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Mutters

Agenda

fünften Band

18. März 1964

(Mutter liest eine Notiz vor, die sie anläßlich eines Streits in der ashrameigenen Papierfabrik schrieb:)

Der Arbeitgeber an den Arbeitnehmer

"Nichts Dauerhaftes kann ohne eine Vertrauensbasis errichtet werden. Und dieses Vertrauen muß gegenseitig sein.

Ihr müßt davon überzeugt sein, daß ich nicht nur mein Bestes will, sondern auch das Eurige. Ich meinerseits muß wissen und spüren, daß Ihr hier nicht nur für den Profit arbeitet, sondern auch, um zu dienen.

Das Wohl des Ganzen hängt vom Wohl eines jeden Teils ab, wie auch das harmonische Wachstum des Ganzen vom Fortschritt jedes einzelnen Teiles abhängt.

Wenn Ihr Euch ausgebeutet vorkommt, so habe auch ich das Gefühl, daß Ihr versucht, mich auszubeuten. Und wenn Ihr befürchtet, betrogen zu werden, so verspüre auch ich, daß Ihr mich zu betrügen versucht.

Die menschliche Gesellschaft kann ausschließlich in Ehrlichkeit, Aufrichtigkeit und Vertrauen gedeihen."

Das ist das genaue Gegenteil der kommunistischen Theorie – alle Kommunisten predigen einem: "Wenn ihr das geringste Vertrauen zu eurem Arbeitgeber habt, könnt ihr sicher sein, betrogen zu werden und ins Elend zu stürzen; Zweifel, mangelndes Vertrauen und Aggression müssen die Grundlage eurer Beziehung bilden." Das ist das genaue Gegenteil von dem, was ich sage.

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Darauf geht Mutter zur Übersetzung eines Briefes vom Englischen ins Französische über.

Um zu übersetzen, gehe ich an den Ort, wo sich die Dinge kristallisieren und formulieren. Heute stellen meine Übersetzungen nicht gerade ein Amalgam dar, aber sie werden doch durch beide Sprachen beeinflußt: Mein Englisch ist ein wenig französisch, und mein Französisch ist ein wenig englisch, es ist eine Mischung der beiden Sprachen. Ich sehe, daß dies vom Gesichtspunkt des Ausdrucks gesehen recht vorteilhaft ist, denn es ergibt sich dadurch eine gewisse Subtilität.

Ich "übersetze" überhaupt nicht, nie versuche ich zu übersetzen: Ich gehe lediglich zurück an den "Ort", von wo es kam, und anstatt so zu empfangen (über den Kopf weisende Geste, wie eine Waagschale, die sich nach rechts hin zum Französischen neigt), empfange ich so (die Waagschale neigt sich nach links zum Englischen hin). Ich sehe, daß dies keinen großen Unterschied macht: Der Ursprung ist eine Art Amalgam der beiden Sprachen. Vielleicht könnte dies zu einer geschmeidigeren Form beider Sprachen führen, das Englische ein wenig präziser, das Französische ein wenig geschmeidiger.

Ich finde unsere gegenwärtige Sprache nicht befriedigend. Aber mit dem anderen (dem Fran-glais) bin ich auch nicht zufrieden – die Lösung wurde bis jetzt noch nicht gefunden.

Es ist dabei, sich zu entwickeln.

Jedesmal knirscht etwas in mir.

Es ist auf dem Wege.

Aber auch für Savitri ist das mein Vorgehen, schon seit langem übersetze ich nicht mehr: Ich folge dem Gedanken bis zu einem gewissen Punkt, dann, anstatt so zu denken (dieselbe Geste der sich nach rechts neigenden Waagschale), denke ich so (nach links), das ist alles. Somit ist es kein reines Englisch, aber auch kein reines Französisch.

Persönlich möchte ich, daß es weder Englisch noch Französisch sei, daß es etwas anderes sei! – Welche Wörter soll man aber vorläufig benutzen?... Ich fühle deutlich, daß die Wörter für mich sowohl im Englischen wie im Französischen (und vielleicht auch in den anderen Sprachen, wenn ich welche kennen würde) einen anderen Sinn haben, und zwar einen Sinn, der ein wenig unüblich und viel PRÄZISER ist als in den Sprachen, so wie man sie kennt, viel präziser. Denn für mich besagt ein Wort genau eine bestimmte Erfahrung, und ich sehe sehr wohl, daß die Leute ganz anders verstehen, somit erhalte ich den Eindruck von etwas Verschwommenem, Unscharfem. Jedes Wort entspricht einer Erfahrung, einer bestimmten Schwingung.

Ich sage nicht, daß ich eine befriedigende Ausdrucksweise erreicht habe, aber es nimmt Form an.

Das Verfahren ist immer das gleiche: Ich übersetze nie, wirklich nie – ich gehe nach oben, an jenen Ort, wo man jenseits der Worte denkt, wo man die Erfahrung der Idee, des Gedankens oder der Bewegung oder des Gefühls (was immer es sei) hat, und wenn es in der einen Sprache kommt, ist es so (selbe Geste wie zuvor), und wenn es in einer anderen Sprache kommt, ist es so: wie eine Waagschale, die sich in eine bestimmte Richtung neigt. Ich übersetze durchaus nicht auf derselben Ebene, niemals auf der Ebene der Sprachen. Und manchmal stelle ich fest, daß die Wörter für mich eine ganz andere Qualität besitzen, als sie für andere haben.

Ich habe es völlig aufgegeben, mich verständlich zu machen.

(Mutter stellt einige Überlegungen
zum Verständnis der Schüler an
und fügt dann hinzu:)

Kennst du die Geschichte?

Es ist eine Geschichte, die, glaube ich, von den Moslems erzählt wird, aber ich bin nicht mehr sicher. Man sagt, daß Jesus Tote auferweckt, Kranke geheilt, Stummen die Sprache und Blinden das Sehen wiedergeschenkt habe... und dann habe man ihm einen Dummkopf gebracht, damit er ihn gescheit mache – worauf Jesus die Flucht ergriff!

Danach fragte man ihn: "Warum seid Ihr geflohen?" Er antwortete: "Ich kann zwar alles tun, einen Dummen gescheit machen aber kann ich nicht." (Gelächter)

Théon erzählte mir das.

in French

in English