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Mutters

Agenda

sechsten Band

30. Juni 1965

(Über Sujatas Zyste)

Was soll man für Sujata tun?

Was sagt der Arzt?

Sie soll morgen operiert werden.

Er will die Zyste herausschneiden?

Ja, aber seit sie mit dir darüber gesprochen hat, ist die Zyste viel kleiner geworden!

(Mutter lacht und sieht sich Sujatas Hals an:) Tut es noch weh?... Man entfernt sie besser, wenn ein kleiner Rest bleibt, fängt es nämlich von vorne an.

Aber sie ist wirklich kleiner geworden.

(Sujata:) Und wird noch kleiner.

Sag dem Arzt, daß sie kleiner wird, er wird dann schauen – vielleicht wird er vorschlagen, noch ein paar Tage zu warten...

Es stimmt (lachend), sie ist geschrumpft. 1

(Schweigen)

Ich empfing einen "Augenarzt", weil neulich sein Geburtstag war (ich wußte nicht, daß er Arzt ist). Man hatte mich gebeten, ihn an seinem Geburtstag zu empfangen. Jemand mußte ihm gesagt haben, daß ich Augenbeschwerden (!) oder so was Ähnliches habe, deshalb hatte er Augentropfen zubereitet. Er kam, setzte sich, und ich musterte ihn (wie ich alle Leute mustere, um zu sehen). Dann... sah er plötzlich sehr erstaunt aus (Mutter lächelt), ich weiß nicht warum, und er sagte sehr schüchtern: "Ich habe Tropfen für Sie mitgebracht, aber ich denke, Sie brauchen sie nicht." (Mutter lacht) Er sah ganz erstaunt aus.

(Schweigen)

Ach, vorgestern nacht ist mir etwas Eigenartiges zugestoßen. Ich war bei Sri Aurobindo, in einem Zimmer... ja, ein prachtvolles Zimmer, mit einer sehr hohen Decke, sehr groß, und ganz leer; ein sehr großes Zimmer mit Glastüren, die auf einen Balkon oder eine Terrasse führten (es überragte eine Stadt) und die von unten bis oben aus großen Glasscheiben bestanden, was ein wunderschönes Licht ergab. Er war anwesend, und ich bekam aus dem einen oder anderen Grund den Eindruck, er hätte gerne eine Tasse Tee. Ich ging also los, um ihm seine Tasse Tee zu besorgen, und hatte dabei Zimmer, Säle, ja sogar Baustellen (!) zu durchqueren. Es waren alles große Zimmer, aber im Gegensatz zu dem sehr hellen Zimmer, in dem er sich befand, waren die anderen düster. Und da war ein großer Raum wie ein Speisesaal mit einem Tisch und allem, was man zum Auftragen brauchte, aber düster – auch gab es nichts mehr zu servieren. Dort waren Leute (die ich kannte), die sagten (untröstlicher Ton): "Ach! Alles ist aufgebraucht." – Man hatte alles aufgegessen! (Mutter lacht) Es gab nichts mehr. Schließlich fand ich unten in einer Art Küche eine Person (ich will sie nicht nennen, aber ich kannte sie), die mir sagte: "Ja, ja! Ich werde Ihnen das sofort bringen", und sie brachte mir einen Topf und sagte: "Bitte sehr!" Ich zog mit meinem Topf los, schöpfte draußen aber Verdacht und öffnete den Deckel... und was sehe ich als erstes? – Rote Erde! Ich kratzte die Erde mit den Fingern weg, und darunter (lachend) war ein Stück Brot!

So ging das weiter, und ich hatte alle möglichen Abenteuer. Dann schaute ich nochmals, ob Sri Aurobindo seine Tasse Tee immer noch brauchte... denn es schien so schwierig. Ich sah ihn: Da war diese wunderbare helle Glastür und wie in die Wand eingelassen eine Art erhöhter Diwan, ein Platz zum Sitzen. Das war sehr hübsch, und er saß oder lag halb darauf, sehr bequem. Er hatte einen Jungen gerufen (oder ein Junge war gekommen, um ihn etwas zu fragen). Eine Art Treppe führte zum Diwan hinauf, und der Junge hatte sich auf die Stufen gesetzt und stellte ihm Fragen – Sri Aurobindo erklärte ihm etwas. Ich erkannte den Jungen... Ich dachte (lachend): "Ah! Zum Glück denkt er nicht mehr an seine Tasse Tee!" Dann wachte ich auf. Aber ich dachte: "Wenn das seine Meinung über uns ist ..." Daß wir alles aufgegessen haben, verstehst du.

Vor einigen Jahren erzähltest du mir von einer ganz ähnlichen Vision, wo du auch nach Nahrung für Sri Aurobindo suchtest und nichts finden konntest: die Leute, die sie zubereiten sollten, hatten nichts zubereitet oder konnten es nicht 2...

Das ist es, es war dasselbe.

Aber es war sehr konkret, sehr materiell, und man hatte das Gefühl, daß zuvor eine üppige Fülle dagewesen war. Es war aber nichts mehr davon übriggeblieben, alles war aufgegessen. Ich traf diese Frau, die ich hier nicht nenne und die mir sagte: "Oh, war das ein Schmaus! Wir haben alles aufgegessen, es ist nichts übriggeblieben."

Was soll das heißen?

Ich wachte auf – nein, nicht ganz so – jedenfalls als ich aus der Vision auftauchte und morgens nachdachte, sagte ich mir: "Oh! Wenn er uns so sieht! Einfach alles aufzuessen!..." Und ich brachte ihm ein bißchen Erde in einem Topf.

Das ließ mich für einige Stunden nachdenklich zurück.

