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Mutters

Agenda

sechsten Band

14. Juli 1965

Mutter hält verschiedene kleine Zettel in der Hand:

Heute morgen befand ich mich in einer gewissen Zone – einer Zone oder Ader... Weißt du, die Goldadern in der Erde? So war das. Mitten durch die mentale Banalität der Welt zog sich eine Art leuchtende Ader, in die ich eingetaucht war – man fühlte sich gut darin, es war sehr angenehm. Ich hatte gerade begonnen, einige Dinge zu notieren, als die Leute mit all ihren üblichen Dummheiten daherkamen, jeder fragte etwas, jeder war so eingeschlossen (Geste wie Scheuklappen), da verschwand es wieder.

Ich nannte dies: "Einige Definitionen."

Die erste handelte von jemandem, der im Begriff war wegzugehen und etwas (von Mutter Gesegnetes) für die Familie mitnehmen wollte. Ich sagte ihm: "Oh, sie sind nicht empfänglich." Da fragte er: "Was heißt es, empfänglich zu sein?" (Er fragte nicht mich, sondern auf dem Weg zur Tür hinaus kratzte er sich am Kopf und fragte seinen Freund: "Was meint Mutter? Was heißt es, empfänglich zu sein?") Ich antwortete auf englisch, und es nahm viele, viele Formen an. Heute kam das als eines der Dinge in dieser "Ader" wieder zum Vorschein. Das Besondere an einer solchen Erfahrung ist, daß die Worte darin eine ganz präzise Bedeutung annehmen; ich habe keine Ahnung, ob es die gewöhnliche Bedeutung ist, aber die Worte sind von der Schwingung ihres Sinns getragen, von einer kristallklaren kleinen Schwingung. Es kommt ohne jede Retusche. Ich notierte mir:

"Empfänglich zu sein bedeutet, das Verlangen und die Freude zu spüren, dem göttlichen Werk alles zu schenken,

was man hat,

was man ist und

was man tut."

Das kam als erstes. Dann kam die alte Geschichte, "rein zu sein" – was bedeutet es, rein zu sein? Hier geht es nicht um alle möglichen alten moralischen Ideen, nein.

"Rein zu sein, bedeutet...

Es herrschte die starke Empfindung von etwas sehr Aktivem: es genügte nicht, passiv zu sein, man mußte sehr aktiv sein.

... jeden anderen Einfluß als den der höchsten Wahrheits-Liebe abzulehnen."

Wahrheit und Liebe in einem.

Dann kam eine dritte Definition:

"Aufrichtig zu sein bedeutet, sein ganzes Wesen um den höchsten inneren Willen zu sammeln."

Sein ganzes Wesen um den höchsten inneren Willen sammeln. Dieser höchste Wille war sichtbar wie eine Flamme in Form eines Schwertes; und man läßt nichts geschehen, was nicht DAVON gelenkt wird.

Dann die letzte Definition (es war die letzte, weil man mir mein Frühstück brachte und ich aufhören mußte):

"Ganz sein bedeutet, eine harmonische Synthese all seiner Möglichkeiten zu bilden."

Es wurde begleitet von der Schwingung, die dies beinhaltete. Das hätte einfach so weitergehen können, es war da, ich wurde aber unterbrochen. Jedenfalls ist das amüsanter, als ihre Geschichten anzuhören.

Und diese Goldader war die Inspiration von alledem?

Ja, es war Licht, kein Gold. Das Licht war wie ein Band (Geste). Man badet darin und fühlt sich sehr wohl.

Was ich hier gerade sagte, ist nichts, es war lediglich das Ende. Dieses Licht vermittelte mir eine klare Sicht dessen, was diese Welt bedarf, die notwendige Transformation in der mentalen Atmosphäre der Erde, damit es zum Beispiel keine Kriege mehr gibt. Dieses "keine Kriege mehr" war eine der Folgen. Jedes Ding war an seinem richtigen Platz im Verhältnis zu allen anderen (Mutter deutet ein Schachbrett an); es war eine so klare Vision, völlig klar in all ihren Beziehungen, in all ihren Positionen, in allem.

Das ist sehr "amüsant".

Ich will damit sagen, es ist ein angenehmer Zeitvertreib. Es vermittelt einem den Eindruck eines sehr klaren Bildes, was alles im Bereich... nicht eigentlich der Ideen, sondern der psychologischen Reaktionen zu geschehen hat.

