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Mutters

Agenda

siebenten Band

18. Mai 1966

(Nach der Lektüre der ersten Bruchstücke des Sannyasins)

Ich mag deine Art zu schreiben.

Sie wirkt beruhigend.

Aber wenn man einen Roman schreibt, muß man einen Aufbau haben, das heißt, alle möglichen unnützen Dinge müssen eingebracht werden, um bestimmte Punkte zu erreichen, und das ist mühsam. All dieser unnütze Kram, den man darstellen muß, nur um ihn anschließend wieder aufzulösen.

Mich entspannt es sehr, den Bereich der schönen Form, der harmonischen Form zu betreten; ich finde das sehr entspannend.

Dieses materielle Mental – das im Begriff ist, sich zu organisieren, das zu schweigen gelernt hat, zu beten gelernt hat – hat eine Art spontanes Bedürfnis oder spontanen Durst nach Schönheit, nach der schönen Form. Ich sehe das nachts, da drückt sich sein Bedürfnis innerhalb eines Rahmens und durch gewisse Ereignisse aus – Begegnungen und Ereignisse –, wobei der Rahmen immer äußerst weit gesteckt und sehr schön, sehr harmonisch ist. Wenn die Leute sich bewegen, geschieht dies auch harmonisch. Und am Morgen, wenn ich da herauskomme, sehe ich den Fortschritt, die Richtung der Entwicklung; wie gesagt, es besteht ein spontanes Bedürfnis nach der schönen Form.

Gerade jetzt, als ich dir zuhörte, entspannte sich alles mit einem Male und ruhte sich in einer Zufriedenheit aus: "Ach... endlich!" Und dies ist keineswegs mental. Es ist... wie soll ich sagen? Die Harmonie der Form.

Musik tut ihm außerordentlich gut – jedoch nicht die klassische Musik, keine Musik, die mentalen Regeln folgt. Etwas, das einen inneren Rhythmus ausdrückt, die Harmonie eines inneren Rhythmus... Es gibt nicht viel Musik von der Art.

Mit den Worten ist es dasselbe. Der Klang der Worte entspannt sofort.

Liest du mir das noch einmal vor? Lies es nochmal!

(Satprem schüttelt den Kopf, er schämt sich)

*
*   *

Etwas später

Hast du von den Drogen gehört? 1 Hast du die Bilder gesehen?... Ich habe sie gesehen... Die Leute werden völlig wehrlos in das unterste Vital geschleudert, und je nach ihrer Natur finden sie es entweder grauenhaft oder höchst wunderbar. So erscheint zum Beispiel der Stoff eines Kissens oder eines Sitzbezuges plötzlich von wunderbarer Schönheit. Das hält dann zwei, drei Stunden an. Natürlich sind die Leute während dieser Zeit völlig verrückt. Das Schlimme daran ist, daß die Leute von "spirituellen Erfahrungen" reden, und keiner sagt ihnen, daß das ganz und gar nichts mit spirituellen Erfahrungen zu tun hat.

Hier hält sich ein Italiener auf, den ich kürzlich mit seiner Frau empfing (die Frau ist nett, er trägt lange Haare und hat ein mystisches Aussehen... "mystisch" als Redensart, im theatralischen Sinne). Ich fand die beiden nicht besonders interessant, aber sie beabsichtigen, drei oder vier Monate hier zu bleiben. Heute hat er mir einen recht aufschlußreichen Brief geschrieben (auf französisch). Zunächst sagt er, er habe hier eine Erfahrung gehabt – diese Leute sind schrecklich, mein Kind, sobald sie die kleinste Erfahrung machen, haben sie Angst, also hört natürlich alles auf. Doch das ist ein anderes Problem. Aber in diesem Zusammenhang erwähnt er, er habe diese Droge einmal genommen, und er beschreibt deren Wirkung (Mutter zeigt Satprem einen Ausschnitt aus dem Brief):

"Als ich das zweite Mal mit einer normalen Dosis LSD (Lysergsäure) in diesen lichthaften Zustand geriet, hatte ich schreckliche Visionen. Die Wände meines Zimmers belebten sich mit Tausenden von bösartigen und verzweifelten Fratzen, die mich bis in die Nacht hinein verfolgten ..."

Da hast du's.

Und so geht das weiter. Und dann sagt er, er habe hier eine Erfahrung gehabt, und er habe Angst.

