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Mutters

Agenda

fünften Band

8. April 1964

(Dies sollte das letzte Gespräch vor Satprems Abreise nach Frankreich sein, von wo er im Juli zurückkehrte.)

Mutter sieht müde aus, sie versinkt in eine lange Kontemplation.

Machst du drüben weiter? (mit der tantrischen Disziplin)

Ja, aber ich gebe zu, daß ich in meinem äußeren Bewußtsein überhaupt nichts verstehe. Ich sehe nicht durch.

Du verstehst nichts?

Ich verstehe rein gar nichts.

(Mutter lacht)

Ich weiß lediglich, daß es "etwas anderes" gibt, und somit mache ich, was zu tun ist (Japa, Meditation), aber was passiert schon? Wo bin ich, wohin gehe ich, was mache ich? Ich habe keine Ahnung – ich verstehe überhaupt nichts. Meine Position ist mir schleierhaft.

Falls dich das tröstet, für mich ist es dasselbe!

Ich will damit sagen, daß der Körper nicht einmal weiß, ob er fortbestehen wird oder ob er... sich auflösen wird – nichts, er weiß nichts. Er weiß überhaupt nichts. Wozu ist er gut? Warum ist er da?... Ja, wie du sagst, man weiß wohl – irgendwo im Hintergrund des Bewußtseins weiß man wohl – aber der Körper selbst...

Verstehst du, er findet das alles recht schmerzhaft in dem Sinne, daß er nie das Gefühl einer ruhigen Kraft, eines vollständigen Gleichgewichts verspürt. Was soll also all dieses Leiden, wozu das alles?...

Genau das habe ich mir eben angeschaut (während der Meditation).

Und dieser arme Körper sagt dem Herrn: "Sag mir, bitte sag mir, ob ich fortdauern soll, ob ich leben soll, das ist schon in Ordnung, aber bitte sag es mir, damit ich durchhalte. Ich nehme mein Leiden nicht ernst, und ich bin zu leiden bereit, sofern dieses Leiden nicht als ein mir gegebenes Zeichen aufzufassen ist, daß ich mich auf's Gehen vorbereiten soll." So ist es eben, der Körper ist so. Selbstverständlich kann man das mit anderen Worten umschreiben, aber so ist es. Wenn man leidet, wenn der Körper leidet, fragt er sich warum, und er sagt sich: "Ist da irgend etwas, das ich ertragen und überwinden muß, damit ich bereit bin, meine Arbeit fortzusetzen, oder handelt es sich um eine mehr oder weniger umständliche Art und Weise, mir zu sagen, daß ich im Begriff bin, mich aufzulösen und daß ich verschwinden werde?"... Denn er sagt sich zu Recht: "Meine Haltung wird nicht dieselbe sein – wenn ich gehen muß, nun gut, dann sorge ich mich überhaupt nicht mehr um mich, auch nicht um das, was vor sich geht, noch um irgendwas; wenn ich aber bleiben soll, so habe ich Mut und Ausdauer, und ich werde mich nicht vom Fleck rühren."

Und nicht einmal das wird ihm gesagt – ich habe noch keine klare Antwort darauf erhalten können.

Wahrscheinlich ist es nicht nötig. Allerdings ist es...

Ich kann von keinem einzigen Tag sagen, daß er vorüberginge, ohne daß ich gegen dieses oder jenes Leiden, gegen diese oder jene Schwierigkeit anzukämpfen hätte – verstehst du, das Gefühl, daß die Dinge knirschen.

Natürlich erkennt der Körper, daß er sein Leiden in dem Moment, wo sein Bewußtsein ausschließlich auf das Göttliche zentriert ist, nicht mehr fühlt; wenn er einen Schmerz hat, fühlt er ihn nicht mehr. Aber von der Minute an, wo er sich der Außenwelt auch nur schwach bewußt ist, sieht er wohl, daß der Schmerz noch da ist.

Es gibt Augenblicke – Augenblicke – der Erleuchtung. Dann hat er die Gewißheit des Triumphes. Aber fast unmittelbar darauf kommt etwas, um ihm heftig zu widersprechen, wie eine Ermahnung: "Freu dich nicht zu früh! Es ist nämlich noch nicht so weit, weißt du." Voilà. Denn dieser Zustand... Wie lange muß der Körper noch fortbestehen?... Ich habe keine Ahnung.

Nein, deine Position hat sich nicht verschlechtert – so ist es nicht, denn es scheint für die Arbeit notwendig zu sein. 1 Aber warum?... Ich verstehe nicht.

(Schweigen)

Fehlt ihm der Glaube?... Das ist möglich. Es fehlt ihm nicht an vertrauensvoller Liebe – er hat sie, er akzeptiert alles und jedes, und immer ist er erfüllt von einer vertrauensvollen Liebe; dies also fehlt ihm nicht. Aber es ist eine Art... fast möchte ich sagen "intellektueller Glaube", der ihm abgeht. Ich meine damit, er hat das Gefühl, daß er nichts weiß – daß man ihm nichts sagt. Er weiß nichts. Man sagt ihm nicht, was passieren wird. Und solange er nicht weiß, was passieren wird, hat er den Eindruck... (Geste, in der Luft zu hängen)

Er kann von einem Moment auf den andern von einem Ewigkeitsbewußtsein zu einem Bewußtsein absoluter Zerbrechlichkeit übergehen.

Darüber hinaus bestehen zahlreiche Gegenkräfte, feindliche Einflüsterungen (die einen aus Unwissenheit, die andern aus Böswilligkeit), die einen ständig bedrängen... Ich glaube nicht daran – er glaubt nicht daran, aber er hat nicht diese Gewißheit, die es ihm erlauben würde, ihnen ins Gesicht zu lachen. Er glaubt nicht daran, aber...

Die eine große Schwierigkeit... (Mutters Stimme bricht) die große Schwierigkeit ist, daß Sri Aurobindo wegging... Das ist die eigentliche Ursache. Vorher war mein Körper gar nicht so; vorher war nichts in mir so veranlagt: es herrschte eine absolute Gewißheit. Verstehst du, es war... ein Zusammenbruch.

Und offensichtlich kam es, um etwas zu lernen, was zuvor nie hätte gelernt werden können. Aber die Gegenkräfte stützen sich immer noch darauf ab – immer wieder. Alle feindlichen Einflüsterungen, alle Gegenkräfte, alle Böswilligkeiten, jeglicher Unglaube gehen von dort aus: "Ja, aber er ist gegangen."

Und ich weiß – ich weiß in den Tiefen meines Bewußtseins – daß er ging, weil er es WOLLTE. Er ging, weil er beschloß, daß es so sein solle, daß dies getan werden solle.

Aber WARUM?...

Nun denn, ich kann dir dazu nicht mehr sagen.

Es ist eine sehr schwierige Zeit – sehr schwierig.

Wir befinden uns noch mitten im Übergang.

(Schweigen)

Es ist wirklich wichtig, daß du nicht den Boden unter den Füßen verlierst... Hast du das Päckchen von Sujata erhalten? (rosafarbene Blütenblätter von Mutter)... Sie wollte unbedingt, daß du dies immer bei dir trägst – und sie hat recht. Sie hat recht. Denn ich kenne die Atmosphäre dort drüben sehr wohl. Du mußt dich mit einer schützenden Hülle umgeben.

Voilà, mein Kind.

 

1 Kurz zuvor hatte sich Satprem über gewisse körperliche Zerrüttungserscheinungen beklagt, die Mutter auf die Arbeit der Transformation zurückführte.

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