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Mutters

Agenda

fünften Band

4. Januar 1964

(Anläßlich eines Besuchs des tantrischen Gurus)

Ein interessantes Phänomen ist eingetreten.

Ich hatte X ausrichten lassen, daß ich (vor vielen Jahren) eine recht interessante Begegnung mit Ganapati 1 hatte und daß er mir versprach, mir zu geben, was ich brauchte, und daß er dies sehr lange – sicherlich während mehr als zehn Jahren – und auch reichlich tat. Dann veränderte sich alles im Ashram. Es war nach dem Krieg, die Kinder kamen, und wir wurden überschwemmt; wir wurden viel komplizierter und viel größer, und wir begannen, mit fremden Ländern, insbesondere mit Amerika, in Kontakt zu treten. Und ich blieb weiterhin in Verbindung mit Ganapati; ich kann nicht sagen, daß ich für ihn ein Puja abhielt, aber jeden Morgen pflegte ich eine Blume vor sein Bild zu legen. Eines Morgens sagte ich ihm: "Warum hast du aufgehört zu tun, was du so lange getan hast?" Ich horchte, und er antwortete mir klar: "Dein Bedarf ist zu groß geworden." Ich verstand nicht ganz, weil er über größere Reichtümer verfügt, als ich brauche. Aber dann, nach einiger Zeit, ließ ich dies X ausrichten, der mir von der Höhe seines "Panditismus" 2 aus antwortete: "Sie möge sich nicht mit den Göttern beschäftigen, ich werde mich darum kümmern!" – Das war eine unnötige Anmaßung. Dann wandte ich mich an Ganapati und sagte ihm: "Was soll das alles?" Und ich sah deutlich (nicht er, sondern Sri Aurobindo antwortete), ich sah deutlich, daß Ganapati nur über jene Macht hat, die an ihn glauben, was bedeutet, daß seine Macht auf Indien begrenzt ist, während ich Geld von Amerika, Frankreich, England, Afrika benötigte... und daß er dort keine Macht hatte und folglich auch nicht helfen konnte. Das wurde sehr klar, ich war ruhig und begriff: "Sehr gut, er tat, was er tun konnte, und damit hat es sich." Und ich erhalte tatsächlich weiterhin von Indien Gelder, allerdings nicht genug, eher weniger, da seit der Unabhängigkeit halb Indien ruiniert ist und alle Leute, die mir viel Geld gaben, mir keines mehr geben, weil sie nicht mehr können – nicht, daß sie nicht mehr wollten, aber sie können es nicht mehr.

Zum Beispiel interessierte sich M sehr für meine Geschichte von Ganapati, und ich sah, daß es zwischen ihm und Ganapati eine Verbindung gab. Darauf sagte ich ihm: "Aber wenden Sie sich doch an ihn, er wird Ihnen die richtige Inspiration eingeben", und seit jenem Augenblick ist M wirklich großartig. Er tut alles, was in seiner Macht steht. Somit steht all das sehr gut.

Aber es gibt einen beträchtlichen Unterschied zwischen der Tatsache, so wie sie ist, das heißt, was dieser Körper (von Mutter) darstellt, und der Auffassung von X. Er ist immer ganz unten geblieben. Das hat übrigens während einer gewissen Zeit seine Gesundheit ruiniert. Das Merkwürdige daran ist, daß er jedesmal, wenn er krank war und EINWILLIGTE, mich davon in Kenntnis zu setzen, augenblicklich geheilt wurde – er WEISS dies, und trotzdem ist sein erster Instinkt immer, sich mit seinem üblichen Puja an die Götter zu wenden.

Mit dir war es dasselbe – ich sah dies. Er schaut dich so an (Geste des Von-oben-herab-Schauens), und schließlich bist du kein Pandit (!), du hast nicht die landesübliche religiöse Ausbildung erhalten – er hält dich für einen Anfänger und hat keine Ahnung, worin dein Mental wurzelt, wohin es reichen kann. Ich sagte es ihm, aber selbst das versteht er nicht ganz. Zu jener Zeit, als ich die Meditationen mit ihm noch unten abhielt, äußerte er sich einmal auf recht alberne Art zu der Tatsache, daß die Leute hier mit geschlossenen Augen meditieren und daß auch ich beim Meditieren die Augen geschlossen halte. Das wurde mir zugetragen. Das war vor langer Zeit, vor Jahren. Er sollte mich am folgenden Morgen besuchen, und so sagte ich: "Warte nur, Freundchen, dir werd' ich's zeigen!" Und am folgenden Tag meditierte ich mit offenen Augen (Mutter lacht), der Arme! Als er nach unten ging, sagte er: "Mutter hat mit offenen Augen meditiert, sie war wie eine Löwin!"