Das hängt jedoch nicht von mir ab, ich bemühe mich nicht: es kommt einfach so. Wenn es kommt, dann taucht man mich gleichsam in ein Bad, und ich brauche nur zuzuschauen. Es kommt fix und fertig, ohne Mühe. So befinde ich mich in einem ZUSTAND, in dem sich beispielsweise eine Vision des mentalen Fortschritts auf der Erde präsentiert, der Art, wie sich die menschliche Mentalität organisiert (dieselbe Geste wie ein Schachbrett). Das ist sehr interessant, denn die Lebensbedingungen hängen von den gedanklichen Zuständen ab; daraus ersehe ich, wie das Denken geändert werden muß, um das Leben zu ändern (Mutter deutet Kräfteströmungen auf diesem Schachbrett an). Ich sitze hier wie in einem Theaterstück, schaue zu, und es läuft ab.

Wenn ich die nötige Ruhe hätte, würde ich es aufschreiben (denn es kommt fertig formuliert), und es könnte von Interesse sein. Es muß dem Bereich der Offenbarungen angehören. Es ist wie ein leuchtendes Band, das vorbeizieht, aber es ist vollständig organisiert. Man muß allerdings die nötige Ruhe haben (die letzte Notiz konnte ich noch schnell hinkritzeln, als man mir das Frühstück brachte, und dann...) So überragend wichtig ist es allerdings auch wieder nicht: es ist nur interessant, weil es sehr klar und präzise ist und selbstverständlich nicht den Charakter des gewöhnlichen menschlichen Denkens aufweist: es kommt fix und fertig.

In diesem Zustand verhalten sich zum Beispiel alle Zellen und der ganze Körper ruhig – man hat gar keinen Körper, keine Zellen mehr, man ist nicht mehr all diesen Störungen und Reibungen ausgesetzt: all das verschwindet. Es verschwindet, und dieses andere Bewußtsein herrscht vor. Man begreift, daß jemand, der darin verharren könnte, fähig wäre, ewig zu leben. Aber wahrscheinlich ist dies nur bedingt so, da die anderen Anspruch auf ihren eigenen Tätigkeitsbereich haben, sonst wäre der Fortschritt nicht generell. Aber nun, das ist wirklich nicht so wichtig, aber jedenfalls interessant.

*
*   *

(Kurz darauf schlägt Satprem Mutter vor, einige kurze Auszüge aus dem so interessanten letzten Gespräch über die Krankheiten in den Notizen auf dem Weg zu veröffentlichen, einer neuen Rubrik im Ashram-Bulletin, die auf Satprems Drängen hin entstanden war. Er wollte nämlich, daß sich der Ashram Mutters Erfahrungsschatz ein wenig zunutze mache, und wenn auch nur ein paar Tropfen davon. Genau diese Notizen auf dem Weg wurden nach Mutters Hinscheiden von den Machthabern des Ashrams kurzentschlossen in "Mutters Agenda" umgetauft, in der Hoffnung, den Titel zu stehlen, die Gemüter zu verwirren und um jeden Preis die vollständige Veröffentlichung der wahren Agenda zu verhindern, die sie als "nicht-authentisch" zu erklären wagten, so sehr fürchteten sie Mutters klare Aussagen über ihre nähere Umgebung und den Ashram im allgemeinen. Satprem erinnert sich, wie sehr er auf Mutter eindringen mußte, damit sie ihm erlaubte, diese Notizen auf dem Weg zu veröffentlichen. Jetzt versteht er ihre Bedenken besser.)

Ich habe mich gefragt, ob man dieses letzte Gespräch nicht in den nächsten Notizen auf dem Weg verwenden könnte?

Das kann unmöglich veröffentlicht werden. Es gehört in die Agenda.

Warum? Würde das eine Revolution unter den Ärzten auslösen?

Oh, ja! Es wäre ein Drama.

Zu schade, daß es nicht veröffentlicht werden kann.

Es ist zu polemisch und außerdem viel zu persönlich. Oh, es würde Geschichten ohne Ende heraufbeschwören und Anlaß zu zahllosen Legenden geben; in Amerika, Afrika, England, überall würden alle möglichen Geschichten über alle möglichen Krankheiten erzählt, die ich angeblich hatte – unmöglich!

Ich kann nichts über mich erzählen, außer vielleicht einen Satz – aber selbst ein Satz, der im Bulletin erscheint, würde Scherereien ohne Ende heraufbeschwören.

Ich verstehe, aber es ist schade!

Später, später. Nicht jetzt.

Dieses Problem der Krankheiten bildet nämlich einen wesentlichen Teil dieses Yogas.

Oh, das weiß ich sehr wohl! Ich weiß es, aber nicht jetzt: später.

Die Leute machen zu viele persönliche Geschichten aus dem, was ich sage; weißt du, "Anekdoten über den Guru", wie sie in den Büchern stehen.

Sie sind albern.

Ja, aber (lachend) was willst du machen? Sie sind eben albern, das läßt sich nicht so schnell beheben.

Ich stimme mit dir überein, es ist völlig idiotisch, aber... Ach, wenden wir uns lieber Savitri zu!

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