SITE OF SRI AUROBINDO'S & MOTHER'S  YOGA
      
Home Page | 07 Bande

Mutters

Agenda

siebenten Band

27. Juli 1966

Heute hat Jyotin, der Gärtner, Geburtstag. Schau, was er mir gebracht hat!... (Mutter reicht Satprem eine doppelte rosafarbene Lotosblüte). Wunderschön.

Der Tag, an dem der Mensch so sein wird...

Genau! Genau dies dachte ich mir auch. Wenn man das sieht, fühlt man unsere Unzulänglichkeit. (Mutter betrachtet weiter die Blume) Wunderschön, nicht wahr?

Der Mensch ist wahrhaftig kein improvement [keine Verbesserung]... voller Elend, Häßlichkeiten, während das hier so offenkundig und spontan ist.

Ja, in den letzten Tagen wurde das Bewußtsein heftig bedrängt. Alles Gemeine, Schäbige, Häßliche, ach, so Armselige und Ohnmächtige, all das... eine solche Lawine!... Dieser arme Körper weinte über seine Unfähigkeit, irgend etwas Höheres zum Ausdruck zu bringen. Die Antwort darauf war sehr einfach, sehr klar, sehr stark, und dann kam die Erfahrung: Die einzige Lösung der Schwierigkeit – the only way out – ist, die göttliche Liebe zu WERDEN. Gleichzeitig war diese Erfahrung eine Weile zugegen (sie hielt ziemlich lange an, über eine halbe Stunde). Dann versteht man, daß alles, durch das man hindurch muß, alle diese Prüfungen, alles Leiden, das ganze Elend, nichts ist im Vergleich zur Erfahrung dessen, was sein wird (und was ist). Aber wir sind noch unfähig, das heißt, die Zellen haben noch keine Kraft. Sie fangen an, eine Fähigkeit zum Sein zu entwickeln, aber sie haben nicht die Kraft, Das zu bewahren – "Das" kann noch nicht bleiben...

Und Das hat eine so außergewöhnliche Macht, alles Bestehende zu transformieren! Alle unsere Vorstellungen (und das wurde sichtbar) von Wundern, von einem wunderbaren Wandel, alle Wunder, von denen erzählt wurde, all dies wirkt wie Kindergeplapper dagegen – es ist nichts. Nichts! Alles, was man versucht, alles, was man anstrebt, all das... Kindereien.

Eines war jedoch klar: es ist noch nicht bereit.

Und es war so außergewöhnlich, daß die Zellen den Eindruck bekamen, sie könnten nicht mehr weiterleben ohne... ohne Das. Dies war ihr Eindruck: Das – oder die Auflösung. Und als Das wegging... Es ist nicht versehentlich weggegangen, sondern willentlich, mit der klaren Regung: "Keine Phantasien jetzt, es gilt, sich darauf vorzubereiten, damit Das bleiben kann!" Es war derart kategorisch (Geste, wie ein Befehl von oben), da gab es nichts zu diskutieren. Als Das wegging, war es wie ein Ersticken. Dann kam der Befehl, mit der Wucht einer Mauer: "Keine Träumereien – vorbereiten!"

Dann wird man wieder vernünftig, und es kommt einem vor wie... ach!

Die Gewißheit ist da, die aus der Erfahrung entstandene Gewißheit: Wenn Das einmal da ist, wird... Oder besser gesagt, wenn Das hier gegenwärtig ist (da Es eine Zeitlang da war), dann sind alle wunderbaren Dinge, die man erfahren konnte, wenn man aufsteigt, hinausgeht und den Körper verläßt, nichts. Nichts. All das hat nicht diese konkrete Realität. Wenn man die Erfahrungen dort oben hat, lebt man darin, und alles andere erscheint trübe und nutzlos im Vergleich dazu, aber selbst diese Erfahrungen erscheinen einem undeutlich im Vergleich zu HIER. Die Welt wurde wirklich dafür erschaffen: um diesem wesentlichen Bewußtsein etwas so Konkretes und Solides, etwas so Reales und ungeheuer Mächtiges hinzuzufügen.

Dem körperlichen Bewußtsein erscheint das allerdings lang. Da oben passiert es offensichtlich mit einem Lächeln, aber für den Körper... Und was ziemlich merkwürdig ist: im Körper besteht nicht diese Freude an einer erinnerten Erfahrung. Man genießt die Erinnerung an Erfahrungen, die sich da oben ereignen, aber hier ist das nicht so. Es ist nicht dasselbe. Der Körper könnte sagen: "Es nützt mir überhaupt nichts, mich zu erinnern: ich will es haben." Denn überall, wo das Mental ins Spiel kommt, hat die Erinnerung einen Reiz, aber dort nicht. Im Gegenteil, die Aspiration, das Bedürfnis zu sein, wird intensiviert. Und das Leben erscheint einem als etwas so Dummes, Falsches, Künstliches und Sinnloses, ohne... "Was soll dieser ganze Blödsinn, den wir die ganze Zeit leben!" Und dennoch, als das da war, wurde nichts zerstört – alles blieb, nur war es etwas ganz anderes.

