immer helleren, immer reineren Flamme brennen... nachdem sich aller Rauch aufgelöst hat.

in French

in English