(Schweigen)

Aber er war wie in einen sehr geschmeidigen Stoff gehüllt (du weißt, die dem Vital angehörenden Dinge, besondere, nicht gewebte Stoffe), von einem schönen Violett, das Violett einer großen Macht.

Aber das Zimmer, in dem er sich befand... Ich erinnere mich noch an diesen Eindruck von Licht, ein so überaus klares, REINES Licht, das durch das Fenster schien – man sah nur Licht.

(Schweigen)

Wir haben also alles aufgegessen.

Ich wußte nicht einmal, daß ein Festessen stattgefunden hatte. Ich erfuhr es erst beim Betreten der Räume. Ich hatte übrigens keinen Hunger verspürt und wollte nichts. Ich hatte nicht den Eindruck, daß mir etwas fehlte, das war sehr gut.

Und es war keineswegs böser Wille, im Gegenteil: ein großes Verlangen zu dienen... (Mutter lacht), aber: "Es gibt nichts mehr."

Wer verschlingt das alles?

Ich weiß nicht...

In dieser Vision sprach ich mit zwei Personen vom Ashram und mit einigen Leuten von außerhalb (einem oder zweien). Sie waren durchaus guten Willens, sie wollten dienen, aber es gab nichts mehr. Die Frau, die mir den Topf gab, zögerte nicht, sie sagte: "Ja, ja! Ich bringe Ihnen das", und dann kam sie damit zurück! Wahrscheinlich wußte sie selbst nicht, daß das, was sie als Tee ausgegeben hatte, nur Erde war – Brot und rote Erde.

Der Tee in meiner Vorstellung war sehr golden – klar und golden, und ich wollte ihm dazu etwas servieren, an das ich mich nicht mehr erinnere.

Das muß alles symbolisch sein.

Aber 3...

*
*   *

Beim Weggehen konzentriert sich Mutter erneut auf Sujatas Zyste:

Weißt du, es gibt einen Trick. Er besteht darin, den Zellen zu sagen, daß man dies überhaupt nicht von ihnen erwartet, wie ich es dir neulich sagte. Daß man keineswegs von ihnen erwartet, daß sie sich dort zu einem Knoten ballen, daß dies nicht ihre Aufgabe ist – man muß sie überzeugen.

Das ist sehr eigenartig, es ist der Ursprung der Gewohnheiten. Sie haben das Gefühl: "Das muß man machen, das muß man machen, das ..." (Mutter beschreibt Kreise mit dem Finger).

Bei mir ist es dasselbe, aber ich habe es ihnen gesagt. Man muß sich der Bewegung jedoch bewußt sein und dann ganz ruhig, aber sehr SICHER, überaus sicher – wie zu Kindern – sagen: "Nein, das müßt ihr nicht tun, das ist nicht eure Aufgabe!"

Alle chronischen Krankheiten entstehen so. Es mag einen Zwischenfall geben, etwas ereignet sich, ein Zwischenfall, und so etwas wie ein unterwürfiger und unbewußter guter Wille bewirkt, daß sich das wiederholt: "Man muß das wiederholen, wiederholen, wiederholen ..." (kreisende Geste). Und es hört erst dann auf, wenn ein Bewußtsein mit den Zellen in Kontakt tritt und sie verstehen läßt: "Nein, in diesem Fall muß man nicht wiederholen!" (Mutter lacht)

Es gibt Fälle, wo diese Fähigkeit des Wiederholens außerordentlich nützlich ist. Ich denke sogar, genau das gibt der Form ihre Stabilität, sonst würde man seine Form und sein Aussehen wechseln oder sich verflüssigen.

Es sorgt für Dauerhaftigkeit.

Da ist diese Gewohnheit des Wiederholens und dann das Gefühl einer Fatalität. Wenn man zum Beispiel einen Schlag erhält oder etwas nicht funktioniert, gibt es sofort dieses Gefühl der Schicksalhaftigkeit: "Ach! Jetzt ist es so, jetzt ist es so ..." (dieselbe kreisende Geste). Auch in diesem Fall (all dies spielt sich im Bewußtsein der Zellen ab) muß man ihnen sagen: "Nein! Es ist nicht ausweglos. Wenn etwas zufällig verdreht ist, so macht die Bewegung halt andersherum, dann wird es heilbar sein!"

Das sind keineswegs aufsehenerregende Willensakte, keine heftigen Maßnahmen, nein: eine sehr ruhige Überzeugungskraft – sehr sanft, aber sehr sicher und beharrlich.

All die vitalen Dinge nützen nichts – sie wirken sehr vorübergehend und halten nicht.

Ja, das ist sehr interessant.

Um diese Arbeit zu tun, muß man jedoch sehr bescheiden sein, man darf nicht auf große Effekte aus sein – sehr bescheiden. Und sehr ruhig.

 

1 Tatsächlich schrumpfte die Zyste fast um die Hälfte, seit Sujata vor vier Tagen Mutter davon berichtet hatte. Aus "Gewohnheit" operierte man aber trotzdem.

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2 Siehe das Gespräch vom 17. März 1961.

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3 In den Jahren 1972-73 hatte ein Ashramjunge (V.), ein ausgezeichneter Hellseher, den Mutter in der Agenda verschiedentlich erwähnt, folgende Vision, die zu der von Mutter passen könnte: Er sah den Ashram wie von oben, und das ganze Ashramgelände war wie abgenagt und voller Löcher und unterirdischer Gänge, in denen die Ratten in einem unaufhörlichen Kommen und Gehen ein- und ausgingen – es gab nichts mehr, alles war von den Ratten abgenagt worden.

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