Du verstehst also, es besteht eine Kluft.

Er ist wirklich ein wackerer Mann, aber sehr unwissend – es scheint komisch, dies von einem Pandit zu sagen, von einem großen Pandit, der besser Sanskrit kann als das Oberhaupt der Maths [Klöster] des Südens, aber ich behaupte, daß ihm eines fehlt: die Öffnung oben. Er hat eine geradlinige Verbindung (Geste eines nach oben schießenden Pfeils), und sie ist wirklich sehr hoch, aber es ist ein Punkt, ein spitzer Punkt, der IHM ALLEIN eine Erfahrung ermöglicht: er kann sie den anderen nicht weitergeben. Es ist keine sich nach oben erstreckende Unermeßlichkeit, es ist eine Nadelspitze.

Das letzte Mal, als er zum Meditieren kam, unmittelbar vor seinem Erscheinen, fühlte ich, wie der Herr kam (Er hat eine spezielle Art, sich zu konkretisieren, wenn Er will, daß ich etwas tue), und Er konkretisierte sich in dem Willen, daß ich den guten Willen dieses Mannes benutze, um sein Bewußtsein zu erweitern. Das war sehr klar. Und er konkretisierte sich mit Macht, weißt du, mit einer überströmenden Macht... und einer wunderbaren Liebe. So kam es, und er wurde von dieser Bewegung erfaßt – was empfand er wohl dabei? Ich weiß es nicht. Aber als er wegging, sagte er, daß er eine Erfahrung gehabt habe. Und für diesmal war er völlig aufrichtig, spontan, natürlich, ohne zu versuchen... "to make a show" 3 . Das war sehr gut.

Nein, du hättest dort etwas holen können (bei X), allerdings ein Etwas, das dir sehr klein vorgekommen wäre; wenn du es gefühlt hättest, hättest du gesagt: "Ah, so, und das soll alles sein!?"

(Schweigen)

Aber er gab W ein neues Mantra – ein an Kali gerichtetes Mantra, mit dem Klang Kalis. W kann jedoch überhaupt nichts mit Kali anfangen 4! So etwas verstehe ich überhaupt nicht bei X. Ich aber kenne die Art Kraft, die Qualität der Macht sehr wohl, die nicht nur einen Einfluß auf diese oder jene Person ausübt, sondern sich durch sie überall manifestieren kann. Es scheint, als ob X hier der Tradition folgte: Man muß sich zuerst an diese Gottheit richten, dann an jene, schließlich... und dies ungeachtet der Qualität des Individuums. Er scheint keinen sehr entwikkelten psychologischen Scharfblick für Individuen zu haben.

Als ich ihm D schickte (du weißt, sie glaubt immer bereitwillig an sämtliche wunderbaren Mächte), ging sie guten Glaubens zu ihm. Äußerlich beging er alle nur möglichen Dummheiten, damit sie sich zurückzog! – Und sie zog sich zurück.

Ach, so ist das nun mal.

Jetzt laß uns hoffen, daß du...

Aber immerhin hat er mich jahrelang im Kreis herumgeführt. Wird es mir wohl gelingen, einen kleinen Zipfel zu erhaschen?

Ja, schon, aber das ist traditionell, mein Kind. Die Tradition ist so, die Leute müssen stets in konzentrischen Kreisen herumgeführt werden, und zuweilen müssen sie weit vom Ziel abkommen, um ihre Aspiration zu verstärken. Das ist die ganze Tradition – ich persönlich glaube nicht daran.

Das ist gelehrtes Wissen, so wird das ewig vom Guru zum Chela [Schüler] weitergereicht.

Wenn ich hingegen bei jemandem eine Möglichkeit sehe – paff, stürze ich mich darauf – und dies kann manchmal recht betäubend sein! Aber auf jeden Fall geht es schneller.

Er glaubt, meine Art zu handeln basiere auf Inkompetenz.

(Satprem lacht ungläubig)

Nein, ich bilde mir das nicht ein, ich weiß es! Er sagte (wenn Sri Aurobindo dabeigewesen wäre, hätte ihn das sehr amüsiert!): "Oh, sie soll mir doch die Götter überlassen, ich kenne mich da besser aus als sie!" Verstehst du, wenn ich in der Halle unten Meditationen abhielt, waren sie alle da: Shiva, Krishna, alle Götter des indischen Pantheons waren versammelt und saßen so (Geste, in einem Kreis zu sitzen), um der Meditation zu folgen.