Später... (Mutter scheint etwas sagen zu wollen, läßt es dann aber sein)... später.

Nein, dies ließ mich etwas verstehen, aber es ist etwas sehr... (wie soll ich sagen?) sehr Persönliches... Als Sri Aurobindo ging, wußte ich, daß ich die Verbindung mit dem psychischen Wesen abtrennen mußte, sonst wäre ich mit ihm gegangen; und da ich ihm versprochen hatte, zu bleiben und diese Arbeit fortzusetzen, mußte ich das tun: ich habe buchstäblich die Tür zum Psychischen verschlossen und mir gesagt: "Vorläufig existiert das nicht mehr." Zehn Jahre war das so. Danach fing es langsam, langsam an, sich wieder zu öffnen – erschreckend. Aber ich war bereit. Es fing an, sich wieder zu öffnen. Diese Erfahrung hatte mich überrascht. Ich fragte mich, warum es so gewesen war, warum ich diesen Befehl erhalten hatte und ausführen mußte. Und als der Körper die Erfahrung der Identifikation mit der göttlichen Liebe hatte (in den letzten Tagen), und sie dann wieder wegging, standen die Zellen einem analogen Phänomen gegenüber (wie jenes, das sich bei Sri Aurobindos Fortgang ereignete), das ihnen befohlen wurde. Da verstand ich, warum die ganze materielle Welt verschlossen ist: damit sie OHNE die Erfahrung (der göttlichen Liebe) sein kann. Natürlich hatte ich verstanden, daß ich angehalten wurde, mich vom Psychischen abzutrennen, weil... es war wirklich unmöglich, ich konnte äußerlich ohne Sri Aurobindos Gegenwart nicht weiterleben. Nun, die Zellen verstanden, daß sie weiterleben und ihr Leben ohne die Gegenwart der göttlichen Liebe führen mußten. Und genauso trug es sich in der Welt zu: es war ein für die Entstehung und Entwicklung der materiellen Welt notwendiges Phänomen.

Aber vielleicht nähert sich... Wir nähern uns dem Augenblick, wo sich das wieder öffnen kann.

(Schweigen)

Erinnerst du dich? Ich weiß nicht mehr, ob es ein Brief oder ein Artikel von Sri Aurobindo war, in dem er von der Manifestation der göttlichen Liebe spricht. Er sagte: "Zuallererst muß sich die Wahrheit durchsetzen, sonst kommt es zu Katastrophen ..." Das verstehe ich sehr gut.

Aber das dauert. (Mutter lacht)

Da oben dauert nichts lange. Aber schließlich ist es unsere Aufgabe, hier zu sein und es hier zu schaffen.

Bei dieser Gelegenheit erhielt ich auch eine Antwort zum Thema Tod. "Man" hatte mir gesagt: "Aber sie wollen alle sterben, weil sie nicht den Mut zum Sein haben, ehe Das sich manifestiert hat." Ich sah – ich sah ganz deutlich, daß das stimmt.

Die Macht des Todes besteht darin, daß sie alle sterben wollen! Nicht so sehr in ihrem aktiven Denken, sondern in der tiefen Empfindung des Körpers. Weil sie nicht den Mut haben, ohne Das zu sein – es braucht großen Mut.

So begann alles mit einer totalen Unwissenheit und einer allgemeinen Dummheit, mit der Teilnahme an allem, was dieses Leben äußerlich ist (als ob dies etwas Wunderbares wäre). Doch sobald man etwas weiser wird, hört es auf, wunderbar zu sein. Das meinte ich mit dieser Blume (Lotos): Wenn man eine Blume betrachten kann, einen so spontanen Ausdruck der wunderbaren göttlichen Liebe, ach, und so frei von Komplikationen, dann versteht man, wie weit dieser Weg noch ist – alle diese Bindungen und Verhaftungen, dieses ganze Gewicht, das man unnützen Dingen beimißt, während doch eine spontane und natürliche Schönheit herrschen sollte.

Wenn die Welt zu früh verstünde, dann würde im Grunde kein Mensch mehr bleiben wollen. Das ist es doch.

Ja, genau, das ist es!

Wenn man zu früh wüßte und den Gegensatz zwischen dem, was ist, und dem, was sein sollte, sähe, dann würde man nicht den Mut aufbringen. Man muß... man muß wirklich ein Held sein – ein Held. Ich versichere dir, ich sehe dies: Diese Zellen sind heldenhaft. Und sie "wissen" nicht im mentalen Sinn. Nur ihre Anbetung rettet sie. Verstehst du: "Was Du willst, Herr, was Du willst, was Du willst ..." mit der Schlichtheit eines offenen Kinderherzens: "Was Du willst, was Du willst, was Du willst." Dann geht es. Aber ohne das ist es nicht möglich. Es ist nicht möglich zu wissen, was sie wissen, und weiterhin zu sein, wenn Das nicht da ist. Verstehst du, mit der Empfindung: "Dir dienen, was Du willst, was Du willst... alles, was Du willst ...", diskussionslos, ohne alles, selbst ohne Gefühl, nichts: "Was Du willst, was Du willst ..."

