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Mutters

Agenda

siebenten Band

22. Mai 1966

(In einem Stapel von Papieren stößt Satprem zufällig auf Notizen von Mutter)

(Lachend) Sie sind überall! Hier, da, dort... Sri Aurobindo sagte mir einmal (ich glaube, es war 1920): "Ach, sie haben mein Zimmer aufgeräumt, ich finde nichts mehr!" Sie aber sagten, seine Papiere seien überall verstreut gewesen: auf seinem Bett, auf den Stühlen, auf dem Tisch, in den Schubladen, auf den Regalen; überall lagen Papiere und Notizen wie diese hier. Aber er wußte genau, wo jeder Zettel war. Dann machten sie "Ordnung" und räumten auf – und er fand nichts mehr. Sehr lustig. Ich fragte ihn: "Möchtest du, daß ich dein Zimmer reinige? Ich werde nichts anrühren." "Also gut, wenn du nichts anrührst!" (Mutter lacht) Folglich ließ ich alle Papiere, wo sie waren: auf dem Bett, dem Stuhl, dem Tisch, den Regalen. Beim Putzen eines Regals fand ich in einem Buch Geld. Ich sagte (ich dachte, er habe es vergessen): "Ich habe hundert... zweihundert (ich weiß nicht mehr) Rupien gefunden, die in einem Buch waren." (Eine Banknote war an einer Stelle, eine andere woanders.) Er antwortete: "Ja, ich bin gezwungen, sie zu verstekken, sonst nehmen sie sie mir weg." (Mutter lacht)

Ich stehe nicht auf gutem Fuß mit Verstecken.

Siehst du, instinktiv gehe ich hin, nehme das Buch, öffne es und finde das Geld. Darauf fragte ich ihn: "Soll ich dein Geld für dich aufbewahren?" Er sagte: "Das würde die Dinge vereinfachen." Am Ende des Jahres hatte ich dreitausend Rupien von ihm, die aus Büchern und sonstwoher stammten. Ich sagte ihm (lachend):

"Bitte sehr, es hat Früchte getragen!"

*
*   *

(Etwas später liest Satprem Mutter einen ziemlich langen Text vor, danach ist er völlig erschöpft.)

Bist du müde?

Es ist mir, als ob sich die ganze vitale Kraft verflüchtige.

(lange erholsame Konzentration)

Du mußt dich ausruhen.

Jetzt geht es mir gut. Ich weiß nur nicht, warum die Kraft so schnell weggeht.

Aber in der Nacht ruhst du dich aus?

Ja, ja, es geht mir sehr gut. Seltsam ist nur: sobald ich mich auf irgendeine Art anstrenge, ist mir, als ob...

Du kannst nichts tun.

Ja. Aber warum?

Weil wir in einer sehr akuten Phase der Transformation sind. Sehr akut. Wenn man dann einen Fuß auf der Erde hat und den anderen in der Luft, ist das nicht der Moment, wo man...

Das sind so Phasen. Sie dauern nicht allzu lange, aber es kann schon ein, zwei oder drei Monate dauern, und dann ist es vorbei. Ein andermal kommt dann wieder so eine Phase. In solch einem Fall sollte man ganz ruhig bleiben.

Mir ist folgendes aufgefallen: Wenn ich materielle Dinge tue – Kleinigkeiten –, dann ist es, als ob eine ungeheure vitale Kraft in die Arbeit einfließe, und anschließend bin ich immer völlig erschöpft, obwohl ich überhaupt nichts getan habe. Wie kommt es, daß die ganze vitale Kraft weggeht?

Das kommt daher, weil in Zeiten der Transformation die ganze vitale Kraft dazu verwendet wird, den Körper im Gleichgewicht zu halten. Es ist das, was ich den "Wechsel der Regierung" genannt habe, die Zeit der Transformation. Und für die Dauer dieses Wechsels ist die ganze vitale Kraft ausschließlich dazu bestimmt, den Körper im Gleichgewicht zu halten. Das ist nämlich nicht leicht.

Man muß ganz ruhig bleiben und nur das tun, was unerläßlich ist.

Im gewöhnlichen Leben, bei Menschen, die das nicht wissen, findet eine ungeheure Verschwendung von vitalen Kräften statt – für nichts. Wir haben nicht mehr das Recht, so zu handeln, weil die ganze vitale Kraft, wie ich schon sagte, darauf konzentriert werden sollte, das Gleichgewicht des Körpers aufrechtzuerhalten.

Das ist ein weitverbreiteter Zustand bei all jenen, die... nicht den Yoga machen, sondern für die der Yoga getan wird. Und dies geschieht... (wie soll ich sagen?) beinahe ohne ihr Wissen – alles, was sie in einen geeigneten Zustand versetzt, ist zuerst einmal die Aspiration und dann das Vertrauen. Diese beiden Dinge: der Glaube, das Vertrauen, daß das göttliche Bewußtsein am Werk ist, und dann die Sehnsucht nach der Transformation. Das ist alles, was nötig ist, und die Arbeit wird für sie getan. Aber diese Arbeit bringt kein Ungleichgewicht mit sich sondern einen Wechsel des Gleichgewichts. Und um von dem einen Gleichgewicht in das andere überzuwechseln, muß man sich eben ganz ruhig verhalten.

Diese Schwierigkeit, von der du sprichst, die verspüre ich in jeder Minute.

Die Leute, die davon nichts wissen (und fast niemand weiß das), meinen irrtümlicherweise, krank zu sein. Aber es ist keine Krankheit, sondern ein Wechsel im Gleichgewicht, der alle möglichen Formen annimmt, je nach dem jeweiligen Wesen und der Natur des einzelnen. Wenn man dann nicht aufpaßt und sich ein Ungleichgewicht einstellt, dann drückt sich das in einer Form aus, welche die Ärzte "Krankheit" nennen. Hätte ich die Zeit, mir einen Spaß zu machen und ihnen Fragen zu stellen, wären sie gezwungen zuzugeben, daß jeder Fall anders ist – jeder einzelne Fall: es gibt keine zwei identischen Fälle. Sie sagen: "Ja, das ähnelt diesem oder jenem." Wobei es doch nichts anderes als der Übergang vom jahrtausendealten früheren Gleichgewicht zu einem neuen ist, das noch nicht fest begründet ist. In der Übergangsphase zwischen den beiden – ja, da muß man aufpassen, das ist alles. Und sich sehr, sehr stark an die höhere Harmonie klammern.

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