Krishna... Manchmal spazierte ich stundenlang mit ihm im Gespräch. Nachts, wenn ich sehr müde war von meiner Arbeit, kam er oft und setzte sich auf den Rand meines Bettes, ich legte meinen Kopf auf seine Schultern und schlief ein. Und das jahrelang – kein einziges Mal durch Zufall.

Da lächelte ich.

Welcher Aspekt oder welche Kraft entspricht am ehesten dem, was ich bin?

Aah!

Hast du "The Mother" (Die Mutter) gelesen?

Es ist der erste Aspekt.

Hast du das Buch? Ich habe mir den Text kürzlich angesehen und mir gesagt: "Schau mal einer an! Genau so ist es."

(Mutter holt das Buch)

Aber ich gab dir deinen Namen, weil... Es gibt viele Menschen, die scheinbar sehr, sehr verschieden sind und die mit sehr unterschiedlichen Aspekten der Mutter in Verbindung stehen, und die alle dennoch aus einem mir bekannten Grund die Fülle ihres Wesens erst erleben, wenn sich die Wahrheit auf Erden erfüllt und die göttliche Liebe sich ganz rein manifestieren kann – deswegen nannte ich dich Satprem. Und es gibt andere Leute, die ich sehr gut kenne, die scheinbar am anderen Ende (wie soll ich mich ausdrücken?) der Verwirklichung ihres Charakters stehen (vom Ursprung her völlig verschieden, mit völlig verschiedenen Einflüssen) und die trotzdem genau denselben Charakter haben... im Hinblick auf etwas anderes, worüber ich erst spreche, wenn die Zeit gekommen ist. Und erst dann, wenn die göttliche Liebe sich in ihrer Absolutheit manifestieren kann, werden sie die Fülle ihres Seins erleben. Somit haben sie wie du den Eindruck, und dies aus sehr verschiedenen Gründen, daß... es nicht vorwärts geht, daß sich nichts tut und sich nichts verändert... verstehst du, daß alle Bemühungen umsonst sind; oder einigen, die kein genügend entwickeltes höheres Mental haben, fehlt der Glaube, und sie sagen sich: "All das sind leere Versprechungen, aber ..." (vage Geste, nach oben weisend).

Du hingegen bist von dieser Schwierigkeit durch die Tatsache verschont, daß du oben vollständig verstehst. Aber das ist sehr selten – du müßtest unendlich dankbar dafür sein! (Mutter lacht)

Aber gewiß! Ich BIN dankbar.

(Mutter blättert in The Mother von Sri Aurobindo, und liest dann:) 5

Hier:

Imperial Maheshwari is seated in the wideness above the thinking mind and will and sublimates and greatens them into wisdom and largeness or floods with a splendour beyond them. For she is the mighty and wise One who opens us to the supramental infinities and the cosmic vastness, to the grandeur of the supreme Light, to a treasure-house of miraculous knowledge, to the...

Es ist nicht hell genug...

Aber es gab da einen Satz, der wunderbar auf dich zutraf.

(Mutter fährt weiter unten fort:)

Equal, patient and unalterable in her will she deals with men according to their nature and with things and happenings according to their Force and the truth that is in them. Partiality she has none, but she follows the decrees of the Supreme and some she raises up and some she casts down or puts away from her into the darkness. To the wise she gives a greater and more luminous wisdom...

Du könntest das alles lesen... Ich suche nach diesem Satz...

Du wirst deine Augen überanstrengen...

(Mutter fährt weiter unten fort:)

Yet has she more than any other the heart of the universal Mother. For her compassion is endless...

Ich kann nicht sehen – ich stelle es mir eher vor, als daß ich sehe...

Du überanstrengst dir die Augen, laß doch.

(Mutter fährt fort:)

...is endless and inexhaustible; all are to her eyes her children and portions of the One, even the Asura and Rakshasa and Pisacha and those that are revolted and hostile. Even her rejections are only a postponement, even her punishments are a grace...

Dieser ganze Abschnitt... Es tut mir leid, meine Augen sind... Mit viel Licht sehe ich sehr gut.

Du wirst müde.

Ja.

Aber jedenfalls ist Sie es.