Das hat mir jedenfalls einen weiteren Beweis geliefert... Ich habe Bilder davon in Life gesehen: man hat das Gefühl, in einer Nervenheilanstalt gelandet zu sein! Aber er hatte die Erfahrung, was beweist, daß sein Vital... Verstehst du, dies sind Bilder, die im Unterbewußtsein gespeichert sind (Bilder von im Unterbewußtsein gespeicherten Gedanken, Empfindungen und Gefühlen). Diese Bilder steigen an die Oberfläche und werden objektiviert. Das ergibt dann das genaue Abbild von dem, was innen ist!

Wenn man zum Beispiel die Empfindung oder den Gedanken hat, jemand sei schlecht oder lächerlich, oder er liebe einen nicht, irgendwelche Anschauungen dieser Art, so kommt das im allgemeinen in Form von Träumen hoch. Aber in diesem Fall hat man den Traum, ohne zu schlafen. Sie kommen und spielen mit dir das Spiel deiner Vorstellungen: Was von ihnen gedacht wurde, fällt auf einen zurück. Somit ist das ein Hinweis: Für diejenigen, die lächelnde, angenehme, schöne Bilder sehen, bedeutet dies, daß es mit ihrem Vital ziemlich gut bestellt ist, wer hingegen scheußliche oder bösartige Dinge usw. sieht, hat offenbar kein besonders schönes Vital.

Ja, aber gibt es denn kein objektives Vital, bei dem diese Visionen nichts mit dem eigenen Unterbewußtsein zu tun haben?

Doch, das gibt es, aber es hat nicht denselben Charakter.

Nicht denselben Charakter?

Man erfährt dies erst dann, wenn man VÖLLIG BEWUSST in das Vital hineingeht: seines eigenen Vitals bewußt und bewußt in der Welt des Vitals, wie man sich der physischen Welt bewußt ist. Man geht bewußt da hinein. Dann ist es kein Traum, es hat nicht den Charakter eines Traumes, sondern einer Aktivität, einer Erfahrung, und das ist etwas ganz anderes.

Weil es doch wirklich Welten gibt, in denen man verfolgt wird... schreckliche Welten, Welten der Folter und der Verfolgung, oder?

Zu neunzig Prozent subjektiv.

Zu neunzig Prozent. Über ein Jahr lang betrat ich jede Nacht regelmäßig um dieselbe Zeit und auf dieselbe Weise den Bereich des Vitals, um dort eine spezielle Arbeit zu verrichten. Es war nicht das Resultat meines eigenen Willens; ich war dazu bestimmt. Ich hatte dort etwas zu tun. Dieser Einstieg ins Vital wird ja oft beschrieben: es gibt einen Durchgang, an dem Wesen postiert sind, um einem den Eintritt zu verwehren (darüber wird in allen okkulten Büchern viel gesprochen). Nun gut. Ich weiß durch wiederholte Erfahrungen (nichts Zufälliges), daß dieser Widerstand oder dieser böse Wille zu neunzig Prozent psychologisch ist in dem Sinne, daß, wenn du es nicht erwartest oder dich nicht davor fürchtest, wenn in dir nichts vor dem Unbekannten Angst hat und auch keine sonstigen Regungen der Besorgnis und Ängstlichkeit bestehen, dies wie ein Schatten auf einem Gemälde oder die Projektion eines Bildes ist: es hat keinerlei konkrete Realität.

Ein oder zweimal habe ich wirkliche Kämpfe im Vital erlebt, das schon – als ich jemanden rettete, der sich verirrt hatte. Und zweimal habe ich Schläge erhalten, und als ich morgens erwachte, war da ein roter Fleck (Mutter zeigt auf ihr rechtes Auge). Nun, bei diesen beiden Fällen weiß ich, daß es an mir lag; nicht aus Angst (ich hatte nie Angst), sondern weil ich es erwartete. Der Gedanke, daß "etwas passieren könnte", meine Erwartung also, bewirkte, daß der Schlag kam. Dies wußte ich mit Bestimmtheit. Und wenn ich sozusagen in meinem "normalen Zustand" innerer Gewißheit gewesen wäre, hätte es mich unmöglich treffen können. Ich erwartete so etwas, weil Madame Théon in einem vitalen Kampf ein Auge verloren hatte, und dies (lachend) ließ mich etwas Derartiges für möglich halten. Wenn ich aber in meinem Zustand bin (ich kann nicht einmal das sagen, es ist nicht "persönlich", sondern eine Seinsart), wenn man diese wahre Seinsart hat und ein bewußtes Wesen ist, KANN einen das nicht berühren.

Wie die Erfahrung, wenn man auf einen Feind trifft und diesen schlagen will, aber kein Schlag trifft, und alles, was man macht, keinerlei Wirkung hat – das ist immer subjektiv. Ich erhielt absolute Beweise dafür.

Aber was ist dann objektiv?