Das ist die einzige Kraft, es gibt keine andere.

Einige müssen es ja tun, nicht wahr? Sonst würde es niemals geschehen.

Und in dem Augenblick 1 (ein etwas schwieriger Moment) gab es im Bewußtsein... wie ein Schwert weißen Lichts, das sich durch nichts erschüttern läßt und das den Zellen die Empfindung verlieh: "Was! Aber ihr müßtet doch in einer Ekstase der Freude sein, jetzt, wo ihr wißt, was sein wird" – was bereits DA ist, im Prinzip.

Aber es bewirkte eine Art Loslösung gegenüber den Gesten, gegenüber dem Äußeren, als wäre das Leben nicht ganz real – und zugleich doch real, aber die wahre Realität fehlte... Der Eindruck dieser Präsenz ist da, das ist konstant. Das ist immerhin schon etwas, dies schafft ein starkes Gegengewicht zur Empfindung und Wahrnehmung der ganzen Verzerrung. Und es besteht sogar ein nachdrückliches Bestreben dieser Präsenz, auf daß allein Das existieren möge und die Wirklichkeit der Wahrnehmung dessen, was nicht sein soll, mehr und mehr abgeschwächt werde. Es wird eine große Kraft im Wesen aufsteigen, wenn die Wahrnehmung dessen, was nicht sein sollte, gedämpft und ausgelöscht wird wie etwas weit Entferntes, Inexistentes.

Genau das wird zur Zeit vorbereitet.

Was die Arbeit etwas erschwert, ist die Tatsache, daß sie nicht auf das hier (Mutters Körper) begrenzt ist; sie umfaßt alles und jedes, was um mich herum ist... und dies auf eine beträchtliche Entfernung. Denn der Kontakt im Denken ist beinahe perfekt begründet: es ist unmöglich, daß jemand [an Mutter] denkt, ohne eine Antwort im Bewußtsein zu erhalten – eine Reaktion, eine Wahrnehmung. Stell dir also vor, was dies bedeutet... Ziemlich umfangreich und kompliziert.

Es gibt so etwas wie Abstufungen oder Stadien – Stadien der Reaktion im Bewußtsein; Abstufungen, Stadien, entsprechend dem Stand der Entwicklung und des Bewußtseins. Das entspricht – nun, nicht gerade einer riesengroßen, aber doch einer recht ansehnlichen Menge von Menschen. In dieser Wahrnehmung ist die Erde nicht sehr groß.

Und da ist eine Genauigkeit des Details für winzige Dinge, zum Beispiel das, was sich im Bewußtsein eines Individuums abspielt, oder die Reaktion auf gewisse Ereignisse. Das ist überaus präzise. Doch immer besteht ein Verbot, von den Dingen zu sprechen, um ihnen keine Macht zur Konkretisierung zu geben.

Aber so geht die Arbeit voran, auf allen Ebenen (es gibt sogar Ebenen unter den Füßen), andauernd, ohne Unterbruch, Tag und Nacht.

*
*   *

Etwas später

Wir erhalten weiterhin haufenweise Briefe. Leute wollen scharenweise kommen und stellen Fragen. Es wird einen Riesenanlauf geben – einige organisieren sogar Charterflüge! Deshalb sagte ich gestern: "Wir werden einen jährlichen Direktflug haben: Paris – Auroville." Sie wollen einen Flugplatz bauen. Man verhandelt bereits mit der Regierung über das Gelände: es ist riesig, man könnte vier oder fünf Flugplätze daraus machen! Es wird eine Landebahn in Auroville geben: Paris – Auroville! (Mutter sieht sehr vergnügt aus)

Es scheint, daß es 1972 ein neues Flugzeug geben wird, das die Strecke Paris-Indien in vier Stunden schafft (Paris – Auroville)! Das heißt, wenn man abends in Paris startet, landet man hier bei Tagesanbruch (man verliert ja Zeit, wenn man in diese Richtung reist). Und wenn man hier mittags abfliegt, kommt man um zehn Uhr morgens in Paris an – zwei Stunden vor dem Abflug.

Am Ende wird man so schnell sein, daß man am Vorabend seiner Abreise ankommt!

Vier Stunden ist schnell.

Was für ein großartiger Fortschritt!... Ich bin rückständig, weißt du. Wozu soll das gut sein, so schnell zu sein!

Es ist interessant.

Glaubst du wirklich, daß das zu irgend etwas gut ist?

(Mutter lacht... Schweigen) Es passieren schon ziemlich merkwürdige Dinge. Aber darüber werde ich sprechen, wenn ich meine Beobachtungen abgeschlossen habe.

In ein oder zwei Jahren werde ich dazu etwas zu sagen haben.

 

1 In dem Augenblick, wo die göttliche Liebe den Körper verließ.

Rückwärts zum Text

 

 

 

 

 

 

 

in French

in English