Jedenfalls fand ich einen Satz und sagte mir dabei: "Das ist genau für Satprem." Du verstehst, ich fühle und kenne diese Dinge, weil ich weiß, welches die wirkende Kraft oder Macht ist – wenn ich mit der einen oder anderen Person zusammen bin, ist immer ein Zeuge da, der das Kräftespiel durchschaut, und diese Beobachtung läßt mich wissen. Man kann mich fragen: "Wer ist das?" – Ich weiß es genau deswegen.

 

Addendum

(Auszug aus Die Mutter von Sri Aurobindo)

"Kaiserlich thront Maheshwari im weiten Raum über dem denkenden Geist und Willen, sie erhebt und steigert sie zu Weisheit oder überflutet sie mit jenseitigem Glanz. Denn sie ist die Mächtige und Weise, die uns öffnet für die supramentalen Unendlichkeiten und die kosmische Weite, für die Größe des höchsten Lichtes, für den Schatz wunderreichen Erkennens und für die grenzenlose Regung ewiger Mutter-Kräfte. Ewiglich ist sie still, voller Wunder, groß und ruhig. Nichts kann sie erregen, denn in ihr ist alle Weisheit; nichts ist ihr verborgen, was sie zu wissen erwählt; sie versteht alle Dinge und alle Wesen, deren Natur und was sie bewegt, das Gesetz der Welt, ihre Zeitabschnitte und wie alles war, ist und sein muß. In ihr ist eine Kraft, die allem gewachsen ist und alles meistert, und nichts obsiegt auf die Dauer über ihre Weite und unberührbare Weisheit und ihre stille, überlegene Macht. Gleichmäßigen, geduldigen und unerschütterlichen Willens verfährt sie mit den Menschen je nach deren Natur, mit den Dingen und Geschehnissen je nach der Kraft und der Wahrheit, die in ihnen ist. Parteilichkeit kennt sie nicht, sondern sie folgt dem Beschluß des Höchsten; die einen erhöht sie, die andern erniedrigt sie und stößt sie weit von sich in die Dunkelheit. Den Weisen gibt sie noch größere und erleuchtetere Weisheit, dem Seher tut sie ihren Ratschluß kund; dem Feindseligen auferlegt sie die Folgen seiner Feindseligkeit und führt den Unwissenden und den Toren so, wie es seiner Blindheit zukommt. In jedem Menschen geht sie auf die verschiedenen Wesensteile seiner Natur ein, behandelt sie nach Bedarf, Dringlichkeit und der Erwiderung, nach der sie verlangen, drückt ihnen den gewünschten Zwang auf oder überläßt sie ihrer geliebten Freiheit, wo sie auf der Bahn der Unwissenheit gedeihen oder zugrunde gehen. Denn sie ist über alles erhaben, durch nichts gebunden, nichts im ganzen Universum fesselt sie. Trotzdem hat sie mehr als irgendeine andere das Herz der universellen Mutter, denn ihr Mitgefühl ist ohne Grenzen und unerschöpflich. Alle Wesen sind in ihren Augen ihre Kinder und Teile des Einzigen, sogar der Asura, der Rakshasa und Pisacha 6 und alle Aufsässigen und Feindseligen. Wenn sie verstößt, ist es ein Aufschieben, wenn sie straft, eine Gnade. Aber ihr Mitgefühl verblendet ihre Weisheit nicht, noch lenkt es ihr Handeln von der vorgeschriebenen Richtung ab, denn die Wahrheit der Dinge ist ihr einziges Ziel, die Erkenntnis der Mittelpunkt ihrer Macht, und unsere Seele und unsere Natur zur göttlichen Wahrheit zu erheben, ist ihre Mission und ihre Arbeit."

 

1 Ganapati oder Ganesh: der Sohn der höchsten Mutter und Gott des materiellen Wissens und Reichtums. Er wird mit einem Elefantenkopf dargestellt.

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2 Pandit: Gelehrter (vor allem ein Sanskrit-Schriftgelehrter)

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3 Eine Show abziehen.

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4 Es gibt vier Aspekte oder "Seiten" der universellen Mutter: Maheshwari (die oberste Mutter), Mahakali (der kriegerische Aspekt und der Aspekt der Liebe), Mahalakshmi (der Aspekt der Harmonie und der Schönheit) und Mahasaraswati (Vollendung in der Arbeit und den Künsten).

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5 Die vollständige Übersetzung wird im Anhang gegeben.

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6 Asura, Rakshasa: Dämonen der mentalen und vitalen Ebene; Pisacha: verdorbenes Wesen.

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