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Mutters

Agenda

fünften Band

14. April 1964

(Da, wie schon gesagt, all Satprems Briefe an Mutter verschwunden, d.h. in Pondicherry hinter Schloß und Riegel sind, erschien es ihm angebracht, zusammen mit den Briefen von Mutter einige Auszüge seiner Briefe an Sujata zu veröffentlichen, um Licht auf diese Reise zu werfen.)

(von Satprem an Sujata)

Paris

Seit drei Tagen weiß ich nicht mehr, wo mir der Kopf steht; ich komme mir fast wie ein Schlafwandler vor, der nach links und rechts, nach allen Seiten geschubst wird und der in finsterer Nacht läuft und läuft, ohne recht zu wissen wohin – alles, was ich weiß, ist die Kraft, an die ich mich klammere wie ein Ertrinkender. Einzig der Eindruck bleibt, weit weg von zu Hause zu sein, weit weg von allem, was wahr, gut, erholsam ist, das Gefühl, in einer Halluzination zu leben – und doch, ganz wunderbar, ist die Kraft in jeder Minute da, ich atme mit ihr, ich lebe mit ihr, sonst würde ich tot umfallen oder schlicht verrückt werden.

Das ist das letzte Mal in meinem Leben, daß ich in den Westen zurückkehre, außer ich erhalte von Sri Aurobindo oder von Mutter dazu den Auftrag – ich kann hier nicht mehr leben, es ist, als ob ich ins prähistorische Höhlenzeitalter zurückgeworfen wäre.

... und alle haben sie sich auf mich gestürzt, einer nach dem andern, Familie, Freunde etc., ich war völlig perplex. Ich hatte lediglich die Kraft, mich von Zeit zu Zeit in mein Zimmer zurückzuziehen und mich auf meinem Bett auszustrecken, um mich in die Kraft einzuhüllen, damit ich dem standhalten konnte.

... Wie sind doch die Tage leer – sie sind voll leerer Dinge, leerer Menschen, leerer Bewegung; man hat den Eindruck, daß man dauernd die Kraft herabziehen muß, um diese enorme Leere zu füllen, sonst würde man zermalmt. Meine Uhr zeigt immer noch indische Zeit, denn so weiß ich immer, wo Du bist, aber ich weiß nie, wie spät es in Frankreich ist. Ich muß eine komplizierte Rechnung anstellen und viereinhalb Stunden abziehen; jetzt ist es 2 Uhr 30 in unserem Garten, also muß es hier 10 Uhr sein, und ich habe eine Verabredung. Wahrscheinlich werde ich morgen Corréa 1 aufsuchen; mein Freund M hat mir gesagt, daß sie sich definitiv entschlossen haben, das Buch zu veröffentlichen, aber sie möchten gewisse Stellen "kürzen". Das wird also zu reden geben, denn ich will versuchen, mein Buch einigermaßen zusammenzuhalten! Was für eine Welt! Morgen werde ich Mutter schreiben, sobald ich weiß, was der Verleger verlangt.

Ich muß übermorgen einen Arzt aufsuchen... aber kein Arzt kann das Loch in meinem Herzen stopfen.

S.

 

1 Ein möglicher Verleger für Satprems Buch Das Abenteuer des Bewußtseins.

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