Es GIBT Welten, es GIBT Wesen, es GIBT Kräfte, sie haben ihre eigene Existenz, aber was ich meine, ist, daß die Form, die deren Beziehung mit dem menschlichen Bewußtsein annimmt, von eben diesem menschlichen Bewußtsein abhängt.

Weißt du, mein Kind, es ist wie mit den Göttern. Genau dasselbe! All diese Wesen des Übermentals, all diese Götter – die Beziehung zu ihnen, die Form dieser Beziehungen hängt vom menschlichen Bewußtsein ab. Man kann... Es steht geschrieben: "Der Mensch ist ein Stück Vieh für die Götter" – aber das gilt nur, wenn der Mensch die Rolle, ein Stück Vieh zu sein, AKZEPTIERT. Im Kern der menschlichen Natur herrscht eine Souveränität allem gegenüber, welche spontan und natürlich ist, sofern sie nicht von bestimmten Ideen und einem vermeintlichen Wissen verfälscht wird.

Man könnte sagen, der Mensch sei der allmächtige Meister aller Seinszustände seiner Natur, nur hat er vergessen, es zu sein.

Sein natürlicher Zustand ist jener der Allmacht – er hat dies vergessen.

In diesem Zustand des Vergessens werden alle Dinge "konkret", ja – in dem Sinne, daß man einen blauen Fleck am Auge kriegen kann (das kann sich in dieser Form zeigen). Aber es kommt nur daher, daß... daß man es zugelassen hat.

Dasselbe gilt für die Götter: sie können dein Leben beherrschen und dich quälen. Sie können dir auch viel helfen. Doch ihre Macht IN BEZUG AUF EINEN SELBST, in bezug auf den Menschen, entspricht der Macht, die wir ihnen geben.

Dies habe ich in den vergangenen Jahren Schritt für Schritt gelernt. Inzwischen bin ich mir dessen völlig sicher.

Natürlich war es in der evolutionären Entwicklung notwendig, daß der Mensch seine Allmacht vergaß, weil sie ganz einfach seinen Hochmut und seine Eitelkeit so sehr aufgeblasen hatte, daß sie völlig entstellt wurde. Also mußte ihm klargemacht werden, daß vieles existiert, was stärker und mächtiger ist als er. Aber im wesentlichen stimmt das nicht. Es war eine Notwendigkeit auf der Bahn des Fortschritts, das ist alles.

Der Mensch ist von seinem Potential her ein Gott. Er glaubte, er sei ein verwirklichter Gott, und er mußte lernen, daß er absolut nichts ist als ein armer kleiner Wurm, der auf der Erde herumkriecht. Also wurde er vom Leben nach allen Regeln der Kunst zurechtgestutzt und -gehobelt, bis er... nicht unbedingt verstand, aber doch eine Ahnung erhielt. Sobald er jedoch seine wahre Position einnimmt, weiß er, daß er potentiell ein Gott ist. Nur muß er es auch werden, das heißt, er muß alles überwinden, was er nicht ist.

Dieses Verhältnis zu den Göttern ist äußerst interessant. Solange sich der Mensch durch seine Bewunderung für die Macht, die Schönheit, die Verwirklichungen dieser göttlichen Wesen betören läßt, ist er ihr Sklave. Doch wenn dies für ihn Seinsweisen des Höchsten sind und nichts weiter, und wenn er selbst eine weitere Seinsweise des Höchsten ist, zu der er werden muß – dann ist das Verhältnis anders, und er ist nicht mehr ihr Sklave – er ist NICHT ihr Sklave.

Im Grunde ist der Höchste die einzige Objektivität.

Du sagst es, mein Kind. Genau so ist es. Genau so.

Nimmt man das Wort Objektivität im Sinne einer "unabhängigen, wirklichen Existenz" – einer Existenz, die in sich unabhängig und wirklich ist –, dann gibt es nur den Höchsten.

*
*   *

Beim Abschied:

Muß ich also warten, bis das Buch fertig ist, ehe ich es zu hören bekomme?...

(Satprem zieht ein Gesicht)

Weißt du, als ich dir zuhörte, war es, als ob ich auf etwas, das sich sehr sanft und gleichmäßig vorwärtsbewegte, ruhen würde und als ob ich eine leuchtende und harmonische Atmosphäre sähe.

Diese Wirkung hatte es sofort auf mich.

Die Erziehung des neuen Mentals. Könnte es doch zu einem Instrument der Schönheit werden – das wäre gut!

Ja, aber die Inspiration ist schwer einzufangen!

(Mutter lacht)

 

1 Es handelt sich um das LSD, ein Derivat der Lysergsäure.

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